TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/7 95/09/0178

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.05.1996
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §52;
KOVG 1957 §4 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark vom 17. Februar 1995, Zl. 55/94 OB 611-059344-008, betreffend Beschädigtenversorgung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Steiermark vom 13. August 1993 eine Beschädigtengrundrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. mit Wirkung vom 1. April 1991 zuerkannt. Mit dem genannten Bescheid wurden folgende Gesundheitsschädigungen: "1. Metallsplitter in den Weichteilen des linken Oberschenkels proximal, mit Reizzuständen des Nervus ischiadius, KA 1/1 und 2. Narbe am linken Darmbeinkamm, KA 1/1" als Dienstbeschädigungen anerkannt.

Mit einem am 6. November 1992 beim Landesinvalidenamt für Steiermark (LiA) eingelangten Antrag begehrte der Beschwerdeführer die Anerkennung weiterer Dienstbeschädigungen und erhöhte Gewährung von Beschädigtenrente. Zu diesem Antrag wurde vorgebracht, der Beschwerdeführer sei während seines Wehrdienstes als Schütze tätig gewesen. Durch "den Explosionsknall" sei es zu Knalltraumen mit Schwerhörigkeit beider Ohren gekommen.

Mit Bescheid des LiA vom 27. April 1994 wurde eine "hochgradige Innenohrschwerhörigkeit links mehr als rechts mit Ohrgeräuschen (Kausalkomponente 1/3)" als weitere Dienstbeschädigung gemäß §§ 1, 2 KOVG anerkannt, deren MdE (insgesamt) mit 15 v.H. eingeschätzt, aber der Anspruch des Beschwerdeführers auf Neubemessung der mit Bescheid vom 13. August 1993 zuerkannten Beschädigtenrente abgewiesen.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er brachte darin vor, seine Schwerhörigkeit sei unrichtig beurteilt worden. Der überwiegende Teil seiner Hörschädigung sei auf seinen Einsatz als Schütze während des Wehrdienstes zurückzuführen. Durch "den Explosionsknall", dem er lange Zeit ausgesetzt gewesen sei, sei es zur Schädigung des Innenohres gekommen. Diese Schädigung hätte daher zum überwiegenden Teil als Dienstbeschädigung berücksichtigt werden müssen. Dazu komme eine bestehende sehr starke Innenohrschwerhörigkeit; die Einschätzung mit 15 v.H. entspreche nicht seiner tatsächlichen Hörschädigung. Zum Nachweis werde eine fachärztliche Bestätigung Dris. O vom 7. Juni 1994 vorgelegt. Da die Hörschädigung unrichtig beurteilt worden sei, beantrage er einen neuerlichen ärztlichen Sachverständigenbeweis und die Abänderung des Bescheides dahingehend, daß die Beschädigtenrente unter Berücksichtigung der Hörschädigung erhöht werde.

Mit Schreiben vom 5. August 1994 bot die belangte Behörde dem Beschwerdeführer unter Fristsetzung Gelegenheit, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer machte davon mit schriftlicher Eingabe vom 18. August 1994 wie folgt Gebrauch:

"Die Schiedskommission hat keine weitere ärztliche Untersuchung durchführen lassen, sie verweist lediglich auf das erstinstanzliche Gutachten des Herrn Dr. H vom 25.3.1994. Herr Dr. H geht davon aus, daß der überwiegende Teil der Schwerhörigkeit akausal sei, da aus einer Splitterverletzung der Hüfte keine Schwerhörigkeit resultieren kann. Es ist sicher richtig, daß als Folge der Splitterverletzung es zu keiner Hörschädigung gekommen ist. Er hat jedoch nicht berücksichtigt, daß als Folge der Explosionen von Granaten ein Knalltrauma besteht.

Ich bin bereits schwerhörig aus dem Krieg zurückgekommen. Daß die Schwerhörigkeit nach dem Krieg bereits bestand, kann meine Gattin Rosa, mein Trauzeuge L, sowie Herr F bezeugen.

Da der überwiegende Teil der Schwerhörigkeit nachgewiesenerweise auf die Kriegsereignisse zurückzuführen ist, muß die Schwerhörigkeit auch entsprechend beurteilt werden.

Zur Klärung des Sachverhaltes wird die Einvernahme der angegebenen Zeugen beantragt.

Es wird die Abklärung und die volle Stattgebung der Berufung beantragt."

In der Folge veranlaßte die belangte Behörde die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens der Universitätsdozentin Dr. D (Facharzt für HNO-Heilkunde), die in ihrem Gutachten vom 12. Dezember 1994 - basierend auf ihrem Untersuchungsbefund vom 22. November 1994 - die Diagnose:

mittel-hochgradige Schwerhörigkeit links mehr als rechts erstellte. In diesem Gutachten beurteilte die Sachverständige "den ursächlichen Zusammenhang sowie die Minderung der Erwerbsfähigkeit" dahin, daß die "insgesamt bewirkte MdE 30 %" und der "ursächliche Anteil" 2/3 betrage. Zur Begründung ihrer Beurteilung führte die Sachverständige aus, daß "die derzeit vorliegende GS sicher großteils auf die Kriegsereignisse zurückzuführen ist; es muß jedoch auch ein akausaler Anteil von 1/3 (altersbedingt) berücksichtigt werden".

Einem Aktenvermerk der belangten Behörde kann entnommen werden, daß diese die Einholung eines neuerlichen berufskundlichen Gutachtens (ein solches hatte das LiA im erstinstanzlichen Verfahren auf der Grundlage ihrer Einschätzung der Innenohrschwerhörigkeit eingeholt) für entbehrlich hielt, weil hinsichtlich des Gehöres (des Beschwerdeführers) keine beruflichen Sonderverhältnisse bestünden.

In einer zu den bekanntgegebenen Ermittlungsergebnissen erstatteten schriftlichen Stellungnahme vom 19. Jänner 1995 machte der Beschwerdeführer (zusammenfassend) geltend, daß er gegen das Gutachten der bestellten Sachverständigen Einwendungen erhebe. Der Beschwerdeführer rügte, daß die von ihm angebotenen Zeugen nicht einvernommen worden seien, obwohl diese "die Echtheit seiner Schwerhörigkeit" bestätigen könnten; der akausale Anteil (altersbedingt) würde nach dem Ergebnis dieser Zeugenbeweise entfallen.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom 25. Jänner 1995 machte der vom Beschwerdeführer bevollmächtigte Vertreter im wesentlichen geltend, bei der beruflichen Beurteilung sei zu berücksichtigen, daß sich auch die Hörschädigung im Beruf eines Möbeltischlers behindernd auswirke. Aufgrund seiner hochgradigen Hörschädigung würden beim Beschwerdeführer hinsichtlich seiner Hörfähigkeit berufliche Sonderverhältnisse vorliegen. Es werde daher ein neuerliches "berufliches Sachverständigengutachten" und die volle Stattgebung der Berufung beantragt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 17. Februar 1995 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1991 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid "gemäß §§ 1, 4, 7, 8, 51 und 52 KOVG 1957 mit der Maßgabe, daß unter Pkt. 3 als weitere Dienstbeschädigung (DB) anerkannt wird: 3.) mittel- bis hochgradige Schwerhörigkeit links mehr als rechts, KA 2/3". In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde (nach Darlegung des bisherigen Verfahrensverlaufes) im wesentlichen aus, die Angaben des Beschwerdeführers, daß er bereits mit einer merkbaren Schwerhörigkeit aus dem Krieg heimgekehrt sei, werde auch ohne Befragen der angebotenen Zeugen als glaubhaft angenommen. Es sei eine Erfahrungstatsache, daß "die Kriegsteilnehmer" starken Lärmeinwirkungen durch Granatexplosionen ausgesetzt gewesen seien. Zur Beurteilung, ob auch andere schädigende Einflüsse, wie Lärmarbeit oder altersbedingte Faktoren für die beim Beschwerdeführer "heute bestehende Schwerhörigkeit" verantwortlich seien, werde das eingeholte Sachverständigengutachten vom 12. Dezember 1994 (erstattet von Dr. D) in Verbindung mit der aktenmäßigen Zusammenfassung vom 10. Jänner 1995 (von Dr. G) "für schlüssig und voll beweiskräftig angesehen". Die derzeit vorliegende Gesundheitsschädigung sei "sicher großteils auf die Kriegsereignisse zurückzuführen". Es sei jedoch ein akausaler Anteil zu berücksichtigen, der "auf altersbedingte Faktoren zurückzuführen und etwa mit 1/3 zu bemessen ist". Die von der Sachverständigen "angenommene Kausalkomponente von 2/3 für den ursächlichen Anteil erscheint schlüssig, weil allein schon aus den anamnestischen Angaben hervorgeht, daß sich die Schwerhörigkeit beim BW. seit der Heimkehr erst in den letzten Jahren verschlechtert hat und diese Verschlechterung nicht mehr der Kriegsdienstleistung, sondern dem Alter anzulasten ist". Beim Zusammenwirken der einzelnen Dienstbeschädigungen betrage die Gesamt-MdE. 40 v.H., weil die MdE. für die DB 1 durch den kausalen Anteil der neu dazugekommenen DB 3 um eine Stufe angehoben werde. Trotz der eingetretenen Änderung erübrige sich die Einholung eines neuerlichen berufskundlichen Gutachtens, weil das erstinstanzliche Gutachten vom 19. April 1994 "nach wie vor schlüssig ist". Da der Beschwerdeführer bereits Beschädigtenrente nach einer MdE. gemäß § 8 KOVG von 40 v.H. beziehe, sei die Abweisung der Neubemessung der Beschädigtenrente bestätigt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid - der "im vollen Umfang" angefochten wird - in dem Recht auf Zuerkennung einer Beschädigtenrente "gemäß §§ 1 f und 7 f Kriegsopferversorgungsgesetz" verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, er habe in seiner am 18. August 1994 abgegebenen Stellungnahme seine Gattin R und L als Zeugen zum Beweis dafür angeboten, daß er bereits mit seiner Schwerhörigkeit aus dem Krieg zurückgekommen sei. Die angebotenen Zeugen hätten Angaben darüber machen können, wie stark seine Schwerhörigkeit kurz nach dem Krieg gewesen sei. Hinsichtlich dieser Tatsache würden (allein) die Angaben des Beschwerdeführers nicht ausreichen. In der Begründung des angefochtenen Bescheides werde nicht näher erläutert, welche "altersbedingten Faktoren" der Entscheidung zugrundegelegt bzw. wie diese ermittelt worden seien. Dem ärztlichen Sachverständigengutachten (Dris. D) könnten hiezu keine näheren Angaben entnommen werden. Hätte die belangte Behörde aber entsprechend ihrer Ermittlungspflicht die ausdrücklich beantragten Zeugen vernommen, wäre sie zu einem weit höheren Kausalanteil der MdE gekommen.

Bereits mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht.

Gemäß § 4 Abs. 1 Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 (KOVG) ist eine Gesundheitsschädigung als Dienstbeschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 leg. cit. anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht.

Die im § 4 Abs. 1 leg. cit. enthaltene Regelung setzt voraus, daß zunächst einmal die Gesundheitsschädigung festgestellt und das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse erwiesen sind. Der ursächliche Zusammenhang und die - nach dem Gesetz ausreichende - Wahrscheinlichkeit dieses Zusammenhanges sind Rechtsbegriffe; ob der Kausalzusammenhang, und zwar (wenigstens) mit Wahrscheinlichkeit gegeben ist, ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung. Die Behörde hat der rechtlichen Beurteilung einen ausreichend ermittelten Sachverhalt zugrunde zu legen und zu diesem Zweck ein Ermittlungsverfahren durchzuführen, in dessen Rahmen auch Beweis durch ärztliche Sachverständige aufzunehmen ist. Die Behörde hat dabei den ärztlichen Sachverständigen anzuleiten, zu den von ihr pflichtgemäß ermittelten Vorgängen und Erscheinungen Stellung zu nehmen und sich gutachtlich zu äußern, ob sie ausreichen, einen ursächlichen Zusammenhang als wahr anzunehmen. Das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen darf sich nicht darauf beschränken, den ursächlichen Zusammenhang bloß zu verneinen. Der ärztliche Sachverständige hat vielmehr sein Gutachten zu begründen.

Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 des auch im Verfahren nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz geltenden AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach der Anordung des § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen (vgl. etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Februar 1950, VwSlg. NF Nr. 1235/A, vom 27. Oktober 1953, VwSlg. NF Nr. 3159/A, vom 30. September 1955, VwSlg. NF Nr. 3839/A, vom 8. Juni 1983, Zl. 82/09/0015, vom 31. Mai 1990, Zl. 90/09/0014, und vom 25. Juni 1992, Zl. 91/09/0231).

Diesen Erfordernissen wird der angefochtene Bescheid nicht ausreichend gerecht.

Die belangte Behörde hat (bei der Gestaltung des Ermittlungsverfahrens) außer acht gelassen, daß aus der Sicht des Beschwerdefalles die Person des Beschwerdeführers und nicht "die Kriegsteilnehmer" den Gegenstand des Verfahrens darstellen. Es sieht die belangte Behörde auch völlig an der Tatsache vorbei, daß für die Beurteilung der Kausalität im Beschwerdefall nicht allein die "heute bestehende Schwerhörigkeit", sondern der seit dem schädigenden Ereignis beim Beschwerdeführer aufgetretene Verlauf seiner Gesundheitsschädigung bedeutsam sein kann. Dies umso mehr, als die belangte Behörde (nach der Aktenlage erkennbar) eine nach der Rückkehr aus dem Kriegsdienst erfolgte Betätigung des Beschwerdeführers in einem "Lärmberuf" und deren Auswirkungen auf seine Gesundheitsschädigung zunächst für aufklärungsbedürftig erachtet hat. Gerade auf diese Frage bleibt das Sachverständigengutachten von Dr. D eine Antwort aber schuldig. Wenn das genannte ärztliche Sachverständigengutachten nach der Begründung des angefochtenen Bescheides dennoch als "schlüssig und voll beweiskräftig" angesehen wird, dann hat die belangte Behörde damit ihre Erwägungen nicht offengelegt, warum die jahrelange Betätigung des Beschwerdeführers in einem "Lärmberuf" plötzlich nach Erstattung des Sachverständigengutachtens unerheblich geworden sein sollte. Dazu kommt, daß nach der Begründung des angefochtenen Bescheides der Umstand, daß sich die Schwerhörigkeit beim Beschwerdeführer seit seiner Heimkehr "erst in den letzten Jahren verschlechtert hat" als schlüssige Begründung für die im ärztlichen Sachverständigengutachten vorgeschlagene Aufteilung der Kausalkomponenten angesehen wurde, die belangte Behörde aber eine Auseinandersetzung mit der Frage unterlassen hat, warum die zunächst als relevant angesehene Betätigung des Beschwerdeführers in einem "Lärmberuf" - nach den zugrundegelegten "anamnestischen Angaben" - keine Veränderung (weitere Schädigung) seines Hörvermögens zu bewirken vermochte. Da nicht jeder Mensch mit zunehmenden Alter schwerhörig wird, ist auch die bloße Feststellung im angefochtenen Bescheid, beim Beschwerdeführer sei ein Kausalanteil von 1/3 "dem Alter zuzurechnen", nicht zureichend begründet.

Die belangte Behörde wird demnach nicht umhin können, taugliche Ermittlungen über die Ereignisse der Krankheitsvorgeschichte - allenfalls unter Beiziehung eines ärztlichen Sachverständigen - anzustellen und danach die in freier Beweiswürdigung als erwiesen anzusehenden Vorgänge und Erscheinungen dem ärztlichen Sachverständigen zur Begutachtung vorzulegen (vgl. insoweit auch die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 1973, Zl. 2032/71, und vom 16. September 1974, Zl. 639/73). Die von der belangten Behörde für das Unterbleiben der vom Beschwerdeführer angebotenen Zeugenbeweise gegebene Begründung ist nicht überzeugend. Daß diese Zeugen medizinisch verwertbare (relevante) Angaben über die Krankheitsvorgeschichte des Beschwerdeführers anzubieten haben, kann im vorhinein jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Die angebotene Erweiterung des Beweisverfahrens wurde von der belangten Behörde aber auch insoweit aus unzutreffenden Erwägungen abgelehnt, als das Thema der Zeugenbefragung - entgegen den anderslautenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid - schon deshalb nicht im Sinne des Standpunktes des Beschwerdeführers geklärt wurde, weil die Behörde ihrer Entscheidung den vom Beschwerdeführer bekämpften akausalen Anteil zugrundegelegt hat.

Was schließlich das zur Kausalitätsfrage von Universitätsdozentin Dr. D erstattete ärztliche Sachverständigengutachten betrifft, verkennt die belangte Behörde, daß diesem Gutachten nicht nur im aufgezeigten Sinne die in einem fehlerfreien Ermittlungsverfahren geklärten Sachverhaltsgrundlagen fehlen, sondern daß dieses Gutachten letztlich auch keine nachvollziehbare Begründung dafür gibt, warum ein Anteil von 2/3 auf Kriegsereignisse zurückzuführen sein soll und ein akausaler Anteil von 1/3 zu berücksichtigen sei. Diese Trennung ist - mangels jedweder Begründung - sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach mit einer gewissen Willkürlichkeit behaftet. Zu diesen Überlegungen kommt, daß die Rechtsfrage des Kausalzusammenhanges richtigerweise nicht vom ärztlichen Sachverständigen, sondern (auf der Grundlage des Gutachtens) von der belangten Behörde zu beurteilen und nachvollziehbar zu begründen gewesen wäre.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit schon in der Beurteilung der Kausalitätsfrage als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Von dem Ergebnis des fortgesetzten Verfahrens über die Kausalitätsfrage wird danach auch abhängen, ob eine Ergänzung der berufskundlichen Begutachtung erforderlich sein wird oder nicht.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der dargelegten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Verfahrensrecht Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995090178.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten