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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1993 §37 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in H, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 30. März 1994, Zl. 1-964/93/E2, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes und des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 30. März 1994 gab der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 27. Oktober 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG insoweit Folge, als der Spruch dieses Straferkenntnisses wie folgt zu lauten habe:
"M, ein türkischer Staatsangehöriger, ist nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 25.2.1992, zugestellt am 5.3.1992) nicht spätestens nach Ablauf des 12.3.1992 ausgereist und hat sich bis zum 6.7.1993 weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten.
Der Beschuldigte hat dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen, indem er gegen den § 14b Abs. 1 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, in der Fassung BGBl. Nr. 406/1991 (hinsichtlich des Zeitraumes vom 13.3.1992 bis 31.12.1992) bzw. gegen § 82 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes (FrG) (hinsichtlich des Zeitraumes vom 1.1.1993 bis 6.7.1993) verstoßen hat. Es wird daher über ihn eine Geldstrafe in Höhe von 3.000 S (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt; Rechtsgrundlage dafür ist der § 14b Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz (hinsichtlich des Zeitraumes vom 13.3.1992 bis 31.12.1992) bzw. der § 82 Abs. 1 Fremdengesetz (hinsichtlich des Zeitraumes vom 1.1.1993 bis 6.7.1993).
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG hat der Beschuldigte einen Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens in Höhe von 10 % der über ihn verhängten Geldstrafe, somit 300 S, zu bezahlen."
Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 25. Februar 1992 sei über den Beschwerdeführer gemäß §§ 3 und 4 Fremdenpolizeigesetz (FrPolG) ein bis 4. November 1996 befristetes Aufenthaltsverbot verhängt worden. In diesem Bescheid sei der Beschwerdeführer darauf hingewiesen worden, daß er gemäß § 6 Abs. 1 FrPolG innerhalb einer Woche ab Rechtskraft desselben das Bundesgebiet zu verlassen habe. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 5. März 1992 zugestellt worden und mit diesem Datum in Rechtskraft erwachsen. Die Frist zur Ausreise sei demnach am 12. März 1992 abgelaufen. Der Beschwerdeführer sei jedoch entgegen dieser Verpflichtung nicht ausgereist und habe sich weiterhin, zumindest bis 6. Juli 1993, im Bundesgebiet aufgehalten.
Der Beschwerdeführer habe nicht in Abrede gestellt, daß er entgegen dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot nicht ausgereist sei. Schon allein mit diesem Verhalten habe er das Tatbild der ihm zur Last gelegten Übertretung in objektiver Hinsicht erfüllt. An diesem Ergebnis vermöge auch die Behauptung, dieses Verhalten könne ihm deshalb nicht zum Vorwurf gemacht werden, weil "sein Leib und sein Leben" in der Türkei gefährdet seien, nichts zu ändern. In diesem Zusammenhang gehe auch die belangte Behörde vom rechtskräftigen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1993 (betreffend die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers) aus, wonach es unglaubwürdig sei, daß der Beschwerdeführer in seinem Heimatstaat eine Verfolgung i.S. des Asylgesetzes zu erdulden hätte. Dagegen, daß die Erstinstanz den vorerwähnten Bescheid in der Begründung ihres Straferkenntnisses verwertet habe, bestünden keine Bedenken. Die belangte Behörde könne nicht finden, daß die Bezirkshauptmannschaft darüber hinaus das betreffende Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafverfahren "eigenständig eingehend prüfen und beurteilen" hätte müssen.
Zur subjektiven Tatseite sei anzumerken, daß es sich vorliegend um ein Ungehorsamsdelikt handle. Dies bedeute, daß die Behörde ohne weiteres Fahrlässigkeit anzunehmen habe, wenn der Täter nicht glaubhaft mache, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. In diesem Zusammenhang ergäben sich aus dem Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers, abgesehen von dem Hinweis, in der Türkei sei sein Leib und Leben gefährdet und es drohe ihm unmenschliche oder erniedrigende Strafe, keinerlei Anhaltspunkte, die ein derartiges Verschulden ausschließen könnten. Zu letzterem Einwand, mit dem der Schuldausschließungsgrund des "Notstandes" geltend gemacht werde, sei anzumerken, daß für den Beschwerdeführer eine unmittelbar drohende Gefahr, zufolge der er die Verwaltungsübertretung zur Abwendung eben dieser Gefahr zwanghaft hätte begehen müssen, nicht bestanden habe.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 14b Abs. 1 Z. 1 FrPolG begeht, wer (u.a.) nach Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht fristgerecht ausreist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu bestrafen.
Nach § 82 Abs. 1 Z. 1 FrG begeht, wer (u.a.) nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht rechtzeitig ausreist, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen zu bestrafen.
2.1. Der Beschwerdeführer, der die Erfüllung des objektiven Tatbestandes ausdrücklich zugesteht, wirft der belangten Behörde vor, sie habe übersehen, daß es sich bei der inkriminierten Übertretung um ein Zustandsdelikt handle, bei dem sich das strafbare Verhalten im Herbeiführen eines rechtswidrigen Zustandes erschöpfe, sohin dessen Aufrechterhaltung nicht mehr strafbar sei. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe die erste Verfolgungshandlung mit Erlassung der Strafverfügung vom 20. Juli 1993 vorgenommen. Die Frist zur Ausreise sei am 12. März 1992 abgelaufen. Damit stehe fest, daß innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist des § 31 Abs. 2 VStG keine Verfolgungshandlung gesetzt worden sei, weshalb die Verfolgung des Beschwerdeführers gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. wegen Verjährung unzulässig gewesen sei.
2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Bei der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretung handelt es sich um ein (echtes) Unterlassungsdelikt (bei dem sich das Tatbild in der Nichtvornahme eines gebotenen Tuns erschöpft). Bei diesem Deliktstypus beginnt der Lauf der Verjährungsfrist i.S. des § 31 Abs. 2 VStG ab dem Zeitpunkt, ab dem die Unterlassung beendet ist; die Verjährung beginnt daher solange nicht, als die Verpflichtung zum Handeln besteht und die Handlung noch nachgeholt werden kann (vgl. dazu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1990, Seite 867). Da in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Fall der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung, aus dem Bundesgebiet auszureisen, jedenfalls bis 6. Juli 1993 nicht nachgekommen ist, war zu diesem Zeitpunkt die pönalisierte Unterlassung noch nicht beendet. Die Verfolgungsverjährungsfrist konnte demnach frühestens mit 7. Juli 1993 zu laufen beginnen. Die erste gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgungshandlung in Form der Strafverfügung vom 20. Juli 1993 schloß demnach, da innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG gesetzt, den Eintritt der Verfolgungsverjährung aus.
3.1. Der Beschwerdeführer behauptet, daß ihn an der ihm zur Last gelegten Unterlassung keine Schuld treffe. Sein Verhalten sei daher ungeachtet der Verwirklichung der objektiven Tatseite nicht strafbar. Er habe im Laufe des Verwaltungsverfahrens wiederholt vorgebracht, er könne Österreich nicht verlassen, weil "Leib und Leben in seiner Heimat gefährdet seien". Diesen Einwand habe die belangte Behörde mit einem Hinweis auf den negativen Asyl-Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Juli 1993 abgetan, anstatt sich mit seinem Vorbringen auseinanderzusetzen. Dies wäre im Hinblick darauf geboten gewesen, daß die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl nicht ident seien mit den Voraussetzungen für die Gewährung eines (von ihm beantragten) Abschiebungsaufschubes gemäß § 36 Abs. 2 FrG.
3.2. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Dazu wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes gemäß § 36 Abs. 2 FrG erledigende hg. Erkenntnis vom 3. März 1994, Zl. 93/18/0568, verwiesen. Was im speziellen das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Äußerung vom 25. November 1993 der belangten Behörde gegenüber anlangt, daß es in seiner Heimatstadt zu Massakern gekommen sei, bei denen eine Vielzahl von Personen ermordet worden sei, so ist es ihm auch mit diesem in keiner Weise konkretisierten Hinweis nicht gelungen, eine aktuelle Gefährdung seiner Person i. S. des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG und damit eine Notstandssituation glaubhaft zu machen.
4. Auch zur Entkräftung des behaupteten Verfahrensmangels dergestalt, daß es die belangte Behörde verabsäumt habe, entsprechend seinem Begehren den seinen Antrag auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes betreffenden Verwaltungsakt beizuschaffen, genügt es im Grunde des § 43 Abs. 2 VwGG, auf das vorzitierte hg. Erkenntnis Zl. 93/18/0568 zu verweisen, mit dem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die negative Erledigung seines Antrages auf Gewährung eines Abschiebungsaufschubes als unbegründet abgewiesen wurde.
5. Da nach dem Gesagten dem hier bekämpften Bescheid die behaupteten Rechtswidrigkeiten nicht anhaften, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
6. Von der Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180307.X00Im RIS seit
11.07.2001