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L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Stadtgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister Dr. G, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1994, Zl. R/1-V-93056, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: J in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Stadtamtes der Stadtgemeinde X vom 12. August 1992 wurde das Ansuchen des Mitbeteiligten um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem Grundstück Nr. 472/6 der Liegenschaft EZ. 1338 KG W gemäß §§ 61 und 98 Abs. 1 und 2 der NÖ Bauordnung 1976 (NÖ BO) in der Fassung LGBl. 8200-8 "wegen Widerspruch zum geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Stadtgemeinde X (Überschreitung der Wohndichte) und der Nichteinhaltung des § 61 NÖ Bauordnung 1976 (Schutz des Ortsu. Landschaftsbildes)" abgewiesen.
Die Baubehörde I. Instanz ging in der Begründung ihres Bescheides davon aus, daß das den Gegenstand des Antrages bildende Vorhaben im Widerspruch zum Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Stadtgemeinde X steht, weil die festgelegte Einwohnerdichte von 30 EW/ha mit dem projektierten Vorhaben überschritten würde. Die umliegende Bebauung sei dem Charakter nach eine reine Einfamilienhausgegend, welche sowohl aus der bestehenden als auch auf Grund der schon festgelegten Parzellenstruktur für künftige Bebauungen aus dem Flächenwidmungsplan abzuleiten sei.
Der dagegen erhobenen Berufung des Mitbeteiligten wurde mit dem auf dem Sitzungsbeschluß vom 18. Dezember 1992 beruhenden Bescheid des Gemeinerates der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vom 25. Jänner 1993 im hier zu beurteilenden Umfang gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben. Die Berufungsbehörde schloß sich der Begründung der Baubehörde erster Instanz an und führte in Ergänzung zum erstinstanzlichen Bescheid aus, gemäß § 100 Abs. 3 NÖ BO sei der Antrag auf Erteilung der Baubewilligung abzuweisen, wenn das vom Bauvorhaben betroffene Grundstück nicht zum Bauplatz erklärt werden dürfe. Der mitbeteiligte Bauwerber verfüge derzeit über drei Grundstücke. Der Baukörper soll aufgrund des vorgelegten Projektes über die derzeit bestehenden Grundstücksgrenzen hinweg errichtet werden, weshalb diese Grundstücke grundbüchlich zu einem Grundstück vereinigt werden müßten. Der Teil eines Grundstückes, welcher nach den Straßenfluchtlinien zur öffentlichen Verkehrsfläche gehöre, sei gemäß § 13 NÖ BO abzutreten. Da eine Bauplatzerklärung nur nach Vorlage eines entsprechenden Teilungsplanes in einem Verfahren nach § 10 NÖ BO erfolgen könne, hätte auch aus diesem Grunde die Baubehörde I. Instanz nach einem Verfahren gemäß § 98 leg. cit. eine Baubewilligung nicht erteilen dürfen.
Mit Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 22. Dezember 1994 wurde der gegen diesen Berufungsbescheid eingebrachten Vorstellung des Mitbeteiligten gemäß § 61 Abs. 4 NÖ Gemeindeordnung 1973 stattgegeben, der Berufungsbescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Stadtgemeinde zurückverwiesen.
Nach Wiedergabe des Wortlautes der §§ 98 Abs. 2 und 100 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-8 vertrat die Aufsichtsbehörde in der Begründung ihres Bescheides die Auffassung, § 98 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1976 in der Fassung LGBl. 8200-8, der nur generell den Flächenwidmungsplan und nicht die Widmungs- und Nutzungsarten (siehe § 100 Abs. 2 leg. cit.) genannt habe, stelle lediglich eine Verfahrensvorschrift und keine Erweiterung der Versagungsgründe des § 100 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 dar. In Anbetracht des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0064, habe der Niederösterreichische Landtag im Rahmen der Novelle LGBl. 8200-9 durch eine Neuformulierung des § 98 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1976 klargestellt, daß die im Flächenwidmungsplan festgelegte Wohndichte kein Grund für die Abweisung eines Baubewilligungsansuchens, sondern nur eine Planungsgrundlage für die Bebauungsplanung sein sollte. § 14 Abs. 2 Z. 4 des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 verpflichte den Gemeinderat, bei der Erlassung eines Flächenwidmungsplanes im Wohnbauland eine Wohndichte festzulegen, welche 30 Einwohner pro ha nicht wesentlich unterschreiten dürfe. Diese Gesetzesbestimmung stelle somit eine Planungsrichtlinie bei der Erstellung des Flächenwidmungsplanes dar. Die Frage der Zulässigkeit einer Bauführung sei - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/05/0181, ausgeführt habe - unter dem Gesichtspunkt der Widmungs- und Nutzungsarten von derjenigen der Übereinstimmung eines Vorhabens mit der zitierten Vorschrift der Wohndichte des § 14 Abs. 2 Z. 4 NÖ Raumordnungsgesetz 1976 zu trennen. Ein Vorhaben im Sinne des § 100 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1976 verletze somit keine "Bestimmungen dieses Gesetzes", wenn es gegen die festgelegte Wohndichte verstoße. § 4 Abs. 4 Z. 1 NÖ Bauordnung 1976 in der im gegenständlichen Verfahren maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-9 habe lediglich vorgesehen, daß im Bebauungsplan u.a. die "Wohndichte im Wohnbauland laut Flächenwidmungsplan kenntlich zu machen ist". Somit ergebe sich die Wohndichte nicht aus den "Bestimmungen dieses Gesetzes", sondern aus dem aufgrund des NÖ Raumordnungsgesetzes 1976 erlassenen Flächenwidmungsplan. Eine Baubewilligung dürfe daher unter Berufung auf § 100 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1976 nicht deshalb versagt werden, weil im Falle der Ausführung des zu bewilligenden Vorhabens den Bestimmungen über die Wohndichte nicht entsprochen wäre. Im fortgesetzten Verfahren werde der Vorstellungswerber auf das Hindernis des § 21 Abs. 3 NÖ Bauordnung 1976 im Hinblick auf § 98 Abs. 1 2. Satz leg. cit. hinzuweisen und zur Antragstellung auf Grundstücksvereinigung aufzufordern sein.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid "in ihrem Recht auf Bestätigung des Berufungsbescheides durch die Vorstellungsbehörde verletzt, da dieser objektiv rechtswidrig ist".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 98 Abs. 2 der NÖ Bauordnung 1976 in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle LGBl. 8200-9 ist ein Antrag ohne Bauverhandlung abzuweisen, wenn er dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan widerspricht.
Zufolge § 100 Abs. 2 leg. cit. ist die Bewilligung zu versagen, wenn durch die Ausführung des Vorhabens Bestimmungen dieses Gesetzes, der NÖ Aufzugsordnung, LGBl. 8220, der NÖ Mineralölordnung, LGBl. 8270, einer aufgrund dieser Gesetze erlassenen Verordnung oder des NÖ Raumordnungsgesetzes, LGBl. 8000, über die Zulässigkeit von Bauführungen auf Flächen mit bestimmten Widmungs- und Nutzungsarten sowie über Vorbehaltsflächen und Bausperren verletzt werden.
Bereits in seinem Erkenntnis vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0064, auf welches sich beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens beziehen, hat der Verwaltungsgerichtshof hiezu ausgeführt, daß sich - entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde - aus § 98 Abs. 2 der NÖ BO zweifelsfrei ergibt, daß die Baubehörde ein Bauansuchen abzuweisen hat, also vor allem nicht zum Gegenstand einer Bauverhandlung machen darf, wenn es dem Flächenwidmungs- oder Bebauungsplan widerspricht, woraus folgt, daß im Falle einer mit Recht auf diese Bestimmung gestützten Abweisung eines Bauansuchens einem neuerlichen gleichgelagerten Begehren res judicata entgegenstünde. Auch ist - führte der Verwaltungsgerichtshof in dem vorzitierten Erkenntnis, von welchem abzugehen kein Anlaß besteht, sinngemäß aus - ein der im Bezug habenden Flächenwidmungsplan vorgesehenen höchstzulässigen Wohndichte widersprechendes Bauansuchen im Grunde des § 98 Abs. 2 der NÖ BO 1976 abzuweisen. Dem widerspricht auch nicht das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/05/0181, auf welches sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides beruft. In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof nämlich im Zusammenhalt mit § 118 Abs. 4 NÖ BO 1976 ausgeführt, daß eine Baubewilligung unter Berufung auf § 100 Abs. 2 BO nicht deshalb versagt werden dürfe, weil im Falle der Ausführung des zu bewilligenden Bauvorhabens den Bestimmungen über die Wohndichte nicht entsprochen wäre.
Die belangte Behörde hätte daher den Bescheid des Gemeinderates der Beschwerdeführerin nicht deshalb aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverweisen dürfen, weil § 98 Abs. 2 der NÖ BO 1976 in der Fassung LGBl. 8200-8 lediglich eine Verfahrensvorschrift und keine Erweiterung der Versagungsgründe des § 100 Abs. 2 leg. cit. darstelle.
Die belangte Behörde belastete daher schon aus diesem Grunde den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand infolge Gebührenbefreiung der Beschwerdeführerin.
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050048.X00Im RIS seit
03.05.2001