TE Lvwg Beschluss 2022/8/26 VGW-124/046/10033/2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.08.2022
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Entscheidungsdatum

26.08.2022

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Norm

BVergG 2018 §2 Z15 lita sublitaa
WVRG 2020 §25 Abs1
WVRG 2020 §25 Abs2
WVRG 2020 §26 Abs3

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Schmied über den Antrag der A., bestehend aus B. GmbH und C. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte, auf Erlassung einer Einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren "Lieferung und Montagen von Kabelgarnituren …, Los X“, folgenden

BESCHLUSS

gefasst:

Im Vergabefahren "Lieferung und Montagen von Kabelgarnituren …, Los X“ wird der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Zuschlagserteilung untersagt. Diese Verfügung ist sofort vollstreckbar.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Die Wiener Netze GmbH führt als öffentliche Auftraggberin ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe von Lieferung und Montagen von Kabelgarnituren …. Das Verfahren ist in 5 Lose untergliedert. Gegenständlich ist nur das Los X.

Die Auftraggeberin betreibt ein Prüfsystem, im Rahmen dessen sie ein anschließendes Verhandlungsverfahren zur Vergabe von Dienstleistungsaufträgen für insgesamt 5 Lose (jeweils in Form eines Rahmenvertrags) nach den Bestimmungen des BVergG 2018 im Sektorenbereich durchführt. Das Los X liegt nach dem geschätzten Auftragswert schon für sich allein im Oberschwellenbereich und übersteigt den Schwellenwert gemäß § 185 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 um mehr als das 20fache. Die Bekanntmachung über das Bestehen des Prüfsystems diente gleichzeitig als vorherige Bekanntmachung für das gegenständliche Verhandlungsverfahren betreffend Los X. Die Bekanntmachung erfolgte mit 5.11.2021 auf dem Beschaffungsportal der Wiener Stadtwerke sowie im Supplement S zum Amtsblatt der Europäischen Union3240, ABl 2021/S 215-566914.

Am 5.8.2022 erging die Zuschlagsentscheidung zugunsten der D. GmbH (präsumtive Zuschlagsempfängerin).

Mit Nachprüfungsantrag vom 16.8.2022 beantragte die A., bestehend aus der B. GmbH und der C. GmbH (Antragstellerin) die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 5.8.2022.

Zugleich wurde von der Antragstellerin beantragt, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, mit welcher der Auftraggeberin untersagt wird, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag zu erteilen. Die Entrichtung von Pauschalgebühren in Höhe von 19.440,-- Euro wurde nachgewiesen.

Begründend führt die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag im Wesentlichen aus, die präsumtive Zuschlagsempfängerin habe in ihrem Angebot die C. GmbH und die B. GmbH als erforderliche Subunternehmer benannt. Die genannten Unternehmen, beide Mitglieder der antragstellenden Bietergemeinschaft, hätten ihre Subunternehmererklärung jedoch noch vor der Zuschlagsentscheidung zurückgezogen, sodass die Eignung der präsumtiven Zuschlagsempfängerin verloren gegangen und zum Zeitpunkt der Zuschlagserteilung nicht mehr vorgelegen sei. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin wäre daher auszuscheiden gewesen. Die dennoch erfolgte Zuschlagsentscheidung erweise sich somit als vergaberechtswidrig.

Mit Schriftsatz vom 22.8.2022 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und gab bekannt, zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung keine Stellungnahme abzugeben.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

Gemäß § 25 Abs. 1 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien auf Antrag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers, der oder dem die Antragsvoraussetzungen nach § 18 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Gemäß § 25 Abs. 2 WVRG 2020 hat der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu enthalten:

1. die genaue Bezeichnung des betreffenden Vergabeverfahrens, der gesondert anfechtbaren Entscheidung sowie der Auftraggeberin oder des Auftraggebers, der Antragstellerin oder des Antragstellers und gegebenenfalls der vergebenden Stelle einschließlich deren elektronischer Adresse,

2. eine Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie des Vorliegens der in § 18 Abs. 1 genannten Voraussetzungen,

3. die genaue Bezeichnung der behaupteten Rechtswidrigkeit,

4. die genaue Darlegung der unmittelbar drohenden Schädigung der Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers und eine Glaubhaftmachung der maßgeblichen Tatsachen,

5. die genaue Bezeichnung der begehrten vorläufigen Maßnahme und

6. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig eingebracht wurde.

Mit dem gegenständlichen Nachprüfungsantrag wird eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 15 lit. a sublit. aa BVergG 2018 bekämpft. Die Beibringung der Pauschalgebühren wurde nachgewiesen. Die Anträge auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung und auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erweisen sich als fristgerecht und entsprechen auch sonst den formalrechtlichen Anforderungen des WVRG 2020.

Die von der Antragstellerin im Nachprüfungsantrag behaupteten Rechtswidrigkeiten erscheinen bei ihrem Vorliegen insgesamt und von vorneherein nicht ungeeignet, im Ergebnis die Nichtigerklärung einer oder aller angefochtenen Entscheidungen herbeizuführen. Dazu bedarf es aber einer eingehenden Prüfung der von der Antragsgegnerin vorzulegenden Vergabeakten sowie der Durchführung der von der Antragstellerin beantragten mündlichen Verhandlung.

Die Antragstellerin hat ihr Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung plausibel dargelegt und im Ergebnis auch begründet ausgeführt, dass dem Schutz ihrer Interessen entsprechend der vergaberechtlichen Judikatur der Vorrang gegenüber den Interessen der Antragsgegnerin an einer Fortsetzung des Vergabeverfahrens einzuräumen wäre. Die Auftraggeberin hat sich trotz gebotener Gelegenheit nicht gegen die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung ausgesprochen. Gegen die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung sprechende öffentliche Interessen wurden nicht dargelegt und können auch der Aktenlage nicht entnommen werden.

Gemäß § 26 Abs. 3 WVRG 2020 können mit einer einstweiligen Verfügung das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts Wien über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen. Mit den aus dem Spruch ersichtlichen Maßnahmen wird dem Sicherungszweck mit dem gelindesten Mittel Rechnung getragen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Ein Vergleich der Regelungen zum Ablehnungsmodell gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG aF mit dem Revisionsmodell nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zeigt, dass diese Bestimmungen nahezu ident sind. Zur Auslegung des Begriffes „Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung" kann somit auch auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ablehnungsrecht nach Art. 131 Abs. 3 B-VG aF zurückgegriffen werden (in diesem Sinne Thienel, Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, 74). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist dann anzunehmen, wenn die Entscheidung des VwGH von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen hingegen ist der VwGH nicht zuständig (VwGH 12.08.2014, Ra 2014/06/0015). Der VwGH ist als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann der VwGH jedoch prüfen, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (VwGH 19.05.2014, Ra 2015/19/0091).

Da in Ansehung dieser von Judikatur und Literatur herausgearbeiteten Grundsätze im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, war die (ordentliche) Revision nicht zuzulassen.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; Schutz der Interessen; Sicherungszweck; gelindestes Mittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.124.046.10033.2022

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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