TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/28 94/16/0151

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Veröffentlicht am 28.06.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/06 Verkehrsteuern;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §1;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
GrEStG 1955 §20 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/16/0170

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des P in K, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in K, gegen 1) den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt vom 10. Dezember 1993, ErfNr. 301.536/93, StNr. 105/4392, und

2) den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 6. Mai 1994, Zl. 128-6/94, beide betreffend Grunderwerbsteuer

Spruch

zu 1) den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

zu 2) zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Beschwerdefall ist strittig, ob ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG 1955 rückgängig gemacht wurde und deswegen die Grunderwerbsteuer nach § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 nicht festzusetzen war.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, die Berufung gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt vom 10. Dezember 1993 (unter 1) genannte Bescheid) abweisenden Berufungsbescheid vom 6. Mai 1994 (unter 2) genannte Bescheid) vertrat die belangte Behörde die Ansicht, es habe weder eine Rückübertragung der Liegenschaft an den seinerzeitigen Veräußerer stattgefunden, noch habe dieser die volle wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaft wiedererlangt. Die in Rede stehende Liegenschaft sei zwangsversteigert und einer näher bezeichneten Kärntner Bank auf Grund einer Versteigerung zugeschlagen worden. Dieser Grundstückserwerb im Zwangsversteigerungsverfahren sei ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 2 GrEStG 1955. Damit seien sowohl die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Liegenschaft als auch das bücherliche Eigentum von der seinerzeitigen Erwerberin an die Bank übergegangen. Ein Erwerbsvorgang sei dann im Sinne des § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluß innegehabt habe, durch einen der im § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 genannten Rechtsvorgänge wiedererlangt habe. Dies sei nicht erfolgt. Im übrigen sei der von der Käuferin gestellte und beim Finanzamt Klagenfurt eingebrachte Antrag auf Nichtfestsetzung der Grunderwerbsteuer nicht innerhalb der Frist des § 20 Abs. 5 GrEStG eingelangt.

Demgegenüber brachte der Beschwerdeführer vor, es stehe unbestrittenermaßen fest, zwischen dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Liegenschaftsverkäufer und der Käuferin sei ein Rücktrittsrecht vereinbart worden und diese habe vom Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht. Allerdings wäre für die Rechtsgültigkeit der Rücktrittsvereinbarung die Entgegennahme der Willenserklärung durch den ehemaligen Verkäufer erforderlich gewesen, über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden sei. Bei Beachtung des § 3 KO sei dieser aber verfügungsunfähig gewesen bzw. wären Rechtshandlungen, die er gesetzt hätte, gegenüber den Konkursgläubigern unwirksam. Er hätte also die von der Käuferin ausgesprochene Rücktrittserklärung nicht annehmen können. Dazu habe er vielmehr die zustimmende Willenserklärung des Masseverwalters benötigt. Die belangte Behörde hätte also beim Masseverwalter anzufragen gehabt, ob er der Annahme der Rücktrittserklärung zustimme. Auf jeden Fall hätten sie die Rücktrittsvereinbarung ab der Konkursaufhebung als wirksam zu behandeln gehabt. Der Hinweis der Behörde auf die fehlende Rückübertragung gehe ins Leere. Abgesehen davon, daß die ehemaligen Vertragspartner die Mitwirkung des Masseverwalters einzuholen gehabt hätten, sei ja zum Zeitpunkt der Geltendmachung des Rücktrittsrechtes die Liegenschaft bereits in einer Exekution verfangen gewesen. Eine Rückübertragung an den Antragsteller sei somit überhaupt nicht möglich gewesen. In diesem Fall habe daher die Abänderung der Steuer nicht an den Rückerwerb des Eigentums durch den Veräußerer gekoppelt werden können. Denkunmöglich sei es auch gewesen, den vor der Übertragung bestandenen rechtlichen und tatsächlichen Zustand wiederherzustellen.

Die Beschwerde macht sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf "Abänderung" (gemeint wohl: Nichtfestsetzung) der Grunderwerbsteuer gemäß § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 verletzt und beantragt, sowohl den erstinstanzlichen Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Klagenfurt vom 10. Dezember 1993 als auch den Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 6. Mai 1994 aufzuheben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, mit der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem zu 1) gemäß § 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a VwGG und zu 2) gemäß Abs. 2 leg. cit. gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirktlichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden.

Nach § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 wird die Steuer auf Antrag nicht festgesetzt, wenn der Erwerbsvorgang innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuerschuld durch Vereinbarung, durch Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts oder eines Wiederverkaufsrechts rückgängig gemacht wird.

Die Anwendung des § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 hat nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes die Rückgängigmachung des Erwerbsvorganges zur unabdingbaren Voraussetzung. Es wird also vorausgesetzt, daß auf Grund eines nachfolgenden gesonderten Willenaktes der Parteien oder auch nur einer Partei der seinerzeitige Erwerbsvorgang hinfällig gemacht oder doch zumindest anders gestaltet worden ist. Rückgängig gemacht ist ein Erwerbsvorgang dann, wenn sich die Vertragspartner derart aus ihren vertraglichen Bedingungen entlassen haben, daß die Möglichkeit der Verfügung über das Grundstück nicht beim Erwerber verbleibt, sondern der Veräußerer seine ursprüngliche Rechtsstellung wiedererlangt. Ein Erwerbsvorgang ist also nur dann rückgängig gemacht, wenn der Verkäufer jene Verfügungsmacht über das Grundstück, die er vor Vertragsabschluß inne hatte, wiedererlangt hat (vgl. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. April 1984, Zl. 82/16/0165, sowie Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/16/0139).

Davon kann aber im Beschwerdefall keine Rede sein. Bringt doch der Beschwerdeführer selbst vor, eine Rückübertragung an den Beschwerdeführer sei überhaupt nicht möglich gewesen und es sei weiters denkunmöglich auch den vor der Übertragung bestandenen rechtlichen und tatsächlichen Zustand wiederherzustellen. Die belangte Behörde durfte daher mit Recht davon ausgehen, daß die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Z. 1 GrEStG 1955 nicht gegeben sind.

Im übrigen liegt auch der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Entscheidend war nämlich der Zuschlag bei der Zwangsversteigerung am 16. Juli 1986, zufolge dessen die Ersteherin Eigentum erworben hat. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde nicht weiter verhalten, Nachforschungen darüber anzustellen, ob der Masseverwalter der Rücktrittserklärung zugestimmt hat, weil auch sogar mit diesem Antrag eindeutig zum Ausdruck kam, daß der Beschwerdeführer als Verkäufer die Verfügungsmacht über das Grundstück tatsächlich nicht wiedererlangt hat.

Die Beschwerde gegen den unter 2) angefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges. Unter "Erschöpfung des Instanzenzuges" ist die restlose Ausschöpfung aller Anfechtungsmöglichkeiten des administrativen Verfahrens zu verstehen. Dies hat zur Folge, daß immer nur der Bescheid, der von der nach der gesetzlichen Ordnung des Instanzenzuges im Einzelfall in Betracht kommenden Behörde der höchsten Organisationsstufe erlassen worden ist, nicht aber ein in der Angelegenheit ergangener Bescheid einer Verwaltungsbehörde niederer Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann.

Im vorliegenden Fall richtet sich die unter 1) angeführte Beschwerde gegen einen Bescheid einer Abgabenbehörde erster Rechtsstufe, an dessen Stelle nach erhobener Berufung der unter

2) angefochtene Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten getreten ist. Die vorliegende Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern vom 10. Dezember 1993 war daher wegen offenbarer Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Schlagworte

InstanzenzugOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetze

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994160151.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.07.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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