Index
E6JNorm
AsylG 2005 §3 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision von 1. S S, 2. S S, 3. A S, und 4. S S, alle vertreten durch MMag. Dr. Stephan Vesco, LL.M., Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 5/19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. August 2022, 1. W236 2256287-1/12E, 2. W236 2256288-1/5E, 3. W236 2256286-1/5E und 4. W236 2257346-1/4E, betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die minderjährigen revisionswerbenden Parteien sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit.
2 Mit Bescheiden des Bundesasylamts (BAA) vom 14. Mai 2007 wurde dem Vater, der Mutter und neben dem Erstrevisionswerber drei weiteren Geschwistern aufgrund ihrer Anträge auf internationalen Schutz der Status der Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihnen kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit der Teilnahme des Vaters der revisionswerbenden Parteien am ersten Tschetschenienkrieg, dessen Tätigkeit im Antiterrorzentrum der Tschetschenischen Republik Itschkeria in den Jahren von 1996 bis 1999 sowie dessen Verfolgung durch russische Behörden und Anhänger des Kadyrow nach Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges.
3 Mit Bescheid des BAA vom 7. Jänner 2010 wurde dem Viertrevisionswerber aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz vom 21. Dezember 2009 im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
4 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 9. Februar 2016 sowie vom 21. Juli 2017 wurde mit selbiger Begründung der Zweitrevisionswerberin respektive dem Drittrevisionswerber der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
5 Aufgrund einer Kontrollmitteilung vom 2. September 2019 dokumentierte die Österreichische Botschaft in Moskau einen Aufenthalt der minderjährigen zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien gemeinsam mit deren Mutter in Russland, wobei zur Reisebewegung russische Auslandsreisepässe verwendet wurden. Daraufhin leitete das BFA ein Asylaberkennungsverfahren gegen die gesamte Familie ein und verständigte die zuständige Niederlassungsbehörde über die erforderliche Erteilung von Aufenthaltstiteln „Daueraufenthalt - EU“.
6 Nachdem der gesamten Familie Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ erteilt worden waren, erkannte das BFA den Eltern und den vier (teils volljährigen, teils minderjährigen) Geschwistern der minderjährigen revisionswerbenden Parteien mit Bescheiden vom 22. Februar 2022, 3. März 2022 und 4. März 2022 den Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab und stellte fest, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Weiters wurde den Eltern und Geschwistern der minderjährigen revisionswerbenden Parteien der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 jeweils nicht erteilt.
7 Die dagegen erhobenen Beschwerden wies das BVwG mit Erkenntnis vom 8. Juni 2022, GZ. W189 2253915-1/8E u.a., nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung ab. Festgestellt wurde, dass sich die Umstände, aufgrund derer dem Vater der minderjährigen revisionswerbenden Parteien Asyl gewährt worden sei, insofern geändert hätten, als die Tschetschenienkriege zu Ende seien und den Eltern und Geschwistern der minderjährigen revisionswerbenden Parteien nunmehr bei einer Rückkehr nach Tschetschenien individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in ihre körperliche Integrität drohe. Teilnehmende der beiden Tschetschenienkriege würden heute allein wegen ihrer Teilnahme nicht mehr bedroht. Die Eltern und Geschwister der revisionswerbenden Parteien seien keine öffentlichen Kritiker von Kadyrow. Zudem habe die Mutter für sich sowie für die minderjährigen zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien in den Jahren 2018 und 2019 von der russischen Botschaft in Wien persönlich Auslandsreisepässe ausstellen lassen. Sie sei mit diesen drei Kindern im Juli 2019 nach Russland eingereist, wo sie ihre Angehörigen im Heimatdorf in Tschetschenien besucht habe. Sie hätten im Haus der Großmutter mütterlicherseits der revisionswerbenden Parteien gewohnt, sich dort jedoch nicht versteckt gehalten, und wären Anfang September 2019 mit einem Flug von Moskau über Bratislava über Österreich zurückgekehrt.
8 Eine dagegen erhobene Revision wies der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. September 2022, Ra 2022/19/0186 bis 0191, zurück.
9 Mit Bescheiden vom 15. April 2022 erkannte das BFA schließlich auch den revisionswerbenden Parteien den Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ab, stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme, erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zu und erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005.
10 Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis - soweit hier maßgeblich - als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Zusammengefasst führte das BVwG zur Aberkennung des Asylstatus aus, dass die Umstände, aufgrund derer den Eltern der revisionswerbenden Parteien Asyl gewährt worden sei, aufgrund einer dauerhaften und grundlegenden Änderung der Lage in der Russischen Föderation nicht mehr bestünden, wozu im Einzelnen auf die (in den Feststellungen wiedergegebenen) Ausführungen im Erkenntnis des BVwG vom 8. Juni 2022, GZ. W189 2253915-1/8E u.a., betreffend u.a. die Eltern zu verweisen sei. Im gegenständlichen Verfahren habe sich vor dem Hintergrund der Länderberichte und der Angaben des Vaters der revisionswerbenden Parteien in der mündlichen Verhandlung nichts Gegenteiliges ergeben. Weder der Vater der minderjährigen revisionswerbenden Parteien noch der Erstrevisionswerber hätten in der mündlichen Verhandlung eigene Fluchtgründe für die revisionswerbenden Parteien darzulegen vermocht. Auf die Frage nach aktuellen Fluchtgründen hätten sie lediglich vermeint, dass den revisionswerbenden Parteien bei einer Rückkehr in die Russische Föderation respektive Tschetschenien Gefahr drohe, stellvertretend für ihren Vater festgenommen und als Druckmittel verwendet zu werden, weil dieser nach wie vor gesucht werde. Eine solche Gefährdung könne vor dem Hintergrund der Länderberichte jedoch nicht erkannt werden. Es erscheine nicht plausibel, dass für die minderjährigen revisionswerbenden Parteien eine Gefahr bestehen sollte, ins Blickfeld der russischen oder tschetschenischen Behörden im Falle der Rückkehr zu gelangen, die für den Vater selbst vor dem Hintergrund der Länderberichte bereits verneint worden sei. Gegen eine aufrechte Bedrohung spreche zudem, dass die Mutter für sich sowie für die minderjährigen zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien Auslandsreisepässe habe ausstellen lassen und gemeinsam mit ihnen in die Russische Föderation gereist sei.
11 In der dagegen eingebrachten außerordentlichen Revision wird zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das BVwG sei von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die Beweiswürdigung des BVwG sei unschlüssig und das angefochtene Erkenntnis mit Feststellungsmängeln und Begründungsmängeln behaftet. Die bestehende Überwachung der (exil-)tschetschenischen Community im Ausland und wiederholte Mordanschläge auf deren Mitglieder werde außer Acht gelassen. Betreffend den Drittrevisionswerber könne zudem eine Zusicherung, wonach ihm ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ verliehen werde, nicht vorliegen, weil er sich noch keine fünf Jahre mit Asylstatus im Bundesgebiet aufgehalten habe. Darüber hinaus sei das BVwG nicht auf die Umstände der Reise der revisionswerbenden Parteien in die Russische Föderation (Besuch aufgrund des Gesundheitszustandes der Großmutter der revisionswerbenden Parteien, Weiterreise von Moskau nach Tschetschenien mit dem Bus, Aufenthalt lediglich im Haus der Großmutter) eingegangen. Schließlich seien die fehlende soziale Verankerung im Herkunftsland, Sozialisation und Schulbesuch der erst-, viert- und demnächst zweitrevisionswerbenden Partei in Österreich nicht erforscht worden.
12 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Das BVwG weist im angefochtenen Erkenntnis zunächst darauf hin, dass den unbescholtenen minderjährigen revisionswerbenden Parteien (im Entscheidungszeitpunkt des BVwG) bereits vor mehr als fünf Jahren der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde. Da das BFA jedoch gemäß § 7 Abs. 3 AsylG 2005 die zuständige Niederlassungsbehörde vom Sachverhalt verständigt habe und den minderjährigen revisionswerbenden Parteien der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt - EU“ erteilt worden sei, sei gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 AsylG 2005 eine Aberkennung des Status der Asylberechtigten im Revisionsfall möglich gewesen, obwohl die Aberkennung durch das BFA (zumindest den minderjährigen Erstrevisionswerber , die minderjährige Zweitrevisionswerberin und den minderjährigen Viertrevisionswerber betreffend) nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt sei, die minderjährigen revisionswerbenden Parteien nicht straffällig seien und ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hätten.
17 Soweit die Revision dazu darauf verweist, dass dem Drittrevisionswerber kein „Daueraufenthalt - EU“ verliehen hätte werden dürfen, weil seine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum Zeitpunkt der Aberkennung durch das Bundesamt noch keine fünf Jahre zurückgelegen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass es für die Anwendbarkeit von § 7 Abs. 3 Satz 2 AsylG 2005 lediglich darauf ankommt, dass die zuständige Aufenthaltsbehörde „dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat“. Dass dies nicht der Fall wäre, behauptet die Revision nicht. Im Übrigen käme andernfalls für ihn § 7 Abs. 3 Satz 1 AsylG 2005 zum Tragen.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 2019, Ra 2019/19/0059, ausführlich mit den Voraussetzungen für eine Aberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK auseinandergesetzt, wenn einem Fremden zuvor der Status des Asylberechtigten nach den Bestimmungen des Familienverfahrens (§ 34 AsylG 2005) bzw. durch Asylerstreckung zuerkannt worden war. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses kann daher im Einzelnen gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden (vgl. ferner VwGH 7.1.2021, Ra 2020/18/0491).
19 Bestehen demnach jene Umstände, aufgrund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr, und kann es die Bezugsperson daher nicht weiterhin ablehnen, sich unter den Schutz ihres Heimatstaates zu stellen, besteht weder nach dem Zweck des internationalen Flüchtlingsschutzes noch nach jenem des Familienverfahrens nach dem AsylG 2005 eine Rechtfertigung dafür, den Asylstatus des Familienangehörigen, der diesen Status von der Bezugsperson nur abgeleitet hat, aufrecht zu erhalten.
20 Für die Aberkennung des einem Familienangehörigen im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannten Status des Asylberechtigten wegen Wegfalls der fluchtauslösenden Umstände kommt es also darauf an, ob die Umstände, aufgrund deren die Bezugsperson als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und es diese daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen. Diese Frage hat die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) ohne Bindung an eine allfällige diesbezügliche Entscheidung im Verfahren über die Aberkennung des Asylstatus des Familienangehörigen selbstständig zu beurteilen.
21 Gelangt die Behörde (bzw. das Verwaltungsgericht) in so einem Fall zu der Beurteilung, dass die genannten fluchtauslösenden Umstände nicht mehr vorliegen, ist der Asylstatus eines Familienangehörigen, dem dieser Status im Familienverfahren (bzw. durch Asylerstreckung) zuerkannt worden ist, abzuerkennen, sofern im Entscheidungszeitpunkt hinsichtlich des Familienangehörigen nicht die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (drohende Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK) vorliegen (vgl. in diesem Sinn auch EuGH 2.3.2010, C-175/08 u.a., Aydin Salahadin Abdulla u.a., Rn. 81 ff).
22 Die Revision wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG und bringt - zusammengefasst - vor, dass die Aberkennung des Status des Asylberechtigten des Vaters nicht nachvollziehbar sei und das BVwG gegen die Begründungspflicht verstoßen habe.
23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 18.7.2022, Ra 2022/18/0069, mwN). Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2021/18/0419, mwN).
24 Im Revisionsfall gelangte das BVwG - bezugnehmend auf aktuelle Länderberichte der Staatendokumentation und die Ergebnisse der Beweisaufnahmen in den mündlichen Verhandlungen - für den Vater der revisionswerbenden Parteien zu dem Ergebnis, dass ehemaligen tschetschenischen Kämpfern, die keine öffentlich bekannten Regimekritiker seien, keine asylrelevante Verfolgung (mehr) drohe. Gegen eine fortbestehende Bedrohung spreche zudem, dass die Mutter der revisionswerbenden Parteien für die zweit- bis viertrevisionswerbenden Parteien Auslandsreisepässe habe ausstellen lassen und mit ihnen auf legalem Wege in die Russische Föderation gereist sei, wo sie gemeinsam einen Monat in Tschetschenien verbracht hätten und anschließend legal ausgereist seien, ohne auf Probleme seitens der russischen oder tschetschenischen Behörden gestoßen zu sein. Anhaltspunkte für ein aktuelles, individuelles und konkretes Verfolgungsrisiko der revisionswerbenden Parteien seien nicht hervorgekommen.
25 Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des BVwG, die zu dieser Einschätzung geführt haben, auf unvertretbare Weise vorgenommen worden wären, vermag die Revision nicht darzulegen.
26 Soweit die Revision zur Begründung ihrer Zulässigkeit des Weiteren geltend macht, dass zur - vom BVwG nicht als „hinreichend exponierend“ erachteten - Vernetzung des Vaters der revisionswerbenden Parteien in der tschetschenischen „Exilcommunity“ und zu deren Überwachung und Gefährdung jegliche amtswegigen Ermittlungen fehlen würden, rügt sie einen Verfahrensmangel.
27 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbenden Parteien günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 21.6.2022, Ra 2022/18/0119, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht.
28 Soweit die Revision schließlich vorbringt, die fehlende soziale Verankerung im Herkunftsland, Sozialisation und die Schulbesuche der erst-, viert- und demnächst zweitrevisionswerbenden Partei in Österreich seien vom BVwG nicht weiter erforscht worden, macht sie wiederum Ermittlungsmängel geltend, ohne deren konkrete Relevanz darzulegen (vgl. bereits VwGH 13.9.2022, Ra 2022/19/0186 bis 0191).
29 In der Revision werden auch darüber hinaus keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. November 2022
Gerichtsentscheidung
EuGH 62008CJ0175 Salahadin Abdulla VORABSchlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022180250.L00Im RIS seit
09.12.2022Zuletzt aktualisiert am
14.12.2022