TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/22 95/17/0423

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Veröffentlicht am 22.03.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
27/04 Sonstige Rechtspflege;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
EGVG Art2;
GebAG 1975 §19 Abs2;
GebAG 1975 §20;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Höfinger, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Linz vom 12. Juli 1995, Zl. Jv 540/95-2, betreffend Bestimmung von Zeugengebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In der zu 17 U 478/95 des Bezirksgerichtes Linz anhängig gewesenen Strafsache wurde der Beschwerdeführer zu der für den 28. März 1995, 11.00 Uhr, anberaumten Hauptverhandlung als Zeuge geladen. Er kam dieser Ladung nach und wurde um 12.20 Uhr entlassen. Der Beschwerdeführer sprach an Entschädigung für Zeitversäumnis eine Gebühr von S 1.900,-- (zwei Stunden zu S 950,--) an. Zum Nachweis des tatsächlich entgangenen Einkommens legte er einen mit 8. März 1995 datierten Auftrag des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vor, welcher auszugsweise lautet wie folgt:

"Gemäß unserem Kooperationsvertrag vom 08.03.1995 erteilen wir Ihnen folgenden Projektauftrag:

1. Leistungsumfang

Ihr Unternehmen übernimmt die Durchführung folgender eDV-bezogener Lehrveranstaltungen:

    Bezeichnung          Termin          UE         Trainer

    Excel                27.03.1995      12 UE      Hr. A

                         29.03.1995

    ...

2. Einsatzort und -zeit

...

Die Lehrveranstaltungen sind in der üblichen Ausbildungszeit für Magistratsbedienstete durchzuführen, d.h. Montag bis Freitag jeweils von 08:30 Uhr bis 12:30 Uhr.

...

3. Preis

Das Projekt wird nach tatsächlich erbrachtem Unterrichtsaufwand abgerechnet.

Für die Leistungsstunde (Unterrichtseinheit a 60 Minuten) bezahlt das Amt Datenverarbeitung ÖS 950,-- exkl. USt. ohne Rücksicht auf die Anzahl der vom Magistrat entsandten Schulungsteilnehmer und der von Ihrem Unternehmen eingesetzten Schulungskräfte.

..."

Mit Bescheid vom 16. Juni 1995 bestimmte der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Linz den Verdienstentgang des Beschwerdeführers in Anwendung des § 18 Abs. 1 Z. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes, BGBl. Nr. 136/1975 (im folgenden: GebAG 1975), mit S 294,-- (2 Stunden a S 147,--) und wies "das Mehrbegehren, und zwar für Verdienstentgang 2 Stunden a S 950,-- zuzusprechen", ab.

Der vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Beschwerde gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid nicht Folge. Begründend führte sie aus, aus der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunde gehe hervor, daß dieser lediglich am 27. März 1995 und am 29. März 1995 mit Lehrveranstaltungen beauftragt gewesen sei. Demgegenüber habe am Tag seiner zeugenschaftlichen Vernehmung, dem 28. März 1995, keine vertragliche Verpflichtung zur Durchführung von Schulungen bestanden. Der Beschwerdeführer habe daher den Nachweis eines tatsächlichen Einkommensentganges nicht erbracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Gewährung der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 18 Abs. 1 Z. 2 lit. b GebAG 1975 verletzt und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 19 Abs. 2 GebAG 1975 lautet:

"(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§ 3 Abs. 2), zu bescheinigen."

Soweit das GebAG 1975 keine nähere Regelung des Verfahrens zur Bestimmung von Zeugengebühren enthält, haben die Justizverwaltungsbehörden zwar nicht das AVG, wohl aber die darin niedergelegten allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens in der Verwaltung zu beachten, wozu insbesondere die Pflicht zur Feststellung des für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhaltes im Verständnis des § 37 AVG zählt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Jänner 1983, Zl. 82/17/0078).

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung seiner Obliegenheit nach § 19 Abs. 2 GebAG 1975 das zitierte Auftragsschreiben vom 8. März 1995 vorgelegt. Der belangten Behörde ist zwar zuzubilligen, daß aus dieser Urkunde eine Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Durchführung von Lehrveranstaltungen am 28. März 1995 nicht eindeutig hervorgeht. Zutreffend verweist der Beschwerdeführer jedoch darauf, daß er - wie aus der Umschreibung des Leistungsumfanges hervorgeht - die Abhaltung von 12 Unterrichtseinheiten, worunter ein Zeitraum von jeweils 60 Minuten zu verstehen ist, übernommen hat, wobei nach Maßgabe des Auftrages die Lehrveranstaltungen zwischen 08.30 Uhr und 12.30 Uhr durchzuführen waren. Demnach stand lediglich eine Unterrichtszeit von vier Stunden pro Tag zur Verfügung. Die vertragskonforme Abhaltung von 12 Unterrichtseinheiten nur an den Terminen 27. März 1995 und 29. März 1995 wäre daher nicht möglich gewesen.

Der Sinngehalt der vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunde war folglich unklar und ließ zumindestens die Interpretation offen, daß die unter "Leistungsumfang" angeführten Termine in Wahrheit den Beginn und das Ende eines Zeitraumes von drei Tagen umschreiben sollten, an denen die zwölf Unterrichtseinheiten, aufgeteilt auf je vier Stunden täglich, abzuhalten waren.

Zur Klärung dieser Zweifelsfrage wäre die belangte Behörde im Rahmen ihrer Pflicht zur Feststellung des für die Erledigung maßgebenden Sachverhalts zu ergänzenden Erhebungen verpflichtet gewesen.

Indem sie dies unterließ, hat sie Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, weshalb ihr Bescheid - auch ohne einen ausdrücklich auf eine Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG abzielenden Antrag des Beschwerdeführers, der den Sachverhalt als unzweifelhaft angesehen und ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht hat (vgl. die ständige Rechtsprechung, etwa bei Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit 173) - nach der zitierten Bestimmung aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Vorlage einer Kopie des bereits im Verwaltungsakt enthaltenen Auftrages vom 8. März 1995 diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995170423.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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