TE Lvwg Beschluss 2022/2/18 LVwG-AV-1611/002-2021, LVwG-AV-1815/001-2021

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Veröffentlicht am 18.02.2022
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Entscheidungsdatum

18.02.2022

Norm

VwGVG 2014 §28
StVO 1960 §82
GewO 1994 §76a

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch den Richter Hofrat Mag. Gindl über die Beschwerde der A, in ***, ***, vertreten durch C, ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten vom 16. Juni 2021, Zl. ***, betreffend Abweisung eines Antrages nach der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) und der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), den

BESCHLUSS:

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Bürgermeister der Stadt St. Pölten zurückverwiesen wird.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt St. Pölten (in der Folge: belangte Behörde) vom 16. Juni 2021, Zl. ***, wurde der Antrag der Frau A auf straßenverkehrs- und gewerbebehördliche Genehmigung für die Aufstellung eines Gastgartens auf öffentlichem Gut vor dem Gastgewerbebetrieb am Standort ***, *** (vor dem Lokal in der Parkbucht zwischen der nördlichen Gebäudegrundgrenze und der südlichen Grüninsel/Baum auf einem Holzboden im Ausmaß von 6,70 x 1,80 m unter Herstellung des Holzbodens niveaugleich zum zwischen Gastgewerbebetrieb und Gastgarten befindlichen Gehsteig, zur Absicherung gegenüber der Straße und den beiden Bäumen Richtung eines Holzzaunes in der Höhe von 80 cm, 3 Tische, 12 Verabreichungsplätze, Betriebsweise gemäß § 76a GewO 1994) gemäß § 82 Abs. 1 und 5 StVO 1960 sowie gemäß § 76a GewO 1994 als unbegründet abgewiesen.

Begründend führte der belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass im Zuge des Genehmigungsverfahrens von der belangten Behörde Stellungnahmen des Verkehrsamtes und der Stadtplanung/Verkehrsplanung des Magistrates der Stadt St. Pölten eingeholt wurden. Diese haben übereinstimmend ausgeführt, dass auf Grund der prekären Parksituation am *** und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Erhaltung der bestehenden Parkplätze eine Zustimmung nicht erteilt werden kann, weshalb die Behörde davon auszugehen hatte, dass die Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs bei projektgemäßer Umsetzung nicht gewährleistet ist. Im gewerbebehördlichen Verfahren sei gemäß § 76a Abs. 1 Z. 4 GewO 1994 als Voraussetzung für die zur Kenntnisnahme eines Gastgartens gemäß § 76a, dass auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten sei, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt seien. Eines der hierzu schützenden Interessen ist gemäß § 74 Abs. 2 Zi. 4 GewO die Hintanhaltung der Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf oder an Straßen mit öffentlichem Verkehr. Dieses Schutzinteresse ist im Wesentlichen ident mit dem des § 82 Abs. 5 StVO 1960, sodass auch hier die oben angeführte fehlende Bewilligungsvoraussetzung gegeben ist.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin fristgerecht mit Schreiben vom 29. Juni 2021 Beschwerde erhoben. In dieser führte sie im Wesentlichen wie folgt aus:

„….

Diese Begründung ist für mich nicht nachvollziehbar und entbehrt meines Erachtens jeglicher rechtlicher Grundlage. Der geplante Gastgarten hat vor dem Lokal hat ein Ausmaß von lediglich 12 m², bietet Platz für max. 12 Personen und soll durch einen Zaun zur Absicherung gegenüber der vorbeiführenden Straße abgegrenzt werden. Eine Beeinträchtigung des Straßenverkehrs kann daher nicht vorliegen. Im Übrigen soll der beabsichtigte Gastgarten im Sinne des § 76a Abs. 1 der Gewerbeordnung 1994 betrieben werden.

Weiters fallen durch den Gastgarten nur 2 PKW-Stellplätze weg. Weshalb durch diesen Wegfall der beiden Abstellplätze die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs auf der Straße wesentlich (?) beeinträchtigt werden soll, ist unerklärlich und nicht nachvollziehbar. Dies umso mehr, da sich schräg gegenüber meines Gastgewerbebetriebes ein öffentlicher und gebührenfreier Parkplatz für ca. 80 PKW-Abstellplätze befindet. Das bedeutet, dass auch durch den Wegfall von 2 Stellplätze genügend Parkmöglichkeiten für PKW in diesem Gebiet zur Verfügung stehen.

Weiters wird bemängelt, dass im Rahmen des Verfahrens kein Gutachten eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen betreffend einer allfälligen Verkehrsbeeinträchtigung durch den Gastgarten eingeholt wurde, und dass das gegenständliche Verfahren fast 16 Monate zwischen Ansuchen und Erlassung des ablehnenden Bescheides anhängig war.

Interessant ist auch die Tatsache, dass der Vertreter der Gemeindestraße, Herr B, im Zuge des Verfahrens keine Einwände gegen die Errichtung des Gastgartens erhoben hat. Weiters befinden sich im gesamten Stadtgebiet von *** zahlreiche ähnliche von der Behörde bewilligte Gast- und Schanigärten auf öffentlichem Gut (Gehsteig oder Straße).

Ich ersuche daher das Landesverwaltungsgericht entweder um Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen verkehrstechnischen Amtssachverständigen der NÖ Landesregierung betreffend die von der Stadtgemeinde St. Pölten behauptete bzw. festgestellte Verkehrsbeeinträchtigung durch den Wegfall von 2 Stellplätzen oder die Durchführung einer mündlichen Verhandlung an Ort und Stelle unter Beiziehung eines entsprechenden Amtssachverständigen.

In diesem Zusammenhang weise ich darauf hin, dass meine Bevollmächtigung von Herrn C weiterhin aufrecht ist und auch bleibt.

Aus all den oben angeführten Gründen stelle ich folgende Anträge:

1.   Ersatzlose Aufhebung des Bescheides der Stadtgemeinde St. Pölten vom 16.6.2021.

2.   Die beantragte Genehmigung für den Gastgarten gemäß § 82 Abs.1 und 5 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zu erteilen.

3.   Bescheidmäßige Kenntnisnahme des Gastgartens gemäß § 76a der Gewerbeordnung 1994.

Die Gebühr für die gegenständliche Beschwerde wird gleichzeitig mit der Einbringung

in der Höhe von € 30,00 wird gleichzeitig an das Finanzamt elektronisch entrichtet

(siehe dazu auch die Beilage).“

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde ergibt sich nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 20. Februar 2020 hat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die straßenbehördliche Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zur Errichtung und zum Betrieb eines Gastgartens vor dem Lokal im Standort ***, ***, in der Zeit von 1.4. bis 31.10. entsprechend der beiliegenden Planskizze beantragt.

Weiters hat die Beschwerdeführerin die Errichtung und den Betrieb des angeführten Gastgartens gemäß § 76a Gewerbeordnung 1994 angezeigt.

Dieser Antrag enthielt auch folgende Projektbeschreibung:

„Der Gastgarten wird vor dem Lokal auf der Parkbucht zwischen den vorhandenen zwei Bäumen in Form eines Holzbodens errichtet. Dieser wird niveaugleich zum Gehsteig hergestellt. Zur Absicherung gegenüber der Straße und den beiden Bäumen wird ein Holzzaun in der Höhe von 80 cm errichtet. Insgesamt werden 4 Tische mit 4 Sesseln aufgestellt.

Die beabsichtigten Öffnungszeiten des Schanigartens sind täglich von 10:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Generell wird der Schanigarten im Sinne des § 76a GewO betrieben.“

Mit Schreiben vom 19. Mai 2020 hat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde die straßenbehördliche Bewilligung gemäß § 82 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) zur Errichtung und zum Betrieb eines Gastgartens vor dem Lokal im Standort ***, ***, in der Zeit von 1.4. bis 31.10. entsprechend der beiliegenden Planskizze beantragt.

Dieser Antrag enthielt auch folgende Projektbeschreibung:

„Die beiden Rundtische mit jeweils 2 Sesseln werden vor dem Lokal auf dem Gehsteig unmittelbar an der Hausfront aufgestellt, sodass eine Restgehsteigbreite von 1,50 m freibleibt. Es erfolgt keine Beschädigung des Gehsteiges und der vorbeiführenden Straße. Die beabsichtigten Öffnungszeiten des Schanigartens sind täglich von 10:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Generell wird der Schanigarten im Sinne des § 76a GewO betrieben.“

Mit E-Mail vom 26. November 2020 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass das Ansuchen vom 22.2.2020 eingeschränkt wird, nämlich soll der Gastgarten nur mehr auf eine Länge von 6,70 m errichtet werden und daher nur mehr 3 Tische mit insgesamt 12 Sitzgelegenheiten zur Aufstellung gelangen.

Seitens der Abteilung Stadtentwicklung – Verkehrsplanung der belangten Behörde gab offensichtlich ein Verkehrstechniker folgende Stellungnahme ab:

„Nach Rücksprache mit dem Leiter des Verkehrsamtes Hr. D am 03.02.2021 ergeht seitens der Abt. Verkehrsplanung nach erneuter Überprüfung des Sachverhaltes eine negative Stellungnahme zum Gastgarten am *** Fr. A. Die frühere Zustimmung zum Projekt wird widerrufen.

Aus verkehrstechnischer Sicht ergeben sich gegen das geplante Vorhaben keine Versagungsgründe, die Bedenken des Verkehrsamtes auf Grund des erhöhten Parkdruckes in der gegenständlichen Lage werden seitens der Abt. Verkehrsplanung allerdings geteilt.

Es erfolgt daher keine Zustimmung zum Projekt.“

In weiterer Folge erließ die belangte Behörde, nach Gewährung eines Parteiengehörs, den nunmehr angefochtenen Bescheid.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 Bundes-Verfassungsgesetz erkennt das Verwaltungsgericht über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden. Das Verwaltungsgericht hat dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen und nach § 28 Abs. 2 VwGVG grundsätzlich in der Sache zu entscheiden (§ 27 VwGVG). Relevant ist dabei im Bescheidbeschwerdeverfahren – nach h. M. (in diesem Sinn auch VwGH 21.10.2014, Ro 2014/03/0076) – regelmäßig die in seinem Entscheidungszeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage, sodass diesbezügliche Änderungen – zum Vor- und Nachteil des Beschwerdeführers (VwGH 27.3.2007, 2007/18/0059) zu berücksichtigen sind. In seinem Verfahren hat das Verwaltungsgericht – soweit sich nicht aus dem VwGVG anderes ergibt – die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1-5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

„Sache“ des Beschwerdeverfahrens ist – ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgesehenen Prüfungsumfanges – jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Nach den Materialien zu § 27 VwGVG 2014 (EB RV 2009 BlgNR, 24. GP, 6) legt § 27 VwGVG 2014 den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein (vgl. auch VwGH vom 5.11.2014, Ra 2014/09/0018).

Beim gegenständlichen Verfahren handelt es ich um ein sogenanntes Antragsverfahren.

In einem antragsbedürftigen Verwaltungsverfahren bestimmt in erster Linie der Antragsteller was Gegenstand des Verfahren ist; der Antrag legt fest, was Sache des Genehmigungsverfahrens ist (VwGH vom 24. April 2013, 2010/03/0100; VwGH vom 6. Juli 2010, 2008/05/0115 (VwSlg 17.939 A/2010), jeweils mwH). Von der Behörde kann grundsätzlich nur über etwas abgesprochen werden, das überhaupt beantragt wurde, insofern ist die Behörde an den Inhalt des Antrages des jeweiligen Antragstellers gebunden. Es ist ihr auch verwehrt, einseitig von diesem abzuweichen (VwGH vom 19. Dezember 2013, 2011/03/0160, 0162, 0164, 0165).

Die Beschwerdeführerin hat offensichtlich zweimal im Verfahren vor der belangten Behörde ihren Antrag wesentlich verändert (vgl. oben – Anträge vom 22. Februar 2020, 19. Mai 2020 und 26. November 2020). Mit Schreiben vom 26. November 2020 wurde der Antrag vom 22. Februar 2020 eingeschränkt. Dieser war aber auf Grund des Antrages vom 19. Mai 2020 nicht mehr anhängig. Der Antrag vom 26. November 2020 ist daher als adaptierter (eingeschränkter) neuer Antrag des Projektes zu verstehen. Über diesen Umfang hat auch die belangte Behörde angesprochen.

Es ist nach § 13 Abs. 8 AVG zulässig, dass ein verfahrenseinleitender Antrag in jedem Stadium des Verfahrens geändert werden kann, sofern diese Änderung nicht wesentlich ist. Liegt hingegen eine wesentliche Änderung vor, ist dies als Zurückziehung des ursprünglichen Anbringens und Stellung eines neuen Anbringens zu qualifizieren. Wo die Grenze zwischen wesentlichen und unwesentlichen Änderungen verläuft, ist letztlich eine Wertungsfrage; abgesehen von dem im Gesetz ausdrücklich genannten Fall einer dadurch bewirkten Änderung der Zuständigkeiten stellt die Rechtsprechung darauf ab, dass dadurch das Vorhaben in einer für andere Beteiligte nachteiligen Weise oder so geändert wird, dass zusätzliche und neue Gefährdungen entstehen (VwGH vom 9. Dezember 2010, 2007/09/0122; 16. September 2015, Ro 2015/22/0026; 14. Oktober 2015, Ra 2015/04/0055; 26. Mai 2021, Ra 2019/04/0074).

Die belangte Behörde hat die Abweisung des gegenständlichen Antrages im Wesentlichen mit der prekären Parksituation am *** und der daraus resultierenden Notwendigkeit der Erhaltung der bestehenden Parkplätze und daraus folgend die Nichtgewährleistung der Leichtigkeit, Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs bei projektgemäßer Umsetzung begründet.

Dabei stützte sie sich im Wesentlichen auf die oben zitierte Stellungnahme der Abteilung Verkehrsplanung.

Im § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die im § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorgesehenen Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist.

Angesprochen sind damit etwa Fälle, in denen mit einer Kostenersparnis und im Interesse der Raschheit der Verfahrenserledigung gelegen ist (vgl. etwa VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt aber insbesondere jedenfalls dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde – auch in Teilbereichen – zum einen jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat oder wenn sie zum anderen zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat (vgl. VwGH 31.08.2015, Ra 2015/11/0039; VwGH 30.03.2017, Ra 2014/08/0050).

Ein derartiger Ausnahmefall liegt nun im gegenständlichen Fall vor, zumal die belangte Behörde im Verfahren keine relevanten Erhebungen (Prüfungen) vorgenommen hat.

Gemäß § 82 Abs. 1 StVO 1960 ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, z. B. zu gewerblichen Tätigkeiten und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich. Das gleiche gilt für Tätigkeiten, die geeignet sind, Menschenansammlungen auf der Straße herbeizuführen oder die Aufmerksamkeit der Lenker von Fahrzeugen zu beeinträchtigen.

Gemäß § 82 Abs. 5 StVO 1960 ist die Bewilligung nach Abs. 1 zu erteilen, wenn durch diese Straßenbenützung die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht wesentlich beeinträchtigt wird oder eine über das gewöhnliche Maß hinausgehende Lärmentwicklung nicht zu erwarten ist. Wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des Verkehrs erfordert, ist die Bewilligung bedingt, befristet oder mit Auflagen zu erteilen; die Bewilligung ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung weggefallen sind.

Gemäß § 83 Abs. 1 StVO 1960 ist vor Erteilung einer Bewilligung nach § 82 das Vorhaben unter Bedachtnahme auf die gegenwärtigen und zu erwartenden Verkehrsverhältnisse zu prüfen. Eine wesentliche, die Erteilung der Bewilligung ausschließende Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs (§ 82 Abs. 5) liegt insbesondere vor, wenn

a)   die Straße beschädigt wird,

b)   die Straßenbeleuchtung und die Straßen- oder Hausbezeichnungstafeln verdeckt werden,

c)   sich die Gegenstände im Luftraum oberhalb der Straße nicht mindestens 2.20 m über dem Gehsteig und 4.50 m über der Fahrbahn befinden,

d)   die Gegenstände seitlich der Fahrbahn den Fußgängerverkehr auf Gehsteigen oder Straßenbanketten behindern und nicht mindestens 60 cm von der Fahrbahn entfernt sind.

Die im § 83 Abs. 1 StVO 1960 enthaltene Aufzählung einer wesentlichen, die Erteilung einer Bewilligung ausschließenden Beeinträchtigung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs ist nicht erschöpfend (vgl. auch VwGH 16. 10. 2009, 2009/02/0233). Die Behörde ist gemäß dieser Bestimmung zu einer eingehenden verkehrstechnischen Prüfung des Vorhabens unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und ihrer Auswirkungen auf den fließenden Verkehr (Personen- und Fahrzeugverkehr) verpflichtet. (vgl. VwGH 1. 2. 1989, 88/03/0030)

Für eine Versagung der Genehmigung nach § 82 Abs. 5 StVO 1960 genügt es, wenn entweder die Sicherheit oder die Leichtigkeit oder die Flüssigkeit des Verkehrs wesentlich beeinträchtigt wird (vgl. VwGH 15. 5. 2005, 2003/02/0053; 29. 6. 2012, 2008/02/0277). Die Bestimmung des § 82 Abs. 5 StVO 1960 schützt nur die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des fließenden Verkehrs, sie kann nicht dafür herangezogen werden, allein aus Gründen der allgemeinen Parkraumnot eine Bewilligung nach Abs. 1 der genannten Bestimmung zu verweigern. Schutzobjekt des Abs. 5 ist nur der fließende, nicht der ruhende Verkehr (vgl. VwGH 12. 10. 1983, 83/03/0014). Dennoch können zu Gründen der „allgemeinen“ Parkraumnot, auch „konkrete“, im ins Auge gefassten Abstellbereich vorhandene „Parkraumdefizit“ und die daraus resultierende (wesentliche) Beeinträchtigung der Flüssigkeit des „fließenden“ Verkehrs zu einer Versagung führen (vgl. VwGH 13. 5. 2005, 2003/02/0053).

Es ist hierzu jedoch eine verkehrstechnische Prüfung des Projektes unter Berücksichtigung der konkreten Umstände und ihrer Auswirkungen auf den fließenden Verkehr (Personen- und Fahrzeugverkehr) notwendig. Es solche wurde seitens der belangten Behörde nicht veranlasst. Dies Stellungnahme der Abteilung Verkehrsplanung legt nicht die Gründe für die negative Stellungnahme dar. Vielmehr führt sie aus, dass aus verkehrstechnischer Sicht keine Versagungsgründe vorliegen würden.

Die belangte Behörde wird daher im Sinne des § 83 Abs. 1 StVO zunächst unter Bedachtnahme auf die gegenwärtigen und zu erwartenden Verkehrsverhältnisse das Projekt – nach Projektergänzungen durch die Beschwerdeführerin - einer verkehrstechnischen Prüfung zu unterziehen zu haben.

Aus Sicht des erkennenden Gerichtes ergibt sich aus dem Projekt in keiner Weise wie der Gastgarten (Holzboden und Abzäunung) statisch ausgeführt wird. Dies ist jedoch auch im Hinblick auf die Verkehrssicherheit (Sicherung vor verrücken und dgl.) notwendig. Aus dem Projekt ergib sich auch nicht ausdrücklich (anders im Antrag vom 19. Mai 2020 –da ergab sich das ausdrücklich), dass durch das Projekt nicht die Straße (etwa durch notwendige Verankerungen und dgl.) beschädigt wird (vgl. § 83 Abs. 1 lit. a StVO 1960). Es ergeben sich aus dem Projekt auch keine Personenbewegung (Besucher, Kellner), welche auf Grund des Betriebes des Gastgartens den Gehsteig notwendigerweise queren müssen.

Unter „Verkehr“, dessen Sicherheit und Flüssigkeit iSd § 82 Abs. 5 StVO 1960 zu schützen ist, ist auch der Fußgängerverkehr zu verstehen. Wenn es durch die beabsichtigte Tätigkeit zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Verkehrs durch Stauungen der Fußgänger auf dem Gehsteig, die sogar ein Ausweichen derselben auf die Fahrbahn befürchten lassen, kommt, ist die Bewilligung gemäß Abs. 1 zu versagen, zumal die Beeinträchtigung des Fußgängerverkehrs auch durch Vorschreibungen nicht hintangehalten werden kann (vgl. VwGH 4. 2. 1994, 93/02/0219)

Im gegenständlichen Verfahren hat die Behörde keinerlei (inhaltliche) Erhebungen bzw. Prüfungen im obigen Sinne vorgenommen.

Im Wesentlichen sind diese Ausführungen auch auf die Abweisung nach der GewO umzulegen.

Die Genehmigungsfreiheit des Gastgarten nach § 76a Abs. 1 GewO liegt u.a nach Z. 4 nur dann vor, wenn auf Grund der geplanten Ausführung zu erwarten ist, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen hinreichend geschützt sind und Belastungen der Umwelt (§ 69a) vermieden werden; eine wesentliche Beeinträchtigung des Verkehrs im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 4 ist jedenfalls nicht zu erwarten, wenn der Gastgarten gemäß § 82 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960, in der jeweils geltenden Fassung, bewilligt ist.

Da der gegenständliche Gastgarten (noch) nicht nach § 82 StVO 1960 genehmigt ist, ist auch hier seitens der Behörde zu prüfen, ob die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen wird (vgl. § 74 Abs. 2 Z. 4 GewO).

Um alle Bereiche einer möglichen Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 zu erfassen, soll durch § 76a Abs. 1 Z 4 GewO sichergestellt werden, dass im Zusammenhang mit dem Gastgartenbetrieb sämtliche Schutzinteressen berücksichtigt werden und somit z.B. grobe Stolpergefahren, Blendungen der Nachbarn, Verstellen von Notausgängen udgl. vermieden werden. Zur Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit ist es erforderlich, eine Information an die Behörde über den beabsichtigten Betrieb und die geplante Ausgestaltung des Gastgartens vorzusehen.

Insgesamt zeigt sich sohin nicht nur, dass das Ermittlungsverfahren bislang nur ansatzweise geführt wurde, sondern dieses auch rascher und kostengünstiger durch die belangte Behörde durchgeführt werden kann als durch das Verwaltungsgericht selbst. Eine Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eine Zurückverweisung der Verwaltungssache führt auch zu keinem Nachteil für die Beschwerdeführerin, sondern trägt im Gegenteil dafür Sorge, dass ihr nicht durch erstmalige weitere Sachverhaltsfeststellungen in einem – nur eingeschränkt bekämpfbaren – verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis der Instanzenzug beschnitten wird.

Es war somit spruchgemäß mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheides und einer Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde vorzugehen und sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG abgesehen werden, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war. Eine zurückweisende Entscheidung stellt auch keine inhaltliche Entscheidung über „zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen“ dar. Das Gleiche gilt auch für kassatorische Beschlüsse nach § 28 Abs. 3 VwGVG.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Gewerberecht; Verfahrensrecht; Ermittlungspflicht; Zurückverweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.1611.002.2021

Zuletzt aktualisiert am

02.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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