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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des J in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 27. Oktober 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, Inhaber eines Gürtlereibetriebes, beantragte am 5. Juli 1993 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den polnischen Staatsbürger L. für die berufliche Tätigkeit als "Gürtler" (spezielle Kenntnisse oder Ausbildung erforderlich in "drehen, löten, fräsen". Nach den Angaben im Antragsformular ist die Rubrik "Qualifikationsnachweis für die beantragte Tätigkeit vorhanden" mit "Ja" gekennzeichnet.
In den Verwaltungsakten findet sich eine beglaubtigte Übersetzung aus dem Polnischen betreffend ein Abschlußzeugnis "des beruflichen Technikums" der Mechanischen Berufschule in K. Danach habe L. den Unterricht an der genannten Schule nach Beendigung der dreijährigen Berufs-Fachschule absolviert und das Recht zum Berufstitel "Techniker für Mechanik" mit der Spezialisierung "spanabhebende Bearbeitung" erworben.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1993 wies das Arbeitsamt Metall-Chemie den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für L. gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG ab. In der Begründung wurde dazu hingewiesen, der Vermittlungsausschuß habe im gegenständlichen Verfahren die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet. Darüber hinaus habe das "Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In der Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, L. bringe aufgrund seiner Ausbildung und beruflichen Erfahrung genau die Qualifikation, die sein kleiner Betrieb benötige. Er ersuche daher, einen positiven Bescheid zu erlassen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 4 Abs. 6 und § 4 Abs. 1 sowie § 13a AuslBG keine Folge.
Nach Wiedergabe der einschlägigen Gesetzesstellen (unter Feststellung der im Jahr 1993 erfolgten Überschreitung der Landeshöchstzahl) führte die belangte Behörde betreffend den konkreten Antrag lediglich aus, L. werde für die Beschäftigung als Gürtler beantragt, den erforderlichen Qualifikationsnachweis "(in Österreich Lehrberuf)" habe der Beschwerdeführer aber nicht erbringen können. Die Berufungsausführungen seien daher gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG nicht geeignet, die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung zu begründen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid im Spruch auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt. Im Beschwerdefall erübrigen sich Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG, weil darauf - außer mit allgemeinen Ausführungen zur Gesetzeslage und zum Vorliegen der Anwendungsvoraussetzungen - in der Begründung des angefochtenen Bescheides (der auch ausdrücklich auf die Ablehnung des Antrages gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG hinweist) nicht weiter eingegangen wird. Es kommt daher entscheidend nur darauf an, ob die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen konnte, daß der Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung aus § 4 Abs. 1 AuslBG abzuleitende Gründe entgegenstehen (vgl. dazu z. B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, 93/09/0426).
Nach § 4 Abs. 1 AuslBG ist die Beschäftigungsbewilligung, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs. 1 AuslBG muß aufgrund eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens, das von Amts wegen unter Beteiligung des Antragstellers durchzuführen ist, vorerst festgestellt werden, für welche Beschäftigung diese Bewilligung konkret beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes - unter Beachtung der Regelung des § 4b AuslBG - diese konkrete Beschäftigung (des für sie in Aussicht genommenen Ausländers) zuläßt. Es ist das Recht jedes Arbeitgebers, sofern er damit nicht gegen zwingendes Recht verstößt, die Anforderungen festzusetzen, die er an eine von ihm zu beschäftigende Person stellt. Finden diese Anforderungen in objektiven Notwendigkeiten eine Grundlage, dann gehören sie zu den geetzlich zulässigen Bedingungen der Beschäftigung, die bei einer Prüfung nach § 4 Abs. 1 AuslBG zugrundezulegen sind (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1995, 93/09/0451).
Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer bereits durch die Antragseinbringung und insbesondere durch die Ausführungen in seiner Berufung eindeutig zu erkennen gegeben, daß L. den von ihm gestellten Anforderungen an die zu besetzende Arbeitsstelle entspricht (auch wurde offenbar ein einschlägiges Zeugnis vorgelegt). Durch die in bezug auf § 4 Abs. 1 AuslBG allein in der Begründung des angefochtenen Bescheides enthaltene Aussage, für die Beschäftigung als Gürtler habe der erforderliche Qualifikationsnachweis nicht beigebracht werden können, wird demgegenüber nicht schlüssig dargetan, L. würde den an ihn gestellten Anforderungen nicht genügen. Es ist doch durchaus möglich, daß L. den Anforderungen auch ohne dem von der belangten Behörde für erforderlich erachteten - im angefochtenen Bescheid auch nicht näher bezeichneten - Qualifikationsnachweis entsprechen konnte. Daß der von der belangten Behörde vermißte Qualifikationsnachweis gesetzlich zwingendes Erfordernis für den zu besetzenden Arbeitsplatz gewesen wäre (siehe dazu etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 1995, 95/09/0012), hat die belangte Behörde nicht festgestellt, und es bietet sich nach der Aktenlage hiefür auch kein Anhaltspunkt.
Der angefochtene Bescheid konnte damit nicht schlüssig auf das allein tragende Begründungselement des nicht beigebrachten Qualifikationsnachweises gestützt werden. Zwar unterließ es der Beschwerdeführer, diese Rechtswidrigkeit ausdrücklich geltend zu machen. Wesentliche Verfahrensmängel sind jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch ohne Antrag in der Beschwerde von Amts wegen wahr zu nehmen (vgl. die bei Dolp3, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, Seite 591 zitierte Judikatur).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der gemäß ihrem Art. III Abs. 2 anzuwendenden Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993090472.X00Im RIS seit
20.11.2000