TE Vfgh Erkenntnis 2022/12/6 G264/2022 (G264/2022-7)

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Veröffentlicht am 06.12.2022
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z2
EMRK Art8
FremdenpolizeiG 2005 §21, §41, §52, §53 Abs2 Z6, §60
Verordnung (EG) 810/2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft Art14, Art21, Art32
NAG §11
AsylG 2005 §60
VfGG §7 Abs1
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. NAG § 11 heute
  2. NAG § 11 gültig ab 01.01.9000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 206/2021
  3. NAG § 11 gültig von 19.10.2017 bis 01.01.9000 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. NAG § 11 gültig von 01.10.2017 bis 18.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  5. NAG § 11 gültig von 01.10.2017 bis 30.09.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2017
  6. NAG § 11 gültig von 20.07.2015 bis 30.09.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015
  7. NAG § 11 gültig von 01.01.2014 bis 19.07.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/2013
  8. NAG § 11 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  9. NAG § 11 gültig von 01.07.2011 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 38/2011
  10. NAG § 11 gültig von 01.01.2011 bis 30.06.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 111/2010
  11. NAG § 11 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2010 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  12. NAG § 11 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  13. NAG § 11 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  14. NAG § 11 gültig von 01.01.2006 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 157/2005
  15. NAG § 11 gültig von 01.01.2006 bis 31.12.2005
  1. AsylG 2005 § 60 heute
  2. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.11.2017 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 84/2017
  3. AsylG 2005 § 60 gültig ab 01.11.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 145/2017
  4. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.01.2014 bis 31.10.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/2012
  5. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.01.2010 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2009
  6. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.04.2009 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009
  7. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.07.2008 bis 31.03.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  8. AsylG 2005 § 60 gültig von 01.01.2006 bis 30.06.2008
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Aufhebung einer Bestimmung des FremdenpolizeiG 2005 betreffend Einreiseverbote wegen Mittellosigkeit; Unsachlichkeit eines Einreiseverbotes – geltend für eine neuerliche Einreise – auf Grund der im Zeitpunkt einer Rückkehrentscheidung bestehenden Mittellosigkeit; Sicherstellung des Unterhalts von Drittstaatsangehörigen durch fremden- und aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bei erneuter Einreise; Rückkehrentscheidung beendet allfällige finanzielle Belastung der Gebietskörperschaften

Spruch

I. §53 Abs2 Z6 des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl I Nr 100/2005, idF BGBl I Nr 87/2012 wird als verfassungswidrig aufgehoben.

II. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.

III. Die aufgehobene Bestimmung ist nicht mehr anzuwenden.

IV. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

         I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren

1. Die beschwerdeführenden Parteien in den zu den Zahlen E3763/2021 und E3764/2021 beim Verfassungsgerichtshof protokollierten, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerdeverfahren sind irakische Staatsangehörige, gegen die das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) unter anderem gestützt auf "§53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 Fremdenpolizeigesetz, BGBl Nr 100/2005 (FPG) idgF" ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot verhängt hat. Dieses bestätigte das Bundesverwaltungsgericht, dessen Erkenntnis die beschwerdeführenden Parteien gemäß Art144 Abs1 B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof in Beschwerde zogen.

2. Bei der Behandlung dieser Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §53 Abs2 Z6 FPG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 4. Oktober 2022 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.

Der Verfassungsgerichtshof legte seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bewogen haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:

"[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt vor diesem Hintergrund gegen die hiemit in Prüfung gezogene Bestimmung des §53 Abs2 Z6 FPG das Bedenken, dass sie gegen das Sachlichkeitsgebot des ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973 verstößt:

[…] Der Verfassungsgerichthof hatte in VfSlg 11.857/1988 keine Bedenken gegen die in §3 Abs2 Fremdenpolizeigesetz (im Folgenden: FrPG), BGBl 75/1954, idF BGBl 575/1987 geregelten, ein Aufenthaltsverbot nach §3 Abs1 FrPG rechtfertigenden Tatbestände. Zu diesen zählte gemäß §3 Abs2 Z7 FrPG auch, wenn ein Fremder 'den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, daß er innerhalb der letzten fünf Jahre im Inland insgesamt drei Jahre einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist'. Das Aufenthaltsverbot nach §3 FrPG hat in vergleichbarer Weise das bewirkt, was nach geltender Rechtslage mit der Rückkehrentscheidung nach §52 FPG und dem Einreiseverbot nach §53 FPG angeordnet wird: Die Verpflichtung, das Bundesgebiet zu verlassen, und die Verpflichtung, dieses innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht wieder zu betreten (siehe §6 Abs1 FrPG; vgl auch Pöschl, Migration und Mobilität, Gutachten 19. ÖJT I/1, 90). Angesichts des Umstandes, dass nach §2 Abs1 FrPG Fremde bewilligungsfrei grundsätzlich zum zeitlich unbeschränkten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren (vgl Erläut zur RV des FrPG, 186 BlgNR 7. GP, 5 f.; Pöschl, aaO, 30 f., 50), dürfte das Aufenthaltsverbot nach §3 Abs2 Z7 FrPG somit darauf abgezielt haben, eine finanzielle Belastung der Gebietskörperschaften auf Grund eines an sich grundsätzlich dauerhaft zulässigen Aufenthaltes zu verhindern.

[…] Davon dürfte sich das auf §53 Abs2 Z6 FPG gestützte Einreiseverbot zunächst schon deswegen unterscheiden, als die Mittellosigkeit nicht kausal für eine Rückkehrentscheidung (sondern 'nur' für ein Verbot einer künftigen Einreise) ist. Denn das Einreiseverbot knüpft an die Rückkehrentscheidung an, die den an sich oder nunmehr (insbesondere auf Grund des negativen Abschlusses eines Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz) unrechtmäßigen Aufenthalt beendet. Vor diesem Hintergrund scheinen die sonstigen Tatbestände des §53 Abs2 FPG darauf abzustellen, dass aus bestimmten, dem Drittstaatsangehörigen zurechenbaren Verhaltensweisen im Rahmen einer Prognoseentscheidung auf eine entsprechende Gefährdung öffentlicher Ordnungsinteressen zu schließen und daher dieser Gefahr durch ein zeitlich angemessen begrenztes Einreiseverbot zu begegnen sein dürfte. Demgegenüber scheint nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes der Tatbestand des §53 Abs2 Z6 FPG nicht darauf abzustellen, aus einem nach der Rechtsordnung dem Drittstaatsangehörigen vorwerfbaren Verhalten auf eine künftige Gefährdung der öffentlichen Ordnung zu schließen, sondern ausschließlich darauf, dass aus der aktuellen Mittellosigkeit des Drittstaatsangehörigen seine auch künftig nicht gegebene Selbsterhaltungsfähigkeit und damit bei neuerlicher legaler Einreise in das Bundesgebiet eine entsprechende finanzielle Belastung der Gebietskörperschaften folge.

[…] Dem Drittstaatsangehörigen auf Grund im Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung bestehender Mittellosigkeit auch künftig für einen bestimmten Zeitraum die legale Einreise in das Bundesgebiet zu untersagen, dürfte schon deswegen sachlich nicht gerechtfertigt sein, weil auf Grund der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Fall einer neuerlichen Einreise ohnedies sichergestellt sein dürfte, dass der Drittstaatsangehörige ohne entsprechende finanzielle Mittel nicht legal in das Bundesgebiet einreisen darf (im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa siehe Art14 Abs1 litb und c iVm Art21 Abs3 litb und e iVm Abs5 sowie Art32 Abs1 lita sublitiii und vii der Verordnung [EG] Nr 810/2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft, ABl. 2009 L 243, 1, sowie von Visa D siehe §21 Abs1 iVm Abs2 Z3, 4 und 5 FPG; im Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltstiteln siehe §11 Abs2 Z4 iVm Abs5 NAG sowie §60 Abs2 Z3 AsylG 2005) und deswegen an der Einreise gehindert werden dürfte (§41 Abs2 Z5 FPG).

[…] Was eine Unterhaltsbeschaffung aus illegalen Quellen anlangt, so geht der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus, dass ein solches Verhalten nicht von §53 Abs2 Z6 FPG, sondern von anderen Tatbeständen des §53 Abs2 und 3 FPG erfasst sein (vgl aber VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0372) bzw eine Konstellation darstellen dürfte, die hinsichtlich des Unrechtsgehaltes ähnlich schwer wiegt wie die anderen, ausdrücklich in §53 Abs2 und 3 FPG angeführten Tatbestände (vgl dazu VwGH 16.5.2019, Ra 2019/21/0104; 19.6.2020, Ra 2019/19/0436). Ein solches (straf)rechtswidriges Verhalten dürfte also im System des §53 Abs2 und 3 FPG außerhalb des §53 Abs2 Z6 FPG geregelt sein.

Gegen die Auffassung, dass §53 Abs2 Z6 FPG ein Einreiseverbot unabhängig von einem vorwerfbaren Verhalten des Drittstaatsangehörigen während seines laufenden Aufenthaltes vorsehen dürfte, scheint auch nicht die Überlegung ins Treffen geführt werden zu können, dass bei Mittellosigkeit eine zukünftige Beschaffung des Unterhaltes des Drittstaatsangehörigen aus illegalen Quellen angenommen und insofern auf eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geschlossen werden könne. Denn ein derart unmittelbarer Schluss von der Mittellosigkeit eines Menschen auf eine damit notwendig verbundene Beschaffungskriminalität, die präventiv zur rechtlichen Sanktion eines Einreiseverbotes führt, dürfte dem Gesetzgeber nach der vorläufigen Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nicht von vornherein zu unterstellen sein.

Im Unterschied zu den sonstigen in §53 Abs2 FPG normierten Tatbeständen, die auf Grund eines die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdenden Fehlverhaltens eines Drittstaatsangehörigen und einer daraus resultierenden zukünftigen Gefährdung dieser öffentlichen Ordnungsinteressen die Erlassung eines zeitlich angemessen begrenzten Einreiseverbotes rechtfertigen dürften, scheint also eine solche Rechtfertigung für den Fall, dass das 'Fehlverhalten' des Drittstaatsangehörigen allein in seiner Mittellosigkeit zu erblicken ist, zu fehlen (vgl auch Wiederin, Art8 EMRK, in: Korinek/Holoubek et al [Hrsg.], Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg. 2002, Rz 99, mwN, demzufolge aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf Grund eines vorwerfbaren Verhaltens leichter gerechtfertigt werden können als in jenen Fällen, in denen das wirtschaftliche Wohl des Landes iSd Art8 Abs2 EMRK die Ausweisung trägt).

[…] Dem Verfassungsgerichtshof scheint vorläufig auch die in §60 Abs1 FPG geregelte Möglichkeit, ein Einreiseverbot gemäß §53 Abs2 FPG auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben zu können, nicht geeignet, die dargelegten Bedenken ausräumen zu können. Denn die Voraussetzung, dass der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat, dürfte jede individuelle Prüfung im Wiedereinreisefall ausschließen, wenn der Drittstaatsangehörige – verschuldet oder unverschuldet – diese Voraussetzung des Nachweises der fristgerechten Ausreise nicht erbringen kann. Die Möglichkeit, die Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbotes im Wege der Beantragung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach den Bestimmungen des AsylG 2005 zu erwirken, dürfte nur eng begrenzte Umstände der gebotenen Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens erfassen (siehe VfSlg 20.049/2016).

[…] Insgesamt scheint es daher dem Verfassungsgerichtshof nach seiner vorläufigen Auffassung sachlich nicht gerechtfertigt zu sein, dass §53 Abs2 Z6 FPG im Anschluss an eine ohnedies verhängte Rückkehrentscheidung und die damit bereits beendete allfällige finanzielle Belastung der Gebietskörperschaften zwingend die Verhängung eines bis zu fünfjährigen Einreiseverbotes anordnet, nur weil der Drittstaatsangehörige im Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag.

[…] Sollte §53 Abs2 Z6 FPG – weil gemäß §53 Abs1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden 'kann' – der Behörde bei der Erlassung des Einreiseverbotes einen Entscheidungsspielraum einräumen, so hat der Verfassungsgerichtshof weiters das Bedenken, dass im Hinblick auf den Tatbestand des §53 Abs2 Z6 FPG dem Gesetz nicht in einer dem Determinierungsgebot des Art18 Abs1 B-VG Rechnung tragenden Weise zu entnehmen sein dürfte, nach welchen Kriterien die Mittellosigkeit eines Drittstaatsangehörigen im Einzelfall daraufhin zu prüfen wäre, ob sie die Erlassung eines Einreiseverbotes rechtfertigen könnte oder nicht. Insbesondere scheint in keiner Weise geregelt zu sein, anhand welcher nachprüfbarer Kriterien die Behörde im Rahmen der gebotenen individuellen Gefährdungsprognose zu prüfen hätte, ob und gegebenenfalls für welche Dauer eine für die Verhängung eines Einreiseverbotes relevante oder unbeachtliche Mittellosigkeit vorliegt (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, §53 FPG, K 14). Vielmehr dürfte, wie der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, etwa die Tatsache, dass einem Drittstaats-angehörigen Grundversorgung gewährt wird, geradezu bestätigen, dass der auf die Mittellosigkeit abstellende Tatbestand zur Verhängung eines Einreiseverbotes erfüllt sei (siehe VwGH 20.9.2018, Ra 2018/20/0349)."

3. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand genommen.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel (Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG), BGBl I 100/2005, idF BGBl I 54/2021 lauten auszugsweise wie folgt (die in Prüfung gezogene Bestimmung idF BGBl I 87/2012 ist hervorgehoben):

"8. Hauptstück

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Fremde

1. Abschnitt

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige

Rückkehrentscheidung

§52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß §60 AsylG 2005 oder §11 Abs1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß §31 Abs1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß §8 Abs1 Z1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß §8 Abs1 Z1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§11 Abs1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß §9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl I Nr 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß §24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel 'Daueraufenthalt – EU' verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß §53 Abs3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs1 ist abzusehen, wenn ein Fall des §45 Abs1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des §16 Abs4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des §55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist §28 Abs2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß §46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß §46 kann auch über andere als in Abs9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß §9 Abs3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß §9 Abs1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.

[…]

Einreiseverbot

§53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs1 ist, vorbehaltlich des Abs3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §20 Abs2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl Nr 159, iVm §26 Abs3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl I Nr 120/1997, gemäß §99 Abs1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß §37 Abs3 oder 4 FSG, gemäß §366 Abs1 Z1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl Nr 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§81 oder 82 des SPG, gemäß den §§9 oder 14 iVm §19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl Nr 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

(3) Ein Einreiseverbot gemäß Abs1 ist für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z5 bis 9 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, hat insbesondere zu gelten, wenn

1. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder mindestens einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht wegen einer innerhalb von drei Monaten nach der Einreise begangenen Vorsatztat rechtskräftig verurteilt worden ist;

3. ein Drittstaatsangehöriger wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

4. ein Drittstaatsangehöriger wegen einer Wiederholungstat oder einer gerichtlich strafbaren Handlung im Sinne dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft oder verurteilt worden ist;

5. ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

6. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§278e StGB) oder eine Person zur Begehung einer terroristischen Straftat anleitet oder angeleitet hat (§278f StGB);

7. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

8. ein Drittstaatsangehöriger öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt oder

9. der Drittstaatsangehörige ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

(5) Eine gemäß Abs3 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. §73 StGB gilt.

(6) Einer Verurteilung nach Abs3 Z1, 2 und 5 ist eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gleichzuhalten, wenn die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht.

[…]

Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung

§60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß §53 Abs2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

III. Erwägungen

A. Zur Zulässigkeit des Verfahrens

Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren als zulässig.

B. In der Sache

Die im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken des Verfassungsgerichtshofes treffen zu:

1. Eine Rückkehrentscheidung ist vom BFA mit Bescheid gegen einen Drittstaatsangehörigen unter anderem dann zu erlassen, wenn sich dieser nicht rechtmäßig in Österreich aufhält (§52 Abs1 Z1 FPG). Wird durch die Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, ist die Erlassung der Rückkehrentscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art8 Abs2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§9 Abs1 BFA-VG), wobei §9 Abs2 BFA-VG die dabei insbesondere zu beachtenden Kriterien näher umschreibt. Die (rechtskräftige) Rückkehrentscheidung verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise nicht eingeräumt wurde (§52 Abs8 FPG).

Ein Einreiseverbot kann vom BFA mit Bescheid – nur (vgl Erläut zur RV des FNG-Anpassungsgesetzes, 2144 BlgNR 24. GP, 23 f.) – gemeinsam mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort aufzuhalten (§53 Abs1 FPG). Ein Einreiseverbot (siehe Art11 der Richtlinie 2008/115/EG über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, ABl. 2008 L 348, 98) bildet somit ein Mittel, um die Effizienz der Rückkehrpolitik der Europäischen Union zu erhöhen. Es gewährleistet, dass ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger nach seiner Abschiebung während eines bestimmten Zeitraumes nicht legal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates zurückkehren kann (EuGH 26.7.2017, Rs C-225/16, Ouhrami, Rz 50; 17.9.2020, Rs C-806/18, JZ, Rz 32). Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot unterscheiden sich daher insoweit, als die Rückkehrentscheidung die Konsequenzen aus der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Aufenthaltes zieht, während das Einreiseverbot einen möglichen späteren Aufenthalt betrifft, der schon jetzt für rechtswidrig erklärt wird (vgl EuGH, Ouhrami, Rz 50).

Ein Einreiseverbot ist gemäß §53 Abs2 FPG für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der (gemäß §53 Abs4 FPG mit dem Ablauf des Tages der Ausreise beginnenden) Dauer des Einreiseverbotes ist das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art8 Abs2 EMRK genannten öffentlichen Zielen zuwiderläuft (§53 Abs2 FPG). Wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt, kann gemäß §53 Abs3 FPG ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in bestimmten Fällen auch unbefristet erlassen werden (vgl VfSlg 20.049/2016, 20.247/2018).

Die Ziffern 1 bis 9 des §53 Abs2 FPG zählen jene Umstände demonstrativ ("ins-besondere") auf, die eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit bzw anderer öffentlicher Interessen im Sinne des Art8 Abs2 EMRK darstellen. Solche Umstände sind eine rechtskräftige Bestrafung wegen bestimmter Verwaltungsübertretungen (zB bestimmte Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, der §§81 und 82 des Sicherheitspolizeigesetzes, der §§9 oder 14 iVm §19 des Versammlungsgesetzes, Übertretungen des Grenzkontrollgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes; Z1), wegen einer Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe von mindestens € 1.000,– oder einer primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde (Z2), wegen einer Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (Z3), wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften (Z4) sowie wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist (Z5). Ein solcher Umstand liegt weiters dann vor, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (Z6), bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen (Z7), mittels einer zum Schein geschlossenen Ehe bzw eingetragenen Partnerschaft insbesondere aufenthalts- oder arbeitsrechtliche Vorteile erlangt hat (Z8) oder in Täuschung über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern an Kindes statt angenommen wurde, um insbesondere aufenthalts- oder arbeitsrechtliche Vorteile zu erlangen (Z9).

2. Abgesehen von Ziffer 6 stellen die sonstigen Tatbestände des §53 Abs2 FPG jeweils darauf ab, dass aus bestimmten, dem Drittstaatsangehörigen zurechenbaren Verhaltensweisen im Rahmen einer Prognoseentscheidung auf eine entsprechende Gefährdung öffentlicher Ordnungsinteressen zu schließen und daher dieser Gefahr durch ein zeitlich angemessen begrenztes Einreiseverbot zu begegnen ist. Demgegenüber stellt der Tatbestand des §53 Abs2 Z6 FPG darauf ab, dass aus der aktuellen Mittellosigkeit des Drittstaatsangehörigen seine auch künftig nicht gegebene Selbsterhaltungsfähigkeit und damit bei neuerlicher Einreise in das Bundesgebiet eine entsprechende finanzielle Belastung der Gebietskörperschaften folgt. Auch ein aus diesem Grund ausgesprochenes Einreiseverbot kann – auf Antrag des Drittstaatsangehörigen – später nur verkürzt oder aufgehoben werden, wenn der Drittstaatsangehörige zuvor fristgerecht ausgereist ist (§60 Abs1 FPG).

Dem Drittstaatsangehörigen allein auf Grund im Zeitpunkt der Rückkehrentscheidung bestehender Mittellosigkeit auch künftig für einen bestimmten Zeitraum die legale Einreise in das Bundesgebiet zu untersagen, ist schon deswegen unsachlich, weil auf Grund der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen im Fall einer neuerlichen Einreise grundsätzlich sichergestellt ist, dass der Drittstaatsangehörige ohne entsprechende finanzielle Mittel nicht legal in das Bundesgebiet einreisen darf (im Zusammenhang mit der Erteilung von Visa siehe Art14 Abs1 litb und c iVm Art21 Abs3 litb und e iVm Abs5 sowie Art32 Abs1 lita sublitiii und vii der Verordnung [EG] Nr 810/2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft [Visakodex], ABl. 2009 L 243, 1, sowie von Visa D siehe §21 Abs1 iVm Abs2 Z3, 4 und 5 FPG; im Zusammenhang mit der Erteilung von Aufenthaltstiteln siehe §11 Abs2 Z4 iVm Abs5 NAG sowie §60 Abs2 Z3 AsylG 2005) und deswegen an der Einreise gehindert wird (§41 Abs2 Z5 FPG).

3. Es ist daher sachlich nicht gerechtfertigt, dass §53 Abs2 Z6 FPG im Anschluss an eine ohne

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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