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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 6. Juni 1994, Zl. 0/82-5/1300705/54-1994, betreffend Begünstigung bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Pensionsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1943 geborene Beschwerdeführerin steht seit 1. Oktober 1992 in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Land Salzburg. Ihre letzte Dienststelle war die Salzburger Landesdelegation in der Bundeshauptstadt Wien.
Anläßlich des Verfahrens, mit dem sie gemäß § 14 BDG i.V.m.
§ 2 Abs. 1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987 in den Ruhestand versetzt wurde, beantragte sie gemäß § 9 PG die Zurechnung von 10 Jahren zur Ruhebemessungszulage, weil sie nicht nur dienstunfähig, sondern auch erwerbsunfähig sei. Diesem Antrag legte sie ärztliche Bestätigungen bei.
Die belangte Behörde ließ ein amtsärztliches Gutachten erstellen, nach welchem eine volle Dienstverpflichtung für die Beschwerdeführerin für nicht mehr möglich erachtet wurde. Möglich sei der Beschwerdeführerin eine maximale Arbeitsleistung von vier Stunden pro Tag unter Einhaltung einer viertelstündlichen Pause nach zwei Stunden. Auch könne die Beschwerdeführerin nicht mehr als fünf Kilogramm und das nur für kurze Zeit tragen. Auch Arbeiten unter einem ständigen überdurchschnittlichen Zeitdruck seien ihr nicht zumutbar.
Aufgrund der Aktenunterlagen wurde ein berufskundliches Gutachten erstellt, in dem Tätigkeiten bezeichnet wurden, die die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Ruhestandversetzung noch habe verrichten können.
Zu diesem berufskundlichen Gutachten erstattete die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20. Mai 1994 eine Stellungnahme, in der sie angab, im Jahr 1994 habe sich ihr Gesundheitszustand nach zwei Krankenhausaufenthalten noch weiter verschlechtert. Sie sei nicht in der Lage, einer ordnungsgemäßen und regelmäßigen - wenn auch tagsüber nur kurzfristigen - Erwerbstätigkeit nachzukommen. Aufgrund ihrer ständig anfallenden Krankheitstage, Kuraufenthalte sowie Nachuntersuchungen und Nachbehandlungen sei es auch einem Arbeitgeber nicht zumutbar, sie zu beschäftigen. Aufgrund dieser Stellungnahmen bringe es daher wenig Sinn, auf den Inhalt des berufskundlichen Gutachtens mit den dort angeführten Möglichkeiten für die Verrichtung leichter Arbeiten einzugehen.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit folgendem Spruch:
"Es wird festgestellt, daß eine Zurechnung von Zeiträumen zu ihrer ruhegenußfähigen Gesamtdienstzeit nicht durchgeführt werden kann.
Rechtsgrundlagen: § 8 Abs. 1 des Salzburger Landesbeamtengesetzes 1987 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 des Pensionsgesetzes 1965, in der jeweils geltenden Fassung."
In der Begründung führte die belangte Behörde zunächst die eingeholten bzw. vorgelegten Gutachten an. Danach gab sie auszugsweise das medizinische Gutachten von Dr. W. vom 11. Jänner 1994 wieder, wonach der Beschwerdeführerin nur eine leichte Arbeit, welche dauerndes Gehen, dauerndes Stehen oder dauerndes Sitzen vermeide, möglich sei. Eine maximale Arbeitsleistung von vier Stunden pro Tag mit einer viertelstündlichen Pause nach zwei Stunden für Bewegungsübungen werde als möglich erachtet. Nicht möglich seien das Tragen von Lasten sowie Arbeiten mit einem ständigen überdurchschnittlichen Zeitdruck. Danach zitierte die belangte Behörde auszugsweise das berufskundliche Gutachten, wonach die zumutbare Arbeitsleistung der Beschwerdeführerin eine Teilzeitbeschäftigung von 20 oder 24 Stunden die Woche ergäbe. Diese Eignung bedinge keinesfalls einen Ausschluß vom Arbeitsmarkt. Die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung in der Lage gewesen, verschiedene Erwerbstätigkeiten im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung auszuüben. Es seien dies Erwerbstätigkeiten, die sowohl im Bereich des öffentlichen Dienstes als auch im sonstigen Bereich anfielen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sei bei der Beurteilung des Gesundheitszustandes jedoch auf den Zeitpunkt der Versetzung in den Ruhestand abzustellen. Daraus ergebe sich, daß zu diesem Zeitpunkt Erwerbsunfähigkeit nicht vorgelegen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 9 Abs. 1 des gemäß § 2 Abs. 1 Salzburger Landesbeamtengesetz 1987 LGBl. Nr. 1, anwendbaren Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340, (PG), lautet:
"Ist der Beamte ohne sein vorsätzliches Verschulden zu einem zumutbaren Erwerb unfähig geworden, so hat ihm seine oberste Dienstbehörde aus Anlaß der Versetzung in den Ruhestand den Zeitraum, der für die Erlangung des Ruhegenusses im Ausmaß der Ruhegenußbemessungsgrundlage erforderlich ist, höchstens jedoch zehn Jahre zu seiner ruhegenußfähigen Bundesdienstzeit zuzurechnen."
Gemäß § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über die Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 dieses Gesetzes sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Zur Zumutbarkeit i.S.d. § 9 Abs. 1 PG 1965 hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 9. April 1970, Zl. 47/70, Slg. N.F. 7775/A, oder auch Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 86/12/0115) erkannt, daß Tätigkeiten, die der Beamte vom medizinischen Standpunkt noch auszuüben vermag, dann zumutbar sind, wenn sie ihrer sozialen Geltung nach der früheren Beschäftigung, der dienstlichen Stellung und der Fortbildung des Beamten annähernd gleichkommen und wenn die Aufnahme der Tätigkeit vom Beamten auch nach seinen sonstigen persönlichen Lebensumständen billigerweise erwartet werden kann.
Entgegen diesen in den vorher angeführten Erkenntnissen dargelegten Anforderungen enthält der angefochtene Bescheid weder Angaben darüber, welche konkrete Tätigkeiten die Beschwerdeführerin aufgrund der ihr verbliebenen Leistungsfähigkeit noch ausüben kann, noch Ausführungen über die in bezug auf die Zumutbarkeit maßgebende ehemalige dienstliche Stellung der Beschwerdeführerin, ihre Vorbildung und ihre sonstigen Lebensumstände. Wohl sind im berufskundlichen Gutachten eine Reihe von Tätigkeiten aufgezählt, die die Beschwerdeführerin noch ausüben könnte, doch fehlt jegliche Beurteilung der belangten Behörde, welche dieser Tätigkeiten der Beschwerdeführerin noch im aufgezeigten Sinn zumutbar sind (vgl. abermals das genannte Erkenntnis vom 23. Oktober 1987, Zl. 86/12/0115). Eine für die nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ausreichende Begründung enthält der angefochtene Bescheid nicht.
Aus diesen Gründen ist der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf die weiteren Argumente in der Beschwerde einzugehen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994120190.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
16.03.2012