TE Vwgh Erkenntnis 1996/1/30 95/11/0353

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Veröffentlicht am 30.01.1996
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Mag. S in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 25. August 1995, Zl. 759.938/2-2.7/95, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgendes:

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 23. Februar 1995 auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 1990 (WG) abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des wesentlichen Inhaltes des Verwaltungsverfahrens aus, der am 15. November 1964 geborene Beschwerdeführer sei am 18. November 1982 der Stellung unterzogen und für tauglich befunden worden. Der Antritt des ordentlichen Präsenzdienstes sei ihm zweimal, zuletzt mit Bescheid des Militärkommandos Tirol vom 29. Oktober 1986 zum Zwecke der Absolvierung seines Hochschulstudiums der Studienrichtung Betriebswirtschaft bis 15. Februar 1992 aufgeschoben worden.

Im Falle des Beschwerdeführers lägen wirtschaftliche Interessen vor, weil er seit 1. Jänner 1993 persönlich haftender Gesellschafter einer in Form einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft betriebenen Steuerberatungskanzlei sei. Seit 29. Dezember 1992 besitze er 25 % der Geschäftsanteile einer Gesellschaft m.b.H., deren Unternehmensgegenstand die Betriebsberatung sei. Seit 1. Mai 1995 sei er persönlich haftender Gesellschafter einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft, die Galerien betreibe. Die aus diesen Beteiligungen abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen des Beschwerdeführers seien nicht besonders rücksichtswürdig, weil er die Obliegenheit, bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen auf seine Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes Bedacht zu nehmen, nicht erfüllt habe. Er habe sein Studium der Betriebswirtschaft mit der Sponsion am 7. Februar 1987 abgeschlossen. In der Zeit vom 8. November 1991 bis 8. Juli 1992 habe er sich in Südamerika aufgehalten. Es sei kein zwingender Grund zu erkennen, warum er mit der Beteiligung an den Unternehmen nicht bis zur Zeit nach Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes habe zuwarten können. Dem in der Berufung erstatteten Vorbringen, ihm könne die Verletzung der Harmonisierungspflicht nicht vorgeworfen werden, weil er, für ihn völlig überraschend, von seinem Vater im Frühjahr 1992 mit zunehmender "Stärke" gebeten worden sei, nach Österreich zurückzukehren und in seine Kanzlei einzutreten, nachdem er bis dahin niemals eine solche Absicht gehegt habe, sei entgegenzuhalten, daß auch die Familienmitglieder, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend mache, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des Wehrpflichtigen einzurichten hätten. Der Vater des Beschwerdeführers stehe im Zusammenhang mit seinen attestierten Beschwerden seit 1985 in Behandlung und hätte mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes rechnen müssen. Er hätte in der Zeit bis 1992 ausreichend Zeit gehabt, für eine Vertretung zu sorgen und dem Beschwerdeführer die Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes zu ermöglichen. Für die Übernahme der Galerie E. KEG infolge des Pensionsantrittes der Mutter des Beschwerdeführers gelte gleiches.

Es sei nicht Aufgabe der Behörde, dem Wehrpflichtigen konkrete Dispositionen vorzuschlagen, doch sei in diesem Zusammenhang anzumerken, daß der Beschwerdeführer, insbesondere bei Beachtung der im Spruch der Aufschiebungsbescheide auferlegten Mitteilungspflicht, die Möglichkeit gehabt hätte, nach Abschluß des Studiums der Betriebswirtschaft am 7. Februar 1987 dem zuständigen Militärkommando die Absicht mitzuteilen, nunmehr den Präsenzdienst leisten zu wollen. Von dieser Möglichkeit habe der Beschwerdeführer in den Jahren 1987 bis 1992, also in einem Zeitraum, zu dem beide Elternteile noch voll im Berufsleben gestanden seien, nicht Gebrauch gemacht. Aus den dargelegten Gründen seien die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Interessen nicht besonders rücksichtswürdig, weshalb nicht mehr zu untersuchen sei, ob die nachteiligen Folgen der Präsenzdienstleistung für die wirtschaftliche Situation des Beschwerdeführers durch entsprechende Dispositionen vermeidbar wären.

Die Stellung des Beschwerdeführers als geschäftsführender Gesellschafter einer näher bezeichneten Gesellschaft m.b.H. & Co. KG könne wirtschaftliche Interessen des Beschwerdeführers nicht begründen, weil er diese Funktion nur als Treuhänder für einen Mandanten ausübe.

Beim Vater des Beschwerdeführers bestehe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im Ausmaß von 20 %. Deshalb lägen auch familiäre Interessen des Beschwerdeführers vor, die aber nicht besonders rücksichtswürdig seien, weil der Vater des Beschwerdeführers im Falle der Präsenzdienstleistung des Beschwerdeführers nicht in seiner Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet wäre.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten öffentlichen Interessen an seiner Befreiung von der Präsenzdienstpflicht seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 36a Abs. 1 Z. 2 WG können Wehrpflichtige auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes befreit werden, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, daß für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden, nicht aber daß durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Den Wehrpflichtigen trifft also die Verpflichtung, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren. Verletzt er diese Harmonisierungspflicht, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig angesehen werden (siehe dazu unter anderem das hg. Erkenntnis vom 27. April 1995, Zl. 95/11/0015, mwN). Der gegenteiligen Ansicht des Beschwerdeführers, wirtschaftliche und familiäre Interessen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes "die wirtschaftlichen oder/und familiären Interessen des Wehrpflichtigen so schwer getroffen werden, daß er mit dem Verlust oder auch nur mit einem massiven Einbruch seiner Existenz rechnen muß", vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen, insbesondere weil sie die beschriebene Obliegenheit des Wehrpflichtigen zur Harmonisierung seiner wirtschaftlichen Dispositionen mit seiner Wehrpflicht außer acht läßt und daher dazu führen würde, daß ein Wehrpflichtiger durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte.

Hinsichtlich der in § 36a Abs. 1 Z. 1 WG genannten Interessen erklärt der Beschwerdeführer ausdrücklich, ihm sei bewußt, daß diese nur von Amts wegen wahrzunehmen seien, er habe diese nur aufzeigen wollen. Da der Beschwerdeführer demnach ohnedies der zutreffenden Auffassung ist, daß er darauf seinen Antrag nicht stützen könne, erübrigen sich dazu nähere Auführungen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei verpflichtet, seine Tätigkeit als Steuerberater in Eigenverantwortung, Gewissenhaftigkeit und Verschwiegenheit auszuüben und könne diese Aufgabe nicht delegieren, vermag er damit schon deshalb keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weil die belangte Behörde die besondere Rücksichtswürdigkeit der von ihm geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen wegen der Verletzung der Harmonisierungspflicht verneint hat und nicht etwa deshalb, weil der Beschwerdeführer seine Aufgaben delegieren könne. Im Hinblick auf die Verletzung der Harmonisierungspflicht durch den Beschwerdeführer hat die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides ausdrücklich erklärt, nicht näher zu untersuchen, durch welche Dispositionen der Beschwerdeführer allenfalls die nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen seiner präsenzdienstbedingten Abwesenheit verhindern oder verringern könnte.

Die vom Beschwerdeführer behaupteten nachteiligen Auswirkungen auf das Einkommen seines Vaters aus seiner Beteiligung als Kommanditist begründen keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen des Beschwerdeführers. Von besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen eines Wehrpflichtigen kann nur dann gesprochen werden, wenn ein Familienangehöriger in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf und das Fehlen dieser Unterstützung während der Zeit des ordentlichen Präsenzdienstes eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen befürchten läßt. Wirtschaftliche Probleme, und zwar aus der Sicht des Angehörigen gesehen, sind nicht besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 36a Abs. 1 Z. 2 WG, wenn sie die Folge der vorausgegangenen Verletzung der Harmonisierungspflicht sind (siehe das hg. Erkenntnis vom 30. März 1993, Zl. 93/11/0042). Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen liegen im Fall des Beschwerdeführers nicht vor, weil die von ihm befürchtete "nicht unerhebliche Beeinträchtigung" der Unterhaltsleistung seines Vaters keine Gefährdung seiner Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen darstellt und zudem auf die Verletzung der schon mehrfach genannten Harmonisierungspflicht zurückzuführen ist. Die Beteiligung des Beschwerdeführers an der Steuerberatungskanzlei und der (mit 1. November 1993) erfolgte Übertritt des Vaters des Beschwerdeführers in den Ruhestand sind erfolgt, obwohl der Beschwerdeführer und sein Vater wußten, daß der Beschwerdeführer seine Präsenzdienstpflicht noch nicht erfüllt hat. Dasselbe gilt für den Eintritt des Beschwerdeführers als persönlich haftender Gesellschafter in die Galerie E. KEG mit 1. Mai 1995.

Der Beschwerdeführer bestreitet zuletzt, die Harmonisierungspflicht verletzt zu haben, weil er schon als Kind Einblick in die Steuerberatungskanzlei seines Vaters bekommen habe und für ihn "stets ziemlich klar" gewesen sei, daß er niemals den Beruf seines Vaters als "Freiberufler und Selbständiger" ausüben werde. Er habe vielmehr Richter oder Geschäftsführer eines großen Unternehmens werden wollen. Weiters habe er stets den Wunsch gehegt, "vielleicht nach Südamerika auzuwandern". Er sei dann Ende 1991 nach Südamerika gereist in der Absicht, sich dort einige Jahre aufzuhalten und möglicherweise ständig dort zu bleiben. Er habe sich darüber klar werden wollen, was er im Falle seiner Rückkehr nach Österreich machen werde. Es sei dann völlig überraschend gekommen, daß ihn sein Vater im Frühjahr 1992 mit zunehmender Stärke gebeten habe, zurückzukehren, in die Kanzlei einzutreten und diese zu übernehmen. Im Juli 1992 sei er deshalb nach Österreich zurückgekehrt. Die ganze Entwicklung sei für ihn nicht vorhersehbar gewesen.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit aufzuzeigen, und zwar schon deshalb nicht, weil seinen Ausführungen nicht zu entnehmen ist, warum er seit der Beendigung seines Studiums, bis zum Beginn des Ruhestandes seines Vaters seiner Präsenzdienstpflicht nicht nachgekommen ist. Es ist kein Grund erkennbar, warum der Beschwerdeführer, der nach dem Inhalt seiner im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Stellungnahme vom 29. Mai 1995 im väterlichen Unternehmen beschäftigt war und sich im Jahr 1990 intensiv auf die Steuerberatungsprüfung vorbereitet hat, nicht vor dem Ruhestand seines Vaters den ordentlichen Präsenzdienst geleistet hat.

Der Beschwerdeführer hält der Ansicht der belangten Behörde, er hätte mit der Übernahme von Beteiligungen an den verschiedenen Gesellschaften bis zur Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes zuwarten müssen, entgegen, daß er dann, wenn er seinem Vater gegenüber so eine "Verzögerung" hätte "herausschinden" können, gleich in Südamerika geblieben wäre. "Inzwischen wäre die Steuerberatungskanzlei wahrscheinlich verkauft worden".

Mit diesen - in sich widersprüchlichen - Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer und sein Vater wußten von der Präsenzdienstpflicht des Beschwerdeführers und hätten bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen darauf Bedacht nehmen müssen, sodaß es nicht darauf ankommt, was der Beschwerdeführer seinem Vater gegenüber hätte "herausschinden" können. Überlegungen darüber, wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn der Beschwerdeführer in Südamerika geblieben wäre und sein Vater die Steuerberatungskanzlei verkauft hätte, sind - da rein hypothetisch - überflüssig.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110353.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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