TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 95/10/0272

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17 Abs4;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 7. November 1995, Zl. 10.603/1/95-20, betreffend Erteilung einer Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: U in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Mit Eingabe vom 22. Mai 1995 beantragte die mitbeteiligte Partei die Bewilligung der Rodung für das Grundstück Nr. 2118 KG R. zu dem Zweck der Errichtung eines Wochenendhauses.

Die belangte Behörde holte Befund und Gutachten eines Amtssachverständigen für Forsttechnik ein. Dieser legte dar, die Parzelle Nr.2118 KG R. umfasse ein Flächenausmaß von 1172 m2 und liege im Bereich des Talkessels der F.-Alpe. Sie grenze im Norden, Osten und Süden an die Waldparzelle Nr. 2119 und im Westen an die Parzelle Nr. 2117, alle KG R.. Die Parzelle selbst sei mäßig steil bis steil, in Richtung Süd-Osten exponiert und mit einem lockeren Fichten- und Lärchenbestand der II. Altersklasse bestockt. Der Boden sei mit einer Heidelbeerkrautschicht bewachsen. Er sei als frischer Urgesteinsverwitterungsboden mittlerer Bonität zu bezeichnen. Aufgrund der Höhenlage weise der Bestand die Merkmale eines Schutzwaldes nach § 21 ForstG auf. Die beantragte Rodefläche gehöre der Funktionsfläche 312 (ÖK 183, RKE 5) des Waldentwicklungsplanes für den Forstbezirk Villach an. Die höchste Schutzfunktion sei durch die Lage der Waldbestände begründet, die erhöhte Erholungsfunktion im Ferien- und Erholungsgebiet F.-Alpe. Die Waldausstattung der KG R. liege mit 46,0 % wesentlich unter dem Bezirksdurchschnitt von 60,0 %. Durch die Rodung der Parzelle Nr. 2118 würde eine ungünstige Abgrenzung von Waldflächen entstehen bzw. fortgesetzt werden, da das Bauland der Parzellen Nr. 2116 und Nr. 2117 in Richtung Osten vorgetrieben werden würde. Durch die Verbauung längs des südlich dieser Parzelle verlaufenden Aufschließungsweges würde die Bewirtschaftung der oberhalb liegenden Waldbestände erschwert werden. Aus den oben angeführten fachlichen Gründen spreche sich der forsttechnische Amtssachverständige gegen die Erteilung einer Rodungsbewilligung aus. Für den Fall der Bewilligung des Rodungsantrages schlug der Amtssachverständige in seinem Gutachten die Vorschreibung näher bezeichneter Auflagen vor.

Der Vertreter der Gemeinde F. legte in seiner Stellungnahme dar, die gegenständliche Parzelle Nr. 2118 KG R. sei im derzeit gültigen Flächenwidmungsplan als Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung "Wochenendhaus" gewidmet und es liege auch bei der Gemeinde F. ein diesbezügliches Bauansuchen zur Errichtung eines Wochenendhauses auf. Die Parzelle Nr. 2118 KG R. sei derzeit mit gültigem Gemeinderatsbeschluß als Aufschließungsgebiet ausgewiesen. Im derzeit in Ausarbeitung befindlichen Flächenwidmungsplan (Differenzplan) sei die "Rückwidmung" wegen weiterer Zersiedelung im Bereich der F.-Alpe vorgesehen. Sollte von seiten der Forstbehörde ein positiver Rodungsbescheid ausgestellt werden, so könne erst von seiten der Gemeinde das Bauansuchen bzw. das Aufheben des Aufschließungsgebietes geprüft und bearbeitet werden. Ob es zu einer Baugenehmigung kommen werde, werde von den Gutachten der Sachverständigen über die Standortsicherheit abhängen.

Das Baubezirksamt stimmte in seiner Stellungnahme dem Antrag zu, sofern aus forstfachlicher Sicht gegen die gewährte Bewilligung keine Bedenken bestünden. Die zur Rodung beantragte Parzelle sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde F. als Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Wochenendhaus gewidmet. Aufgrund der gegebenen Widmung liege daher für die begehrte Bewilligung kein Widerspruch zum rechtskräftigen Flächenwidmungsplan vor. Festgehalten werde noch, daß die westlich anschließenden Parzellen Nr. 2116 und Nr. 2117 ebenso als Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Wochenendhaus ausgewiesen seien.

Mit Bescheid vom 7. November 1995 erteilte die belangte Behörde unter Vorschreibung von Bedingungen und Auflagen die beantragte Rodungsbewilligung zu dem Zweck der Errichtung eines Wochenendhauses (öffentliches Interesse im Siedlungswesen). Nach Darlegung des Sachverhaltes, des Gutachtens des Amtssachverständigen für Forsttechnik, der Stellungnahme des Vertreters des Baubezirksamtes, der Stellungnahme der Gemeinde F. sowie der Stellungnahme der mitbeteiligten Partei führte die belangte Behörde in ihrer Begründung im wesentlichen aus, die zur Rodung beantragte Parzelle Nr. 2118 KG R. sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde F. als Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Wochenendhaus ausgewiesen und grenze im Westen an die bereits bebauten Parzellen Nr. 2116 und Nr. 2117 KG R. und im Süden an einen Aufschließungsweg an. Im Hinblick auf die verkehrsmäßige Erschlossenheit des gegenständlichen Grundstückes, das Vorhandensein von Versorgungseinrichtungen, der Eignung der Parzelle als Bauland, deren Lage in unmittelbarer Nähe zu bereits bebauten Grundstücken sowie auf das durch die entsprechende Widmung zum Ausdruck gebrachte Interesse an einer Bebauung des Grundstückes, scheine das im Siedlungswesen gelegene öffentliche Interesse ausreichend dokumentiert. Die Waldausstattung der KG R. liege mit 46 % wesentlich unter der des Bezirksdurchschnittes von 60 %. Laut dem Waldentwicklungsplan für den Forstbezirk Villach gehöre die zur Rodung beantragte Fläche der Funktionsfläche 312 an, wobei die hohe Schutzfunktion in der Höhenlage der Rodefläche und die mittlere Erholungsfunktion im Ferien- und Erholungsgebiet F.-Alpe begründet liege. Eine übergeordnete Funktion wie jene eines Bannwaldes werde der Rodefläche und den umliegenden Waldgebieten jedoch nicht zugeschrieben. Durch die Errichtung eines zusätzlichen Wochenendhauses, anschließend an die bereits bestehenden Häuser, seien auch keine wesentlichen Beeinträchtigungen angrenzender Waldbereiche wie auch Schmälerungen der vom Wald auszuübenden Sozialfunktionen zu befürchten, zumal es sich beim antragsgegenständlichen Grundstück um die letzte in diesem Bereich mit der Sonderwidmung Wochenendhaus ausgestattete Parzelle handle und die geringfügige Ausweitung der verbauten Fläche in Richtung Osten für die nördlich angrenzende Waldparzelle keine erheblichen Bewirtschaftungserschwernisse erwarten lasse. Aus diesen Gründen beurteile die Forstbehörde erster Instanz das öffentliche Interesse an einer waldfremden Verwendung (Rodung) der gegenständlichen Parzelle zum Zweck der Errichtung eines Wochenendhauses - öffentliches Interesse im Siedlungswesen - höher als das öffentliche Interesse an der Erhaltung der Rodefläche als Wald.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 170 Abs. 8 ForstG gestützte Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerde bringt im wesentlichen vor, der Begründung des angefochtenen Bescheides könne nicht entnommen werden, aus welchen Gründen die belangte Behörde ein Überwiegen des im Siedlungswesen gelegenen öffentlichen Interesses angenommen habe. Die belangte Behörde gehe in keiner Weise auf die geplante Rückwidmung des gegenständlichen Grundstückes wegen Zersiedelung ein. Die Ausführungen des Amtssachverständigen für Forsttechnik würden lediglich mit dem Argument widerlegt, der Rodefläche sowie den umliegenden Flächen komme keine übergeordnete Funktion wie jene eines Bannwaldes zu. Ebenso gehe die belangte Behörde ohne weitere Begründung entgegen dem forstfachlichen Amtssachverständigengutachten von der Annahme aus, eine Verbauung entlang des Aufschließungsweges führe nicht dazu, daß die angrenzenden Waldflächen nurmehr erschwert bewirtschaftet werden könnten. Sämtliche Gutachten und Stellungnahmen seien gegenüber dem Rodungsprojekt entweder negativ oder neutral. Aus keiner einzigen Stellungnahme könne ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Errichtung eines Wochenendhauses abgeleitet werden. Die belangte Behörde habe keine weiteren Gutachten (etwa einer überörtlichen Raumplanungsbehörde) eingeholt. Die belangte Behörde habe daher zu Unrecht ein Überwiegen des öffentlichen Interesses am Siedlungswesen angenommen.

Damit ist die Beschwerde im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Nach Abs. 2 leg. cit. kann unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 1 eine Bewilligung zur Rodung erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Nach Abs. 3 leg. cit. ist ein öffentliches Interesse im Sinne des Abs. 2 insbesondere im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 4 leg. cit. hat die Behörde bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde hat unter anderem im Hinblick auf das Vorliegen einer Widmung als Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Wochenendhaus nach dem bestehenden Flächenwidmungsplan ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse angenommen. Dieser Auffassung tritt die Beschwerde nicht entgegen, sondern bekämpft die Interessenabwägung als mangelhaft.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein im Siedlungswesen begründetes öffentliches Interesse jedenfalls dann vor, wenn die Grundflächen der Verwirklichung eines nach dem Flächenwidmungsplan zulässigen Bauvorhabens dienen sollen. Dieser Umstand vermag aber noch nicht das Überwiegen dieses öffentlichen Interesses gegenüber jenem an der Walderhaltung zu begründen. Selbst wenn nämlich die Rodungsfläche in einem bereits bestehenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland (hier Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung Wochenendhaus) ausgewiesen ist, bedeutet dies noch nicht, daß eine Verwirklichung dieser anderen Widmung entgegen dem Grundsatz der Walderhaltung auf jeden Fall zulässig wäre; es hat vielmehr allein die Forstbehörde festzustellen, ob die erforderliche Rodungsbewilligung aufgrund der forstrechtlichen Bestimmungen als im öffentlichen Interesse gelegen zu erteilen ist. Die Verwirklichung der von der Gemeinde vorgesehenen anderen Verwendung einer Waldfläche ist in jedem Fall von der Entscheidung der Forstbehörde abhängig, die auf einer dem Gesetz entsprechenden Interessenabwägung beruhen muß (vgl. das Erkenntnis vom 29. Jänner 1996, Zl. 94/10/0111 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Eine der nachprüfenden verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugängliche Interessenabwägung in diesem Sinn fehlt aber im Beschwerdefall. Die belangte Behörde hat nicht auf fachkundiger Grundlage einsichtig dargetan, weshalb das öffentliche Interesse am Siedlungswesen entgegen den im Gutachten des Sachverständigen für Forsttechnik aufgezeigten Bedenken überwiegen sollte. Die belangte Behörde tritt in ihrer "Interessenabwägung" lediglich den vom Sachverständigen in seinem Gutachten getroffenen Feststellungen und Vorbehalten gegen die Rodung mit nicht näher begründeten, dem Niveau sachverständiger Ausführungen nicht entsprechenden Behauptungen entgegen. Damit legt die Behörde aber nicht dar, aus welchen Gründen sie ein dem öffentlichen Interesse an der Walderhaltung ÜBERWIEGENDES, im Siedlungswesen gelegenes öffentliches Interesse angenommen hat. Auch nach der Aktenlage liegen keine Ermittlungsergebnisse vor, auf denen eine solche Annahme basieren könnte. Vielmehr hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit der von der Gemeinde F. in ihrer Stellungnahme aufgeworfenen Frage auseinanderzusetzten, aus welchen Gründen die gegenständliche Parzelle im künftigen Flächenwidmungsplan (Differenzplan) zur "Rückwidmung wegen weiterer Zersiedelung im Bereich der F.-Alpe" vorgesehen ist. Bei der Gewichtung des Rodungsinteresses zu Siedlungszwecken nach § 17 Abs. 2 ForstG iVm § 17 Abs. 3 leg. cit. hat die Behörde auf sämtliche hiebei relevanten Umstände, darunter auch allenfalls geänderte Zielsetzungen der örtlichen Raumplanung, Bedacht zu nehmen, da erst die Berücksichtigung auch der Zielsetzung der örtlichen Raumplanung der belangten Behörde eine zutreffende Beurteilung der Gewichtung des öffentlichen Siedlungsinteresses ermöglichte (vgl. das Erkenntnis vom 3. August 1995, Zl. 93/10/0242).

Aus diesen Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100272.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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