TE Vwgh Erkenntnis 1995/9/22 94/11/0069

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Veröffentlicht am 22.09.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs3;
KrPflG 1961 §12 Abs1;
KrPflG 1961 §8 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde der S in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 21. Juli 1993, Zl. 9/01-54.220/148-1993, betreffend Ausschluß vom Besuch einer Krankenpflegeschule, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Aufnahmekommission der Allgemeinen Krankenpflegeschule an den Landeskrankenanstalten Salzburg vom 31. März 1993 wurde die Beschwerdeführerin aufgrund des Beschlusses der Aufnahmekommission vom 5. März 1993 gemäß § 12 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes, BGBl. Nr. 102/1961, in der Fassung "BGBl. Nr. 298/1992" (gemeint wohl: BGBl. Nr. 872/1992, kundgemacht am 30. Dezember 1992 im 298. Stück des Bundesgesetzblattes 1992) vom weiteren Besuch der Allgemeinen Krankenpflegeschule an den Landeskrankenanstalten Salzburg ausgeschlossen. In der Bescheidbegründung wurde folgendes ausgeführt:

"Sie wurden mit Beginn des Schuljahres 1991/92 in die Kinderkranken- und Säuglingspflegeschule an den Landeskrankenanstalten Salzburg aufgenommen. Mit

Schuljahr 1992/93 wurde der Wechsel in die Allgemeine Krankenpflegeschule genehmigt. Sowohl im Rahmen der theoretischen als auch der praktischen Ausbildung haben Sie bisher nur teilweise ausreichende Leistungen erzielt. Vor allem im Rahmen der praktischen Ausbildung ist es zu unterdurchschnittlichen Beurteilungen gekommen. Die entsprechenden Praktikumsbeurteilungen der nachfolgenden Abteilungen weisen folgende Beurteilungen auf:

23.03.1992 - 26.04.1992 auf der Abt. "Gyn.B": Bewertung: 2-3 04.05.1992 - 28.06.1992 Abt. "Kinder-Ambulanz": Bewertung: 3 29.06.1992 - 16.08.1992 auf der Abt. "Gyn.C": Bewertung: 3 17.08.1992 - 15.11.1992 "Lungenabteilung A": Bewertung: 3 16.11.1992 - 11.01.1993 "1. Chirurgie-Ambulanz": Bewertung: 5

In der Zeit vom 16.11.1992 bis 11.01.1993 absolvierten Sie die praktische Ausbildung in der Ambulanz der 1. Chirurgischen Abteilung der Landeskrankenanstalten Salzburg. Nach diesem Praktikum hat die zuständige Stationsschwester Dipl.Sr. G ein Schreiben der an dieser Ambulanz tätigen Krankenpflegepersonen an die Leitung der Krankenpflegeschule übermittelt, die mit Ihnen im Rahmen der praktischen Ausbildung zu tun hatten. In diesem Schreiben vom 13.01.1993 geben diese Mitarbeiter einhellig der Meinung Ausdruck, daß Sie nicht für den Beruf einer diplomierten Krankenschwester geeignet seien.

Die Aufnahmekommission hat sich in ihrer Sitzung am 05.03.1993 mit Ihren bisherigen Ausbildungserfolgen im allgemeinen und mit dieser negativen Beurteilung der

1. Chirurgie-Ambulanz im besonderen befaßt. Dabei wurden Ihre bisherigen Ausbildungserfolge und Ihre bisherigen Praktikumsbeurteilungen vorgelegt und erläutert.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß Praktikumsbeurteilungen mit einer schlechteren Beurteilung als "Gut" äußerst selten und nur bei wiederholten negativen Ereignissen im Rahmen der praktischen Ausbildung abgegeben werden, fiel die eindeutig negative Praktikumsbeurteilung und die darin zum Ausdruck gekommene Ansicht, daß Sie für den Beruf einer diplomierten Krankenschwester nicht geeignet seien, besonders schwer ins Gewicht.

Die in dieser Beurteilung zum Ausdruck gekommene Schlußfolgerung wurde von den Mitgliedern der Aufnahmekommission kritisch gewürdigt und hinterfragt, jedoch kein Grund gefunden, diese eindeutig negative Praktikumsbeurteilung in Zweifel zu ziehen, zumal Ihre sonstigen Leistungen im Rahmen der praktischen Ausbildung ebenfalls weit unter dem Durchschnitt der übrigen Krankenpflegeschüler liegen.

Aufgrund dieses Gesamtbildes ist die Kommission zur einhelligen Auffassung gelangt, daß Sie das Ausbildungsziel voraussichtlich nicht erreichen werden und hat Sie daher gemäß § 12 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes vom weiteren Besuch der Krankenpflegeschule ausgeschlossen."

Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1993 wurde die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen und die Entscheidung der Erstbehörde mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch zu lauten habe wie folgt:

"Frau S, Krankenpflegeschülerin in R, wird gemäß § 12 Abs. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Regelung des Krankenpflegefachdienstes, des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfedienste (Krankenpflegegesetz - KrankenpflegeG) BGBl. Nr. 102/1961, in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992, wegen Nichterreichens des Ausbildungszieles vom weiteren Besuch der allgemeinen Krankenpflegeschule an den Landeskrankenanstalten Salzburg ausgeschlossen."

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde - nach Zitierung des Erstbescheides, des die darin enthaltenen Ausführungen bestreitenden Berufungsvorbringens und der Bestimmung des § 12 Abs. 1 Krankenpflegegesetz - aus, die Aufnahmekommission habe in ihrer Entscheidung insbesondere das negative Praktikumsgutachten der

1. Chirurgischen Ambulanz der Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenanstalten Salzburg vom 13. Jänner 1993 zugrunde gelegt. Darin sei die Praktikumsleistung der Beschwerdeführerin wie folgt festgestellt worden:

"In Übereinstimmung aller mit der Ausbildung der betreffenden Schülerin betrauten Pflegepersonen stellen wir fest, daß eine negative Beurteilung unbedingt ausgesprochen werden muß. Die Begründung hiefür ist im wesentlichen wie folgt:

1. Trotz erheblicher Bemühungen herrscht bei Fr. S Desinteresse und augenscheinliche Langeweile vor (selbst bei starkem Arbeitsaufkommen).

2. Fr. S vermißt jegliches Gefühl für spezifische Situationen einer Funktionseinheit (Aufsichtspflicht über sturzgefährdete Patienten, Steigerung der Aktivität bei vermehrten Akutfällen, ...). Damit im Zusammenhang scheint ebenfalls ihr Hang zu Unpünktlichkeit und zu ungewöhnlich hohen Anfragen nach Sonderwünschen (Dienste) zu stehen. Konnten etwa die Freizeitwünsche aus dienstlichen Gründen nicht berücksichtigt werden, so folgt grobe Verspätung oder gar plötzlicher "Krankenstand".

3. Das besondere Interesse von Fr. S galt, wie uns schien, der Tätigkeit anderer Berufsgruppen (Sonographie, ...).

4. Selbst oftmalige Erklärungen über gewisse standardisierte Abläufe im Arbeitsbereich brachten keinen Erfolg (UKW-Funk, Botendienste, ...).

5. Nach übereinstimmender Aussage des Pflegedienstes stellt Fr. S Fragen, welche eindeutig Einblick in den katastrophalen Zustand ihrer theoretischen Ausbildung gewähren.

6. Verschiedene Fälle von Absentierung (in Zusammenhang mit einem erteiltem dienstlichen Auftrag) wurden bekannt.

7. Nachdem außerdem von Seiten der Ambulanzärzte Beschwerden über Fr. S ausgesprochen wurden, sahen wir uns zu dieser ungewöhnlichen Vorgangsweise unbedingt veranlasst.

Abschließend stellen wir fest, daß eine durchaus mögliche Weiterführung dieser Auflistung müßig scheint und fordern die Verantwortlichen dringend auf, im Interesse des gesamten Diplompersonals auf eine Weiterführung der Pflegeausbildung von Fr. S unbedingt zu verzichten."

Die belangte Behörde führte aus, daß die Beschwerdeführerin diese negative Beurteilung nicht durch Fakten zu entkräften vermöge, sondern in ihrer Berufung "lapidar" festgestellt habe, wohl kaum diese Unwahrheiten, Unterstellungen und Verleumdungen berichtigen zu können, weil man ihr wohl weniger Glauben schenken würde als dem ausgebildetem Pflegepersonal. Die Berufungsbehörde teile die Ansicht der Beschwerdeführerin, daß eine Beurteilung mit "befriedigend" oder "genügend" durchaus eine positive Beurteilung darstelle, die Beschwerdeführerin habe jedoch zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung durch die Kommission eine negative praktische Beurteilung (Praktikumsgutachten der 1. Chirurgischen Ambulanz vom 13. Jänner 1993) erhalten. Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 KrPflG sehe als Voraussetzung für einen Ausschluß vom weiteren Besuch einer Krankenpflegeschule nicht vor, daß eine Vielzahl von negativen Beurteilungen vorliegen müsse. Das Ausbildungsziel in der Allgemeinen Krankenpflege sei insbesondere die bestmögliche Pflege von Menschen bei Erkrankungen aller Art, wobei auf die praktische Fertigkeit einer Krankenpflegeschülerin besonderes Augenmerk zu legen sei. Die Aufnahmekommission habe in ihrem Bescheid vom 31. März 1993 die Auffassung vertreten, daß die Beschwerdeführerin "aufgrund der bisherigen Beurteilungen das Ausbildungsziel nicht erreicht" habe, und sie sei deshalb vom weiteren Besuch der Krankenpflegeschule ausgeschlossen. Bei der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Praktikumsbewertung (- mit der Note "sehr gut" -) habe es sich um eine bloße "Zwischenbeurteilung" gehandelt, aus der keine endgültige Beurteilung zulässig sei.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt werden.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist dem Einwand der Beschwerdeführerin, daß der Bescheid vom 31. März 1993 wegen mangelhafter Besetzung der Kommission im Sinne des § 8 Abs. 1 KrPflG rechtswidrig sei, weil es sich hier nur um ein Schreiben der Schuloberin der Allgemeinen Krankenpflegeschule handle, zu entgegnen, daß es sich bei diesem Bescheid um die Ausfertigung des am 5. März 1993 von der Aufnahmekommission gefaßten Beschlusses handelt, die nach der damals gültigen Rechtslage - § 8 Abs. 1 KrPflG in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 trat erst mit 1. September 1993 in Kraft - vorschriftsmäßig besetzt war. Wenn dieser Bescheid von der Schuloberin der Krankenpflegeschulen der Landeskrankenanstalten Salzburg als Leiterin des Hilfsorgans Schule und Mitglied der Kommission ausgefertigt und der Beschwerdeführerin zugestellt wurde, kann darin keine Rechtswidrigkeit erblickt werden, zumal sich aus dem Spruch dieser Ausfertigung eindeutig ergibt, daß die Beschlußfassung des Kollegialorganes am 5. März 1993 erfolgte.

Mit Recht wendet sich die Beschwerdeführerin jedoch dagegen, daß die Behörde den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt und nicht nachvollziehbar begründet habe, aufgrund welcher konkreter Feststellungen sie die Voraussetzungen eines Ausschlusses von der Krankenpflegeschule gemäß § 12 Abs. 1 KrPflG als erfüllt annahm.

Nach § 12 Abs. 1 KrPflG in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 - diese Bestimmung ist mit 1. Jänner 1993 in Kraft getreten - sind Krankenpflegeschüler(innen), die sich während der Ausbildung zum Krankenpflegeberuf zufolge mangelnder körperlicher, geistiger oder gesundheitlicher Eignung oder wegen Nichterreichens des Ausbildungszieles als untauglich erweisen oder wegen solcher strafrechtlicher Verfehlungen rechtskräftig verurteilt worden sind, die eine verläßliche Berufsausübung nicht erwarten lassen, vom weiteren Besuch der Schule auszuschließen. Mit einem Ausschluß ist außerdem bei groben Dienstverletzungen oder groben Verstößen gegen die Anstalts- und Unterrichtsordnung vorzugehen. Die belangte Behörde zitiert wohl ein "Praktikumsgutachten der

1. Chirurgischen Ambulanz der AÖ Landeskrankenanstalten Salzburg vom 13. Jänner 1993", - dessen Inhalt eingangs wörtlich dargestellt wurde - setzt sich jedoch im Detail mit den darin enthaltenen Vorwürfen und den ihnen zugrunde liegenden Vorfällen nicht hinreichend auseinander.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u. a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1990, SlgNr. 13.275/A, m.w.N.) erstreckt sich die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beweiswürdigung der belangten Behörde auf die Vollständigkeit des ermittelten Sachverhaltes und die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung. Selbst unter dieser Einschränkung hält der angefochtene Bescheid einer Überprüfung auf seine Rechtmäßigkeit nicht stand. Bei dem Schreiben vom 13. Jänner 1993 handelt es sich um eine Mitteilung von Angehörigen der Abteilung 1. Chirurgische Ambulanz der AÖ Landeskrankenanstalten Salzburg, soweit die Unterschriften leserlich sind, offensichtlich von Krankenschwestern (Erstunterzeichnerin: Sr. G) an die Lehrschwester H. Die belangte Behörde bezeichnet dieses Schreiben wohl als "Praktikumsgutachten", dies enthob die belangte Behörde jedoch nicht von der Verpflichtung, die Grundlagen der in dem Schreiben genannten Vorwürfe zu erheben und darüber konkrete Feststellungen zu treffen. Dies schon deshalb, weil in diesem Schreiben keine konkreten Vorfälle angeführt werden, die nachvollziehbar die Vorwürfe als berechtigt erscheinen lassen, und teilweise auf Aussagen dritter Personen Bezug genommen wird, die nicht genannt werden, sodaß auch diesbezüglich eine Überprüfung nicht möglich ist. Die belangte Behörde hätte daher die Verpflichtung gehabt, dies einer Aufklärung zuzuführen und sodann die Beschwerdeführerin konkret hiezu Stellung nehmen zu lassen. Erst danach hätte beurteilt werden können, ob die Voraussetzungen für einen Ausschluß der Beschwerdeführerin von der Krankenpflegeschule gemäß § 12 Abs. 1 KrPflG gegeben sind oder nicht.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und von der belangten Behörde Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf das übrige Beschwerdevorbringen bedarf.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Behördenbezeichnung Behördenorganisation Fertigungsklausel Intimation Zurechnung von Bescheiden Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an Beweisaufnahmen Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Gegenüberstellung Fragerecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994110069.X00

Im RIS seit

02.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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