Entscheidungsdatum
28.10.2022Norm
BauO NÖ 2014 §20 Abs1 Z7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über die Beschwerde der Frau A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 31.08.2022, ***, betreffend Bestrafung nach der NÖ Bauordnung 2014, zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 45 Abs. 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn (in der Folge: belangte Behörde) vom 31.08.2022, ***, wurde die Beschwerdeführerin wie folgt bestraft (Fettdruck im Original):
„(…)
Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 20.04.2022
Ort: C GmbH, ***, ***,
Grundstücksnummer ***
Tatbeschreibung:
Sie haben als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma C GmbH mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass diese Firma ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben (§ 14) ohne rechtswirksame Baubewilligung ausgeführt hat und benützt. Im Zuge einer Überprüfungsverhandlung am 20.04.2022 wurde festgestellt, dass diese bewilligungspflichtige Baumaßnahme "Errichtung einer Stützmauer an der südöstlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. *** KG *** samt der Errichtung einer Schrankenanlage nächst der südöstlichen Gebäudeaußenecke" bereits umgesetzt bzw. ausgeführt wurde.
Eine Baubewilligung für das Bauvorhaben wurde bis dato nicht erteilt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 37 Abs. 1 Z. 1 iVm § 14 der NÖ Bauordnung 2014 idGF
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafen von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafen von
€ 1.000 34 Stunden § 37 Abs.2 Z. 1 der NÖ
Bauordnung 2014“
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe vom 100,00 € vorgeschrieben.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass alle seitens der belangten Behörde geforderten Einreichunterlagen bereits erstellt und ordnungsgemäß an diese übermittelt worden seien. Im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde unter anderem ergänzend vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022, ***, bereits hinsichtlich desselben Sachverhaltes bestraft worden sei und daher eine Verletzung des Doppelbestrafungsverbotes vorliege.
3. Feststellungen:
Am 20.04.2022 fand in der mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 27.01.1994, zuletzt geändert mit Bescheid vom 04.11.2021, ***, genehmigten Betriebsanlage der Firma C GmbH eine gewerbebehördliche Überprüfungsverhandlung statt.
Hierbei wurde festgestellt, dass auf dem Grundstück mit der Grundstücksnummer ***, KG ***, an der südöstlichen Grundstücksgrenze aus Betonfertigteilen eine neue Stützmauer in einer Länge von 60,28 m, Höhe von 2,23 m und Breite von 25 cm errichtet wurde (in Verlängerung einer bestehenden Stützmauer). Im Anschluss hieran wurde eine ca. 8 m breite automatische Schrankenanlage errichtet.
Daraufhin wurde die Beschwerdeführerin mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022, ***, wie folgt bestraft (Fettdruck im Original):
„(…)
Sie haben folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Zeit: 20.04.2022
Ort: *** ***, Grst.Nr. ***, KG ***
Tatbeschreibung:
Sie haben als gewerberechtliche Geschäftsführerin und somit Verantwortliche (§§ 39 und 370 Abs. 1 GewO 1994) für das Gewerbe "Wermut-, Dessert-, Schaum- und Perlweinerzeuger" der Firma C GmbH mit Sitz in ***, ***, zu verantworten, dass diese Firma als Betriebsinhaberin zum angeführten Zeitpunkt die mit rechtskräftigem Bescheid vom 27.01.1994, zuletzt geändert mit Bescheid vom 04.11.2021, ***, genehmigte Betriebsanlage in ***, ***, im Sinne des § 81 Abs. 2 Zif. 7 GewO 1994 idgF geändert hat, ohne dies der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde, der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn, vorher anzuzeigen.
Im Zuge einer behördlichen Überprüfung am 20.04.2022 wurden folgende Abänderungen gegenüber den Genehmigungsbescheiden festgestellt: Die Errichtung einer Stützmauer an der südöstlichen Grundgrenze des Grundstückes Nr. *** KG *** wurde bereits umgesetzt bzw. ausgeführt. Diese Stützmauer wurde aus Betonfertigteilen hergestellt und wurde laut Plandarstellung samt Fundament gänzlich auf dem Grundstück Nr. *** errichtet. Nächst der südöstlichen Gebäudeaußenecke wurde eine Schrankenanlage errichtet.
Vom Amtssachverständigen für Bautechnik wurde festgestellt, dass es sich bei den ggst. Änderungen um anzeigepflichtige Änderungen gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 handelt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 368 i.V.m. § 81 Abs. 2 Zif. 7 i.V.m. § 81 Abs. 3 Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafen von falls diese uneinbringlich ist, Gemäß
Ersatzfreiheitsstrafen von
€ 100,00 30 Stunden § 368 Gewerbeordnung 1994 GewO
1994, BGBl. Nr. 194/1994 zuletzt
geändert durch BGBl. I Nr. 42/2008“
Diese Strafverfügung ist mangels Erhebung von Rechtsmitteln in Rechtskraft erwachsen.
4. Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen ergeben sich in unbedenklicher Weise aus den vorgelegten Verwaltungsstrafakten der belangten Behörde. Insbesondere aus der Niederschrift der belangten Behörde vom 20.04.2022, *** und ***, über die Durchführung eines Ortsaugenscheines sowie aus der zitierten Strafverfügung.
5. Rechtslage:
5.1 Die einschlägigen Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) idF LGBl. Nr. 20/2022 lauten auszugsweise:
„(…)
§ 20Vorprüfung(…)
(…)“
5.2 Die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) idF BGBl. I Nr. 108/2022 lauten auszugsweise:
„(…)
8. Betriebsanlagen(…)
(…)“
6. Erwägungen:
Nach Art. 4 Abs. 1 des 7. ZPEMRK darf niemand wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden. Zur Würdigung der Frage, ob „dieselbe Sache“ vorliegt, ist iSd gefestigten Rechtsprechung allein auf die Fakten abzustellen und nicht auf die rechtliche Qualifikation derselben; eine neuerliche Strafverfolgung ist dann unzulässig, wenn sie sich auf denselben oder zumindest im Wesentlichen denselben Sachverhalt bezieht. Werden gegen eine Person aus ein- und demselben Vorfall von verschiedenen Behörden in verschiedenen Verfahren mehrere Sanktionen verhängt, die als Strafen im Sinne der EMRK angesehen werden können, so liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn ein ausreichend enger Zusammenhang zwischen den Verfahren gegeben war, und zwar sowohl inhaltlich („in substance“) als auch zeitlich („in time“). Um von einem ausreichend engen inhaltlichen Zusammenhang ausgehen zu können, ist unter anderem maßgeblich, ob die verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden (VwGH 22.06.2022, Ra 2021/02/0241 mwN).
Ein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot kann auch in Konstellationen vorliegen, in denen für dasselbe tatsächliche Verhalten (in grundsätzlich unbedenklicher Weise) zwei Bewilligungen nach verschiedenen Gesetzen erforderlich sind (VwGH 31.01.2006, 2005/05/0049).
Fallbezogen ist zunächst festzuhalten, dass die Tatvorwürfe im nunmehr angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde vom 31.08.2022 auf dasselbe tatsächliche Verhalten der Beschwerdeführerin zurückgehen, welches bereits mit der rechtskräftigen Strafverfügung der belangten Behörde vom 17.05.2022 sanktioniert worden ist. Ihr wurde jeweils vorgeworfen, eine Stützmauer und eine Schrankenanlage errichtet bzw. benützt zu haben. Einerseits unter dem rechtlichen Gesichtsunkt, dass hierfür keine Anzeige gemäß § 81 Abs. 3 GewO 1994 eingebracht worden ist, und andererseits unter dem Gesichtspunkt, dass hierfür keine baubehördliche Bewilligung erwirkt worden ist. Anzumerken ist hierbei, dass in der Strafverfügung die „Änderung“ der Betriebsanlage vorgeworfen wird, während sich das nun angefochtene Straferkenntnis (in mangelnder Konkretisierung des Spruches) sowohl auf den Straftatbestand „Ausführen“ als auch auf den Straftatbestand „Benützen“ bezieht (vgl. hierzu 24.02.2016, Ra 2016/05/0004 mwN). Beide Strafbescheide führen jedoch mit „20.04.2022“ den gleichen Tatzeitpunkt an, welcher sich zumindest teilweise als unrichtig erweist, zumal die Bauvorhaben zu diesem Zeitpunkt der Überprüfung bereits fertiggestellt waren (vgl. hierzu VwGH 27.01.2011, 2009/03/0105). Diese mangelnden Konkretisierungen können jedoch nicht zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgelegt werden, zumal die Konkretisierung des Spruches im Sinne des § 44a VStG der Gefahr einer Doppelbestrafung vorbeugen soll. Für die folgende Beurteilung war daher davon auszugehen, dass sich die jeweiligen Tatvorwürfe auf dasselbe tatsächliche Verhalten der Beschwerdeführerin beziehen.
Es ist daher in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob diese verschiedenen Verfahren auch verschiedene Zwecke verfolgen und damit, nicht bloß abstrakt, sondern auch konkret, verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden (zur Schutzrichtung der herangezogenen Normen siehe auch VwGH 18.10.2016, Ra 2016/03/0029).
Bei der im gegenständlichen Fall für erforderlich erachteten Anzeige der Änderung einer Betriebsanlage gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994, hat die Gewerbebehörde zu prüfen, ob die Änderungen das Emissionsverhalten der Anlage zu den Nachbarn nicht nachteilig beeinflussen und die die Änderung auf Grund der besonderen Situation des Einzelfalles erwarten lassen, dass überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden Auflagen Gefährdungen des Lebens oder der Gesundheit von Personen vermieden und Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 3 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Hierbei handelt es sich unter anderem um Einwirkungen auf die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr sowie Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer.
Eine Baubewilligung ist gemäß § 23 Abs. 1 NÖ BO 2014 zu erteilen, wenn kein Widerspruch zu den in § 20 Abs. 1 Z 1 bis 7 angeführten Bestimmungen besteht. Bei gewerblichen Betriebsanlagen ist die Prüfung nach Z 7 auf jene Bestimmungen eingeschränkt, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist.
Abstrakt gesehen verfolgen die Bestimmungen der NÖ BO 2014 daher durchaus auch verschiedene Zwecke gegenüber einem Anzeigeverfahren gemäß § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 und ist etwa auch die Übereinstimmung mit Flächenwidmungsplänen, Bebauungsplänen, Bausperren bzw. Bauverboten zu prüfen.
Hinsichtlich dieser Aspekte lag im gegenständlichen Fall (Verlängerung einer Stützmauer und Errichtung einer Schrankenanlage) jedoch keine besondere Relevanz vor bzw. bestand keine Bausperre oder ein Bauverbot.
Der Umstand, dass die Prüfung nach § 20 Abs. 1 Z 7 NÖ BO 2014 bei gewerblichen Betriebsanlagen auf jene Bestimmungen eingeschränkt ist, deren Regelungsinhalt durch die gewerberechtliche Genehmigung nicht erfasst ist, zeigt bereits, dass die Normen diesbezüglich grundsätzlich dieselbe Schutzrichtung aufweisen.
Im konkreten Fall sind zudem keine Bestimmungen ersichtlich, deren Regelungsinhalt nicht bereits durch das gewerbebehördliche Anzeigeverfahren erfasst sind. Hinsichtlich der Schrankenanlage ist die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs (§ 12 NÖ Bautechnikverordnung 2014, § 64 NÖ BO 2014) ebenso im gewerbebehördlichen Verfahren zu beachten. In Hinblick auf die in § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 aufgezählten Schutzziele hat auch die Einfriedungsmauer im gewerbebehördlichen Verfahren den Grundanforderungen an Bauwerke, insbesondere die mechanische Festigkeit und Standsicherheit (§ 43 NÖ BO 2014) zu entsprechen.
Zusammenfassend ist daher im konkreten Fall nicht ersichtlich, inwiefern durch das angefochtene Straferkenntnis verschiedene Aspekte des in Rede stehenden Fehlverhaltens sanktioniert werden. Vielmehr würden die wesentlichen Gesichtspunkte des Straftatbestandes einer neuerlichen Bestrafung unterworfen werden.
Es war davon auszugehen, dass der Unrechts- und Schuldgehalt des Täterverhaltens im gegenständlichen Fall durch die rechtskräftige Bestrafung der Beschwerdeführerin nach der Gewerbeordnung 1994 abgegolten ist und kein weitergehendes Strafbedürfnis wegen desselben Tatvorwurfes besteht.
Der Beschwerde war daher spruchgemäß Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
7. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Vielmehr waren die gegenständlichen Rechtsfragen anhand der jeweils zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu lösen.
Schlagworte
Bau- und Raumordnungsrecht; Baubewilligung; Verwaltungsstrafe; Doppelbestrafungsverbot;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.2550.001.2022Zuletzt aktualisiert am
17.11.2022