TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/14 93/06/0021

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Veröffentlicht am 14.09.1995
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Index

L37158 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Vorarlberg;
L80005 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Salzburg;
L81705 Baulärm Salzburg;
L81708 Baulärm Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
L82005 Bauordnung Salzburg;
L82008 Bauordnung Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauG Vlbg 1972 §6 Abs9 impl;
BauPolG Slbg 1973 §9 Abs1 litg;
BauRallg;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs8;
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
ROG Slbg 1977 §24 Abs1 idF 1987/057;
StGG Art5;
StGG Art6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der Maria A in E, vertreten durch ihren Gatten Simon A, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Sbg LReg vom 2. Dezember 1992, Zl. 1/02-32.677/1-1992, betreffend Einwendungen gegen eine baubehördliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: M Ges.m.b.H. & Co KG in E, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren hinsichtlich von Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei betrieb in E ein Kohlelager, welches 1965 gewerbebehördlich bewilligt wurde. Aufgrund einer Änderung des Betriebsgegenstands suchte die mitbeteiligte Partei mit einem am 8. Oktober 1990 bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg/Umgebung eingegangenen Ansuchen um die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Umbau des Kohlenlagers und die Umwidmung in LKW-Container-Einstellplätze sowie die Nutzung des Vorplatzes als Mülltrennplatz an. Das Ansuchen wurde in der Zeit vom 8.12.1990 bis zum 14.1.1991 im Gemeindeamt E zur Einsichtnahme aufgelegt, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15. Jänner 1991 wurde mit Bescheid vom 2. Jänner 1992 der Bezirkshauptmannschaft Salzburg/Umgebung die baubehördliche Bewilligung für

"1. den Umbau der bestehenden Kohlenlagerhalle auf GSt 1109/6, KG E, samt Errichtung einer Lärmschutzwand zu GSt 1109/7, KG E,

2. die Änderung des Verwendungszweckes dieses Gebäudes von "Lagerhalle für Kohle und Holz" in "Einstellhalle für LKWs und Container",

nach Maßgabe folgender dem Bauverfahren zugrundeliegender Einreichpläne samt technischen Beschreibungen:

Einreichprojekt der Bauunternehmung AE in E, vom 5.10.1990, bestehend aus Betriebsbeschreibung samt Ergänzung, Maschinenliste, Baubeschreibung, technische Daten, Lageplan Maßstab 1:500, Lageplan Maßstab 1:250, Grundriß Maßstab 1:100, Schnitt, Nordansicht, Westansicht, jeweils Maßstab 1:100, welche einen Bestandteil dieses Bescheides bilden und als solche gekennzeichnet sind" erteilt. In den Einreichunterlagen wurde sowohl in der Betriebsbeschreibung, in der Übersicht "Technische Daten", als auch im Lageplan die Bezugnahme auf die Müllsortierung auf dem Vorplatz - datiert mit 3.1.1992 - gestrichen. Auch die gewerbebehördliche Genehmigung zur Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch Umwidmung in eine LKW- und Container-Einstellhalle samt Errichtung eines Waschplatzes wurde erteilt. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der Berufung der Beschwerdeführerin gegen die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung erging der nunmehr angefochtene Bescheid der belangten Behörde. Die belangte Behörde weist damit die Berufung als unbegründet ab und führt insbesondere aus, daß gemäß § 24 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977-ROG, LGBl. Nr. 26/1977, idgF, der bereits 1965 gewerbebehördlich genehmigte Betrieb auch im erweiterten Wohngebiet zulässig sei, wenn die bewilligte Änderung nicht Größe und Art der Bauten, Betriebe und betrieblichen Anlagen in einer Weise verändere, die die festgelegte Nutzungsart bzw. bei Betrieben und betrieblichen Anlagen die Nachbarschaft, wesentlich mehr als bisher beeinträchtige. Unter Hinweis auf die im Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten wird sodann dargelegt, daß die Voraussetzung, daß die Nachbarschaft wesentlich mehr als bisher beeinträchtigt werde, im Beschwerdefall nicht vorliege. Zum Einwand hinsichtlich des Seitenabstandes wird darauf hingewiesen, daß nach dem vorliegenden Projekt allein im Inneren der verfahrensgegenständlichen Lagerhalle Umbauarbeiten durchgeführt würden und damit die Lage des Baues im Bauplatz nicht verändert werde. Die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz zur Unterschreitung des gesetzlichen Mindestnachbarabstandes sei daher nicht erforderlich gewesen. Zur Einwendung, daß dem angefochtenen Bescheid keinerlei Hinweis auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Bauplatzerklärung zu entnehmen sei, wird bemerkt, daß selbst das Fehlen einer Bauplatzerklärung gemäß § 12 Abs. 1 Bebauungsgrundlagengesetz an sich keine Verletzung eines subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes darstelle. Allein die in der Bauplatzerklärung festgelegten Bebauungsgrundlagen, welche nicht nur dem öffentlichen Interesse dienten, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch den Parteien, begründeten subjektiv-öffentliche Nachbarrechte. Im gegenständlichen Verfahren seien jedoch weder die Lage der Bauten im Bauplatz noch deren Höhen in irgendeiner Weise verändert worden. Eine Verletzung von in der Bauplatzerklärung festgelegten Bebauungsgrundlagen und daraus resultierenden Nachbarrechten sei daher auszuschließen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet.

§ 24 Abs. 1 ROG 1977, LGBl. Nr. 26, in der Fassung der Landesgesetze LGBl. Nr. 52/1984 und LGBl. Nr. 57/1987, lautet:

"Übergangsbestimmungen

§ 24

(1) Bei der Festlegung von Nutzungsarten (§§ 11 ff) für bereits ganz oder teilweise verbaute Gebiete sind die der Hauptsache nach bestehenden widmungsmäßigen Verhältnisse zu berücksichtigen. Bestehende, der festgelegten Nutzungsart nicht entsprechende Bauten und Betriebe werden durch die Festlegung nicht berührt, soweit für sie die allenfalls erforderlichen behördlichen Bewilligungen rechtskräftig erteilt sind. Änderungen und Erweiterungen solcher Bauten, Betriebe und betrieblichen Anlagen gegenüber dem Zeitpunkt der Festlegung der Nutzungsart sind jedoch nur zulässig, soweit hiefür eine behördliche Bewilligung nicht erforderlich ist oder soweit hiedurch Größe und Art der Bauten, Betriebe und betrieblichen Anlagen nicht in einer Weise verändert werden, die die festgelegte Nutzungsart bei Betrieben und betrieblichen Anlagen die Nachbarschaft wesentlich mehr als bisher beeinträchtigt. Das gleiche gilt für Bauten, die auf Grund einer Bewilligung nach § 19 Abs. 3 errichtet wurden, wobei jedoch das dort angeführte Höchstausmaß der Gesamtgeschoßfläche nicht überschritten werden darf. Unter den genannten Voraussetzungen sind auch zulässig:

a) geringfügige andere bauliche Maßnahmen im Zusammenhang mit derartigen Bauten, Betrieben und betrieblichen Anlagen, die für deren ordnungsgemäße Nutzung erforderlich sind, wie etwa die Errichtung einer mit dem Bau nicht verbundenen Kleingarage oder die Wiederinstandsetzung nach Zerstörung durch ein Elementarereignis,

b)

Stütz- und Futtermauern von mehr als 1 m Höhe sowie

c)

Einfriedungen gegen öffentliche Verkehrsflächen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

              1.              Die Beschwerde wendet sich vor allem gegen die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, daß gemäß der Übergangsbestimmung des § 24 Abs. 1 ROG 1977 auch der nunmehr bewilligte Betrieb am gegenständlichen Standort zulässig sei.

Die belangte Behörde führt in diesem Zusammenhang im angefochtenen Bescheid nach Wiedergabe des wesentlichen Inhalts des § 24 Abs. 1 ROG 1977 insbesondere an, daß in der verfahrensgegenständlichen Lagerhalle nur entleerte LKWs und Container verwahrt würden. Eine Lagerung von Abfall im Bereich der Lagerhalle sei nach den vorliegenden Unterlagen durch die Bauwerber nicht geplant und daher nicht Gegenstand des Verfahrens erster Instanz gewesen. Wenngleich diese Aussage insoferne ungenau ist, als nach den ursprünglichen Einreichunterlagen vom 5. Oktober 1990 die Müllsortierung auf dem Vorplatz vorgesehen war, ist der belangten Behörde insoweit zuzustimmen, als der Bescheid der Baubehörde erster Instanz lediglich den Umbau der Kohlenlagerhalle und die Änderung des Verwendungszwecks "dieses Gebäudes" bewilligte. Auch in dem Verweis auf die Einreichpläne samt technischen Beschreibungen kann insoferne nicht der Wille, die ursprünglich beantragte Müllsortierung auf dem Vorplatz zu bewilligen, erblickt werden, als in den genannten Einreichunterlagen vom 5. Oktober 1990 sowohl auf den Plänen als auch in der Beschreibung die entsprechenden Passagen betreffend den Vorplatz bzw. auch den Plan die Bezeichnung "für Mülltrennung" gestrichen wurden. Es ist daher mit der belangten Behörde davon auszugehen, daß sich die erteilte Bewilligung tatsächlich nur auf die Umbauten der Halle und die Einstellung von leeren LKWs und Containern bezog.

Damit ergibt sich aber, daß der wesentliche Einwand der Beschwerde gegen die Annahme der belangten Behörde, daß das bewilligte Projekt § 24 Abs. 1 ROG 1977 entspreche, ins Leere geht, da ihm die unzutreffende Annahme der Bewilligung der Lagerung (und späteren Entsorgung) von Müll auf dem Grundstück der Mitbeteiligten zugrunde liegt.

Aber auch soweit das Vorbringen in der Beschwerde dahingehend verstanden werden kann, daß auch die Einstellung von Lkws und Containern allein raumordnungsrechtlich unzulässig sei, ist es nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Wenn in der Beschwerde versucht wird, aus dem Unterschied zwischen dem seinerzeitigen Betrieb (Kohlenhandel) und der nunmehr am Standort beabsichtigten Einstellung von Lkw und Containern eines Abfallentsorgungsunternehmens die Nichtanwendbarkeit des § 24 Abs. 1 ROG 1977 abzuleiten, so ist dazu auf folgendes hinzuweisen:

Gemäß § 24 Abs. 1 ROG 1977 sind "Änderungen und Erweiterungen solcher Bauten, Betriebe und betrieblichen Anlagen gegenüber dem Zeitpunkt der Festlegung der Nutzungsart" unter den im § 24 Abs. 1 ROG 1977 näher genannten Voraussetzungen zulässig. Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, daß derartige Änderungen nicht auch die Änderung des Betriebsgegenstandes umfassen soll. Auch eine teleologische Interpretation führt nicht zu dem offenbar von der Beschwerdeführerin ihrer Auffassung zugrundegelegten Ergebnis, daß nur eine Änderung von Bauten oder Teilen von Bauten zulässig sei, nicht jedoch eine Änderung des Betriebes (und somit des Betriebsgegenstandes). Die raumordnungsrechtliche Vorschrift des § 24 Abs. 1 ROG 1977 knüpft lediglich an das Bestehen von Nutzungen, die mit den durch die neue Widmung erst zu schaffenden Verhältnissen nicht übereinstimmen, an. Wenn im Falle derartiger Widersprüche Änderungen der auf solchen Grundstücken bestehenden Betriebe nach § 24 Abs. 1 ROG 1977 unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sind, kommt es für die Zulässigkeit einer derartigen Änderung nicht darauf an, ob - wie in der Beschwerde formuliert wird - "der seinerzeitige Handelsbetrieb für feste Brennstoffe als Betriebsart mit dem nunmehrigen System-Müllentsorgungsbetrieb überhaupt keine Gemeinsamkeiten aufweist". Zu beurteilen ist lediglich, ob die Voraussetzung, daß der Betrieb nicht in einer Weise verändert wurde, die die festgelegte Nutzungsart bzw. die Nachbarschaft wesentlich mehr als bisher beeinträchtigt, gegeben ist oder nicht.

Der als raumordnungsrechtliche Regelung erlassenen Übergangsvorschrift des § 24 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 kann auch aus verfassungsrechtlichen Gründen im Hinblick auf die Unverletzlichkeit des Eigentums und die Freiheit der Erwerbsbetätigung gemäß den Art. 5 und 6 Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. Nr. 142/1867, kein weitergehender Inhalt als dargestellt beigemessen werden. Wenngleich es unbestritten ist, daß der Gesetzgeber bzw. der aufgrund des Raumordnungsgesetzes tätig werdende Verordnungsgeber im Rahmen der verfassungsrechtlichen Schranken auch Umwidmungen dahingehend vornehmen kann, daß bisher als Betriebsgrund nutzbare Grundstücke diese Eignung verlieren, besteht aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Hindernis einer ausdehnenden Interpretation einer Übergangsvorschrift, die die weitere Verwendung eines bisher bereits für einen Betrieb verwendeten Grundstückes als Betriebsgrundstück zuläßt, soferne nicht ausdrückliche Anhaltspunkte dafür gegeben sind, daß der Gesetzgeber die Vorschrift tatsächlich derartig restriktiv verstanden wissen wollte, wie dies in der Beschwerde unterstellt wird. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher davon aus, daß § 24 Abs. 1 Salzburger Raumordnungsgesetz 1977 auch die Änderung der Art des Betriebes zuläßt, wenn die im übrigen normierten Voraussetzungen eingehalten sind. Es wäre sachlich nicht zu rechtfertigen und daher im Lichte der genannten Grundrechte verfassungsrechtlich bedenklich, wollte man annehmen, der Gesetzgeber ließe von zwei aus raumordnungsrechtlicher Sicht gleichwertigen Änderungen (die BEIDE keine Verschlechterung der raumordnungsrechtlich bedeutsamen Parameter bewirken) nur JENE zu, bei der auch der "Betriebsgegenstand" (wie immer man diese Beurteilung durchführen wollte) unverändert bliebe. Dies umso mehr, als DER WORTLAUT der Bestimmung ausdrücklich davon spricht, daß durch die ÄNDERUNG nicht die "Art der Bauten, BETRIEBE UND BETRIEBLICHEN ANLAGEN" in der näher dargestellten Weise verändert werde. Auch der Hinweis auf § 24 Abs. 1 letzter Satz ROG 1977 vermag daran nichts zu ändern, da die dort beispielhaft genannten Maßnahmen nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes "auch" zulässig sind, als durch die 1987 mit dem Landesgesetz LGBl. Nr. 57/1987 erfolgte Anfügung der Inhalt des § 24 Abs. 1 ROG 1977 keine Einschränkung erfahren hat, sondern nur eine Präzisierung.

In der Beschwerde wird auch nicht behauptet, daß - abgesehen von der unzutreffenderweise angenommenen Müllentsorgung auf dem betroffenen Grundstück selbst - von der durch den Baubewilligungsbescheid genehmigten Anlage tatsächlich eine wesentlich stärkere Beeinträchtigung der Nachbarschaft als bisher ausgehen werde. Da sich somit das Beschwerdevorbringen einerseits auf die unzutreffende Annahme der Bewilligung der Müllentsorgung auf dem Grundstück selbst stützt und im übrigen das Vorbringen in rechtlicher Hinsicht unzutreffend ist, liegt insoweit keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin vor.

              2.              Die Beschwerde ist aber im Ergebnis insoweit begründet, als sie das Fehlen einer Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 Salzburger Bebauungsgrundlagengesetz, LGBl. Nr. 69/1968, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 34/1991, geltend macht. Da gemäß § 9 Abs. 1 lit. g Sbg BaupolG den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren subjektive Rechte insbesondere auch aufgrund der Vorschriften über die Höhe und die Lage der Bauten im Bauplatz zustehen, kommt der Beschwerdeführerin auch das subjektive Recht auf Einhaltung der Vorschriften des § 25 Sbg Bebauungsgrundlagengesetz zu.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Auffassung vertreten, daß ungeachtet des Umstandes, daß der gegenständliche Baukörper bereits seinerzeit gemäß der rechtskräftigen Baubewilligung bis 1,5 m an die Bauplatzgrenze herangebaut wurde, die Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 25 Abs. 8 Bebauungsgrundlagengesetz zur Unterschreitung des gesetzlichen Mindestabstandes nicht erforderlich gewesen sei. Die belangte Behörde verwies darauf, daß lediglich im Inneren der Lagerhalle Umbauarbeiten durchgeführt würden.

Die belangte Behörde übersieht mit dieser Argumentation, daß sich die Rechtskraft allfälliger früherer Ausnahmebewilligungen nur auf jene Umstände erstrecken kann, die von einer später beantragten Änderung nicht berührt sind. Auch im Falle einer gegebenenfalls ursprünglich ohne ausdrückliche Ausnahmebewilligung zulässigen Bauführung in einem bestimmten Abstand zur Grundgrenze wäre bei späteren Anträgen auf Bewilligung von Änderungen des Bauwerks im Hinblick auf die Notwendigkeit der Erteilung einer Abstandsnachsicht zu prüfen, ob sich die Änderungen auf die vom Gesetz geschützten Nachbarinteressen auswirken oder nicht. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des § 6 Abs. 9 Vorarlberger Baugesetz hinsichtlich der Notwendigkeit einer Erteilung einer Abstandsnachsicht ausgesprochen hat (eine Rechtsprechung zu dem vorliegenden Problem liegt im Zusammenhang mit § 25 Abs. 8

Slbg BebauungsgrundlagenG noch nicht vor), ist die neuerliche Erteilung einer Abstandsnachsicht dann und soweit erforderlich, als sich die Änderung auf die subjektiven Rechte der Nachbarn auswirken kann (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. September 1991, Zl. 91/06/0057, vom 22. Oktober 1992, Zl. 92/06/0064, und vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0246). Auch im Falle einer bloßen Verwendungsänderung kann daher die Notwendigkeit der Erteilung einer Ausnahmebewilligung gegeben sein (vgl. das Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 93/06/0246). Im Beschwerdefall ist dies im Hinblick auf den beantragten geänderten Verwendungszweck zu bejahen.

Ungeachtet des Umstandes, daß nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen die bewilligte Verwendungsänderung möglicherweise subjektive Rechte der Beschwerdeführerin nicht verletzt und die Abstandsnachsicht somit erteilt werden können mag, ist das Fehlen der entsprechenden Ausnahmebewilligung vom Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde jedenfalls aufzugreifen (die Frage der Zulässigkeit der Erteilung der Nachsicht ist von der Frage, ob tatsächlich eine solche erteilt wurde, zu unterscheiden). Dabei ist zur Klarstellung auch darauf zu verweisen, daß die Bejahung der Zulässigkeit der Verwendungsänderung in raumordnungsrechtlicher Hinsicht (mit Bezug auf die Flächenwidmung) gemäß § 24 Abs. 1 ROG 1977 auch in Fällen wie dem vorliegenden Beschwerdefall, in dem zwar nicht die Lage des Gebäudes verändert wird, wohl aber seine Verwendung, noch nicht zwingend die Zulässigkeit der Erteilung der Abstandsnachsicht nach § 25 Abs. 8 Sbg BGG nach sich zieht; diese Zulässigkeit ist vielmehr FÜR SICH an Hand der in § 25 Abs. 8 Sbg BGG enthaltenen Kriterien zu beurteilen. Aus diesem Grund stehen auch § 24 Abs. 1 ROG 1977 und § 25 Abs. 8 Sbg BGG nicht - wie die belangte Behörde angenommen haben mag - im Verhältnis der Konsumation (sodaß in Fällen, für die eine Beurteilung nach § 24 Abs. 1 Sbg ROG 1977 erforderlich ist, die Anwendung des § 25 Abs. 8 Sbg BGG ausgeschlossen wäre). Da ein Bauwerk allen bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen entsprechen muß und § 24 Abs. 1 ROG 1977 nur die Zulässigkeit im Hinblick auf die Flächenwidmung regelt, kommen neben dieser Bestimmung auch die sonstigen einschlägigen Vorschriften, wie etwa § 25 BGG, zur Anwendung. Da die Erteilung einer Änderungsbewilligung im Hinblick auf die Berührung von Rechten der Beschwerdeführer die Erteilung einer Abstandsnachsicht voraussetzt, erweist sich der angefochtene Bescheid insoweit als rechtswidrig. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die angesprochenen Stempelgebühren für nicht erforderliche Beilagen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993060021.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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