Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der X-GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Dezember 1994, Zl. MA 63-P 267, 268/94, betreffend Entziehung von Gewerbeberechtigungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Dezember 1994 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 6. und 7. Bezirk, jeweils vom 29. April 1994, betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 124 Z. 27 GewO 1994, beschränkt auf den Werbungsmittler und betreffend die Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 124 Z. 27 GewO 1994, beschränkt auf den Werbeberater, abgewiesen und die angefochtenen Bescheide bestätigt. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß über das Vermögen der Beschwerdeführerin mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 17. September 1993, Zl. n1/93, der Konkurs eröffnet worden war und es bislang nicht zum Abschluß und zur Erfüllung eines Zwangsausgleiches gekommen sei. Die Beschwerdeführerin habe in ihrer Berufung im wesentlichen vorgebracht, sie strebe einen Zwangsausgleich an, den sie aber nur dann erfüllen könne, wenn sie wieder eine Geschäftstätigkeit entfalten dürfe. Im Rahmen des Zwangsausgleiches könnten die Forderungen der Konkursgläubiger in einem wesentlich höheren Maße befriedigt werden, weshalb die Entziehung der Gewerbeberechtigungen den Gläubigerinteressen widerspreche. Mit Schriftsatz vom 18. November 1994 habe die Beschwerdeführerin ergänzend vorgebracht, daß ein Antrag auf Abschließung eines Zwangsausgleiches bislang noch nicht erfolgt sei, weil noch mehrere Verfahren zur Eintreibung von Forderungen für die Konkursmasse gerichtsanhängig seien und die Einbringung dieser Beträge die Aussichten der Gläubiger auf Befriedigung auch im Rahmen eines Zwangsausgleichsverfahrens wesentlich erhöhen würde, sodaß es derzeit noch verfrüht erscheine, einen Antrag auf Abschließung eines Zwangsausgleiches zu stellen. Derzeit könnte in einem solchen Antrag nur eine Quote von 20 % und längere Zahlungsfristen angeboten werden. Für den Fall der positiven Erledigung der gerichtsanhängigen Verfahren sei ein wesentlich günstigeres Zwangsausgleichsangebot zu erwarten.
Eine weitere Ausübung der Gewerbe durch die Beschwerdeführerin wäre nur dann vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen, wenn eine Erfüllung der mit den gewerblichen Tätigkeiten verbundenen Zahlungspflichten zu erwarten wäre, wozu die erforderlichen liquiden Mittel vorhanden sein müßten. Es sei jedoch nicht ausreichend, daß die weitere Ausübung der gegenständlichen Gewerbe es der Beschwerdeführerin unter Umständen ermöglichen würden, den Konkursgläubigern im Rahmen des Zwangsausgleiches erhöhte Befriedigungsquoten anzubieten. Die Beschwerdeführerin habe nicht einmal behauptet, daß sich ihre wirtschaftliche Lage mittlerweile so gebessert hätte, daß eine Erfüllung der mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten zu erwarten sei. Auf Grund der im Schriftsatz vom 18. November 1994 dargestellten derzeitigen wirtschaftlichen Situation sei vielmehr zu befürchten, daß durch eine Ausübung der Gewerbe weitere Gläubiger geschädigt werden könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, "die Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses nicht zu entziehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist," verletzt. Sie bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe die Rechtsfrage, ob die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen sei, unrichtig gelöst. Das vorwiegende Interesse der Gläubiger an einer weiteren Gewerbeausübung sei nämlich dann anzunehmen, wenn auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Gewerbeinhabers davon ausgegangen werden könne, daß dieser den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde. Das vorwiegende Interesse der Gläubiger an einer weiteren Gewerbeausübung setze daher voraus, daß der Gewerbeinhaber über die erforderlichen liquiden Mittel verfüge, um seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit abzudecken. Entscheidungsrelevant sei somit nicht die Höhe der Verbindlichkeiten an sich oder das prozentuelle Ausmaß der Schuldtilgung, sondern ausschließlich, ob andrängende Gläubiger Befriedigung fänden. Die belangte Behörde habe nun davon auszugehen gehabt, daß "zum Zeitpunkt der Beschlußfassung" der Beschwerdeführerin Barmittel im Ausmaß von 20 % der gesamten Forderungen zur Verfügung gestanden seien, darüber hinaus noch offene Forderungen, deren Einbringlichmachung betrieben worden sei. Auf Grund der vorhandenen Barmittel sei aber jedenfalls davon auszugehen gewesen, daß die Beschwerdeführerin in der Lage sei, die laufenden Verbindlichkeiten bei Fälligkeit abzudecken. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt die Beschwerdeführerin vor, sie sei von der belangten Behörde mit Schreiben vom 27. Oktober 1994 zur Äußerung zu der Tatsache aufgefordert worden, daß es im gegenständlichen Konkursverfahren noch zu keinem Zwangsausgleich gekommen sei. Dieser Aufforderung entsprechend habe sie mit Schreiben vom 18. November 1994 die Gründe bekanntgegeben, welche die Durchführung eines Zwangsausgleichsverfahrens zu diesem Zeitpunkt als verfrüht hätten erscheinen lassen. Gleichzeitig habe sie aber bekanntgegeben, daß ein Zwangsausgleichsantrag mit dem Mindestangebot von 20 % eingebracht werden könne. Völlig verfehlt sei daher die Begründung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe nicht einmal behauptet, daß eine Erfüllung der mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten zu erwarten wäre. Zwar sei der Gewerbeinhaber zur Mitwirkung im Ermittlungsverfahren durch entsprechendes Sachvorbringen und Erstattung von Beweisanboten verpflichtet. Die Behörde könne dem Gewerbeinhaber jedoch nicht den Nachweis der Schuldenfreiheit auftragen, weil das Verwaltungsverfahren amtswegig zu führen und im allgemeinen keine Beweislast vorgesehen sei. Auf Grund des Vorbringens der Beschwerdeführerin habe die Gewerbebehörde davon ausgehen müssen, daß Barmittel vorhanden seien - woraus zu schließen gewesen wäre, daß die laufenden Verbindlichkeiten erfüllt werden könnten - und sie hätte, zumal ihr Zweifel über die Zahlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin geblieben seien, weitere Erhebungen über die tatsächlich vorhandenen Barmittel und die laufenden Forderungen anstellen müssen. Die belangte Behörde habe aber weder die Beschwerdeführerin aufgefordert, den Stand der vorhandenen Barmittel bekanntzugeben (dieser habe sich zum 31. Dezember 1994 auf S 459.565,38 belaufen), noch habe sie Erhebungen über die offenen Forderungen der Beschwerdeführerin angestellt. Sie habe somit den Sachverhalt trotz des Vorbringens der Beschwerdeführerin, es könne (zum 18. November 1994) ein 20 %iger Zwangsausgleich angeboten werden, wobei die Befriedigungsaussichten für die Gläubiger zu einem späteren Zeitpunkt weit höher wären, nur unvollständig erhoben und damit das Recht der Beschwerdeführerin auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und auf Parteiengehör verletzt.
Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Zunächst ist festzuhalten, daß das Vorliegen der Voraussetzungen für die Entziehung der Gewerbeberechtigungen der Beschwerdeführerin gemäß § 87 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 13 Abs. 3 GewO 1994 in der Beschwerde nicht bestritten wird und sich auch aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt für die Annahme ergibt, daß dies nicht der Fall wäre. Es geht daher im vorliegenden Fall ausschließlich darum, ob die belangte Behörde die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 87 Abs. 2 GewO 1994 anzunehmen gehabt hätte.
Gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 kann die Behörde von der in Abs. 1 Z. 2 vorgeschriebenen Entziehung der Gewerbeberechtigung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrags auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens absehen, wenn die Gewerbeausübung vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0186), ist - ausgehend vom normativen Gehalt der zitierten Bestimmung - die Gewerbeausübung nur dann "vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen", wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage erwartet werden kann, daß der Gewerbetreibende auch den mit der Ausübung des den Gegenstand der ausgesprochenen Entziehung bildenden Gewerbes verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird, was jedenfalls voraussetzt, daß die erforderlichen liquiden Mittel zur Abdeckung der diesbezüglichen Verbindlichkeiten vorhanden sind. Hingegen ist es nicht schon allein entscheidungsrelevant, daß das Gewerbe ausgeübt wird, damit die vorhandenen Forderungen berichtigt werden.
Daß die finanziellen Mittel der Beschwerdeführerin ausreichend wären, um sämtliche unbestrittenermaßen gegen sie bestehenden offenen Forderungen gänzlich zu erfüllen, behauptet die Beschwerdeführerin, die von der Möglichkeit der Erfüllung bloß "laufender Verbindlichkeiten bei Fälligkeit" ausgeht, selbst nicht. Es genügt aber - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - nicht, daß eine Erfüllung der "laufenden" Zahlungspflichten erwartet werden kann. Denn es geht bei der Beurteilung, ob das Absehen von der Entziehung der Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 2 GewO 1994 vorwiegend im Interesse der Gläubiger gelegen ist, ausschließlich darum, daß die Zahlungspflichten gegenüber allen Gläubigern gleichermaßen bei Fälligkeit erfüllt werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1994, Zl. 93/04/0030). Wenn die belangte Behörde daher auf Grund des Schreibens der Beschwerdeführerin vom 18. November 1994, wonach ein Zwangsausgleichsantrag nur mit dem Mindestangebot von 20 % eingebracht werden könnte, "wobei auch hiefür eine längere Zahlungsfrist angeboten werden müßte", jedoch ein "allfälliger Eingang" gerichtlich betriebener Forderungen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger wesentlich erhöhen würde, zur Auffassung gelangte, die derzeitige wirtschaftliche Lage der Beschwerdeführerin lasse eine Erfüllung der mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nicht erwarten, sondern es sei vielmehr zu befürchten, daß durch eine Ausübung der Gewerbe weitere Gläubiger geschädigt werden könnten, so kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Alleine die Behauptung, die finanziellen Mittel würden (nur) für einen Zwangsausgleich reichen, indiziert nämlich, daß die Beschwerdeführerin die (jetzt) andrängenden Gläubiger nicht befriedigen kann. Auf die Rechtsfolgen eines allfälligen Zwangsausgleichs war im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht Bedacht zu nehmen.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe weder den Stand der vorhandenen Barmittel erhoben, noch Ermittlungen über die offenen Forderungen der Beschwerdeführerin angestellt, so trifft dies nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten zwar zu. Damit wird allerdings kein Verfahrensmangel dargetan. Denn einerseits wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben der belangten Behörde vom 27. Oktober 1994 unter Vorhalt der Mitteilung des Konkursgerichtes, wonach es noch zu keinem Zwangsausgleich gekommen sei, aufgefordert, sich dazu zu äußern und es bestand solcherart für die Beschwerdeführerin hinreichend Anlaß und Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren ihre finanzielle Situation darzulegen. Andererseits korrespondiert dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen behördlichen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiell-rechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmale faktische Grenzen gesetzt sind, was auch für die Bestimmung des § 87 Abs. 2 GewO 1994 insofern zutrifft, als die damit im Zusammenhang stehenden Feststellungen notwendigerweise ein entsprechendes Vorbringen und Bescheinigungsanbieten der Partei voraussetzen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1994, Zl. 94/04/0124). Ein solches - die Verpflichtung der Behörde zu weiteren Ermittlungen auslösendes - Vorbringen hat die Beschwerdeführerin auf Grund des Schreibens der belangten Behörde vom 27. Oktober 1994 jedoch nicht erstattet.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden, weil auf Grund der Schriftsätze offenkundig ist, daß die Entscheidung des Beschwerdefalles nicht von einer weiteren Klarstellung des Sachverhaltes abhängt, sodaß eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten ließ. Die Beschwerdeführerin hat auch in ihrem Verhandlungsantrag keine Gründe vorgebracht, die eine Erörterung des vorliegenen Beschwerdefalles in einer mündlichen Verhandlung angezeigt erscheinen ließen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995040043.X00Im RIS seit
20.11.2000