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L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des H in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 3. Juli 1995, Zl. 03-12.10/F 21-95/1, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1.) "X" Bau- und Wohnungseigentums GesmbH in W, und 2.) Stadtgemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1. Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Kopie des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
1.1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde F vom 24. Mai 1993 wurde der erstmitbeteiligten Partei die Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnanlage auf dem Grundstück Nr. 361/9, KG F, unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Über Berufung des Beschwerdeführers wurde dieser Bescheid durch den Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz verwiesen. Begründet wurde diese Entscheidung im wesentlichen mit einer Überschreitung der zulässigen Bebauungsdichte. Auf Grund einer gegen diesen Aufhebungsbescheid erhobenen Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei wurde der Aufhebungsbescheid des Gemeinderats von der belangten Behörde seinerseits aufgehoben.
1.2. Im fortgesetzten Verfahren wurde sodann der Berufung des Beschwerdeführers vom Gemeinderat mit Bescheid vom 30. November 1994 keine Folge (mehr) gegeben und der angefochtene erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid bestätigt. Gegen den Bescheid des Gemeinderates erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 3. Juli 1995 wurde die Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, daß der Nachbar im Verfahren über die Erteilung einer Baubewilligung das Recht zur Erhebung von Einwendungen besitze, diese Einwendungen jedoch die Geltendmachung subjektiver Rechte zum Gegenstand haben müßten. Zur Geltendmachung derartiger subjektiv-öffentlicher Nachbarrechte wie der Bestimmungen über die Abstände und den Schallschutz sei jeweils nur jener Nachbar legitimiert, in dessen Rechtsbereich die Verletzung eintrete. Die Geltendmachung subjektiv-öffentlicher Rechte eines anderen Nachbarn sei nicht zulässig. Der Nachbar sei lediglich zur Wahrung seiner Rechte legitimiert. Aus § 61 Abs. 2 lit. a bis k der Steiermärkischen Bauordnung 1968 lasse sich nicht ableiten, daß auch Interessen, die dort nicht genannt seien, subjektive Rechte vermittelten. Im konkreten Fall wäre etwa das Interesse eines Nachbarn, der auf seinem Grundstück einen Gewerbebetrieb betreibt, vor weiteren Auflagen durch die Gewerbebehörde geschützt zu werden, durch die Steiermärkische Bauordnung 1968 nicht als subjektives Recht anerkannt.
1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinen Rechten durch unvollständige Feststellung des Sachverhalts deshalb verletzt, weil die Behörden nicht geprüft hätten, welche IMMISSIONEN AUF DEN BAUPLATZ von der Umgebung (insbesondere von seinem Grundstück) ausgingen. Im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sei dies jedoch erforderlich gewesen.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
2.1. § 61 Abs. 2 der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149, zuletzt geändert durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 43/1992 sowie die Kundmachung LGBl. Nr. 54/1992, lautet:
"(2) Der Nachbar kann gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Diese sind die Bestimmungen über
a)
das Verbot der Erteilung einer Baubewilligung vor Rechtskraft der Widmungsbewilligung (§ 2 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 lit. a);
b)
die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 3 Abs. 2);
c)
das Planungsermessen bei Festlegung der Bebauungsgrundlagen (§ 3 Abs. 3);
d)
die Abstände (§ 4 und § 53);
e)
die Gebäudehöhe (§ 5);
f)
den Schallschutz (§ 15 Abs. 1 und § 24);
g)
die Feuer- und Brandmauern (§ 21 Abs. 1);
h)
die Vermeidung einer Brandgefahr, sonstigen Gefährdung und unzumutbaren Belästigungen (§ 39 Abs. 1);
i)
die Abwasserbeseitigung bezüglich Abstände zu Bauten, Brunnen, Quellen, Wasserversorgung und Nachbargrundgrenzen (§ 44 Abs. 2);
j)
Baueinstellung und Beseitigung (§ 70a Abs. 2);
k)
die Nichtüberschreitung der ortsüblichen Belastungen durch Immissionen (§ 4 Abs. 3, § 24 Abs. 3, § 40 Abs. 5, § 42 Abs. 3, § 44 Abs. 2, § 54 und § 56)."
2.2. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1993, Zl. 92/05/0208, zur Aufzählung der Nachbarrechte in § 118 Abs. 9 NÖ Bauordnung) läßt eine derartige Aufzählung der Nachbarrechte erkennen, daß die jeweilige Bauordnung subjektive Rechte nur dahingehend einräumt, daß sich die NACHBARN von beantragten Bauprojekten in dem in der Bauordnung näher genannten Ausmaß gegen IMMISSIONEN auf ihren Grundstücken, DIE VOM BEANTRAGTEN PROJEKT AUSGEHEN, wenden können (zur Steiermärkischen Bauordnung 1968 vergleiche das hg. Erkenntnis vom 9. März 1993, Zl. 92/06/0192). Im vorliegenden Zusammenhang bedeutet dies, daß auf Grund § 61 Abs. 2 lit. b, d und k Steiermärkische Bauordung 1968 der Nachbar einen Immissionsschutz nach Maßgabe der dort näher genannten Voraussetzungen geltend machen kann. Weder § 4 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, noch die in § 61 Abs. 2 lit. k Steiermärkische Bauordnung 1968 genannten Bestimmungen der Bauordnung lassen erkennen, daß sie nicht nur einen Schutz des Nachbarn vor Immissionen durch das beabsichtigte neue Bauvorhaben auf seinem Grundstück enthalten, sondern darüber hinaus etwa einen "Schutz" des Konsenswerbers vor der bereits errichteten Betriebsanlage auf einem Nachbargrundstück beinhalteten (der aber darauf hinausliefe, daß das an sich zulässige Bauvorhaben untersagt werden müßte) oder - wie dies der Beschwerdeführer unter Berufung auf den Verfassungsgerichtshof geltend macht - ein subjektives Recht des Inhabers des Gewerbebetriebs auf Freihaltung der Nachbargrundstücke, wenn sich auf Grund der Emissionen aus seinem eigenen Betrieb ergäbe, daß das zu errichtende Gebäude näher zu seiner Betriebsanlage stünde als eine neu zu errichtende Betriebsanlage von einem Wohnhaus entfernt errichtet werden dürfte.
2.3. Wenn in der Beschwerde unter Berufung auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 12.468/1990 die Auffassung vertreten wird, daß § 61 Abs. 2 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 auch ein subjektives Recht in der dargestellten Art einräume, so ist dazu folgendes zu bemerken:
Die Beschwerde enthält keine über die bisherige Diskussion hinausgehenden Argumente für das Vorliegen eines derartigen subjektiven Rechts, sodaß der Verwaltungsgerichtshof sich aus dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles nicht bestimmt sieht, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzugehen. Auch die im genannten Erkenntnis VfSlg. 12.468/1990 anklingende verfassungsrechtliche Überlegung, daß aus gleichheitsrechtlichen Gründen eine zu errichtende Anlage nicht anders behandelt werden dürfte als eine bereits bestehende Anlagen, kann in Fällen wie dem vorliegenden allenfalls zur Annahme führen, daß der Gesetzgeber Vorschriften zur baupolizeilichen Sanktionierung der bereits errichteten Anlage, zu erlassen hätte (vgl. etwa § 24 Abs. 3 Steiermärkische Bauordnung 1968, der im Sinne der Auslegung des VfGH dann zur Vorschreibung von Auflagen an den Beschwerdeführer ermächtigte). Im Hinblick auf den Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung 1968 (vgl. § 4 Abs. 3 und § 24 Abs. 3, "Läßt ... erwarten" bzw. "zu rechnen ist") läßt sich die vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis zur Wiener Bauordnung entwickelte Auffassung - ungeachtet der vom Verwaltungsgerichtshof in dieser Frage grundsätzlich vertretenen Auffassung - nicht auf die Steiermärkische Bauordnung übertragen, da deren Gesetzgeber erkennbar davon ausgegangen ist, daß es um den Schutz vor Emissionen aus den zu errichtenden Gebäuden (für die um die Baubewilligung eingekommen wurde) geht und nicht um den "Schutz vor bereits bewilligten Anlagen" (wie immer ausgestaltet man sich diesen "Schutz", der nicht zugunsten des Konsenswerbers ausschlägt, und hinsichtlich sämtlicher denkbarer Aktivitäten, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften nach der Errichtung des beantragten Gebäudes anders zu beurteilen sein werden, angenommen werden müßte, zu denken hätte).
2.4. Wenn die belangte Behörde unter Berufung auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes den Schluß gezogen hat, daß § 61 Abs. 2 Steiermärkische Bauordnung 1968 kein Recht des Inhabers eines Gewerbebetriebs, welcher auf einem Nachbargrundstück zu einem projektierten Bau bereits besteht, enthalte, daß das Bauwerk dann nicht (oder etwa in einem größeren Abstand) errichtet werde, wenn sich die Emissionen aus dem Gewerbebetrieb als unzulässige Immissionen auf dem Grundstück, auf welchem das Bauwerk errichtet werden soll, darstellen würden, so ist ihr somit nicht entgegenzutreten.
2.5. Da die in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängel bezüglich der Feststellung des Ist-Zustandes auf der Prämisse beruhen, daß die vom Grundstück des Beschwerdeführers ausgehenden Emissionen im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtsauffassung des Beschwerdeführers festzustellen gewesen wären, ergibt sich somit (da der Verwaltungsgerichtshof dieser Auffassung nicht folgt), daß die von der Beschwerde vermißten Sachverhaltsfeststellungen nicht der Erhebung des maßgebenden Sachverhalts im Sinne des § 37ff AVG in Verbindung mit den anzuwendenden Vorschriften der Steiermärkischen Bauordnung 1968 dienen. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen somit nicht vor.
2.6. Als Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides wird geltend gemacht, daß die belangte Behörde die Zurückweisung der Einwendung hinsichtlich des bestehenden Gewerbebetriebs durch die Gemeindebehörden als Rechtswidrigkeit wahrzunehmen gehabt hätte. Aus den oben dargestellten Gründen entspricht diese Zurückweisung jedoch dem Gesetz. Der angefochtene Bescheid leidet daher auch nicht an inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
2.7. Die Beschwerde war daher, da bereits ihr Inhalt erkennenn läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht Mieter Bestandnehmer GewerbebetriebEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995060163.X00Im RIS seit
03.05.2001