TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/19 91/14/0222

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Veröffentlicht am 19.09.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §14 Abs1;
EStG 1972 §10 Abs2 Z5;
EStG 1972 §24 Abs1 Z1;
EStG 1972 §24;
EStG 1972 §37 Abs1;
EStG 1972 §37 Abs2 Z2;
EStG 1972 §37 Abs2;
EStG 1972 §8 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des O in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich, Berufungssenat I, vom 28. Juni 1991, 12/72/3-BK/F-1991, betreffend Einkommen- und Gewerbesteuer für die Jahre 1985 und 1986, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von 12.920 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betrieb als Einzelunternehmer eine Bäckerei, wobei er den Gewinn gemäß § 4 Abs 1 EStG 1972 ermittelte.

Am 30. November 1985 stellte der Beschwerdeführer seinen Betrieb aus gesundheitlichen Gründen ein und unterzog sich gleich darauf einer mehrwöchigen Krankenhausbehandlung. Seit 1. Dezember 1985 bezieht er eine Pension der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft.

Mit Schreiben vom 20. Dezember 1985 teilte der Beschwerdeführer dem Finanzamt mit, er habe seinen Betrieb mit Stichtag 30. November 1985 aufgegeben, weswegen eine Betriebsaufgabe im Sinn des § 24 EStG 1972 vorliege. Sämtliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien in das Privatvermögen übernommen worden. Die beweglichen Wirtschaftsgüter würden erst in jenen Zeiträumen, in denen sie privat genutzt oder veräußert würden, der Umsatzsteuer unterworfen werden. Er erklärte daher für das Jahr 1985 einen Aufgabegewinn von 319.474,10 S und beantragte hiefür sowohl den Freibetrag nach § 24 Abs 4 EStG 1972 als auch den Hälftesteuersatz nach § 37 Abs 1 leg cit anzuwenden. Für das Jahr 1986 erklärte er steuerbare Umsätze von 312.550 S aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nach der Betriebsaufgabe.

Im Zug einer daraufhin durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, der Beschwerdeführer habe im Jahr 1985 das Warenlager veräußert sowie Teile des Inventars mit einem gemeinen Wert von 29.000 S in das Privatvermögen übernommen. Ein Großteil der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sei um (netto) 312.550 S bis April 1986 veräußert worden. Ein Gefrierschrank sei erst im Jahr 1988 unter Ausweis von Umsatzsteuer verkauft worden. Im Zeitpunkt der Prüfung (April 1989) seien noch ein Verkaufspult, ein Regal sowie drei Sessel mit Tisch vorhanden gewesen, die zwar in das Privatvermögen übernommen worden seien, jedoch nicht privat genutzt würden. Darüber hinaus seien noch zwei Backöfen, ein Einschubwagen und ein Wassermischgerät vorhanden, welche brauch- und verwertbar seien. Der Prüfer vertrat daher in dem gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht die Ansicht, eine steuerlich begünstigte Betriebsaufgabe liege nicht vor, weil nicht alle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens innerhalb eines kurzen Zeitraumes veräußert oder in das Privatvermögen übernommen worden seien. Durch die bloß formelle Übernahme von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen und deren spätere Veräußerung bzw deren mangelnde Eignung als Privatvermögen sei der Betrieb nicht aufgegeben, sondern liquidiert worden, weswegen die Bestimmungen des § 24 Abs 4 und § 37 Abs 1 EStG 1972, nicht anwendbar seien. Vielmehr seien die in den Jahren 1985 und 1986 getätigten Veräußerungen und Übernahmen in das Privatvermögen als laufende Geschäftsvorfälle zu besteuern.

Das Finanzamt schloß sich den Ausführungen der Prüfers an, und erließ für die Streitjahre Einkommen- und Gewerbesteuerbescheide, wobei es zur Begründung auf den gemäß § 150 BAO erstatteten Bericht verwies.

Mit Berufung wandte der Beschwerdeführer ein, er habe - bedingt durch seine Erkrankung - erst Anfang Dezember 1985 die Warenvorräte an andere Bäckereien verkaufen können. Der Abverkauf der noch brauchbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens habe jedoch bis April 1986 gedauert. Die nicht veräußerten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens

(zwei Backöfen, ein Einschubwagen und ein Wassermischgerät) seien wertlos und daher unverkaufbar. Die für private Zwecke noch verwendbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien mit dem gemeinen Wert in das Privatvermögen übernommen worden. Der Gefrierschrank sei zunächst in das Privatvermögen übernommen, dann jedoch bei einer sich bietenden Gelegenheit verkauft worden. Die anläßlich dieses Verkaufes ausgewiesene Umsatzsteuer sei daher zu Unrecht in Rechnung gestellt worden. Aus dem Gesamtbild der Verhältnisse ergebe sich daher, daß entgegen der Ansicht des Prüfers eine Betriebsaufgabe vorliege. Alle Wirtschaftsgüter seien innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes entweder verkauft oder in das Privatvermögen übernommen worden, wobei zu berücksichtigen sei, daß mit dem Abverkauf der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens - bedingt durch seinen Krankenhausaufenthalt - erst im Jänner 1986 begonnen habe werden können. Der Aufgabegewinn sei daher im Jahr 1985 in der erklärten Höhe unter Anwendung der Bestimmungen des § 24 Abs 4 und § 37 Abs 1 EStG 1972 zu besteuern.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung insofern statt, als sie zwar das Vorliegen einer Betriebsaufgabe als gegeben ansah und daher den Freibetrag nach § 24 Abs 4 EStG 1972, verteilt auf die Streitjahre, gewährte, den Aufgabegewinn jedoch als in zwei Veranlagungszeiträumen als zugeflossen ansah und daher die Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 37 Abs 1 EStG 1972 verweigerte. Zur Begründung führte sie im wesentlichen unter Hinweis auf Hofstätter/Reichel, Kommentar zur Einkommensteuer, Tz 33 zu § 24, sowie Schubert/Pokorny/Schuch/Quantschnigg, Einkommensteuerhandbuch, Tz 40 zu § 24, aus, die Grenze zwischen Aufgabe und Liquidation eines Betriebes sei fließend. Bei einem Zeitraum von drei Monaten liege in der Regel noch eine Aufgabe vor. In Ausnahmefällen, bei besonders schwierig verkäuflichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, werde aber auch ein längerer Zeitraum als angemessen angesehen. Erstrecke sich der Aufgabezeitraum allerdings über zwei Veranlagungszeiträume, sei zwar der Freibetrag nach § 24 Abs 4 EStG 1972 zu gewähren, nicht aber der Hälftesteuersatz nach § 37 Abs 1 leg cit, weil diesfalls keine zusammengeballte Auflösung stiller Reserven erfolge. Es sei daher in einem solchen Fall für jeden Veranlagungszeitraum ein Aufgabegewinn zu ermitteln, der insgesamt um den Freibetrag zu verringern sei. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer nach Einstellung seines Betriebes am 30. November 1985 die Warenvorräte relativ rasch veräußert. Die Veräußerung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens innerhalb von drei Monaten (fünf Monate nach der Betriebseinstellung) könne im Hinblick auf die Krankheit und auf die Verwertbarkeit von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eines Bäckereibetriebes durchaus noch als angemessener Zeitraum angesehen werden. Der Umstand, daß bis Ende des Jahres 1989 weder die Backöfen, der Einschubwagen, noch das Wassermischgerät verkauft worden seien, lasse den Schluß zu, diese Wirtschaftsgüter seien unveräußerbar. Es gebe auch keine Hinweise, der Beschwerdeführer habe - mit Ausnahme des Gefrierschrankes - beabsichtigt, die in das Privatvermögen übernommenen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens noch zu veräußern. Es werde daher als erwiesen angesehen, der Beschwerdeführer habe diese Wirtschaftsgüter wegen Unverwertbarkeit und nicht zum Zweck der späteren Veräußerung in das Privatvermögen übernommen. Denn auch ein technisch tadelloses Wirtschaftsgut könne wirtschaftlich gesehen unverwertbar sein. Der (späteren) Veräußerung des Gefrierschrankes komme keine entscheidende Bedeutung zu, weil dieser sowohl zu privaten als auch zu betrieblichen Zwecken verwendet werden könne.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich hinsichtlich des im Jahr 1985 erzielten Aufgabegewinnes in seinem Recht auf Anwendung der Bestimmung des § 37 Abs 1 EStG 1972 verletzt, woraus sich auch steuerliche Konsequenzen für das Jahr 1986 ergeben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Aufgabe eines Betriebes liegt nach herrschender Auffassung dann vor, wenn der bisherige Betriebsinhaber im Rahmen eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorganges sich in einem Zug mit der Aufgabe der betrieblichen Tätigkeit aller Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens entweder begibt oder sie in sein Privatvermögen überführt, wobei die Besteuerung des Aufgabegewinnes zeitpunktbezogen in dem Jahr zu erfolgen hat, in welches der Zeitpunkt fällt, zu dem die Aufgabehandlungen bereits soweit fortgeschritten sind, daß dem Betrieb die wesentlichen Grundlagen entzogen sind (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Oktober 1993, 91/13/0168, mwA).

Im Beschwerdefall hat die belangte Behörde den für die Verwirklichung der Betriebsaufgabe zeitlich entscheidenden Schritt in der Veräußerung der Warenvorräte bei gleichzeitiger Übernahme der - bis auf den Gefrierschrank - unverkäuflichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens in das Privatvermögen im Jahr 1985 erblickt. Damit wurden aber dem Betrieb des Beschwerdeführers die wesentlichen Grundlagen bereits in diesem Jahr entzogen, weil insbesondere ohne Warenvorräte eine Bäckerei nicht mehr betrieben werden kann. Da der Aufgabegewinn - wie bereits ausgeführt - zeitpunktbezogen zu ermitteln ist, kann er auch nur einem einzigen Veranlagungszeitraum zugeordnet werden, womit die für die Anwendung des Hälftesteuersatzes nach § 37 Abs 1 EStG 1972 schädliche Aufteilung des vom Beschwerdeführer in unbestrittener Höhe erklärten Aufgabegewinnes auf zwei Veranlagungszeiträume nicht in Betracht kommt.

Die belangte Behörde hat daher den vom Beschwerdeführer angestrebten Hälftesteuersatz hinsichtlich des im Jahr 1985 erzielten Aufgabegewinnes zu Unrecht versagt und somit den angefochtenen Bescheid zur Gänze mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weswegen dieser gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

Die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung konnte aus dem im § 39 Abs 2 Z 6 VwGG genannten Grund unterbleiben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl Nr 416/1994. Stempelgebührenersatz konnte nur für drei Beschwerdeausfertigungen (360 S) sowie für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides im Ausmaß von zwei Bogen (60 S) gewährt werden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1991140222.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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