Entscheidungsdatum
09.08.2022Norm
AVG 1991 §58Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch die Richterin
MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde des A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, gegen das Schreiben der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 16.9.2021 den
BESCHLUSS
1. Die Beschwerde wird gemäß § 31 VerwaItungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.
2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung
Mit Schreiben vom 10. September 2021 hat A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, einen Antrag gestellt, ihn als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung für die Funktionsperiode 1.1.2019 bis 31.12.2023 einzusetzen, in eventu bescheidmäßig festzustellen, dass der Antragsteller für die im Rahmen des Bestellungsdekretes von 11.10.2018 ausgewiesene Tätigkeit als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung nicht eingesetzt wird.
Mit E-Mail vom 16. September 2019 wurde ihm seitens der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich bezugnehmend auf seinen Antrag mitgeteilt, dass die Einteilung von PrüferInnen zu konkreten Prüfungsterminen nicht mittels Bescheid erfolge, weshalb dem Antragsersuchen nicht nachgekommen werden könne. Da aus den Bestimmungen des § 351 Gewerbeordnung abzuleiten sei, dass es keinen Rechtsanspruch gebe, bei Prüfungen eingesetzt zu werden, könne auch kein Bescheid betreffend sein Antragsersuchen erlassen werden.
Mit Schriftsatz vom 28. September 2021 erhob A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht und beantragte, den angefochtenen Bescheid dahingehend abzuändern, dass den gestellten Anträgen vollinhaltlich stattgegeben werde, in eventu den Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen.
Dazu wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer für die Funktionsperiode 1.1.2019 bis 31.12.2023 zum Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung im Bereich der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich bestellt worden sei. Entsprechend der einschlägigen Bestimmungen, insbesondere des § 351 Abs. 5 Gewerbeordnung 1994, hätten die jeweiligen Meisterprüfungsstellen darauf hinzuwirken, dass die jeweiligen Prüfer in ausreichender Anzahl zur Verfügung stünden und die betrauten Personen nach Möglichkeit abwechselnd eingesetzt würden.
Die Behörde habe jedoch den Beschwerdeführer nicht (mehr) für die betraute Tätigkeit des Prüfungsbeisitzers für die Unternehmerprüfung herangezogen. Unter Bezugnahme auf den E-Mail-Verkehr mit der Meisterprüfungsstelle wurde ausgeführt, dass nunmehr aufgrund eines „sehr unliebsamen Vorfalls mit einem Prüfer“, welcher offenbar das Alter von 65 Jahren überschritten habe, alle Personen, die nicht mehr im aktiven Berufsleben stünden bzw. das 65. Lebensjahr vollendet hätten, bei der Unternehmerprüfung - trotz Bestellung - nicht mehr zum Einsatz kommen sollten. Diese Vorgangsweise der Behörde sei rechtswidrig. Aus der Bestimmung des § 351 Abs. 4 und 5 Gewerbeordnung 1994 ergebe sich, dass die Beisitzer von der Meisterprüfungsstelle mit Bescheid auf die Dauer von fünf Jahren zu bestellen seien, welche über die entsprechende Qualifikation verfügen, im entsprechenden Beruf tätig sein und mindestens fünf Jahre Berufserfahrung in einer verantwortlichen Stellung aufweisen müssten. Sie seien zudem nach Möglichkeit abwechselnd einzusetzen. Die Prüfungskommission sei somit nach sachlichen Kriterien durch den Leiter der Meisterprüfungsstelle zu beschicken.
Was die Auswahl der Mitglieder der Prüfungskommission anbelange, sei das entscheidende Kriterium für die Auswahl der Prüfer, ob das jeweilige Mitglied der Prüfungskommission Fachmann auf einem der zu prüfenden Fachgebiete sei. Gegenständlich sei jedoch jedenfalls außerhalb jeden Ermessens agiert worden, welches der belangten Behörde durch den Gesetzgeber eingeräumt werde.
Die Vorgangsweise der belangten Behörde, den Beschwerdeführer aufgrund seines Lebensalters nicht mehr für die bestellte Funktion als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung bei den Meisterprüfungskursen in der Wirtschaftskammer Niederösterreich für die laufende Funktionsperiode einzusetzen, sei daher unsachlich und geradezu willkürlich. Zudem werde der Beschwerdeführer offenkundig aufgrund seines Lebensalters in nicht zulässiger Art und Weise diskriminiert, zumal er von der Ausübung einer ihm bescheidmäßig erteilten Tätigkeit als Prüfungsbeisitzer aufgrund seines Alters ausgeschlossen werde. Eine derartige Vorgehensweise sei sowohl vom gesetzlichen Hintergrund aus als auch im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 25 Europäische Grundrechtscharta nicht gedeckt. Dabei sei insbesondere von Bedeutung, dass die belangte Behörde offenbar Vorfälle betreffend einen anderen Prüfer, welcher das Lebensalter über 65 Jahre überschritten habe, zum Anlass genommen habe, derart alle anderen Prüfer bzw. Beisitzer im Alter ab oder über 65 Jahren für die Unternehmerprüfung von ihren Tätigkeiten auszuschließen. Die gegenständliche behördliche Vorgangsweise sei folglich gleichheitswidrig.
Weiters wurde darauf hingewiesen, dass der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich aufgrund der Bestimmung des § 337 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 in Verbindung mit § 350 Gewerbeordnung 1994 Behördenfunktion zukomme. Der gegenständliche Bescheid (= E-Mail vom 16.9.2021) weise jedenfalls alle Eigenschaften eines Bescheides im Sinne des § 58 AVG auf, zumal nach dem VfGH bereits jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde, mit der ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt werde, einen Bescheid darstelle. Zu beachten sei in diesem Konnex, dass der Verfassungsgerichtshof jedenfalls auch Selbstverwaltungskörper als dem Legalitätsprinzip unterworfen ansehe und folglich auch diese dem verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystem und dem damit einhergehenden Rechtstypenzwang unterliegen würden. Es sei daher im Rahmen einer verfassungskonformen Interpretation geboten, von der Bescheidqualität normativer individueller Verwaltungsakte auszugehen.
Mit Schriftsatz vom 4. April 2022 legte A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, diese Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich sowie dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Beschwerde vor. Dazu wurde vorgebracht, dass, soweit ersichtlich, die Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich bislang die gegenständliche Beschwerde nicht an das zuständige Verwaltungsgericht weitergeleitet bzw. dem zuständigen Verwaltungsgericht vorgelegt habe. Ebenso sei bislang keine Beschwerdevorentscheidung im Sinne des § 14 VwGVG getroffen worden.
Der jeweiligen Partei stehe in derartigen Fällen weder eine Säumnisbeschwerde zu, noch könne sie eine Maßnahmenbeschwerde wegen qualifizierter Untätigkeit ergreifen.
Nach der Rechtsprechung des VwGH könne die jeweilige Partei allerdings nach Ablauf der zweimonatigen Frist, welche der belangten Behörde für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zustehe bzw. nach Ablauf der angemessenen Zeit, die die Behörde für die Übermittlung an das zuständige Verwaltungsgericht bräuchte, eine Kopie der jeweiligen Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorlegen. Das sodann erfolgte Einlangen der Beschwerdekopie löse die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts aus und werde damit der Beginn des Fristenlaufs im Zusammenhang mit § 38 VwGG in Gang gesetzt.
Mit Schreiben vom 7. April 2022 wurde die Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich seitens des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich ersucht, den bezughabenden Akt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung über die Beschwerde zu übermitteln.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2022 wurde der Akt der Meisterprüfungsstelle der Wirtschaftskammer Niederösterreich nach telefonischer Urgenz am 13. Mai 2022 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Behandlung vorgelegt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:
Mit Bescheid der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 11. Oktober 2018 wurde Herr A, geb. ***, gemäß § 351 Abs. 4 Gewerbeordnung 1994 als Beisitzer der Prüfungskommission für die Unternehmerprüfung für die Prüfungsperiode 1.1.2019 bis 31.12.2023 bestellt.
Mit Schreiben vom Juni 2021 wurde ihm mitgeteilt, dass es der Wirtschaftskammer Niederösterreich ein Anliegen sei, den Einsatz junger Prüferinnen und Prüfer zu fördern, und wurde um Verständnis gebeten, dass er nicht mehr bei der Unternehmerprüfung eingesetzt werde.
Mit E-Mail vom 17. Juni 2021 brachte Herr A seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, dass er nicht mehr über die Termine der Unternehmerprüfung für das zweite Halbjahr 2021 informiert werde und dass er nicht mehr als Prüfer zu Prüfungen eingeladen werde. Weiters erkundigte er sich nach der Rechtsgrundlage dieses Vorgehens der Meisterprüfungsstelle.
Mit E-Mail vom 17. Juni 2021 wurde ihm mitgeteilt, dass es einen unliebsamen Vorfall mit einem Prüfer gegeben habe, welcher sich nun auf alle Betroffenen des Personenkreises auswirkte. Dies führe dazu, dass - wie schon bei der Lehrabschlussprüfung - Personen, die nicht mehr im aktiven Berufsleben stünden bzw. das 65. Lebensjahr vollendet hätten, bei der Unternehmerprüfung trotz Bestellung nicht mehr zum Einsatz kommen würden. Auch wenn Herr A für die Prüfungsperiode als Prüfer bestellt sei, leite sich daraus kein Recht ab, auch tatsächlich zum Einsatz zu kommen.
Mit E-Mail der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 28. Juni 2021 wurde Herrn A mitgeteilt, dass er bei den kommenden Terminen nicht mehr für den Beisitz bei der Unternehmerprüfung eingeteilt würde.
Mit Schreiben vom 10. September 2021 stellte A, vertreten durch die C Rechtsanwälte GmbH, ***, ***, einen Antrag, ihn als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung für die Funktionsperiode 1.1.2019 bis 31.12.2023 einzusetzen, in eventu bescheidmäßig festzustellen, dass der Antragsteller für die im Rahmen des Bestellungsdekretes von 11.10.2018 ausgewiesene Tätigkeit als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung nicht eingesetzt wird.
Mit E-Mail vom 16. September 2019 wurde ihm seitens der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich bezugnehmend auf seinen Antrag mitgeteilt, dass die Einteilung von PrüferInnen zu konkreten Prüfungsterminen nicht mittels Bescheid erfolge, weshalb dem Antragsersuchen nicht nachgekommen werden könne. Da aus den Bestimmungen des § 351 Gewerbeordnung abzuleiten sei, dass es keinen Rechtsanspruch gebe, bei Prüfungen eingesetzt zu werden, könne auch kein Bescheid betreffend sein Antragsersuchen erlassen werden.
Dieses E-Mail der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich weist keine Bezeichnung als Bescheid auf. Wesentliche Kernaussage des Schreibens ist, dass die Einteilung von PrüferInnen zu konkreten Prüfungsterminen nicht mittels Bescheid erfolge, weshalb seinem ersten Antragsersuchen nicht nachgekommen werde. Weiters könne aus der Bestimmung des § 351 Gewerbeordnung abgeleitet werden, dass es keinen Rechtsanspruch gebe, bei Prüfungen eingesetzt zu werden. Daher könne auch kein Bescheid betreffend sein zweites Antragersuchen erlassen werden. Im Text dieses E-Mails finden sich Floskeln wie „bezugnehmend auf Ihren Antrag“, „teile ich Ihnen mit“, „Freundliche Grüße“.
Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.7.2022, ***, wurde die Beschwerde gegen das E-Mail vom 16.9.2021 der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich zurückgewiesen.
Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund folgender Beweiswürdigung:
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich, in dem sich die genannten E-Mails, insbesondere das E-Mail vom 16. September 2021 finden. Diesem E-Mail vom 16.9.2021 konnte der festgestellte Inhalt bezüglich fehlender Bezeichnung als Bescheid, Kernaussage und Floskeln entnommen werden.
Die Feststellung zum Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.7.2022, ***, ergibt sich aus der Einsichtnahme in eben diesen, welcher beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 27. Juli 2022 eingelangt ist.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu in rechtlicher Hinsicht wie folgt erwogen:
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:
Art. 10 Abs. 1 Z. 8 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) lautet:
Art. 102 Abs. 1 und 2 B-VG lauten:
Art. 130 Abs. 1 B-VG lautet:
Art. 131 B-VG lautet auszugsweise:
…
…
§ 351 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:
§ 58 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
§ 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
§ 31 Abs. 1 VwGVG lautet:
Zur Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit (Z. 1). Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes, soweit sich aus Abs. 3 nicht anderes ergibt, über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Nach den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeit Novelle 2012 zu Art. 131 B-VG ergibt sich, dass die Zuständigkeit des BVwG gemäß Art. 131 Abs. 2 erster Satz B-VG daran anknüpft, ob eine Angelegenheit in unmittelbarer Bundesverwaltung (im Sinne des Art. 102 B-VG) besorgt wird.
Gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG sind „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung. Die gegenständlich maßgebliche Rechtsgrundlage ist die Gewerbeordnung 1994. Fragen im Zusammenhang mit der Bestellung und Besetzung der Prüfungskommission fallen somit unter den Kompetenztatbestand „Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie“ gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG.
Dieser Kompetenztatbestand ist zwar Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung, wird jedoch nicht in Art. 102 Abs. 2 B-VG unter den Angelegenheiten genannt, die im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereichs unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Da sich eine Besorgung in unmittelbarer Bundesverwaltung im gegenständlichen Fall auch nicht aus anderen Bestimmungen ergibt, liegt im Ergebnis keine Angelegenheit vor, welche „unmittelbar von Bundesbehörden“ im Sinne des Art. 131 Abs. 2 B-VG besorgt wird, sodass der Rechtszug gemäß Art. 131 Abs. 1 B-VG an das örtlich zuständige Landesverwaltungsgericht, im konkreten Fall das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, zu gehen hat.
Zur Zulässigkeit der Vorlage der Beschwerdekopie direkt beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit Schriftsatz vom 4. April 2022:
Der nunmehrige Beschwerdeführer hat mit Schriftsatz vom 28. September 2021 Beschwerde gegen das von ihm als Bescheid angesehene E-Mail der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 16.9.2021 erhoben, welche seitens der Behörde nicht dem zuständigen Verwaltungsgericht vorgelegt wurde. Es wurde auch keine Beschwerdevorentscheidung im Sinne des § 14 VwGVG getroffen.
Im gegenständlichen Fall steht daher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs weder eine Säumnisbeschwerde zu, noch kann Maßnahmenbeschwerde wegen qualifizierter Untätigkeit ergriffen werden (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421).
Nach der Rechtsprechung des VwGH kann die jeweilige Partei allerdings nach Ablauf der zweimonatigen Frist, welche der belangten Behörde für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung zusteht bzw. nach Ablauf der angemessenen Zeit, die die Behörde für die Übermittlung an das zuständige Verwaltungsgericht bräuchte, eine Kopie der jeweiligen Beschwerde dem Verwaltungsgericht vorlegen. Das sodann erfolgte Einlagen der Beschwerdekopie löst die Entscheidungspflicht des Verwaltungsgerichts aus, welches somit zuständig zur Entscheidung über die Beschwerde ist (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0421).
Zur Beschwerde gegen das E-Mail der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich vom 16.9.2021:
Nachdem der nunmehrige Beschwerdeführer einen Antrag, ihn als Prüfungsbeisitzer für die Unternehmerprüfung einzusetzen, gestellt hatte, wurde ihm seitens der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich bezugnehmend auf seinen Antrag mitgeteilt, dass die Einteilung von PrüferInnen zu konkreten Prüfungsterminen nicht mittels Bescheid erfolge, weshalb dem Antragsersuchen nicht nachgekommen werden könne. Da aus den Bestimmungen des § 351 Gewerbeordnung abzuleiten sei, dass es keinen Rechtsanspruch gebe, bei Prüfungen eingesetzt zu werden, könne auch kein Bescheid betreffend sein Antragsersuchen erlassen werden.
Dazu wurde festgestellt, dass dieses E-Mail der Meisterprüfungsstelle bei der Wirtschaftskammer Niederösterreich keine Bezeichnung als Bescheid aufweist. Wesentliche Kernaussage des Schreibens ist, dass die Einteilung von PrüferInnen zu konkreten Prüfungsterminen nicht mittels Bescheid erfolge, weshalb seinem ersten Antragsersuchen nicht nachgekommen werde. Weiters könne aus der Bestimmung des § 351 Gewerbeordnung abgeleitet werden, dass es keinen Rechtsanspruch gebe, bei Prüfungen eingesetzt zu werden. Daher könne auch kein Bescheid betreffend sein zweites Antragersuchen erlassen werden. Im Text dieses E-Mails finden sich Floskeln wie „bezugnehmend auf Ihren Antrag“, „teile ich Ihnen mit“, „Freundliche Grüße“.
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer (Bescheid)Beschwerde an die Verwaltungsgerichte gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG ist das Vorliegen eines Bescheids. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung vertritt, ist für den Fall, dass eine an eine bestimmte Person gerichtete Erledigung die Bezeichnung der Behörde, den Spruch und die Unterschrift bzw. Beglaubigung enthält, das Fehlen der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter unerheblich. Allerdings kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, dass die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, dass sie normativ - also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend - eine Angelegenheit des Verwaltungsrechts entschieden hat. Der normative Inhalt muss sich aus der Formulierung der Erledigung, also in dem Sinn auch aus deren Form ergeben. Die bloße Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dergleichen, können nicht als verbindliche Erledigung gewertet werden. Lässt der Inhalt einer Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen - wobei ein strenger Maßstab anzulegen ist -, so ist die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid für den Bescheidcharakter der Erledigung essenziell (vgl. VwGH 18.12.2020, Ra 2017/08/0096 mit Hinweis auf E 22.9.1988, 87/08/0262, VwSlg 12778 A/1987; VwGH 30.6.2006, 2006/03/0029, mwN; 22.7.2020, Ra 2020/03/0049).
Fehlt die Bezeichnung als Bescheid, kommt bei der Beurteilung der Normativität einer Erledigung auch ihrer sonstigen Form entscheidende Bedeutung zu, etwa dem Gebrauch von Höflichkeitsfloskeln, bloß narrativer Wendungen wie „teile ich Ihnen mit“, „bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen“, „kann nicht nähergetreten werden“ oder der Grußformel „Mit freundlichen Grüßen“. Eine solche Form einer Erledigung ist ein Indiz dafür, dass kein Bescheid, sondern eine nicht normative Erklärung (Wissenserklärung) vorliegt (vgl. VwGH 18.10.2000, 95/17/0180 mit Hinweis E 6.9.1995, 95/12/0195; E 29.3.1996, 96/02/0113).
Die von der belangten Behörde im E-Mail vom 16.9.2021 gewählten Floskeln „bezugnehmend auf Ihren Antrag“, „teile ich Ihnen mit“ bzw. „Freundliche Grüße“ in Kombination mit der fehlenden Bezeichnung als Bescheid lassen darauf schließen, dass dieses Schreiben als bloße Mitteilung der Rechtsansicht der Behörde zu betrachten ist und dass hier keine normative Erklärung zum Ausdruck gebracht wurde.
Im gegenständlichen Fall liegt daher aufgrund des Fehlens konstitutiver Bescheidmerkmale kein Bescheid vor, sodass die gegen das Email vom 16.9.2021 erhobene Beschwerde zurückzuweisen war.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG konnte die Verhandlung entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war. Überdies wurde von keiner Partei des Verfahrens die Durchführung einer Verhandlung beantragt.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht der gegenständliche Beschluss von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Gewerbliches Berufsrecht; Selbstverwaltungskörper; Unternehmerprüfung; Prüfungsbeisitzer; Verfahrensrecht; Bescheidmerkmale;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.346.001.2022Zuletzt aktualisiert am
09.02.2023