Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §18 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 22. Februar 1995, Zl. 10-A/94, betreffend Einwendungen in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien:
1. Marktgemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister, 2. C in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.620,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 28. Dezember 1993 beantragte die zweitmitbeteiligte Partei die baubehördliche Bewilligung zur Errichtung eines Einfamilienhauses und einer Senkgrube sowie die Herstellung der straßenseitigen Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 28/85 KG S, X-Gasse 12.
Die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin des östlich angrenzenden Grundstückes Nr. 28/395, KG S, erhob mit Schriftsatz vom 2. März 1994 fristgerecht nachstehende Einwendungen:
"Ich erhebe Einspruch gegen die überdimensionierte Höhe (in Relation zur Lage der kleinen Siedlung gesehen) des geplanten Turmes.
Am Sonntag, dem 27.2.1994, erklärten mir Baumeister und Bauherr, die Höhe des Turmes würde ca. 6 m betragen, die Gesamthöhe des Turmes beträgt aber 9 m.
Dieser von der Y-Straße sowie auch von der Z-Straße ins Auge fallende und alle Häuser überragende Turm stellt eine erhebliche Beeinträchtigung des Ortsbildes dar.
Die maximale Gesamthöhe des Turmes sollte 6,5 m nicht überschreiten."
Das 655 m2 große Baugrundstück der zweitmitbeteiligten Partei soll projektsgemäß in offener Bauweise unter Einhaltung der Bauklassen I/II mit einem freistehenden Einfamilienhaus unter Berücksichtigung einer Vorgartentiefe von 4 m und einem rechten Seitenabstand (zum Grundstück der Beschwerdeführerin) von 4,50 m errichtet werden. Der in den Einwendungen erwähnte "Turm" soll in einem Abstand von 8 m zur rückwärtigen Grundgrenze errichtet werden und liegt an der dem Grundstück der Beschwerdeführerin gegenüberliegenden Gebäudefront. Laut Plan beträgt die Gebäudehöhe des Turms 7,35 m; inklusive Turmdach beträgt seine Höhe, gemessen von der Geländehöhe, 10,30 m.
Mit Bescheid vom 28. April 1994 bewilligte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Partei den beantragten Neubau.
Der Gemeinderat der erstmitbeteiligten Partei wies mit Bescheid vom 28. September 1994 die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin ab.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 22. Februar 1995 wurde die Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Der Nachbar - führte die belangte Behörde in der Begründung aus - habe im Anwendungsbereich der Niederösterreichischen Bauordnung im Baubewilligungsverfahren nur ein auf die Wahrung seiner subjektiv-öffentlichen Rechte beschränktes Mitspracherecht, welches er zulässigerweise und mit Aussicht auf Erfolg nur unter der Voraussetzung geltend machen könne, daß er sich auf den Bestand einer im Baurecht verankerten Sachnorm zu berufen vermöge, die ihm unter dem Gesichtspunkt seiner Nachbareigenschaft einen subjektiv-öffentlich rechtlichen Anspruch - etwa zum Schutz vor Gefahren oder sonstigen Beeinträchtigungen, die sich durch ein bestimmtes Bauvorhaben ergäben oder ergeben könnten - gewährleiste. Die Vorschriften über den Schutz des Ortsbildes gehörten nicht zu jenen, die - außer dem öffentlichen Interesse - auch dem Interesse der Nachbarschaft dienten.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Nichtbewilligung des hier zu beurteilenden Bauvorhabens verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die zweitmitbeteiligte Partei eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin trägt zunächst vor, die belangte Behörde hätte mit dem gegenständlichen Bescheid über die Vorstellung nicht entschieden, da die ihr in Kopie zugestellte Erledigung der belangten Behörde weder mit einer Unterschrift dessen versehen sei, der die Erledigung genehmigt habe, noch ein Beglaubigungsvermerk auf dieser Erledigung angebracht sei.
Gemäß § 18 Abs. 4 AVG müssen alle schriftlichen Ausfertigungen die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der unter leserlicher Beifügung des Names abgegebenen Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, daß die Ausfertigung mit der Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Das Nähere wird durch Verordnung geregelt. Bei Mitteilungen gemäß Abs. 3 zweiter und dritter Satz und bei Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, genügt die Beisetzung des Namens des Genehmigenden; eine Beglaubigung durch die Kanzlei ist nicht erforderlich. Bei vervielfältigten Ausfertigungen oder in Fällen, in denen der Inhalt einer Erledigung in einer solchen technischen Weise mitgeteilt wird, die eine genaue Wiedergabe des Originals ermöglicht, ist die Unterschrift oder deren Beglaubigung auf der zu vervielfältigenden Ausfertigung oder auf dem Original anzubringen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem hg. Beschluß vom 29. August 1995, Zl. 95/05/0080, auf welchen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, unter Hinweis auf die Vorjudikatur dargelegt hat, ist für die Frage der Zulässigkeit des Unterbleibens einer Beglaubigung einer Bescheidausfertigung im Falle einer Vervielfältigung ausschließlich das Faktum der Vervielfältigung maßgebend. Im Beschwerdefall läßt die in Kopie der Beschwerde beigeschlossene Ausfertigung des der Beschwerdeführerin zugestellten Bescheides der belangten Behörde im Zusammenhalt mit dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten unzweifelhaft erkennen, daß es sich um hiebei um eine Vervielfältigung handelt. Diese vervielfältigte Ausfertigung enthält "die Beisetzung des Namens des Genehmigenden"; dem Originalbescheid ist die Unterschrift des Genehmigenden beigesetzt. Die der Beschwerdeführerin zugestellte Ausfertigung des angefochtenen Bescheides entspricht daher dem Erfordernis des § 18 Abs. 4 letzter Satz
AVG.
Gemäß § 118 Abs. 8 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden.
Gemäß Abs. 9 dieses Paragraphen werden subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über
1.
den Brandschutz;
2.
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf die Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3.
die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4.
die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Die Parteistellung eines Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist jedoch beschränkt. Der Nachbar hat nur im Zusammenhang mit der Regelung des § 42 AVG einen Rechtsanspruch darauf, daß ein Bauvorhaben seine rechtzeitig geltend gemachten, durch baurechtliche Bestimmungen eingeräumten subjektiv-öffentlichen Rechte nicht verletzt (vgl. Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, Seite 38). Eine Einwendung im Rechtssinne liegt nur vor, wenn das Vorbringen die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes durch das den Gegenstand des Bewilligungsverfahrens bildende Vorhaben zum Inhalt hat. Eine dem Gesetz entsprechende Einwendung liegt nur vor, wenn dem Parteivorbringen die Verletzung eines bestimmten Rechtes entnommen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zl. 94/05/0294).
Hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften über die Gebäudehöhe hat der Nachbar ausschließlich nur bezüglich der seinem Grundstück jeweils zugekehrten Front ein subjektiv-öffentliches Recht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 1995, Zlen. 94/05/0172, 94/05/0180, mit weiteren Nachweisen). Bezüglich der Vorschriften über die Berücksichtigung schönheitlicher Rücksichten, die Beachtung des Ortsbildes und Straßenbildes kommt jedoch dem Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht zu (vgl. die bei Hauer, aaO, Seite 286 dargestellte Rechtsprechung).
Unabhängig davon, daß die Beschwerdeführerin ihre gegen die Höhe des Turmes erhobene Einwendung ausschließlich auf die vermutete "erhebliche Beeinträchtigung des Ortsbildes" bezog, kann sie eine Verletzung des Rechtes auf Einhaltung einer bestimmten Gebäudehöhe deshalb nicht durchsetzen, weil sich der Turm auf der ihrem Grundstück abgewandten Gebäudefront des hier zu beurteilenden Gebäudeteiles befindet.
Das Vorbringen in der Beschwerde, durch die geplante Höhe des auszuführenden Gebäudes sei die notwendige Belichtung nicht mehr gewährleistet, stellt - von der festgestellten Präklusion abgesehen - eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar.
Aus den vorstehenden Erwägungen vermag daher die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Ein näheres Eingehen auf die Beschwerdegründe erübrigt sich deshalb, da diese nur im Falle rechtzeitig erhobener Einwendungen im oben aufgezeigten Sinne von Bedeutung sein könnten.
Die unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beglaubigung der Kanzlei Vervielfältigung von AusfertigungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995050105.X00Im RIS seit
20.11.2000