TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/7 95/18/0886

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Veröffentlicht am 07.06.1995
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Robl und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S, derzeit Justizanstalt Krems, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 17. November 1994, Zl. IV-487.882/FrB/94, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 17. November 1994 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 8 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, den von ihr dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 13. März 1987 erteilten Sichtvermerk für ungültig.

Der Beschwerdeführer lebe seit ca. 16 Jahren in Österreich und habe hier seine schulische Ausbildung absolviert. Seine Eltern hätten bereits die österreichische Staatsbürgerschaft. Zu seiner Heimat habe der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen mehr. Am 20. Dezember 1993 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen §§ 12 Abs. 1, 16 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG) und § 12 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die Ungültigerklärung des Sichtvermerkes habe aufgrund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zweifellos schwerwiegende Auswirkungen auf seine und seiner Familie Lebenssituation; die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit wögen jedoch im Hinblick auf die Art und Schwere des vom Beschwerdeführer begangenen Deliktes unverhältnismäßig schwerer als seine privaten Interessen am Fortbestehen der Gültigkeit der Aufenthaltsberechtigung. Da der maßgebliche Sachverhalt den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG erfülle, sei der dem Beschwerdeführer (unbefristet) erteilte Sichtvermerk aus Gründen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit für ungültig zu erklären gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2) rechtfertigen.

Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

2. In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen §§ 12 Abs. 1 und 16 Abs. 1 SGG unbestritten. Der aus dieser Feststellung gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG begegnet im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität keinen Bedenken (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0864).

3.1. Die Beschwerde hält dem entgegen, daß der Beschwerdeführer aufgrund der "abgesessenen Freiheitsstrafe ... vollkommen von seiner Sucht geheilt sei", und verweist dazu auf eine "Bestätigung" des Sozialen Dienstes der Justizanstalt Krems vom 2. Mai 1995. Des weiteren legt der Beschwerdeführer eine "Bestätigung" der genannten Einrichtung vom 2. Mai 1995 vor, derzufolge eine "erfolgreiche Arbeitssuche als durchaus realistisch betrachtet werden kann".

3.2. Dieses Vorbringen führt schon deshalb nicht weiter, weil die beiden Bestätigungen von der belangten Behörde aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigt werden konnten und es dem Gerichtshof aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren herrschenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) verwehrt ist, auf sie Bedacht zu nehmen.

4.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe "keinerlei humanitäre Gründe bei der Bescheiderlassung, die aber im § 10 Abs. 3 Ziff. 1 normiert sind, berücksichtigt". Der Fall des Beschwerdeführers hätte als "besonders berücksichtigungswürdig" erachtet werden müssen; aus "humanitären Gründen" wäre von der Erlassung des angefochtenen Bescheides Abstand zu nehmen gewesen, zumal zu bedenken sei, daß der "erst 23-jährige Beschuldigte nicht einen einzigen Verwandten in der Türkei hat".

4.2. Mit der Bezugnahme auf § 10 Abs. 3 Z. 1 FrG läßt die Beschwerde außer acht, daß diese Bestimmung ihrem klaren Wortlaut entsprechend nur bei Vorliegen der Sichtvermerksversagungsgründe gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß § 10 Abs. 2, also nicht auch im Fall des vorliegend herangezogenen § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG, anwendbar ist. Was den Hinweis auf das Fehlen familiärer Beziehungen des Beschwerdeführers in der Türkei anlangt, so ist dieser Umstand im gegebenen Zusammenhang - soweit damit zum Ausdruck gebracht werden soll, daß eine Abschiebung in die Türkei unzulässig sei - rechtlich irrelevant, da mit der Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes weder eine Ausreiseverpflichtung noch eine Abschiebung verbunden ist (vgl. die §§ 22 und 36 FrG).

5. Die belangte Behörde hat in der bei Anwendung des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gebotenen Weise auf die privaten und familiären Interessen des Fremden am Bestehenbleiben seines Aufenthaltsrechtes Bedacht genommen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 94/18/0021, mwN). Wenn sie hiebei diesen Interessen geringeres Gewicht beigemessen hat als den maßgeblichen öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltsrechtes, so ist diese Wertung angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen gravierenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (die im übrigen auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig erscheinen läßt; vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 94/18/0864, mwN) auch bei Vorliegen beachtlicher privater und familiärer Interessen des Beschwerdeführers nicht als rechtswidrig zu erkennen.

6. Da die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

7. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995180886.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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