TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/24 LVwG-2021/14/2076-7

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Veröffentlicht am 24.01.2023
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Entscheidungsdatum

24.01.2023

Index

82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

EpidemieG 1950 §32
COVID-19-MG §4 Abs2
COVID-19-MV-96 §3
VO-BH Kufstein vom 13.3.2020 §1 litb Satz2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA, über die Beschwerde von AA, vertreten durch BB, Rechtsanwältin in **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y (belangte Behörde) vom 18.6.2021, Zl ***, betreffend eine Vergütung gemäß § 32 Abs 1 Epidemiegesetz 1950 (EpiG)

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde – zusammengefasst – den Antrag des Beschwerdeführers auf Vergütung des Verdienstentgangs von € 3.900 aufgrund der Schließung des Gastgewerbebetriebs CC in **** X für den Zeitraum 17.3.2020 bis 25.3.2020 gemäß §§ 20, 32 Abs 1 Z 5 und Abs 4 EpiG iVm VO der BH Kufstein, LGBl 2020/126, und § 1 und 4 Abs 2 COVID-19-MG und § 3 COVID-19-MV (Spruchpunkt 1) und für den 26.3.2020 gemäß §§ 32 EpiG iVm § 1 COVID-19-MG und § 3 COVID-19-MV (Spruchpunkt 2) als unbegründet ab. Für den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 seien für diesen Gastgewerbebetrieb Maßnahmen gestützt auf § 20 EpiG erlassen worden, nicht jedoch für den 26.3.2020. Durch die Schließung sei ein Verdienstentgang eingetreten. Der gegenständliche Gastgewerbebetrieb sei zwar durch die Verordnung der belangten Behörde für den Zeitraum vom 17.3.2020 bis 25.3.2020 geschlossen worden. Am 17.3.2020 sei jedoch § 3 COVID-19-MV-96 in Kraft getreten, welche ein bundesweites Betretungsverbot für Gastgewerbebetriebe angeordnet habe. Dadurch sei dem formell weiterhin in Geltung stehenden § 20 EpiG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 4 Abs 2 COVID-19-MG materiell derogiert worden (LVwG-Vorarlberg, LVwG-***). Dies habe für die Schließung des Gastgewerbebetriebes zur Folge, dass für die Dauer der Geltung der genannten Verordnung die Bestimmungen des Epidemiegesetz im selben Geltungsbereich nicht mehr zur Anwendung kommen, womit auch keine Entschädigung gemäß § 32 EpiG mehr gebühren kann. Im Gegensatz zum Epidemiegesetz kenne das COVID-19-Maßnahmengesetz keine gesetzlich verankerte Vergütung des Verdienstentgangs (zur Rechtmäßigkeit dieses Ausschlusses VfGH 14.7.2020, G 202/2020; VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018).

In der dagegen erhobenen Beschwerde führte der Beschwerdeführer – wiederum zusammengefasst – aus, die belangte Behörde gehe fälschlicherweise von einer materiellen Derogation aus. Dafür müssten die sachlichen, persönlichen, zeitlichen und örtlichen Geltungsbereiche der widersprechenden Normen ident sein, was im gegenständlichen Fall nicht eintrete. Durch die VO-BH Kufstein seien alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken zu schließen gewesen. Die aufgrund des COVID-19-Maßnahmengesetzes erlassene COVID-19-MV-96 habe jedoch das Betreten von Betriebsstätten sämtliche Betriebsarten des Gastgewerbes untersagt. Laut der Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Salzburg Zl *** sei unter Bezugnahme auf OGH 24.2.2021, 7 Ob 214/20a, ein Betretungsverbot nicht mit einer Betriebsschließung gleichzusetzen. Die VO-BH Kufstein habe keine vollständige Schließung gewöhnlicher Gastgewerbebetriebe angeordnet. Der sachliche, persönliche und örtliche Geltungsbereich unterscheide sich daher von der COVID-19-MV-96. Somit würden die Voraussetzung für eine materielle Derogation nicht vorliegen. Deshalb sei auch ein Anspruch nach dem Epidemiegesetz nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus wird die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des damaligen Gesundheitsministers vom 18.6.2020, 1599/J, ob eine Entschädigung für den Zeitrahmen Mitte bis Ende März 2020 vorliege, angeführt („Wenn sich die Maßnahme auf § 20 Epidemiegesetz gestützt hat und rechtzeitigen ein Antrag nach § 32 Epidemiegesetz gestellt wurde, dann ja.“). Abschließend beantragte der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, die beantragte Vergütung von € 4.844,14 zuzusprechen, in eventu die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.

II.      Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist Inhaber des Gastgewerbes in der Betriebsart Restaurant. Er betreibt das CC in **** X, Bezirk Y. Von 17.3.2020 bis einschließlich 26.3.2020 war der Beschwerdeführer gehindert, sein Restaurant zu betreiben. Das tägliche wirtschaftliche Einkommen für den genannten Zeitraum wird vom Beschwerdeführer mit € 570 angegeben, allerdings ist von diesem Betrag eine tägliche Kostenersparnis € 180 abzuziehen.

III.     Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ist unstrittig und ergibt sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt. Den Verdienstentgang erläuterte der Beschwerdeführer in seinem Antrag vom 23.4.2020.

IV.      Rechtslage

Epidemiegesetz 1950 (EpiG, BGBl 1950/186 [WV] idF I 2022/21)

Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen

§ 20. (1) Beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde.

(2) Beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.

(3) Die Schließung einer Betriebsstätte ist jedoch erst dann zu verfügen, wenn ganz außerordentliche Gefahren sie nötig erscheinen lassen.

Vergütung für den Verdienstentgang.

§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

5. sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist,

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.

Zuständigkeiten betreffend COVID-19

§ 43a. (1) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 sind vom für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister zu erlassen.

(2) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können vom Landeshauptmann erlassen werden, wenn keine Verordnung gemäß Abs. 1 erlassen wurde oder zusätzliche Maßnahmen zu einer Verordnung gemäß Abs. 1 festgelegt werden.

(3) Verordnungen nach diesem Bundesgesetz betreffend COVID-19 können von der Bezirksverwaltungsbehörde erlassen werden, wenn keine Verordnungen gemäß Abs. 1 oder 2 erlassen wurden oder zusätzliche Maßnahmen zu Verordnungen nach Abs. 1 oder 2 festgelegt werden.

(4) In einer Verordnung gemäß Abs. 1 bis 3 kann entsprechend der jeweiligen epidemiologischen Situation regional differenziert werden.

(5) Durch Verordnung gemäß Abs. 1 können Verordnungen gemäß Abs. 2 und 3 oder Teile davon aufgehoben werden. Durch Verordnung gemäß Abs. 2 können Verordnungen gemäß Abs. 3 oder Teile davon aufgehoben werden.

(6) Verordnungen gemäß Abs. 2 und 3 sind vor deren Inkrafttreten dem für das Gesundheitswesen zuständigen Bundesminister mitzuteilen.

COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG, BGBl I 2020/12 in der den relevanten Zeitraum betreffenden Fassung 2020/23)

Betreten von Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren- und Dienstleistungen wie Arbeitsorte

§ 1. Beim Auftreten von COVID-19 kann der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz durch Verordnung das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zwecke des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz untersagen, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. In der Verordnung kann geregelt werden, in welcher Zahl und zu welcher Zeit jene Betriebsstätten betreten werden dürfen, die vom Betretungsverbot ausgenommen sind. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen Betriebsstätten oder Arbeitsorte betreten werden dürfen.

(Anmerkung: Mit der Novelle BGBl I 2020/16 wurde die Überschrift zu § 1 neu gefasst und in § 1 die Wortfolge „oder Arbeitsorte im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz“ eingefügt. Mit der Novelle BGBl I 2020/23 wurde der letzte Satz des § 1 eingefügt.)

Betreten von bestimmten Orten

§ 2. Beim Auftreten von COVID-19 kann durch Verordnung das Betreten von bestimmten Orten untersagt werden, soweit dies zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist. Die Verordnung ist

1.   vom Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege- und Konsumentenschutz zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Bundesgebiet erstreckt,

2.   vom Landeshauptmann zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf das gesamte Landesgebiet erstreckt, oder

3.   von der Bezirksverwaltungsbehörde zu erlassen, wenn sich ihre Anwendung auf den politischen Bezirk oder Teile desselben erstreckt.

Das Betretungsverbot kann sich auf bestimmte Zeiten beschränken. Darüber hinaus kann geregelt werden, unter welchen bestimmten Voraussetzungen oder Auflagen jene bestimmten Orte betreten werden dürfen“

(Anmerkung: Der letzte Satz des § 2 wurde mit der Novelle BGBl I 2020/23 angefügt.)

Inkrafttreten

§ 4. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft und mit Ablauf des 31. Dezember 2020 außer Kraft.

(1a) Abs. 2 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 16/2020 tritt rückwirkend mit 16.03.2020 in Kraft.

(2) Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

(3) Die Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 bleiben unberührt.

(4) Verordnungen aufgrund dieses Bundesgesetzes können vor seinem Inkrafttreten erlassen werden, dürfen jedoch nicht vor diesem in Kraft treten.

(5) §§ 1, 2 und § 2a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 23/2020 treten mit dem der Kundmachung folgenden Tage in Kraft.

(Anmerkung: Mit Novelle BGBl I 2020/16 wurde § 4 Abs 2 durch Einführung der Wortfolge „im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung“ neu gefasst und der Abs 1a eingefügt. Abs 5 wurde mit der Novelle BGBl I 2020/23 eingefügt.)

Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend vorläufige Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 (COVID-19-MV-96, BGBl II 2020/96 idF 112)

§ 3. (1) Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

(2) Abs. 1 gilt nicht für Gastgewerbebetriebe, welche innerhalb folgender Einrichtungen betrieben werden:

1.       Kranken- und Kuranstalten;

2.       Pflegeanstalten und Seniorenheime;

3.       Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung von Kindern und Jugendlichen einschließlich Schulen und Kindergärten;

4.       Betrieben, wenn diese ausschließlich durch Betriebsangehörige genützt werden dürfen.

(3) Abs. 1 gilt nicht für Beherbergungsbetriebe, wenn in der Betriebsstätte Speisen und Getränke ausschließlich an Beherbergungsgäste verabreicht und ausgeschenkt werden.

§ 4 (2) § 3 tritt mit 17. März 2020 in Kraft.

(3) Diese Verordnung tritt mit Ablauf des 13. April außer Kraft.

Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Kufstein über verkehrsbeschränkende Maßnahmen nach dem Epidemiegesetz 1950 für alle Gemeinden des Bezirk Kufstein (in weiterer Folge VO-BH Kufstein, Bote für Tirol 10b/2020, 126)

Aufgrund stark zunehmend nachgewiesener an SARS-CoV-2 erkrankten Personen im Bezirk Kufstein sowie der hohen Anzahl der dort urlaubsbedingt aufhältigen Personen aus internationalen Ländern sind die nachfolgenden behördlichen Anordnungen aus medizinischer Sicht unbedingt erforderlich, um eine Weiterverbreitung dieser Erkrankung möglichst einzudämmen.

Die Bezirkshauptmannschaft Kufstein verordnet in Ergänzung zur Verordnung vom 11. März 2020, Zahl KU-INF-309/14-2020 als zuständige Behörde gemäß §§ 15, 20, 24 und 26 Epidemiegesetz 1950 in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz betreffend Betriebsbeschränkung oder Schließung

gewerblicher Unternehmungen bei Auftreten von Infektionen mit SARSCoV-2 („2019 neuartiges Coronavirus“), jeweils in der geltenden Fassung folgende Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung einer Krankheit, konkret des Corona-Virus (SARS-CoV-2):

§ 1

a) Für die Bewohner der Gemeinden im Bezirk Kufstein sowie für die in diesen Gemeinden aufhältigen Personen wird die Beförderung mit jenen Kursen des Kraftfahrlinienverkehrs, welche der Abwicklung des Schibusverkehrs dienen, sowie mit Seilbahnanlagen verboten.

Ausgenommen sind jene Kurse, die zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Personennahverkehrs dienen.

b) Weiters wird für die Bewohner der Gemeinden im Bezirk Kufstein sowie für die in diesen Gemeinden aufhältigen Personen wird der Besuch sämtlicher in den Gemeindegebieten befindlichen Gastgewerbebetriebe, die rein der Unterhaltung dienende Aktivitäten darbieten, verboten. Diese Maßnahmen gelten innerhalb der Betriebsräume und außerhalb auf den Freiterrassen, Gastgärten und den vorgelagerten Freiflächen.

    Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Kufstein, insbesondere Gast- und Beherbergungsbetriebe, Hotelbetriebe, Appartementhäuser, Restaurants, Cafés, Bars, Chalets, Airbnb, Privatzimmervermietungen und dergleichen sowie Campingplätze sind zu schließen.

    Davon ausgenommen ist die Verabreichung von Speisen zur Grundversorgung der Bevölkerung.

§ 2

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die Beschränkungen zu überwachen und gegebenenfalls sicherheitspolizeilich einzuschreiten.

§ 3

(1) Die Bestimmungen dieser Verordnung, mit Ausnahme des § 1 lit b, treten mit Ablauf des 15. März 2020 in Kraft.

(2) § 1 lit b dieser Verordnung tritt mit Ablauf des 16. März 2020 in Kraft.

(3) Die §§ 1 und 2 dieser Verordnung treten mit Ablauf des 13. April 2020 außer Kraft.

§ 4

Wer gemäß § 1 dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht gemäß § 40 Epidemiegesetz 1950 eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu € 1.450, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen, zu bestrafen.

(Diese Verordnung wurde mit Verordnung Bezirkshauptmannschaft Kufstein, Bote für Tirol, 12a/2020, 182, am 26.3.2020 aufgehoben.)

V.       Erwägungen

A. Fragestellung im gegenständlichen Fall

Im Kern des gegenständlichen Verfahrens steht die Frage, ob durch die Erlassung des auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Betretungsverbots für Gaststätten (§ 3 COVID-19-MV-96) die auf das Epidemiegesetz gestützte Betriebsschließung von Gaststätten durch § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein nicht mehr anzuwenden war (auch LVwG Tirol 3.11.2021, LVwG-2021/37/2658).

Der Beschwerdeführer bestreitet die von der belangten Behörde angenommene materielle Derogation des § 20 EpiG durch die Anordnung des während des relevanten Zeitraums geltenden § 4 Abs 2 COVID-19-MG. Der Geltungsbereich der VO-BH Kufstein unterscheide sich im Hinblick auf dessen sachlichen, persönlichen und örtlichen Geltungsbereich vom gleichzeitig geltenden § 3 COVID-19-MV-96.

B. Wortlaut der Verordnungen

§ 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein vom 13.3.2020, kundgemacht am 14.3.2020, ordnete – gestützt auf § 20 EpiG, mit Inkrafttreten am 17.3.2020 – an: „Alle Gastgewerbebetriebe zu touristischen Zwecken im Bezirk Kufstein, insbesondere Gast- und Beherbergungsbetriebe, Hotelbetriebe, Appartementhäuser, Restaurants, Cafés, Bars, Chalets, Airbnb, Privatzimmervermietungen und dergleichen sowie Campingplätze sind zu schließen.

Mit § 3 Abs 1 COVID-19-MV-96, kundgemacht am 15.3.2020, wiederum ordnete der Bundesminister für Gesundheit – gestützt auf § 1 COVID-19-MG, ebenfalls mit Inkrafttreten am 17.3.2020 – an: „Das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe ist untersagt.

C. Verhältnis der Verordnungen (§ 4 Abs 2 und 3 COVID-19-MG)

Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens beider Verordnungen sah – aufgrund des mit BGBl I 2020/16 rückwirkend mit 16.3.2020 in Kraft getretenen – § 4 Abs 2 COVID-19-MG für das Verhältnis zum Epidemiegesetz eine ausdrückliche Klausel vor: „Hat der Bundesminister gemäß § 1 eine Verordnung erlassen, gelangen die Bestimmungen des Epidemiegesetzes … betreffend die Schließung von Betriebsstätten im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung nicht zur Anwendung.

§ 1 COVID-19-MG ermächtigt unter anderem, das Betreten von Betriebsstätten oder nur bestimmten Betriebsstätten zum Zweck des Erwerbs von Waren und Dienstleistungen zu untersagen. Demgegenüber erlaubt § 20 Abs 2 EpiG bei Auftreten näher bezeichneter Krankheiten die Schließung der Betriebsstätte. Der Gesetzgeber verwendet zwar unterschiedliche Begriffe, § 1 COVID-19-MG spricht von Betretungsverboten, § 20 EpiG von Betriebsschließungen. § 4 Abs 2 COVID-19-MG bringt allerdings klar zum Ausdruck, im Falle der Erlassung einer Verordnung nach § 1 COVID-19-MG kommen in deren Anwendungsbereich die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten nicht zur Anwendung.

D. Anwendungsbereiche des § 3 Abs 1 COVID-19-MV-96 und § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein

Somit sind die Anwendungsbereiche dieser Verordnungen zu überprüfen. § 3 Abs 1 COVID-19-MV-96 untersagte das Betreten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe. § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein sah die Schließung von Gastgewerbebetrieben zu touristischen Zwecken vor.

Der persönliche Anwendungsbereich dieser Regelungen ist ident. Normadressaten sind jeweils in erster Linie Betreiber der Gaststätten, die für das Schließen bzw das Nichtbetreten Sorge tragen müssen. Auch orientieren sich beide Regelungen an Gäste.

Der sachliche Anwendungsbereich stimmt ebenfalls überein. Auch wenn unterschiedliche Begriffe verwendet werden, Regelungsziel ist bei beiden die Verhinderung des Aufenthalts von Gästen in den Gaststätten. Auch das Nichtbetreten wird wohl am leichtesten durch das Schließen erreicht.

Auch die Einschränkung „zu touristischen Zwecken“ in § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein führt zu keiner Änderung des sachlichen Anwendungsbereichs. Eine Definition der touristischen Zwecke enthält die Verordnung nicht. Im systematischen Zusammenhang mit § 1 lit b Satz 3 VO-BH Kufstein zählt offenbar die Grundversorgung der Bevölkerung nicht dazu. Eine nähere Erörterung was wiederum darunter zu verstehen ist, kann im gegenständlichen Fall unterbleiben, da es sich um ein CC handelt. Eine Definition von Tourismus findet sich in einem – allerdings – Landesgesetz, welches sich an Nächtigungen orientiert. § 2 lit a Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz, LGBl 2003/85 idF 2020/46, definiert Tourismus als „Gesamtheit der Vorgänge und Wirkungen, die sich aus dem Aufenthalt von Gästen in Tirol ergeben“ während „Gäste“ als „Urlauber, Geschäftsreisende, Kurgäste und sonstige Besucher Tirols“ verstanden werden (lit b). Darunter sind auch Personen zu verstehen, die in Tirol ihren Hauptwohnsitz haben (VwGH 22.9.2021, Ra 2021/13/0111). Da § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein auch ausdrücklich Gastbetriebe, Restaurants, Cafés und Bars anführt, ist mit touristischen Zwecken offenbar nicht nur die Übernachtung, sondern auch der bloße Aufenthalt gemeint. Somit ist unter touristischen Zwecken im Sinne des § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein auch der bloße Aufenthalt von Gästen (unabhängig von deren Hauptwohnsitz) zu versteht, sofern dies nicht der Grundversorgung der Bevölkerung dient. Zumindest für den gegenständlichen Fall besteht somit kein Unterschied zum sachlichen Anwendungsbereich des § 3 COVID-19-MV-96, welcher ebenfalls das Betreten (und somit den Aufenthalt) von Gästen in Gaststätten untersagt.

Zwar bezieht sich § 3 COVID-19-MV-96 auf das gesamte Bundesgebiet, während die VO-BH Kufstein ausschließlich den Bezirk Y betrifft. Trotzdem ist der örtliche Anwendungsbereich insoweit deckungsgleich, als sich beide Verordnungen (auch) auf den Bezirk Y beziehen.

Somit liegt § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein im Anwendungsbereich des § 3 COVID-19-MV-96. Gemäß § 4 Abs 2 COVID-19-MG ist deshalb § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein nicht mehr anwendbar.

E. Ausschluss von Entschädigungsansprüchen im COVID-19-Maßnahmengesetz

Mit der Schaffung des COVID-19-Maßnahmengesetzes verfolgte der Gesetzgeber offenkundig das Ziel, Entschädigungsansprüche im Falle einer Schließung von Betriebsstätten nach dem Epidemiegesetz auszuschließen (VfGH 14.7.2020, G 220/2020, V 408/2020; VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018; 1.6.2021, Ra 2021/09/0043).

Auch in einem anderen Fall kam der Verfassungsgerichtshof zu vergleichbaren Ergebnissen (5.10.2021, E 848/2021). So erkannte dieser im Zusammenhang mit einer auf das Epidemiegesetz gestützten Schließung einer Seilbahnanlage einen Entschädigungsanspruch zu, da der gleichzeitig geltende § 2 Z 17 COVID-19-MV den „öffentlichen Verkehr“ vom Betretungsverbot ausnahm. § 4 Abs 2 COVID-19-MG war nicht heranzuziehen: Die COVID-19-MV-96 traf keine Regelung zur Schließung von Seilbahnanlagen und befand sich deshalb nicht im Anwendungsbereich dieser auf das Epidemiegesetz gestützten Verordnung.

An der Nichtanwendbarkeit der BH-VO Kufstein im gegenständlichen Fall ändert auch § 4 Abs 3 COVID-19-MG nichts. Auch wenn demnach die Bestimmungen des Epidemiegesetzees „unberührt“ bleiben, wird damit weder der Inhalt noch der Anwendungsbereich des Epidemiegesetzes verändert. Dies ändert also weder etwas an den Voraussetzungen für die Erlassung von Verfügungen im Sinn des § 20 EpiG noch an denen für einen Verdienstentgang nach § 32 EpiG (VwGH 24.2.2021, Ra 2021/03/0018 mwN).

F. Zwischenergebnis

§ 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein (und somit die auf das Epidemiegesetz gestützte Schließung von Betriebsstätten des Gastgewerbes) ist durch das Inkrafttreten des § 3 COVID-19-MV-96 (und somit die Erlassung des auf das COVID 19-MG gestützten Betretungsverbots für Gastgewerbebetriebe) nicht mehr anwendbar (§ 4 Abs 2 COVID-19-MG). Mangels Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes können Entschädigungsansprüche nicht auf § 32 Abs 1 Z 5 EpiG gestützt werden.

G. Aufhebung des § 3 COVID-19-MV-96

Mit Erkenntnis vom 29.9.2021, V 188/2021, stellte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzwidrigkeit des § 3 COVID-19-MV-96 fest und sprach die Nichtanwendung dieser Bestimmung aus.

H. Grundsätzliche Nichtanwendung des gesetzwidrigen § 3 COVID-19-MV-96

Gemäß Art 139 Abs 6 S 2 B-VG ist grundsätzlich die Verordnungsbestimmung weiterhin auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlassfalles anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Da der Verfassungsgerichtshof ausdrücklich die Nichtanwendung des § 3 COVID-19-MV-96 aussprach, gilt dies auch für vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände (VfGH 26.11.2020, E 2355/2020). Es ist so vorzugehen, als ob die als gesetzwidrig aufgehobene Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Sachverhalts nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte (VwGH 1.3.2017, Ro 2015/03/0022; 28.6.2012, 2012/15/0085; 30.5.2011, 2010/12/0034; 28.4.2011, 2010/15/0182).

Beschwerdeführer wären wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in ihren Rechten verletzt, wenn die Anwendung der Verordnung für deren Rechtsstellung nachteilig war (VfGH 22.9.2017, E 457/2017).

Somit könnte vorgebracht werden, durch die Anwendung des gesetzwidrigen § 3 COVID-19-MV-96 verliert der Beschwerdeführer seinen ihm grundsätzlich aufgrund der VO-BH Kufstein iVm § 32 EpiG zustehenden Entschädigungsanspruch, was für seine Rechtsstellung nachteilig ist.

I. Entschädigungen

Zwar geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, auf eine als gesetzwidrig festgestellte Bestimmung, die ausdrücklich nicht mehr anzuwenden ist, „lässt sich auch schon deshalb ein Ersatzanspruch im Verwaltungsweg nicht mehr stützen“ (VwGH 23.4.2021, Ra 2021/9/0042; 7.4.2021, Ra 2021/09/0051; 7.4.2021, Ra 2021/09/0048).

Demgegenüber würde – in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs – auch ein allfälliger Ausspruch über die Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Verordnung für sich allein einen Entschädigungsanspruch nach § 32 Abs 1 Z 5 EpiG noch nicht ausschließen, „weil die Rechtswidrigkeit einer solchen Verordnung nichts daran ändert, dass die Normadressaten zunächst gehalten waren, ihre Betriebe zu schließen, und das § 32 EpiG die dadurch tatsächlich eingetretenen Vermögensnachteile auszugleichen beabsichtigt“ (VfGH 3.3.2022, V 319/2021, Rz 31).

Somit wäre – nach dieser Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs – eine Entschädigung auch zu leisten, wenn sich im Nachhinein die Gesetzwidrigkeit der Verordnung herausstellt. Dem liegt der Grundgedanke zugrunde, wenn § 32 EpiG eine Entschädigung für gesetzeskonforme Verordnungen vorsieht, muss dies umso mehr für gesetzwidrige Verordnungen gelten. Somit ist eine Entschädigung unabhängig von der Gesetzmäßigkeit oder Gesetzwidrigkeit der Verordnung zu leisten. Nach dem gleichen Grundgedanken gebührt im gegenständlichen Fall keine Entschädigung, unabhängig von der Gesetzmäßigkeit oder Gesetzwidrigkeit der Verordnung.

J. Derogationskraft

Nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs zu Flächenwidmungs- bzw Bebauungsplänen leben frühere Verordnungsbestimmungen bzw Verordnungen nach der Aufhebung von Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof nicht wieder auf. Dies ergibt sich schon daraus, dass Art 140 Abs 6 Satz 1 B-VG ausdrücklich vorsieht, dass im Fall der Aufhebung eines Gesetzes die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren, während Art 139 B-VG, der die Aufhebung gesetzwidriger Verordnungen durch den Verfassungsgerichtshof regelt, eine gleichartige Bestimmung nicht enthält (umfassend VfSlg 20.179/2017 mwN).

Geht man aufgrund der übereinstimmenden Anwendungsbereiche (siehe dazu oben) von einer materiellen Derogation im gegenständlichen Fall aus (kritisch VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0018, Rz 30 f), trat mit Inkrafttreten des auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten § 3 COVID-19-MV-96 der auf das Epidemiegesetz gestützte § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein außer Kraft (VfSlg 20.315/2018, 20.179/2017, 17.256/2004). Auch wenn der Verfassungsgerichtshof schließlich § 3 COVID-19-MV-96 für nicht mehr anwendbar erklärte, lebt § 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein nicht mehr auf.

K. Kausalität des Verdienstentgangs

Der Verwaltungsgerichtshof beurteilt – ebenfalls das Verhältnis zwischen einer auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Verordnung (des LH) über ein Betretungsverbot und einer auf das Epidemiegesetz gestützten Verordnung (einer BH) über eine Betriebsschließung betreffend allerdings im Bundesland Salzburg – die Kausalität des Verdienstentgangs (16.11.2021, Ro 2021/03/0018). So muss die BH-VO (über die Betriebsschließung) kausal für den Verdienstentgang sein. Soweit der Verdienstentgang auch und unabhängig von der Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG durch andere Ursachen (wie zB die LH-VO) entstanden war, fehlte es im Umfang dieser alternativen Verursachung an der notwendigen Kausalität (Rz 35). Für jenen Verdienstentgang, der durch das mit der LH-VO angeordnete Betretungsverbot entstanden ist, besteht kein Vergütungsanspruch. Selbst wenn es die vollständige Betriebsschließung durch die BH-VO nicht gegeben hätte, wäre somit in diesem Umfang (also der Nichtbeherbergung von Touristen und Touristinnen) ein Verdienstentgang entstanden, für den per se kein Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG besteht (Rz 37). Somit entstand durch die vollständige Betriebsschließung gemäß § 20 EpiG seitens der BH bei gleichzeitiger Geltung der LH-VO nur jener Verlust, der aus der Nichtbeherbergung von Gästen resultieren konnte, die durch die LH-VO nicht erfasst waren. Nur insoweit steht auch ein Vergütungsanspruch zu (Rz 38).

In die gleiche Richtung geht auch der Verfassungsgerichtshof (18.3.2022, V 316/2021). Konkret auf die durch VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018, aufgeworfene Kausalität bezogen, spricht der Verfassungsgerichtshof von bloß mittelbaren, wirtschaftlichen Auswirkungen auf der Tatsachenebene. Diese würden jedoch nicht dazu führen, dass die entsprechende Verordnung „anzuwenden“ wäre. Somit geht auch der Verfassungsgerichtshof nicht von einer „Anwendung“ des § 3 COVID-19-MV-96 aus.

Dies macht wiederum die Frage der – nachträglich festgestellten – Gesetzwidrigkeit obsolet. Kausal für den Verdienstentgang war § 3 COVID-19-MV-96. Daran kann sich im Nachhinein nichts ändern.

L. Ablehnung der Beschwerde gegen LVwG Tirol 3.11.2021, LVwG-***

Am relevantesten ist die Ablehnung des Verfassungsgerichtshofs der Behandlung der Beschwerde gegen das – eine vergleichbare Konstellation betreffende – Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 3.11.2021, LVwG-***, da spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere ob das Verwaltungsgericht seine Entscheidung in jeder Hinsicht rechtmäßig begründet hat, insoweit nicht anzustellen waren (1.3.2022, E 4477/2021).

Somit ist – zusammengefasst – davon auszugehen, auch durch die Aufhebung des § 3 COVID-19-MV-96 besteht im vorliegenden Fall kein Ersatzanspruch des Beschwerdeführers.

M. Ergebnis

Durch die Erlassung des auf das COVID-19-Maßnahmengesetz gestützten Betretungsverbots für Gastgewerbebetriebe (§ 3 COVID-19-MV-96) ist die auf das Epidemiegesetz gestützte Schließung von Betriebsstätten des Gastgewerbes (§ 1 lit b Satz 2 VO-BH Kufstein) nicht mehr anwendbar (§ 4 Abs 2 COVID-19-MG). Mangels Anwendbarkeit des Epidemiegesetzes können auch Entschädigungsansprüche nicht auf § 32 Abs 1 Z 5 EpiG gestützt werden. Daran ändert die vom Verfassungsgerichtshof festgestellte Gesetzwidrigkeit des § 3 COVID-19-MV-96 nichts.

N. Keine verfassungsrechtlichen Bedenken

An diesem Ergebnis entstanden dem Landesverwaltungsgericht Tirol keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Der Verfassungsgerichtshof setzte sich bereits ausführlich mit dem Verhältnis von Epidemiegesetz und COVID-19-Maßnahmengesetz auseinander und sprach aus, im Hinblick auf Betretungsverbote von Betriebsstätten, die wegen COVID-19 auf Grundlage des § 1 COVID-19-MG angeordnet werden, kommt eine Vergütung des dadurch entstandenen Verdienstentgang nach § 32 EpiG nicht in Betracht (14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, Rz 114). Diese Linie übernahm auch der Verwaltungsgerichtshof (24.2.2021, Ra 2021/03/0018).

Auch das in § 4 Abs 1a COVID-19-MG (idF BGBl I 2020/16) vorgesehene rückwirkende Inkrafttreten des § 4 Abs 2 mit 16.3.2020 ist aus Sicht des gleichheitsrechtlichen Vertrauensschutzes unbedenklich. Der Ausschluss der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten war bereits in der ? am 16.3.2020 in Kraft getretenen ? Stammfassung des § 4 Abs 2 COVID-19-MG (BGBl I 2020/12) enthalten. Die Novellierung BGBl I 2020/16 präzisierte lediglich insofern, als die Bestimmungen des Epidemiegesetzes betreffend die Schließung von Betriebsstätten „im Rahmen des Anwendungsbereiches dieser Verordnung“ nach § 1 COVID-19-MG nicht gelten. Eine rückwirkende Beeinträchtigung einer Vertrauensposition ist darin nicht zu erblicken (wiederum VfGH 14.7.2020, G 202/2020, V 408/2020, Rz 127).

O. Entfall der mündlichen Verhandlung

Weder der Beschwerdeführer in seinem Rechtsmittel noch die belangte Behörde in ihrem Vorlageschreiben stellten einen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Ungeachtet eines Parteienantrags können Verwaltungsgerichte von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen.

Zu dieser Bestimmung hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, der Gesetzgeber hatte als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen. Der Verwaltungsgerichtshof wies in diesem Zusammenhang auf EGMR 19.2.1998, Jacobsson (2), 16.970/90, Rz 49 = ÖJZ 1998, 4, hin, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, wenn angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränkung der zu entscheidenden Fragen „das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte“. Der Verwaltungsgerichtshof erachtet in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist, die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen werden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte. Zusammenfassend ist gemäß § 24 Abs 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrags gemäß § 24 Abs 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Beschwerdewerbers ist eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066 bis 0068 mwN).

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist ? ausgehend vom unbestrittenen Sachverhalt ? ausschließlich die Rechtsfrage, ob sich die Vergütung des Verdienstentgangs betreffend das vom Beschwerdeführer geführte Restaurant auf §§ 32 Abs 1 Z 5 iVm 20 EpiG stützen kann. Insbesondere unter Berücksichtigung der zahlreichen zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs bedarf es selbst unter Berücksichtigung des § 24 Abs 4 VwGVG keiner Erörterung dieser Rechtsfrage im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte ? ausgehend von einem unbestrittenen Sachverhalt ? die verfahrensrelevanten Rechtsfragen anhand der einschlägigen Bestimmungen des Epidemiegesetzes sowie des COVID-19-Maßnahmengesetzes und der auf diesen beiden Gesetzen beruhenden Verordnungen zu klären. Mit der Schaffung des COVID-19-Maßnahmengesetzes verfolgte der Gesetzgeber das Anliegen, Entschädigungsansprüche im Fall einer Schließung von Betriebsstätten nach dem Epidemiegesetz, konkret nach § 20 iVm § 32 EpiG, auszuschließen (so ausdrücklich VfGH 14.7.2020, G 202/2020 und V 408/2020; 5.10.2021, E 848/2021). Den Ausschluss der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Epidemiegesetz betreffend die Schließung von Betriebsstätten normiert ausdrücklich § 4 Abs 2 COVID-19-MG. Die vorliegende Entscheidung widerspricht nicht den zitierten Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes und auch nicht der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.2.2021, Ra 2021/03/0018. Dementsprechend liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von € 240 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Priv.-Doz. Dr. Heißl, E.MA

(Richter)

Schlagworte

Entschädigung
Gatsronomie
Verhältnis EpiG zu COVID-19-MG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2023:LVwG.2021.14.2076.7.

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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