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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der E Gesellschaft m.b.H. & Co KG in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat VI) vom 4. Mai 1994, Zl. 6/3 - 3499/93-05, betreffend Umsatz- und Gewerbesteuer sowie einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1988 bis 1990, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung bei der beschwerdeführenden KG traf der Betriebsprüfer im Betriebsprüfungsbericht vom 25. Juni 1992 u.a. folgende Feststellungen:
"Da Abstimmungen der Kunden- und Lieferantenkonten über Jahre hinaus fehlerhaft erfolgten (die korrekten Stände dieser Konten wurden erstmalig bei Erstellung der Bilanz des Jahres 1990 über das Privatkonto eingebucht), somit die Ordnungsmäßigkeit i.S. der abgabenrechtlichen Bestimmungen nicht gegeben war, darüber hinaus im Jahre 1990 nicht restlos aufklärbare Kalkulationsdifferenzen vorlagen, waren in den Prüfungsjahren Zuschätzungen zu Umsatz und Gewinn vorzunehmen" (Tz 16 des Betriebsprüfungsberichtes). "Aus den in Tz 16 dargestellten Gründen wurden in den Prüfungsjahren zu Umsatz und Gewinn Zuschätzungen in folgend dargestellter Höhe vorgenommen" (sodann werden für die Jahre 1988 und 1989 jeweils eine Umsatz- und Gewinnerhöhung von S 208.333,33 und für 1990 eine solche von S 422.257,31 ausgewiesen - Tz 18 des Betriebsprüfungsberichtes).
In der gegen die aufgrund des Betriebsprüfungsberichtes ergangenen Abgabenbescheide eingebrachten Berufung wurde geltend gemacht, daß im Gegensatz zu den Feststellungen des Prüfungsberichtes "die Kunden und Lieferanten jährlich abgestimmt" worden seien. Seit der Betriebsprüfung für die Jahre 1973 bis 1977 sei eine ungeklärte Differenz geblieben, welche sich aufgrund der Prüferbilanz per 31. Dezember 1977 ergeben habe und von der Beschwerdeführerin nicht aufgeklärt habe werden können, weil damals vom Prüfer keine genaue Aufstellung zu erhalten gewesen sei. Die damaligen Unsicherheiten beim Ausweis der Kundenforderungen und Lieferantenverbindlichkeiten hätten sich im Anschluß an ein kurz zuvor beendetes Insolvenzverfahren ergeben. Auf die Salden laut Prüferbilanz zum 31. Dezember 1977 aufbauend, seien die jährlichen Bestandsveränderungen regelmäßig überprüft worden. Da die einzelnen Jahresergebnisse aus der Buchhaltung eindeutig abzuleiten seien, müsse der Behauptung, die Bücher seien nicht ordnungsgemäß geführt worden, entschieden widersprochen werden. Es liege daher keine Veranlassung für Zuschätzungen vor. Die Tatsache, daß es in den letzten Jahren Kalkulationsdifferenzen gegeben habe, sei auf den zunehmend schlechter werdenden Gesundheitszustand des Herrn K. zurückzuführen, welcher - obwohl bereits in Pension - an den Verhandlungen mit den Auftraggebern wesentlich beteiligt gewesen sei. Auch habe es innerbetriebliche Probleme mit einzelnen Werkmeistern gegeben, welche gleichfalls auf die zunehmende Führungsschwäche im Unternehmen zurückzuführen gewesen seien. Aus den genannten Gründen sei es zu Umsatzeinbußen und zu unrationellen Arbeitsabläufen gekommen.
Der Betriebsprüfer nahm zur Berufung dahingehend Stellung, daß die Zuschätzungen zu Umsatz und Gewinn vorgenommen worden seien, weil einerseits nicht restlos aufklärbare Kalkulationsdifferenzen vorgelegen und andererseits bei Bilanzerstellung des Jahres 1990 über das Privatkonto Korrekturbuchungen in beträchtlicher Höhe bei den Kunden- und Lieferantenkonten vorgenommen worden seien. Da im Prüfungsverfahren nicht habe festgestellt werden können, aus welchem Jahr diese Differenzen resultiert hätten und inwieweit die damit zusammenhängenden Erträge in der Buchhaltung erfaßt worden seien, seien durch die Betriebsprüfung unter Berücksichtigung des Umstandes, daß Kalkulationsdifferenzen aufgetreten seien, "eben jene im Prüfungsbericht angeführten Beträge den Umsätzen und Gewinnen" zugerechnet worden. Der in der Berufung aufgestellten Behauptung, die Kunden- und Lieferantenkonten seien jährlich abgestimmt worden, könne die Betriebsprüfung insoweit nicht folgen, als erst bei Bilanzerstellung des Jahres 1990 die Differenzen erkannt worden seien, obwohl diese "augenscheinlich schon seit längerem" hätten bestehen müssen. Inwieweit diese Differenzen aus den Jahren vor 1977 stammten, wäre in einer Ergänzung der Berufungsbegründung seitens der Beschwerdeführerin schlüssig nachzuweisen. Daß die Kalkulationsdifferenzen allein auf den in der Berufung angeführten Gesundheitszustand des Herrn K., dessen zunehmende Führungsschwäche und die Probleme mit den Werkmeistern zurückzuführen gewesen seien, habe im Zuge des Prüfungsverfahrens nicht schlüssig glaubhaft gemacht werden können, zumal Aufträge, bei denen nachweislich Fehler in der Kalkulation aufgetreten seien, bei der Verprobung der Betriebsergebnisse seitens der Betriebsprüfung berücksichtigt worden seien. Der Behauptung in der Berufung, die Buchhaltung sei ordnungsgemäß gewesen, könne die Betriebsprüfung nicht folgen, weil ein Fehlbestand bei den Kundenkonten in einer Höhe von beinahe 1 Million Schilling, der über Jahre unbemerkt geblieben sei, gegen die Ordnungsmäßigkeit von Büchern und Aufzeichnungen spreche.
Die Stellungnahme der Betriebsprüfung wurde der Beschwerdeführerin am 11. Jänner 1993 mit dem Hinweis übermittelt, daß es ihr freistehe, sich "diesbezüglich innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu äußern".
In der Folge kam es zu mehrmaligen Fristverlängerungsansuchen der beschwerdeführenden Partei, wobei zuletzt in dem Fristverlängerungsansuchen vom 15. Juni 1993 auf eine Erkrankung und einen Spitalsaufenthalt von Frau K. hingewiesen wurde.
Eine Stellungnahme der Beschwerdeführerin und auch weitere Verfahrensschritte der belangten Behörde erfolgten bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht.
Im angefochtenen Bescheid wird nach einer schlagwortartigen Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens festgestellt, die Stellungnahme der Betriebsprüfung zur Berufung sei unbeantwortet geblieben sei. Diese Stellungnahme halte "nun unwidersprochen fest", daß aufgrund der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen die Kunden- und Lieferantenkonten unmöglich jährlich abgestimmt worden sein konnten; ein Nachweis, daß die aufgezeigten Differenzen auf Vorjahre der jetzigen Betriebsprüfung zurückzuführen seien, sei nicht erbracht worden. Unter den "eben geschilderten Umständen" könne die belangte Behörde "die Berufungsbehauptungen des Bw. nur als unzutreffend ansehen, woran auch der schlechte Gesundheitszustand des Bw. nichts ändern kann, und da die Berechnung der Bp. sowohl nach Art, als auch nach ihrer Höhe unbestritten ist, konnte die Berufung nur abgewiesen werden".
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem Recht auf Festsetzung der Steuern entsprechend den Abgabenvorschriften sowie in ihrem Recht auf fehlerfreie Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ungeachtet der Frage, ob ein Abgabepflichtiger der ihm grundsätzlich obliegenden Mitwirkungspflicht im Verfahren hinreichend entsprochen hat, muß die Begründung eines Bescheides erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrundeglegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1994, 92/13/0180, m.w.N., sowie Stoll, BAO-Kommentar, 966). In einem Abgabenverfahren, in welchem die Besteuerungsgrundlagen (teilweise) geschätzt wurden, hat die Behörde in ihrem Bescheid nicht nur die Schätzungsberechtigung, sondern auch das Schätzungsergebnis zu begründen. Sie hat insbesondere den Denkprozeß darzulegen, der zu ihrem Schätzungsergebnis geführt hat (vgl. Schimetschek, Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, in: SWK-Heft 11/1995, A 288). Sind die einen tragenden Teil der Begründung darstellenden Ausführungen des angefochtenen Bescheides für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar und somit nicht überprüfbar, liegt ein wesentlicher Verfahrensfehler vor (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 1995, 94/13/0201).
Weder dem Betriebsprüfungsbericht, noch der Stellungnahme des Betriebsprüfers zur Berufung und auch nicht dem angefochtenen Bescheid sind die zum Schätzungsergebnis (den in Pauschalsummen angegebenen Zuschätzungen zu Umsatz und Gewinn) führenden Grundlagen und Berechnungen in irgendeiner Weise schlüssig nachvollziehbar zu entnehmen. Durch diese auch in der Beschwerde gerügte Begründungslücke ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, den angefochtenen Bescheid, der im übrigen auch jede inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Berufungsvorbringen vermissen läßt, auf seine Gesetzmäßigkeit zu überprüfen.
Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründung AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994130151.X00Im RIS seit
25.01.2001