TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/7 95/05/0072

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
AVG §9;
BauO OÖ 1976 §49;
BauO OÖ 1976 §58 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a;
B-VG Art132;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
VwGG §27;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):95/05/0074 95/05/0073

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerden des W in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Gemeinderat der Gemeinde E, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mangels Erledigung von drei Bauansuchen des Beschwerdeführers, zu Recht erkannt:

Spruch

In Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG wird dem Gemeinderat der Gemeinde E aufgetragen, binnen 8 Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses über das Ansuchen des Beschwerdeführers 1. vom 1. Dezember 1992 betreffend die Erteilung einer Baubewilligung für einen Neubau eines vegetarischen Nahversorgers mit angeschlossener Produktions- und Lagerhalle für Lebensmittel sowie Neubau von 4 Wohnungen einschließlich der beantragten Bauplatzerklärung für die Grundstücke Nr. 645/3, 646/9 und 691/14, in EZ 502, KG K, 2. betreffend die Bewilligung zur Errichtung eines Neubaues von drei Kellergeschoßen auf dem Grundstück 691/14, EZ 502, KG K, und 3. vom 20. August 1993 betreffend die Bewilligung der Errichtung eines Wohnhauses auf den Grundstücken Nr. 645/3 und 646/9, EZ 502, KG K, unter Beachtung der in den aufsichtsbehördlichen Bescheiden der O.ö. Landesregierung vom 19. Juli 1994,

Zlen. BauR-11252/1-1994 Pe/Vi, BauR-011253/1-1994 Pe/Vi und BauR-011159/3-1994 Pe/Vi, dargelegten, die Aufhebung tragenden Rechtsansicht zu entscheiden.

Die Gemeinde E hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 38.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit insgesamt drei an die Gemeinde E gerichteten Ansuchen beantragten der Beschwerdeführer und G die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines vegetarischen Nahversorgers mit angeschlossener Produktions- und Lagerhalle für Lebensmittel und den Neubau von vier Wohnungen, die Erteilung der Baubewilligung für den Neubau von

drei Kellergeschoßen sowie die Errichtung eines Wohnhauses. Für alle Bewilligungen wurde im innergemeindlichen Instanzenzug die baubehördliche Bewilligung versagt. Mit jeweils einem Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Juli 1993 wurde der angefochtene Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde E aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde E zurückverwiesen. Begründet wurde die Aufhebung jeweils damit, daß die den Gegenstand der Anträge bildenden Bauprojekte trotz Verhängung der Bausperre über das gegenständliche Gebiet durch die Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde E vom 16. Dezember 1992, beruhend auf dem Beschluß des Gemeinderates vom 16. Dezember 1992 in der Fassung der Verordnung vom 30. September 1993, beruhend auf dem Beschluß des Gemeinderates E vom 30. September 1993, nicht grundsätzlich bewilligungsunfähig seien. Die geplanten Bauführungen seien mit der in der Bausperre in Aussicht genommenen Wohngebietswidmung nicht grundsätzlich unvereinbar.

Aufgrund der gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Juli 1994 eingebrachten Beschwerden der Gemeinde E hat der Verwaltungsgerichtshof mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1994 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die genannte Verordnung der Gemeinde E betreffend die Bausperre als gesetzwidrig aufzuheben.

In der Folge hat der Beschwerdeführer mit je

drei Beschwerden vom 8. März 1995 an den Verwaltungsgerichtshof den Antrag gestellt, der Gerichtshof möge in den Angelegenheiten selbst entscheiden, da die belangte Gemeinde seit der am 20. Juli 1994 erfolgten Zustellung des angefochtenen aufsichtsbehördlichen Bescheides vom 19. Juli 1994 nicht entschieden habe, obwohl bereits mehr als 6 Monate vergangen seien. Der Umstand, daß der Gemeinderat der Gemeinde E die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung vom 19. Juli 1994 ihrerseits mit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten habe, befreie sie nicht von ihrer gesetzlichen Entscheidungspflicht; eine Unterbrechung des Bauverfahrens gemäß § 38 AVG sei nicht erfolgt.

Nach Einleitung der Vorverfahren brachte die belangte Behörde, vertreten durch Dr. A eine Äußerung zu den Säumnisbeschwerden ein, in der sie jeweils darauf hinwies, in den vorliegenden Verwaltungsverfahren hätten der Beschwerdeführer und G gemeinsam die jeweiligen Anträge um Erteilung der Baubewilligung eingebracht, beide Antragsteller seien als Rechtsgemeinschaft aufgetreten, ein Antragsteller allein sei nicht beschwerdeberechtigt. Die Säumnisbeschwerden enthielten keine Sachverhaltsdarstellung; es liege keine Verletzung der Entscheidungspflicht vor, da es nicht nur höchst unökonomisch, sondern auch nirgends in Gesetz, Lehre und Rechtsprechung vorgesehen sei, daß in ein und derselben Sache der Verwaltungsgerichtshof gleichzeitig kassatorisch und meritorisch nebeneinander zu entscheiden habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zunächst beschlossen, wegen des personellen und sachlichen Zusammenhanges die

drei Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist dem diesbezüglichen Vorbringen zu entgegnen, daß in jedem der Beschwerdefälle der Sachverhalt vom Beschwerdeführer ausreichend dargestellt wurde. Es wurde jeweils ausgeführt, um welches Bauvorhaben es sich handelte, daß die Baubehörden erster und zweiter Instanz negative Bescheide erlassen haben und aufgrund einer vom Beschwerdeführer erhobenen Vorstellung die Oberösterreichische Landesregierung mit jeweils einem Bescheid vom 19. Juli 1994 der Vorstellung Folge gegeben, den angefochtenen Bescheid des Gemeinderates aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurückverwiesen hat. Weiters wurde ausgeführt, daß seit Zustellung der Bescheide der Gemeindeaufsichtsbehörde am 20. Juli 1994 bereits mehr als sechs Monate vergangen sind, die belangte Behörde, obwohl eine Entscheidung gemäß § 38 AVG nicht erfolgt ist, über das jeweilige Bauverfahren nicht entschieden hat, und der Umstand, daß die Gemeinde ihrerseits Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben hat, die Gemeinde nicht von ihrer gesetzlichen Entscheidungspflicht enthoben hat. Den einzelnen Beschwerden war auch der jeweils von der Gemeinde angefochtene Bescheid der Gemeindeaufsichtsbehörde vom 19. Juli 1994 beigelegt. Somit war auch für den Verwaltungsgerichtshof der Sachverhalt so bestimmt dargelegt, daß kein Zweifel daran bestehen kann, wodurch die Säumnis der Gemeinde begründet war und um welches Bauverfahren es sich im einzelnen handelte. Weiterer Ausführungen bedurfte es demnach nicht. Es wird somit durch die Darstellung in den Beschwerden dem Erfordernis des § 28 Abs. 1 Z. 3 VwGG entsprochen; der Verwaltungsgerichtshof ist auch in die Lage versetzt, gegebenenfalls nach § 38 Abs. 2 VwGG vorzugehen.

Die Baubewilligung ist ein antragsbedürftiger Verwaltungsakt, der nur dann gesetzmäßig ist, wenn ein auf Erteilung der Bewilligung gerichteter Antrag vorliegt. In den jeweiligen Beschwerdefällen haben der Beschwerdeführer und G die Bauansuchen gemeinsam eingebracht, in der Folge hat sich G nicht mehr am Verwaltungsverfahren beteiligt. In dem Umstand, daß nur mehr der Erstantragsteller und nunmehrige Beschwerdeführer die Baugesuche aufrecht erhält, kann aber weder eine Rechtswidrigkeit erblickt werden, noch mangelt es dadurch dem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren an der erforderlichen Antragstellung. Der Beschwerdeführer und G sind auch nicht als Rechtsgemeinschaft aufgetreten, sondern als zwei physische Personen, die gemeinsam einen Bauantrag stellten. Der von der Gemeinde E in ihrer Gegenschrift zitierte Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1975, Slg. Nr. 8764/A, in dem ausgesprochen wurde, es seien in dem damaligen Beschwerdefall zwei Antragsteller als Rechtsgemeinschaft aufgetreten, einer allein sei nicht beschwerdeberechtigt, bezog sich auf eine Kommanditgesellschaft, welcher gemäß § 161 Abs. 1 i. V.m. § 124 HGB Rechtsfähigkeit zuerkannt worden ist. Die Feststellungen, die der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschluß betreffend die Rechtsgemeinschaft getroffen hat, beziehen sich somit auf eine andere als in den vorliegenden Fällen gegebene rechtliche Konstruktion.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen worden ist, nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Wird - wie in den vorliegenden Beschwerdesachen - der im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde ergangene Bescheid eines Gemeinderates von der Gemeindeaufsichtsbehörde aufgehoben, so beginnt die Frist für die Erlassung des Ersatzbescheides durch den Gemeinderat mit dem Tag der Zustellung des aufhebenden gemeindeaufsichtsbehördlichen Bescheides an die Gemeinde zu laufen. Daß die sechsmonatige Entscheidungsfrist nach Zustellung der Vorstellungsbescheide vom 19. Juli 1994 in den Beschwerdefällen überschritten wurde, ist offenkundig. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Erhebung einer Säumnisbeschwerde liegen vor, insbesondere kommt es - anders als gemäß § 73 Abs. 2 AVG - nach § 27 VwGG nicht auf ein Verschulden der säumigen Behörde an der Verzögerung an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1988, Zl. 87/05/0060). Es ist daher auch nicht ausschlaggebend, welche Gründe - hier die Erhebung einer Beschwerde durch die Gemeinde an den Verwaltungsgerichtshof - die Behörde bewogen haben, über die nunmehr offenen Berufungen des Beschwerdeführers gegen die die Bauansuchen abweisenden Bescheide des Bürgermeisters nicht zu entscheiden. Die Beschwerden sind daher zulässig. Auch der Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der Beschwerden der Gemeinde wegen der Bedenken, die er gegen die Gesetz- bzw. Verfassungsmäßigkeit der Bausperreverordnung der Gemeinde hegte, mit Beschlüssen vom 20. Dezember 1994 gemäß Art. 139 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt hat, diese Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, ändert nichts an der grundsätzlichen Entscheidungspflicht der Gemeinde über die offenen Berufungen des Beschwerdeführers. Eine Verordnung gehört, solange sie vom Verfassungsgerichtshof nicht als gesetzwidrig aufgehoben wurde, dem Rechtsbestand an, soferne sie nicht durch Zeitablauf gemäß § 58 Abs. 2 O.ö. Bauordnung außer Kraft getreten ist oder der Gemeinderat zwischenzeitig für das gegenständliche Gebiet eine andere Verordnung erlassen hat.

In meritorischer Hinsicht ist davon auszugehen, daß der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der vorliegenden Säumnisbeschwerden nach der Aufhebung der Bescheide des Gemeinderates durch die Bescheide der Vorstellungsbehörde vom 19. Juli 1994 über die damit unerledigten Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Bürgermeisters anstelle des säumigen Gemeinderates zu entscheiden hat, sodaß der Gerichtshof - so wie der Gemeinderat - auch auf § 102 Abs. 5 der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1979 Bedacht zu nehmen hat, wonach die Gemeinde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden ist. Daraus folgt, daß der Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Entscheidung über die Säumnisbeschwerde an jene Gründe der in Rechtskraft erwachsenen aufsichtsbehördlichen Bescheide vom 19. Juli 1994 gebunden ist, die zur Aufhebung der Bescheide des Gemeinderates geführt haben (vgl. in diesem Zusammenhang aus der ständigen hg. Judikatur unter anderem das Erkenntnis vom 13. Oktober 1981, Zl. 05/2688/80).

Da die Gemeinde E der irrigen Auffassung war, infolge ihrer Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes von der Entscheidungspflicht entbunden zu sein, sah sich der Verwaltungsgerichtshof gehalten, in Anwendung des § 42 Abs. 4 VwGG dem Gemeinderat aufzutragen, binnen 8 Wochen ab Zustellung dieses Erkenntnisses über die offenen Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide des Bürgermeisters unter Beachtung der die Aufhebung tragenden Gründe der aufsichtsbehördlichen Bescheide vom 19. Juli 1994 zu entscheiden.

Aufgrund der dargelegten Erwägungen war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche AngelegenheitenBeschränkungen der Änderungen im Personenkreis der Verfahrensbeteiligten (siehe auch Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten)Rechtsfähigkeit ParteifähigkeitBinnen 6 MonatenBaubewilligung BauRallg6Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des BescheidadressatenVerschulden der Behörde §73 Abs2 letzter Satz AVGErsatzbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995050072.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

02.02.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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