TE Vfgh Erkenntnis 1993/11/30 B1215/93

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Veröffentlicht am 30.11.1993
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs3
B-VG Art133 Z4
StGG Art5
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
StGG Art6 Abs1 / Liegenschaftserwerb
EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita
Tir GVG 1983 §13 Abs8

Leitsatz

Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs aufgrund der Annahme drohender Überfremdung gemäß §4 Abs2 lita Tir GVG 1983 (auch dann nicht, wenn der Rechtsvorgänger die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt; Anteil der ausländischen Grundeigentümer in Kitzbühel rund 10 Prozent). Das Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbs und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung bezieht sich nur auf Bundesbürger, nicht auch auf Ausländer. Für Kollegialbehörden iSd Art133 Z4 B-VG, die den Voraussetzungen eines Tribunals iSd Art6 EMRK entsprechend eingerichtet sind, gilt das Prinzip der festen Geschäftsverteilung nach Art87 Abs3 B-VG nicht. Der Landesgrundverkehrsbehörde gemäß §13 Tir GVG 1983 kommt die Qualität eines unabhängigen und unparteiischen Tribunals zu. Keine Bedenken gegen §13 Abs8 Tir GVG 1983.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird deshalb abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 5. bzw. 14. März 1991 erwarb der Beschwerdeführer - er ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Deutschland - von einer dänischen Staatsangehörigen ein Grundstück samt darauf befindlicher Villa in Kitzbühel. Diesem Kaufvertrag versagte die Grundverkehrsbehörde Kitzbühel mit Bescheid vom 4. August 1992 unter Berufung auf §4 Abs2 litb des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 und des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung.

2. Die dagegen rechtzeitig erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde als unbegründet abgewiesen und der erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, daß sich dieser auch auf §4 Abs2 lita leg.cit. zu stützen habe. Nach Darstellung der maßgeblichen Rechtslage wird diese abweisliche Entscheidung im wesentlichen damit begründet, daß sich nach dem - unbestritten gebliebenen - Ergebnis des ergänzenden Ermittlungsverfahrens der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Kitzbühel auf über 10 % belaufe, sodaß die Gefahr einer Überfremdung für die Gemeinde als gegeben erachtet werden müsse. Daran ändere auch nichts, daß bereits die Verkäuferin eine Ausländerin sei und eine Veräußerung der Liegenschaft an einen Inländer nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers nicht möglich gewesen sei, da derartige Umstände bei der nach §4 Abs2 GVG 1983 vorzunehmenden Entscheidung ohne Relevanz seien. Außerdem befinde sich das Objekt nach Lage der Verwaltungsakten in einem als Wohngebiet im Sinne des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1984 ausgewiesenen Bereich und habe der Beschwerdeführer im Zuge des Berufungsverfahrens unmißverständlich erklärt, daß er seinen Wohnsitz weiterhin in München aufrecht erhalten wolle, sodaß die Liegenschaft nicht der Befriedigung des dauernden Wohnbedarfes des Berufungswerbers diene und dienen solle. Eine Verlegung des Hauptwohnsitzes der Ehegattin des Beschwerdeführers nach Kitzbühel sei aber ebenso ohne Belang wie mit dem vorliegenden Rechtserwerb angeblich verfolgte wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und auf Freiheit der Erwerbstätigkeit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß sich auf der in bester Wohnlage in Kitzbühel situierten Liegenschaft eine Luxusvilla mit einer Wohnnutzfläche von etwa 500 m2 befinde und dafür ein Kaufpreis von S 21 Mio. errechnet worden sei. Der mit dem Verkauf beauftragte Realitätenkaufmann habe sich mehr als sechs Monate lang vergeblich bemüht, die Liegenschaft an einen Österreicher zu verkaufen. Daher sei die Annahme der belangten Behörde, "eine S 21,000.000,-- teure Luxusvilla mit allen Schikanen" wäre für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geradezu als prädestiniert anzusehen, willkürlich. Zudem habe die belangte Behörde ohne entsprechendes Ermittlungsverfahren und nur unter Verweis auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes willkürlich die Annahme getroffen, 10 % der Grundeigentümer in Kitzbühel seien Ausländer. Demgegenüber sei davon auszugehen, daß der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in Kitzbühel stetig zurückgehe. Schließlich bringt der Beschwerdeführer Bedenken gegen den die Beschlußfähigkeit der Landesgrundverkehrsbehörde regelnden §13 Abs8 GVG 1983 dahingehend vor, daß nicht im einzelnen festgelegt werde, wie viele Kollegialmitglieder "konkret" abstimmen werden. Gemäß Art6 Abs1 EMRK müsse für den Rechtsunterworfenen erkennbar sein, wer nun tatsächlich seine Richter seien und um wie viele Personen es sich dabei handle. Es fehle sohin eine feste Geschäftsverteilung: "... ein Tribunal (ist) nur dann unparteilich im Sinne des Art6 EMRK, wenn es auch für den juristisch nicht gebildeten Laien erkennbar ein unabhängiges Organ ist." heißt es dazu wörtlich in der Beschwerde.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. In einer Replik bekräftigte der Beschwerdeführer die von ihm in der Beschwerde eingenommene Rechtsposition.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, daß für Kollegialbehörden im Sinne des Art133 Z4 B-VG, die den Voraussetzungen eines Tribunals im Sinne des Art6 EMRK entsprechend eingerichtet sind, das Prinzip der festen Geschäftsverteilung nach Art87 Abs3 B-VG nicht gilt (vgl. VfSlg. 11280/1987, 12108/1989, 12462/1990). Der Verfassungsgerichtshof hat auch schon mehrfach erkannt, daß der Landesgrundverkehrsbehörde gemäß §13 GVG 1983 die Qualität eines unabhängigen und unparteiischen Tribunals zukommt (vgl. zuletzt etwa VfGH 21.6.1993, B1841/92). Er sieht sich angesichts der vorliegenden Beschwerde, die auf diese Rechtsprechung nicht Bedacht nimmt und nichts Neues vorträgt, nicht veranlaßt, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

1.2. Gegen die von der belangten Behörde herangezogene Bestimmung des §4 Abs2 GVG 1983 bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; solche sind auch beim Verfassungsgerichtshof aus Anlaß dieser Beschwerde nicht entstanden (vgl. zuletzt etwa VfGH 1.12.1992, B1005/92, 21.6.1993, B1841/92, mwH).

2. Das in Art6 StGG normierte Recht auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes und auf Freiheit der Erwerbsausübung bezieht sich nur auf Bundesbürger, nicht aber auch auf Ausländer (vgl. VfSlg. 12770/1991). Es ist deshalb ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger, durch den angefochtenen Bescheid in diesem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt werden könnte.

3.1. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

3.2. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß im vorliegenden Fall der belangten Behörde ein derartiger Vorwurf zu machen wäre:

Diese gelangte auf Grund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Schluß, der Anteil der ausländischen Grundeigentümer in Kitzbühel betrage rund 10 % und untermauerte dies auch durch das Ergebnis der im Zuge der Volkszählung 1991 durchgeführten Häuser- und Wohnungszählung. Sie gelangte damit zu dem keineswegs denkunmöglichen Schluß, damit drohe in der Gemeinde Überfremdung einzutreten (vgl. hinsichtlich der Überfremdung(sgefahr) in Kitzbühel schon VfSlg. 10895/1986, 11102/1986, 11957/1989).

Dies gilt zumal unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach es verfassungsrechtlich unbedenklich ist, auf eine drohende Überfremdung auch dann zu schließen, wenn durch den beabsichtigten Rechtserwerb keine Vermehrung der Anzahl der schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzer bewirkt wird (vgl. VfSlg. 7274/1974, 12601/1991, und zuletzt etwa VfGH 25.2.1992, B1029/91, 21.6.1993, B1841/92). Ebenso bestehen keine Bedenken, wenn die belangte Behörde dem Rechtserwerb durch einen Ausländer die Zustimmung versagt, obwohl auch der Rechtsvorgänger die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt. Denn nichts spricht dafür, im Bereich des Grundverkehrs den Rechtserwerb durch Ausländer zu begünstigen, weil schon der Verkäufer Ausländer war oder weil im Hinblick auf den bestehenden Grundbesitz eine Überfremdung bereits vorlag (vgl. etwa VfSlg. 12704/1991).

4. Bei diesem Ergebnis ist ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen entbehrlich. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hat somit nicht stattgefunden.

5. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

6. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen (s. II.1.) ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

7. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen, wobei der als solcher bezeichnete Antrag auf Aufhebung einer Wortfolge in §13 Abs8 GVG 1983 als Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art140 B-VG von Amts wegen gedeutet wurde, welche, wie dargetan, nicht aufzugreifen war.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb, Überfremdung, Grundverkehrsrecht, Kollegialbehörde, Tribunal

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1215.1993

Dokumentnummer

JFT_10068870_93B01215_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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