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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit der Änderung eines Bebauungsplanes hinsichtlich der Verschiebung der Baufluchtlinie auf einem Grundstück; keine Verletzung öffentlicher Interessen oder schutzwürdiger Interessen der Nachbarn durch die Möglichkeit zur Errichtung einer GarageSpruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind Eigentümer des Grundstückes Nr. 1906/8, KG Traun. Mit Bescheid vom 18. September 1991 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Traun eine Baubewilligung für die Errichtung einer Garage auf dem Nachbargrundstück Nr. 1906/10. Der gegen diesen Bescheid von den Beschwerdeführern als Anrainer erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Traun vom 2. März 1992 keine Folge gegeben. Den gegen diesen letztinstanzlichen Gemeindebescheid von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellungen gab die Oberösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom 27. April 1992 ebenfalls keine Folge.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Beschwerdeführer behaupten, durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm, nämlich des Bebauungsplanes 411 A1 der Stadtgemeinde Traun - beschlossen vom Gemeinderat am 31. März 1989, genehmigt von der Oberösterreichischen Landesregierung am 19. Juli 1989 - in ihren Rechten verletzt zu sein.
Der (ursprüngliche) Bebauungsplan sei im Jahr 1989 ausschließlich deshalb geändert worden, um den Bauwerbern durch Änderung der Baufluchtlinie die Errichtung einer Garage unmittelbar an der Grundstücksgrenze zur Liegenschaft der Beschwerdeführer zu ermöglichen. Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (Verweis auf VfSlg. 12171/1989) dürfe ein Bebauungsplan nicht geändert werden, um für eine rechtswidrige Bauführung nachträglich die rechtliche Grundlage zu schaffen. Genau dies sei aber hier der Fall, zumal bei der Änderung des Bebauungsplanes keine der Voraussetzungen des §23 des Oberösterreichischen Raumordnungsgesetzes (OÖ ROG), LGBl. 18/1972, vorgelegen sei. Die Beschwerdeführer regen schließlich die amtswegige Prüfung des genannten Bebauungsplanes an und beantragen die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.
3. Sowohl die Stadtgemeinde Traun als auch die Oberösterreichische Landesregierung haben in Gegenschriften die Abweisung der Beschwerde begehrt. Beide bringen im wesentlichen vor, eine im Jahr 1987 erfolgte Änderung des Flächenwidmungsplanes habe die Anpassung des Bebauungsplanes notwendig gemacht, weil der geänderte Bebauungsplan auch dazu diene, die durch die Oberösterreichische Bauordnung (OÖ BauO), LGBl. 35/1976, neu eingeführten Abstandsbestimmungen umzusetzen. Auch die im Interesse des Gemeinwohles vorgenommene Verbreiterung zweier Gemeindestraßen sei für die Änderung des Bebauungsplanes ausschlaggebend gewesen. Daß schließlich auch Anregungen privater Personen in den geänderten Bebauungsplan aufgenommen wurden, belaste diesen keineswegs mit Rechtswidrigkeit, da diese Möglichkeit im OÖ ROG (§21 Abs4) selbst vorgesehen sei. Schließlich weist die Stadtgemeinde Traun darauf hin, daß das bekämpfte Bauvorhaben ohnehin auch gemäß dem alten Bebauungsplan zulässig gewesen sei, die Landesregierung andererseits stellt fest, daß die OÖ BauO selbst in ihrem §30 Abs6 lita die Möglichkeit der Errichtung von Garagen unmittelbar an der Grundstücksgrenze vorsehe. Schon daraus ergebe sich, daß durch die geplante Bauführung Interessen Dritter nicht verletzt würden. Somit seien sämtliche in §23 OÖ ROG festgelegten Voraussetzungen für die Änderung eines Bebauungsplanes erfüllt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der Sache nach richten sich die von den Beschwerdeführern geäußerten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Bebauungsplanes Nr. 411 A1 der Stadtgemeinde Traun. Durch diese Verordnung (zur rechtlichen Qualität von Änderungsplänen als Verordnungen vgl. zB VfSlg. 8119/1977 und 11059/1986) wurde der Teilbebauungsplan Nr. 17 der Marktgemeinde Traun aus dem Jahr 1972 für das Gebiet zwischen Traunerstraße - Zufahrt zum Badesee - Geh- und Radweg - Ganglgutstraße geändert. Unter anderem legt der neue Bebauungsplan fest, daß auf dem Grundstück Nr. 1906/10 an der südöstlichen Grundstücksgrenze, somit unmittelbar an die Liegenschaft Nr. 1906/8 anschließend, eine Garage errichtet werden kann. Dieser Bebauungsplan wurde von der Oberösterreichischen Landesregierung bei Erlassung des bekämpften Bescheides angewendet und ist auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren, soweit er das Grundstück Nr. 1906/10 betrifft, präjudiziell.
2. §23 Abs1 und 2 des OÖ ROG haben folgenden Wortlaut:
"(1) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne sind bei Änderung der maßgeblichen Rechtslage oder wenn es das Gemeinwohl erfordert zu ändern.
(2) Flächenwidmungspläne und Bebauungspläne können geändert werden, wenn öffentliche Interessen, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes bei der Aufstellung von solchen Plänen zu berücksichtigen sind, und Interessen Dritter nicht verletzt werden."
3. Es mag zutreffen, daß, wie die Stadtgemeinde Traun und die Oberösterreichische Landesregierung in ihren Gegenschriften darlegen, eine Reihe von Veränderungen, die durch den neuen Teilbebauungsplan festgelegt wurden, im Sinne des §23 Abs1 OÖ ROG nicht nur gerechtfertigt sondern auch erforderlich waren. Für die von den Beschwerdeführern bekämpfte Verschiebung der Baufluchtlinie auf dem Grundstück Nr. 1906/10 kann jedoch weder eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage noch die Wahrung des Gemeinwohls als Änderungsgrund herangezogen werden. Bezüglich dieser, im vorliegenden Fall allein maßgeblichen Änderung des Bebauungsplanes wird dies auch von keiner Partei behauptet.
Allerdings findet die zu untersuchende Bebauungsplanänderung hinsichtlich des Grundstückes Nr. 1906/10 durchaus in §23 Abs2 OÖ ROG ihre Deckung: Daß öffentliche Interessen durch die Errichtung einer Garage direkt an einer Grundstücksgrenze verletzt würden, ist nicht ersichtlich. Auch von einer - im Sinne des §23 Abs2 OÖ ROG zu berücksichtigenden - Verletzung von Interessen Dritter kann nicht die Rede sein. Daß die Beschwerdeführer einen größeren Abstand zwischen ihrem Wohnhaus und der Garage ihres Nachbarn bevorzugen, ist verständlich, bedeutet aber noch nicht, daß dieser Wunsch ein im Sinne des §23 Abs2 OÖ ROG schutzwürdiges Interesse darstellt. Vielmehr ergibt sich bereits aus der OÖ BauO (§30 Abs6 lita), daß bestimmte Garagen auch auf der an sich von einer Bebauung freizuhaltenden Fläche eines Grundstückes, also auch unmittelbar an der Grundgrenze, errichtet werden können. Schon daraus kann geschlossen werden, daß durch eine derartige Bauführung im Regelfall weder öffentliche Interessen noch Interessen Dritter verletzt werden. Im vorliegenden Fall trifft dies umso mehr zu, als aus dem Bebauungsplan ersichtlich ist, daß die betreffende Garage zwar an der nordöstlichen Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer geplant ist, daß sie aber lediglich schräg gegenüber deren eigener Garage, die ebenfalls direkt an die Grundstücksgrenze gebaut ist, liegen soll und ohnehin nicht unmittelbar an unbebaute, begrünte Flächen des Nachbargrundstücks angrenzt.
Bei diesem Ergebnis kann es dahingestellt bleiben, ob die Errichtung der geplanten Garage ohnehin bereits aufgrund des (alten) Bebauungsplanes Nr. 17 zulässig gewesen wäre oder ob diese Möglichkeit tatsächlich erst durch den neuen Bebauungsplan geschaffen wurde.
Wenn die Beschwerdeführer in ihrem Vorbringen auf das Erkenntnis VfSlg. 12171/1989 verweisen, so ist dies schon deswegen nicht zielführend, weil dem genannten Erkenntnis ein anders gelagerter Sachverhalt zugrunde liegt: Eine Änderung des Bebauungsplanes erfolgte damals einzig und allein zu dem Zweck, die rechtliche Grundlage für ein - rechtswidriger Weise - bereits errichtetes Wohnhaus zu schaffen. Der hier zu beurteilende Bebauungsplan hingegen brachte eine Reihe von - hier auf ihre Rechtmäßigkeit nicht zu untersuchenden - Änderungen für einen erheblichen Teil des Gemeindegebietes. Im Verfahren zur Erlassung dieses Änderungsplanes haben die Eigentümer des Grundstückes Nr. 1906/10 eine Anregung gemäß §21 Abs4 OÖ ROG auf Verschiebung der Baufluchtlinie in einem Teilbereich ihres Grundstückes eingebracht. Der Gemeinderat hat diese Anregung bei Änderung des Bebauungsplanes berücksichtigt, da er darin - zu Recht - keinen Widerspruch zu den im OÖ ROG verankerten Änderungsvoraussetzungen erkennen konnte. Keineswegs hat der Gemeinderat mit Erlassung des Änderungsplanes die Rechtswidrigkeit eines bereits errichteten Bauwerkes saniert.
4. Da somit aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken gegen den die Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides bildenden Bebauungsplan Nr. 411 A1 der Stadtgemeinde Traun bestehen und in die Verfassungssphäre reichende Fehler der belangten Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides weder behauptet wurden noch im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof hervorgekommen sind, ist die Beschwerde abzuweisen.
Die antragsgemäße Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof stützt sich auf Art144 Abs3 B-VG.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Bebauungsplan, Planungsakte Verfahren (Bebauungsplan), Nachbarrechte, Abänderung (Bebauungsplan)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1993:B755.1992Dokumentnummer
JFT_10069681_92B00755_2_00