Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der F-OHG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 2. Februar 1994, Zl. 368.536/1-III/B/12a/93, betreffend Zulassung gesundheitsbezogener Angaben gemäß § 9 Abs. 3 Lebensmittelgesetz 1975, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 22. Juli 1975 meldete die Beschwerdeführerin das Produkt "Melos Blütenpollen-Kapseln" als Verzehrprodukt gemäß § 18 LMG 1975 an. Sie legte dar, es sei folgender Verpackungstext vorgesehen:
"Blütenpollen sind natürliche Wertstoffträger, welche unsere Bienen einsammeln, sie enthalten eine Fülle von Spurenelementen, Mineralstoffen und Aminosäuren und damit ein Geschenk der Natur. Diese biologisch wichtigen Ergänzungsstoffe bringen in moderner Darreichungsform viele natürliche Wertstoffe und können mit etwas Flüssigkeit unzerkaut problemlos genommen werden. Zur Unterstützung bei bestimmten
Diäten besonders geeignet. ... Empfohlen werden zweimal ein
Stück täglich. Eine Kapsel enthält 500 mg gemahlene Blütenpollen in reinem Pflanzenöl zu 3,3 Kalorien."
Über Aufforderung der belangten Behörde legte die Beschwerdeführerin am 14. Juli 1978 ein amtliches Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Wien vom 23. Mai 1978 vor. Darin wird nach Darstellung der Verpackungsangaben sowie von Gewicht und äußerer Beschaffenheit des Produktes dargelegt, das Erzeugnis bestehe aus einer Mischung eines Öles mit Blütenpollen (nach Angabe 500 mg je Kapsel). Blütenpollen seien als Substanz zu beurteilen, die nicht dazu bestimmt sei, überwiegend Ernährungs- oder Genußzwecken zu dienen und die auch nicht Arzneimittel sind. Es handle sich somit um ein Verzehrprodukt im Sinne des § 3 LMG. Die im Packungstext empfohlene Tagesmenge betrage zwei Kapseln, entsprechend 1 g Blütenpollen. Angepriesen werde das Erzeugnis mit grob irreführenden Angaben, wobei behauptet werde, daß die Pollen "natürliche Wertstoffträger" wären, die "eine Fülle von Spurenelementen, Mineralstoffen und Aminosäuren" enthielten, die "biologisch wichtige Ergänzungsstoffe" und "natürliche Wertstoffe" brächten. Abgesehen davon, daß besondere "Wertstoffträger" in Blütenpollen bisher nicht nachgewiesen werden konnten und die angeführten Inhaltsstoffe wie "Spurenelemente, Mineralstoffe und Aminosäuren" sich in allen übrigen Nahrungsmitteln fänden, sei eine Tagesmenge von 1 g derart unbedeutend gegenüber den mit der übrigen Nahrung aufgenommenen Stoffen dieser Art, daß keinerlei ernährungsphysiologische Wirkung zu erwarten sei.
Mit Bescheid vom 25. August 1978 untersagte die belangte Behörde das Inverkehrbringen des angemeldeten Produktes "Melos Blütenpollen-Kapseln". Begründend wurde die Auffassung vertreten, auf den vorgelegten Verpackungen seien verbotene gesundheitsbezogene Angaben aufgedruckt. Die Hinweise führten zu einer völlig ungerechtfertigten Überschätzung der Verwendbarkeit des Produktes und daher zu einer groben Irreführung des Konsumenten.
Mit Eingabe vom 4. September 1978 meldete die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine "geänderte Textierung" (der Verpackung) das erwähnte Produkt neuerlich als Verzehrprodukt nach § 18 LMG 1975 an. Sie legte Verpackungstexte vor, die die oben erwähnten gesundheitsbezogenen Hinweise nicht enthielten.
Mit einer Erledigung vom 15. November 1978 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin mit, daß nach genauer Prüfung der Ware auf Grund des Gutachtens der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 23. Mai 1978 kein Grund gefunden worden sei, deren Inverkehrbringen als Verzehrprodukt zu untersagen.
Am 29. März 1993 erstattete die Beschwerdeführerin in bezug auf das erwähnte Produkt eine "Änderungsanzeige". Es werde künftig auf jeden Hilfsstoff verzichtet und das Produkt rein, nur mehr aus Blütenpollen bestehend, in Verkehr gebracht. Mit einer weiteren Eingabe vom selben Tag beantragte die Beschwerdeführerin die Zulassung der Angaben "mit zwei bis drei Blütenpollen-Kapseln unterstützen Sie Ihre tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen". Sie legte dar, Blütenpollen enthielten "neben einer Vielzahl von Vitaminen zahlreiche Mineralstoffe in überdurchschnittlicher Menge (3 %)". Diese stünden nunmehr rein zur Verfügung, sodaß die beantragte Angabe mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar sei.
Die belangte Behörde holte eine Stellungnahme ihrer Fachabteilung ein. Diese legte dar, eine Beurteilung der beantragten Angabe sei mangels näherer Unterlagen nicht möglich. Es sei ein Analysenzeugnis vorzulegen, aus dem die quantitative und qualitative Zusammensetzung des Produktes hervorgehe.
Dies hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor; sie forderte sie auf, die erforderlichen Unterlagen binnen vier Wochen vorzulegen.
Die Beschwerdeführerin legte dazu dar, die Zusammensetzung der wertbestimmenden Substanz sei aus dem Verfahren über die Anmeldung als Verzehrprodukt bekannt. Der Wegfall des Pflanzenöls bewirke keine Änderung gegenüber dem Untersuchungszeugnis der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung vom 23. Mai 1978. Der Mineralstoff- und Vitamingehalt von Blütenpollen sei aus der Fachliteratur bekannt und daher Bestandteil des Fachwissens der zur Entscheidung berufenen qualifizierten Verwaltungsorgane. Ein Analysenzeugnis sei daher nicht erforderlich.
In ihrer Stellungnahme zu dieser Äußerung legte die Fachabteilung der belangten Behörde dar, die Inhaltsstoffe von Pollen seien in Abhängigkeit von der Pflanzenart und den Verhältnissen, in denen die Pollen kultiviert wurden (Bodenbeschaffenheit, Tageslänge, Temperaturverhältnisse, Dünger usw.), stark schwankend. Auch träten je nach Aufarbeitung der Blütenpollen Verluste an Inhaltsstoffen auf. Schließlich seien nicht nur die Blütenpollen an sich, sondern auch sonstige Bestandteile des Produktes zu berücksichtigen. Gegenstand des Antrages sei das angemeldete Produkt und nicht Blütenpollen an sich.
Mit dem angefochtenen Bescheid ließ die belangte Behörde die beantragte gesundheitsbezogene Angabe für das erwähnte Produkt nicht zu. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, Voraussetzung der Zulassung gesundheitsbezogener Angaben nach § 9 Abs. 3 LMG 1975 sei, daß die Angaben wahr seien. Die beantragte Angabe lasse den Konsumenten annehmen, daß eine ernährungsphysiologische Wirkung zu erwarten sei. Dies sei jedoch nicht erwiesen. Die Inhaltsstoffe von Pollen seien in Abhängigkeit von der Pflanzenart und den Verhältnissen, unter denen die Blütenpollen kultiviert worden seien, stark schwankend. Auch träten je nach Aufarbeitung der Blütenpollen Verluste an Inhaltsstoffen auf. Schließlich sei nicht der Inhaltsstoff allein, sondern das konkrete Produkt Gegenstand des Verfahrens und der Beurteilung. Aus dem von der Beschwerdeführerin zitierten Untersuchungszeugnis sei nichts zu gewinnen, weil darin dargelegt werde, daß auf Grund der Einnahme der Blütenpollenkapseln keine ernährungsphysiologische Wirkung zu erwarten sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 3 erster Satz LMG 1975 hat der Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.
Im Beschwerdefall ist nicht zweifelhaft, daß es sich bei dem beantragten Hinweis um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des § 9 Abs. 1 und 3 LMG 1975 handelt. Die Zulassung solcher Angaben nach § 9 Abs. 3 leg. cit. setzt voraus, daß die Angaben mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar sind. Eine Zulassung darf nur dann erfolgen, wenn die gesundheitsbezogene Angabe der Wahrheit entspricht, dem Produkt also jene Wirkung auch tatsächlich innewohnt, deren Vorhandensein auf Grund der betreffenden Angabe zumindest von einem nicht unbeträchtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise erwartet wird (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 21. September 1988, Zlen. 86/10/0086, 0087, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Bei der Beurteilung, wie eine bestimmte Angabe aufgefaßt wird, ist die Verkehrsauffassung maßgebend, also der Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Interessenten ergibt, wobei auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. April 1994, Zl. 92/10/1381).
Von diesem Maßstab ausgehend ist nicht zweifelhaft, daß durch die beantragte Angabe "mit zwei bis drei Blütenpollen-Kapseln unterstützen Sie Ihre tägliche Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen" der Eindruck einer besonderen physiologischen Wirkung in der Richtung erzeugt wird, durch die Einnahme von Blütenpollen-Kapseln in der empfohlenen Menge zusätzlich zur täglichen Ernährung würde ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen hintangehalten bzw. diesem vorgebeugt (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 10. November 1986, Zl. 86/10/0160, und vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0381).
Im erwähnten Zusammenhang vertritt die Beschwerde die Auffassung, die beantragte Angabe enthalte "weder ein Mengennoch ein Wirkungsversprechen, sondern nur eine Mindestzufuhr (zwei bis drei), ab der eine UNTERSTÜTZUNG der (natürlichen) Tageszufuhr bereits gewährleistet sei". Die Angabe sei daher nicht zur Täuschung geeignet, weil die Einnahme des Produktes "zwangsläufig" die tägliche Zufuhr von Mineralstoffen und Spurenelementen, "welchen Umfang immer", unterstütze; denn es habe "nicht einmal der Sachverständige zu behaupten gewagt", daß Blütenpollen keine Mineralstoffe und Spurenelemente enthielten.
Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung nicht, daß die Angabe kein Wirkungsversprechen enthielte, weil lediglich von einer Unterstützung der Zufuhr von Mineralstoffen und Spurenelementen die Rede sei. Es kommt nicht darauf an, welcher Inhalt einer Aussage bei einer eingehenden Untersuchung des Sinnes der verwendeten Begriffe und deren enger Interpretation zukäme; maßgeblich ist vielmehr der Gesamteindruck, der bei flüchtigem Lesen beim Durchschnittsbetrachter hervorgerufen wird. Dieser geht - auch wenn dies nicht ausdrücklich gesagt wird - in die Richtung, daß durch die Einnahme des Produktes in der empfohlenen Menge die ERFORDERLICHE "Zufuhr" an Mineralstoffen und Spurenelementen (in Form der "Unterstützung" im Sinne der Ergänzung der durch die Ernährung gegebenen Aufnahme) sichergestellt und damit ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen hintangehalten werde. Die besondere Hervorhebung des Gehaltes eines Produktes an bestimmten Inhaltsstoffen läßt beim Konsumenten im allgemeinen den Eindruck einer besonderen physiologischen Wirkung der Zufuhr des jeweiligen Inhaltsstoffes entstehen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 28. Mai 1984, Zl. 81/10/0086).
Es kann somit nicht unterstellt werden, daß der strittigen Angabe vom Verbraucher lediglich die Bedeutung eines Hinweises auf einen unter Umständen ganz geringen, ernährungsphysiologisch nicht relevanten Gehalt des Produktes an Mineralstoffen und Spurenelementen beigemessen würde. Im übrigen wäre für den Standpunkt der Beschwerde auch in diesem Fall nichts gewonnen. Die Aussage wäre diesfalls als unbestimmt aufzufassen, weil sie nicht konkret zum Ausdruck brächte, welche Wirkungen dem Produkt innewohnen sollen. Sie wäre geeignet, bei den angesprochenen Verbrauchern zu unterschiedlichen und damit teilweise zu falschen Vorstellungen über die wahre Wirkung des Produktes zu führen. Auch bei einem solchen Aussagegehalt wäre die Täuschungseignung zu bejahen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 12. Dezember 1988, Zl. 88/10/0186).
Die strittige Angabe war somit in Richtung des Versprechens aufzufassen, daß durch die Einnahme des Produktes in der empfohlenen Menge ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen hintangehalten werde. Eine Verneinung der Täuschungseignung der Angabe setzte somit zunächst einen Gehalt des Produktes an Mineralstoffen und Spurenelementen in solcher Menge und Zusammensetzung voraus, daß mit seiner Einnahme in der empfohlenen Dosierung ein Mangel an Mineralstoffen und Spurenelementen hintangehalten werden könnte. Dabei kann die Frage auf sich beruhen, ob eine Täuschungseignung der Angabe auch unter dem Gesichtspunkt in Betracht kommt, daß im allgemeinen schon mit der üblichen Nahrung eine ausreichende Zufuhr an Mineralstoffen und Spurenelementen erfolgt.
Die Beschwerdeführerin trug im Verwaltungsverfahren die Beweislast für die Wahrheitsgemäßheit der beantragten Angabe (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. April 1984, Zl. 81/10/0088). Diese umfaßte im vorliegenden Fall insbesondere auch einen Nachweis über den jeweiligen Gehalt des Produktes an Mineralstoffen und Spurenelementen; denn die Beurteilung des Ausmaßes der ernährungsphysiologischen Wirkungen des Produktes hätte konkrete Feststellungen über den Gehalt der beworbenen Inhaltsstoffe vorausgesetzt. Es war somit nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde der Beschwerdeführerin einen entsprechenden Nachweis abverlangte und ihren Antrag mangels Erbringung eines solchen Nachweises unter dem Gesichtspunkt der Täuschungseignung der Angabe abwies.
Das Untersuchungszeugnis vom 23. Mai 1978, auf das sich die Beschwerde im soeben erwähnten Zusammenhang beruft, war zur Führung eines solchen Nachweises nicht geeignet. Darin finden sich - im Zusammenhang mit ähnlichen gesundheitsbezogenen Angaben - auf die Täuschungseignung der beantragten Angabe hinweisende Darlegungen, nämlich, daß sich Inhaltsstoffe wie Mineralstoffe und Spurenelemente in allen Nahrungsmitteln fänden und eine Tagesmenge von 1 g Blütenpollen gegenüber den mit der übrigen Nahrung aufgenommenen Stoffen dieser Art derart unbedeutend sei, daß keinerlei ernährungsphysiologische Wirkungen zu erwarten seien.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994100053.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
13.03.2012