TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/30 95/19/1459

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Veröffentlicht am 30.05.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/02 Familienrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs2;
AVG §45 Abs3;
EheG §23;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Dolp als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. September 1995, Zl. 302.937/3-III/11/95, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 13. September 1995 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 18. Mai 1995, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen worden war, gemäß "§ 5 Abs. 4" Aufenthaltsgesetz (AufG) iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) nicht stattgegeben.

Begründend nahm die belangte Behörde an, daß die von der Beschwerdeführerin am 27. Oktober 1992 mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossene Ehe mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 12. Juni 1995 für nichtig erklärt worden sei. Unter Berufung auf die diesbezügliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten darstelle, welches dazu führe, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre, führte die belangte Behörde aus, daß aufgrund des "angeführten Sachverhaltes" und der eindeutigen Rechtsprechung (des Verwaltungsgerichtshofes) der Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen gewesen und die Beschwerdeführerin vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird und über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Soweit die Beschwerde unter dem Blickwinkel der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides ausführt, daß entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Nichtigerklärung ihrer am 27. Oktober 1992 mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossenen Ehe nicht zwingend bedeute, daß diese rechtsmißbräuchlich zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen worden sei und daß diesbezügliche Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde fehlen würden, wird ein Verfahrensmangel dargetan. Gleiches gilt für die gleichfalls unter Berufung auf die inhaltliche Rechtswidrigkeit gemachte Beschwerdebehauptung, die belangte Behörde habe ein nicht ordnungsgemäß zugestelltes (und damit nicht rechtskräftiges) Urteil ihrer Entscheidung zugrunde gelegt.

Die Beschwerdeführerin macht aber auch geltend, daß ihr von der belangten Behörde keine Gelegenheit geboten worden sei, zu deren Annahme, die von ihr am 27. Oktober 1992 geschlossene Ehe sei mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals für nichtig erklärt worden, Stellung zu nehmen. Wäre ihr die Gelegenheit geboten worden, so hätte sie darauf hingewiesen, daß das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 12. Juni 1995 ihrem Ehegatten nicht wirksam zugestellt und damit - da sie und ihr Ehegatte im zivilgerichtlichen Verfahren als einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO zu betrachten wären - "nichtig" sei. Tatsächlich ergibt sich aus den von der Verwaltungsbehörde vorgelegten Akten nicht, daß die für den Ausgang des Verfahrens entscheidungswesentliche Sachverhaltsannahme der Nichtigerklärung der von der Beschwerdeführerin geschlossenen Ehe dieser zur Kenntnis gebracht und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden wäre, ist in den Akten doch nicht einmal belegt, wie die belangte Behörde in Kenntnis des von ihr zur Versagung der Aufenthaltsbewilligung herangezogenen Urteiles des Bezirksgerichtes Hernals gelangt ist. Dem Beschwerdevorbringen läßt sich auch eindeutig entnehmen, was die Beschwerdeführerin im Falle der Einräumung des Parteiengehöres vorgebracht hätte. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführerin im Berufungsverfahren kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, das schon erwähnte Urteil des Bezirksgerichtes Hernals ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat, verstößt das (erstmals in der Beschwerde erstattete) Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Voraussetzung für eine rechtmäßige Entscheidung ist, daß der von der Behörde festgestellte Sachverhalt in einem den Anforderungen des AVG entsprechenden Ermittlungsverfahren gewonnen wurde. Wie ausgeführt, ist die für den Ausgang des Verfahrens entscheidungswesentliche Sachverhaltsannahme der belangten Behörde der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht zur Kenntnis gebracht worden, wodurch das Recht auf Parteiengehör nicht gewährt und somit ein fundamentaler Grundsatz jedes geordneten Verwaltungsverfahrens verletzt wurde (vgl. dazu z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 1993, Zl. 93/09/0119).

Da die belangte Behörde solcherarts Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995191459.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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