Entscheidungsdatum
09.08.2022Norm
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Manuel Fleisch über die Beschwerde der P GmbH, CH-A, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 02.03.2022 betreffend eine Vergütung des Verdienstentganges nach dem Epidemiegesetz 1950 (EpiG), zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.02.2021 auf Vergütung des Verdienstentganges für den Arbeitnehmer K K in Höhe von EUR 1.225,44 Euro stattgegeben.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
1. Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 01.02.2021 auf Vergütung eines Vermögensnachteiles gemäß § 32 EpiG abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt sie im Wesentlichen vor, dass das Dienstverhältnis zwischen ihr und Herrn K auf österreichischem Recht beruhe. Daher sei sie verpflichtet gewesen, für die Dauer der Absonderung von Herrn K die Lohnfortzahlungspflicht zu leisten. Es würden auch alle Lohnnebenkosten (Finanzamt, Sozialversicherung, Kommunalsteuer, etc) in Österreich abgeführt. Die Beschwerdeführerin übermittelte diesbezüglich die Überlassungsmitteilung, den Dienstvertrag und die Anmeldung bei der ÖGK. Sie hätte auch für andere Dienstnehmerlnnnen, die im selben Anstellungsverhältnis ständen, die Entschädigungszahlung nach dem Epidemiegesetz von der Bezirkshauptmannschaft erhalten. Sie bat, der Beschwerde statt zu geben und die Entschädigungszahlung betreffend der Absonderung von Herrn K zu veranlassen.
3. Folgender Sachverhalt steht fest:
Die Beschwerdeführerin gehört zur Berufsgruppe der Arbeitskräfteüberlasser mit dem Sitz in CH-A.
K K ist bei der Beschwerdeführerin seit 24.08.2020 beschäftigt. Laut dem Dienstvertrag ist die vorgesehene Verwendung des Herrn K die Überlassung an Dritte als Facharbeiter im erlernten Beruf Brennschneider bzw in verwandten Berufen. Der Dienstvertrag unterliegt österreichischem Recht. Herr K ist seit 24.08.2020 aufgrund eines Überlassungsvertrages bei der L GmbH, N [Österreich], tätig.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 25.11.2020 wurde verfügt, dass sich Herr K im Zeitraum vom 31.10.2020 bis einschließlich 14.11.2020 ausschließlich am Wohnsitz aufzuhalten hat. Die Absonderung endete mit Ablauf des 14.11.2020.
Die Beschwerdeführerin zahlte Herrn K das Entgelt für November 2020 aus. Diese Auszahlung umfasste auch das Entgelt für jenen Zeitraum, in dem Herr K aufgrund des Bescheides vom 28.12.2020 behördlich abgesondert war.
Mit Antrag vom 01.02.2021 machte die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin der abgesonderten Person gemäß § 32 EpiG bei der belangten Behörde einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges für den Zeitraum vom 04.11.2020 bis 13.11.2020 in Höhe von 1.225,44 Euro geltend.
4. Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Aktenlage. Dieser Sachverhalt ist unstrittig.
In dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dienstvertrag, abgeschlossen zwischen der Beschwerdeführerin und K K, ist unter Punkt 18. (Gerichtsstand und Rechtsgültigkeit) ausdrücklich geregelt, dass der Vertrag österreichischem Recht unterliegt.
5.1. § 7 Abs 1 und 1a EpiG lautet:
Absonderung Kranker.§ 4 Absonderungsverordnung, RGBl 39/1915, idF BGBl II Nr 21/2020, bestimmt, dass (ua) bei einer Infektion mit 2019-nCoV („2019 neuartiges Coronavirus“) die Kranken und Krankheitsverdächtigen abzusondern oder nach den Umständen des Falles lediglich bestimmten Verkehrsbeschränkungen zu unterwerfen sind.
§ 32 EpiG lautet auszugsweise:
Vergütung für den Verdienstentgang.[…]
§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) lautet auszugsweise:
§ 3. (1) Ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt darf wegen einer Arbeits-verhinderung für die Anspruchsdauer gemäß § 2 nicht gemindert werden.
[…]
§ 51 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lautet auszugsweise:
Allgemeine Beiträge für Vollversichertedes (der) Versicherten ……………………….
auf 10,25%,
des Dienstgebers …………………………….
auf 12,55%
der allgemeinen Beitragsgrundlage.
[…]
5.2. Die Tatbestände, bei deren Erfüllung eine Vergütung des Verdienstentganges zuerkannt werden kann, sind im § 32 Abs 1 EpiG taxativ aufgezählt. Eine Vergütung für die durch die Behinderung des Erwerbes des Antragstellers entstandenen Vermögensnachteile ist gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG (ua) zu leisten, wenn und soweit dessen Arbeitnehmer gemäß § 7 EpiG abgesondert worden sind und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
Die belangte Behörde führt unter Berufung auf das Territorialitätsprinzip aus, der Tatbestand eines Bundesgesetzes werde nur durch im Inland verwirklichte Sachverhalte erfüllt. Sie ist der Auffassung, dies sei vorliegend nicht der Fall, weil zwar die Absonderung des Arbeitnehmers im Inland vollzogen worden, die Auszahlung des Entgeltes jedoch (aufgrund des Sitzes der Beschwerdeführerin in der Schweiz) im Ausland verwirklicht worden sei. Daher sei die Beschwerdeführerin aufgrund des Territorialitätsprinzips nach österreichischem Recht nicht verpflichtet gewesen, eine Entgeltfortzahlung iSd § 32 Abs 3 EpiG zu leisten. Demzufolge könnten auch die Bestimmungen über die Vergütung des Verdienstentganges nicht zur Anwendung gelangen.
Das Landesverwaltungsgericht teilt diese Auffassung nicht. Wie unter Punkt 3. festgestellt, ist auf das Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Arbeitnehmer österreichisches Recht anzuwenden. Der Arbeitnehmer hat seinen Wohnort im Inland und ist aufgrund eines Überlassungsvertrages bei der L GmbH tätig.
Der Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid vom 25.11.2020 gemäß § 7 EpiG iVm §§ 1, 2 und 4 Absonderungsverordnung im Zeitraum von 31.10.2020 bis einschließlich 14.11.2020 an seinem Wohnort behördlich abgesondert. Dadurch ist bei ihm in diesem Zeitraum ein Verdienstentgang eingetreten, für den ihm gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG eine Vergütung gebührt.
§ 32 Abs 3 EpiG bestimmt, dass der dem Arbeitnehmer gebührende Vergütungsbetrag vom Arbeitgeber an den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen auszuzahlen ist und der Anspruch auf Vergütung gegenüber dem Bund mit dem Zeitpunkt der Auszahlung auf den Arbeitgeber übergeht. Bei dem dem Arbeitnehmer ausgezahlten Vergütungsbetrag handelt es sich begrifflich nicht um Entgelt, sondern um eine auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhende Entschädigung (Vergütung) des Bundes, für die der Arbeitgeber in Vorlage tritt. Gemäß § 32 Abs 3 zweiter Satz EpiG hat der Arbeitgeber kraft Gesetzes die Schuld des Bundes in Form des Vergütungsbetrages der Person gegenüber, die den Verdienstentgang erlitten hat, zu erfüllen; mit dem Zeitpunkt der Auszahlung des gebührenden Vergütungsbetrages an den Arbeitnehmer geht dessen Vergütungsanspruch gegenüber dem Bund auf den Arbeitgeber über (vgl VwGH 24.06.2021, Ra 2021/09/0094, mwN).
§ 32 Abs 3 EpiG verpflichtet daher nach seinem klaren Wortlaut im Falle einer gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG gebührenden Vergütung den Arbeitgeber zur Auszahlung dieses Betrages an den Arbeitnehmer zu den für die Zahlung des Entgelts im Betrieb üblichen Terminen. Diese Bestimmung unterscheidet dabei nicht nach dem Sitz des Arbeitgebers bzw dem Ort, von dem aus die Auszahlung des Vergütungsbetrages veranlasst wurde, sondern stellt (als im Inland zu verwirklichende Tatbestandselemente) auf das Eintreten eines Verdienstentganges in Folge behördlicher Absonderung gemäß § 7 EpiG ab.
Da auf das Dienstverhältnis zwischen der Beschwerdeführerin und dem Arbeitnehmer österreichisches Recht anzuwenden ist, war die Beschwerdeführerin sohin gemäß § 32 Abs 3 EpiG zur Auszahlung des Vergütungsbetrages verpflichtet. Sie hat daher zu Recht im November 2020 ihrem Arbeitnehmer trotz deren behördlicher Absonderung das gesamte ihr gebührende monatliche Entgelt und damit auch den ihr gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG gebührenden Vergütungsbetrag für den durch die behördliche Absonderung verursachten Verdienstentgang ausgezahlt. Mit dieser Auszahlung ist der gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG bestehende Anspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Bund gemäß § 32 Abs 3 EpiG auf die Beschwerdeführerin übergegangen.
5.3. Die Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Abs 1 Z 1 EpiG setzt einen entsprechenden Antrag voraus, der den Gegenstand des behördlichen Verfahrens, des an dessen Ende erlassenen Bescheides sowie – sofern der Bescheid zur Gänze angefochten wird – des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet. Die Beschwerdeführerin hat die Vergütung eines Verdienstentganges für den Zeitraum vom 04.11.2020 bis 13.11.2020 in Höhe von 1.225,44 Euro beantragt. Eine über diesen Antrag hinausgehende Vergütung ist nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheides und damit auch nicht des vorliegenden Verfahrens.
5.4. Dieser Vergütungsbetrag berechnet sich gegenständlich wie folgt: Zunächst ist der aliquote Anteil des Bruttomonatsbezuges zu ermitteln. Dem ist der aliquote Dienstgeberanteil zur Sozialversicherung in Höhe von 17,53 % (vgl § 51 ASVG) hinzuzufügen. Die Berechnung der Vergütung erfolgt kalendermäßig taggenau entsprechend der Anzahl der im jeweiligen Monat angefallenen Tage, in denen die betreffende Mitarbeiterin nach § 7 EpiG abgesondert war bzw für welche der Verdienstentgang beantragt wird, nämlich für zehn Tage im November 2020. Schließlich sind auch die anteiligen Sonderzahlungen und die auf diese entfallenden Dienstgeberanteile zur Sozialversicherung zu berücksichtigen. Gesamthaft errechnet sich daraus ein Betrag von 1.225,44 Euro
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
6. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anwendbarkeit des § 32 Abs 3 EpiG in jener Konstellation fehlt, in der der Sitz des Arbeitgebers außerhalb des Bundesgebietes liegt.
Schlagworte
Epidemiegesetz, Verdienstentgang, Lohnzahlung im Ausland, Beschäftigung in Österreich, Sitz Arbeitgeber im Ausland, Österreichisches Recht auf Dienstvertrag anzuwendenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2022:LVwG.408.10.2022.R19Zuletzt aktualisiert am
27.09.2022