TE Vfgh Erkenntnis 1993/6/17 V43/92

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Veröffentlicht am 17.06.1993
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

Flächenwidmungsplan beschränkter Münster, Anlage 1, der Tir LReg vom 24.07.90, beim Amt der Tir LReg vom 06.08.90 - 20.08.90 .Kundmachung der Auflegung im "Bote für Tirol" vom 03.08.90. S 232.
Tir RaumOG §16 Abs1 litb
Tir RaumOG §28 Abs2

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Flächenwidmungsplanänderung von "Freiland und Bauland" in "Sonderfläche im Freiland - Gasthaus"; Zulässigkeit der Qualifizierung eines Gasthofes als standortgebundene Anlage; keine Beeinträchtigung privater Interessen Dritter durch neue Widmung

Spruch

Der "beschränkte Flächenwidmungsplan Münster", Anlage 1, beschlossen von der Tiroler Landesregierung am 24. Juli 1990, beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 6. bis 20. August 1990 aufgelegt (Kundmachung der Auflegung im "Bote für Tirol" vom 3. August 1990, S. 232) wird, soweit er die GP 2396, KG Münster, betrifft, nicht als gesetzwidrig aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Gemeinde Münster (Tirol) erteilte mit Bescheid vom 29. Oktober 1990 dem Beteiligten im verfassungsgerichtlichen Verfahren B579/91 Günther Astner eine Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues an ein bestehendes Gebäude (Gasthoferweiterung mit Speisesaal im Erdgeschoß, Fitnessraum im Kellergeschoß, Nebenräume sowie Fremdenzimmer im ersten und zweiten Obergeschoß). Die Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren B579/91 haben diese Baubewilligung als Nachbarn erfolglos bekämpft. Ihre Beschwerde richtet sich gegen den (abweislichen) Vorstellungsbescheid der Tiroler Landesregierung vom 26. März 1991. Sie begehren die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung und Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Für den Fall der Abweisung der Beschwerde wird die Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

2. Die Tiroler Landesregierung hat mit einer Gegenschrift zunächst die Bauakten und mit einer weiteren Äußerung schließlich auch die sich auf die Widmung des Baugrundstückes beziehenden Akten der Landesregierung vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß dieser Beschwerde am 13. Juni 1992 beschlossen, die Gesetzmäßigkeit des (auf einen bestimmten Inhalt beschränkten) Flächenwidmungsplanes Münster, Anlage 1, beschlossen von der Tiroler Landesregierung am 24. Juli 1990, beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 6. bis 20. August 1990 aufgelegt (Kundmachung der Auflegung im "Bote für Tirol" vom 3. August 1990, S. 232) soweit er die GP 2396, KG Münster, betrifft, von Amts wegen zu prüfen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit Beschluß vom 24. Juli 1990 hat die Tiroler Landesregierung den von ihr am 17. Mai 1988 gemäß §31 Abs1 des Tiroler Raumordnungsgesetzes, LGBl. 4/1984 (TROG), erlassenen "beschränkten Flächenwidmungsplan" unter anderem dahin geändert, daß für das hier in Rede stehende Grundstück Nr. 2396, KG Münster, anstelle der bisherigen Widmungen Freiland und Bauland die Widmung Sonderfläche im Freiland - Gasthaus festgelegt wurde. Auf diese Widmung stützt sich die im Anlaßverfahren angefochtene Baubewilligung.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das von Amts wegen eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit dieser Flächenwidmungsplanänderung gingen im wesentlichen dahin, in den Akten der Tiroler Landesregierung finde sich kein Hinweis darauf, daß die Landesregierung geprüft habe, ob durch die Änderung wesentliche private Interessen anderer berührt würden, was jedoch in §28 Abs2 TROG zwingend vorgeschrieben sei. Die Widmungsänderung sei offenbar aus einem im ausschließlichen Interesse des Umwidmungswerbers liegenden Grund erfolgt und habe Anrainerinteressen völlig außer acht gelassen. Insbesondere sei offensichtlich nicht geprüft worden, ob die beabsichtigte Umwidmung und die geplante Erweiterung des Gasthauses nicht allenfalls Vorschreibungen und Auflagen der Gewerbebehörde für den Sägewerksbetrieb des Zweitbeschwerdeführers zur Folge haben könnte. Insgesamt seien die Entscheidungsgrundlagen der Flächenwidmungsplanänderung entgegen §28 Abs2 TROG nicht in ausreichendem Maß erkennbar.

Darüber hinaus hegte der Verfassungsgerichtshof Bedenken, ob die neue Widmung der GP 2369, KG Münster, im Einklang mit §16 Abs1 litb TROG (Sonderflächen für standortgebundene Bauten und Anlagen, zB für Ausflugsgasthäuser) stehe. Ob und aus welchen Gründen der im Anlaßfall maßgebliche Gastgewerbebetrieb in der von §16 Abs1 litb TROG geforderten Art an einen bestimmten Standort gebunden oder für einen solchen besonders geeignet sein solle, sei nämlich aus den Akten der Landesregierung nicht ersichtlich.

3. Die Tiroler Landesregierung verteidigt die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnung, indem sie - in bezug auf den Vorwurf der mangelnden Berücksichtigung privater Interessen - darauf hinweist, daß derartige Interessen im vorliegenden Fall gar nicht auf dem Spiel stünden. Der Sägewerksbetrieb des Zweitbeschwerdeführers befinde sich nämlich in einer Entfernung von ca. 150 m vom Gasthof des Bauwerbers und sei sogar durch einen schmalen Waldgürtel, der bei der Widmungsänderung bewußt erhalten worden sei, von diesem getrennt. Zwischen dem Gasthof und dem Sägewerk befänden sich außerdem zwei Wohnhäuser, sodaß es vollkommen ausgeschlossen sei, daß die Umwidmung verschärfte Auflagen seitens der Gewerbebehörde für das Sägewerk zur Folge haben könnte.

Die Widmung gemäß §16 Abs1 litb TROG sei deswegen gerechtfertigt, weil es sich bei dem betreffenden Gasthof tatsächlich um eine Art Ausflugsgasthaus handle, liege es doch in einem von Touristen viel besuchten und durch Wanderwege erschlossenen Gebiet außerhalb des zentralörtlichen Bereiches der Gemeinde Münster. Im übrigen sei die in §16 Abs1 litb TROG erfolgte Aufzählung jener Bauten und Anlagen, für die eine Grundfläche als Sonderfläche gewidmet werden kann, lediglich eine demonstrative. Selbst wenn man also den betreffenden Gasthof nicht als reines Ausflugsgasthaus bezeichnen wolle, so stünde dies einer Widmung gemäß der genannten Bestimmung dennoch nicht im Wege, da der Gasthof nicht mehr oder weniger an einen bestimmten Standort gebunden sei als die in §16 Abs1 litb TROG unter anderem aufgezählten Campingplätze oder Reitställe.

4. Der Verfassungsgerichtshof kann seine Bedenken aus folgenden Erwägungen nicht aufrechterhalten:

Das Verordnungsprüfungsverfahren hat ergeben, daß der Gasthof, dessen Erweiterung durch die bekämpfte Umwidmung ermöglicht werden soll, tatsächlich in erheblicher Entfernung vom Sägewerk des Zweitbeschwerdeführers gelegen ist. Da sich in der näheren Umgebung des Sägewerksbetriebes des Zweitbeschwerdeführers ohnehin bereits mehrere landwirtschaftliche Betriebe und Wohnhäuser befinden, liegt - entgegen der ursprünglichen Ansicht des Verfassungsgerichtshofes - die Annahme nicht nahe, daß die bekämpfte Gasthoferweiterung in einer Entfernung von 150 m tatsächlich dazu führen könnte, daß die Gewerbebehörde aus diesem Grund verschärfte Auflagen für den Betrieb des Sägewerkes vorschreibt. Dies gilt auch für die Interessen des Erstbeschwerdeführers als Landwirt.

Aufgrund dieser Gegebenheiten konnte die Tiroler Landesregierung beim Erlassen der Flächenwidmungsplanänderung mit Grund davon ausgehen, daß durch die neue Widmung wesentliche private Interessen dritter Personen, insbesondere jene der Beschwerdeführer im Anlaßverfahren, nicht berührt werden.

Auch die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes betreffend die neue Widmung für das Grundstück GP 2396, KG Münster, erweisen sich als nicht zutreffend: Die Widmung "Sonderfläche im Freiland - Gasthaus" gemäß §16 Abs1 litb TROG ist infolge der in der Äußerung der Tiroler Landesregierung nun beschriebenen spezifischen Lage des Gasthauses gerechtfertigt.

Auch wenn die Entscheidungsgrundlagen der Flächenwidmungsplanänderung im Sinne des letzten Satzes des §28 Abs2 TROG im vorliegenden Fall nur schwer erkennbar sind, ergibt sich nunmehr aus dem Gesamtbild des Geschehens, daß im Ergebnis die Kriterien und Anforderungen des §28 Abs2 TROG doch (noch) gegeben waren.

5. Es ist somit auszusprechen, daß der in Prüfung gezogene Plan nicht als gesetzwidrig aufgehoben wird.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Abänderung (Flächenwidmungsplan), Sonderflächen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:V43.1992

Dokumentnummer

JFT_10069383_92V00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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