TE Vwgh Beschluss 2022/3/29 Ra 2021/05/0108

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Veröffentlicht am 29.03.2022
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13a

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, in der Revisionssache der I Versicherungsmaklergesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Stefan Lampert, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Werdertorgasse 9/9, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. März 2021, Zl. LVwG-AV-1319/001-2020, betreffend die Zurückweisung eines Antrags auf Verlängerung der Fertigstellungsfrist gemäß § 24 NÖ BO 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde M; weitere Partei: NÖ Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 7. Juni 2011 wurde der revisionswerbenden Partei die baubehördliche Bewilligung für die Veränderung der Höhenlage sowie die Errichtung von Stützmauern und Sickeranlagen auf dem GSt.Nr. 835/1, EZ 415, KG M., nach Maßgabe der Niederschriften über die Bauverhandlungen, welche einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheids bilden, sowie der mit einer Bezugsklausel versehenen Planunterlagen inklusive Baubeschreibung erteilt.

2        Mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 19. August 2013 wurde der revisionswerbenden Partei weiters die baubehördliche Bewilligung für den „Teilabbruch eines Hofgebäudes (Fundamente + UG1) und die Errichtung einer Tiefgarage mit 18 Stellplätzen“ auf dem GSt.Nr. 835/1, EZ 415, KG M., nach Maßgabe der mit einer Bezugsklausel versehenen Planunterlagen inklusive Baubeschreibung, unter der Vorschreibung von Auflagen erteilt.

3        Mit weiterem, ebenfalls rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 26. März 2015 wurde der revisionswerbenden Partei die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Zubaus sowie eines Dachgeschossausbaus auf dem GSt.Nr. 835/1, EZ 415, KG M., nach Maßgabe der einen wesentlichen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Niederschrift über die Bauverhandlung, der mit einer Bezugsklausel versehenen Planunterlagen und der Baubeschreibung, unter der Vorschreibung von Auflagen erteilt.

4        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 9. Juli 2019 wurde der revisionswerbenden Partei die Fortsetzung der Ausführung der mit den beiden oben genannten Bescheiden vom 19. August 2013 und vom 26. März 2015 bewilligten Bauvorhaben auf dem GSt.Nr. 835/1, EZ 415, KG M., untersagt.

5        Mit Bescheid des Stadtrats der Stadtgemeinde M. (belangte Behörde) vom 26. November 2019 wurde die Berufung der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid vom 9. Juli 2019 als unzulässig zurückgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) mit Erkenntnis vom 4. März 2021 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Berufung als unbegründet abgewiesen werde (1.). Unter einem sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (2.). Die gegen diese Entscheidung in der Folge eingebrachte Revision wurde zur hg. Zahl Ra 2021/05/0109 protokolliert.

6        Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 beantragte die revisionswerbende Partei betreffend die Baubewilligungen vom 19. August 2013 und vom 26. März 2015 die Verlängerung der Fertigstellungsfrist gemäß § 24 Abs. 5 Niederösterreichische Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) um jeweils ein weiteres Jahr. Der Baubeginn für die unterschiedlichen Bauvorhaben habe am 10. Februar 2015 sowie am 17. April 2015 stattgefunden; weitere Ausführungen zum jeweiligen Baubeginn und zu deren Umständen sind dem Antrag nicht zu entnehmen.

7        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 6. März 2020 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Verlängerung der Fertigstellungsfrist hinsichtlich der Baubewilligung vom 19. August 2013 abgewiesen (I.) und der revisionswerbenden Partei Verfahrenskosten in der Höhe von 9,35 € vorgeschrieben (II.).

8        In der dagegen erhobenen Berufung führte die revisionswerbende Partei aus, dass Traversen eingebaut worden wären, diese würden aber Vorarbeiten zur Umsetzung der von der Bewilligung vom 7. Juni 2011 gedeckten Niveauänderungen darstellen. Erst die Abbrucharbeiten seien als tatsächlicher Baubeginn hinsichtlich des mit 19. August 2013 bewilligten Vorhabens zu werten, diese seien aber erst mit 10. Februar 2015 anzusetzen.

9        Mit Bescheid vom 8. Oktober 2020 wies die belangte Behörde diese Berufung als unbegründet ab. Begründend führte sie dazu im Wesentlichen aus, dass die Baubewilligung vom 19. August 2013 auch die Errichtung einer Rampe durch das straßenseitige Bestandsgebäude zum Zwecke der Erschließung der gartenseitig angeordneten Tiefgarage beinhalte. Für die Errichtung der Rampe sei ein Teilabbruch von drei tragenden Wänden sowie die Durchführung von statisch-konstruktiven Maßnahmen zur Sicherung des Bestandsgebäudes und Ableitung der darüber befindlichen Vertikallasten erforderlich. Dies ergebe sich aus dem bezughabenden Einreichplan. Demgegenüber würde die Baubewilligung vom 7. Juni 2011 Niveauänderungen auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft, die Absicherung der Nachbarbestandgebäude mittels Stützmauer sowie die Ableitung von Oberflächenwasser mittels Drainageleitung bzw. Sickeranlage beinhalten. Die revisionswerbende Partei habe nach Aufforderung mit Email vom 2. April 2014 eine Stellungnahme einer von ihr beauftragten Ziviltechnik GmbH samt Lichtbildern vorgelegt, die die sach- und fachgerechte Herstellung der Winkelstützmauern und die drei Auswechslungen im Gebäude bestätigen würden. Die drei Auswechslungen im Bereich der abgebrochenen tragenden Wände seien zur Herstellung der Rampe erfolgt. Der faktische Baubeginn habe im Jänner/Februar 2014 stattgefunden, die fünfjährige Fertigstellungsfrist sei spätestens Mitte Februar 2019 abgelaufen, eine bereits abgelaufene Frist könne nicht verlängert werden, wenn die Verlängerung nicht vor deren Ablauf beantragt werde. Die Berufung sei abzuweisen gewesen.

10       Die revisionswerbende Partei erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 9. November 2020 Beschwerde an das LVwG und führte darin aus, dass die Baubehörde II. Instanz lediglich Bauhilfsmaßnahmen dokumentiere. Es gebe mehrere Bauphasen, die Niveauänderungen aus Phase I könnten erst nach Abschluss zu Ende geführt werden. Weiters rügt die revisionswerbende Partei die Verfahrensdauer, die bearbeitenden Bauamtsmitarbeiter hätten zudem unterschiedliche Rechtsansichten vertreten, und verweist auf ihr Vorbringen in der Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 6. März 2020. Die Beschwerde enthält keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

11       Diese Beschwerde wies das LVwG ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Berufung der Revisionswerberin als unzulässig zurückgewiesen werde (1.). Unter einem sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (2.)

12       Das LVwG stellte, soweit für das Revisionsverfahren maßgeblich, fest, dass die Baubewilligung vom 7. Juni 2011 keine Baumaßnahmen im Bestandsgebäude selbst, insbesondere im Bereich der zukünftigen Garageneinfahrt vorgesehen habe. Aus dem mit einer Bezugsklausel versehenen Einreichplan vom 1. Dezember 2012 zur Baubewilligung vom 19. August 2013 ergebe sich das dortige Bauvorhaben. Dazu habe die von der revisionswerbenden Partei beauftragte bauführende Gesellschaft mit Schreiben vom 8. Oktober 2013 den Beginn der Ausführung des mit Bescheid vom 19. August 2013 bewilligten Bauvorhabens angezeigt. Am 18. März 2014 seien im Bestandsgebäude auf dem GSt.Nr. 835/1, EZ 415, KG M., drei (Stütz-)Mauern im Bereich der zukünftigen Garageneinfahrt abgebrochen und an ihrer Stelle drei Abfangungsträger (Überlager) über der zukünftigen Garageneinfahrt angebracht gewesen. Am 26. Juni 2019 habe im Verfahren zur Untersagung der Fortsetzung der Ausführung eine mündliche Verhandlung im Beisein des Bausachverständigen stattgefunden; an diesem Tage seien zu dem am 19. August 2013 bewilligten Bauvorhaben der Bereich des Untergeschosses des Hoftraktes und die Fundamentplatte der Tiefgarage ausgeführt gewesen, das Bauvorhaben sei nicht fertiggestellt gewesen.

13       In der Beweiswürdigung führte das LVwG aus, dass sich aus einem Email der revisionswerbenden Partei vom 2. April 2014 ergebe, dass am 17. März 2014 und am 18. März 2014 zwei Besichtigungen hinsichtlich der Baugrubensicherung/Stahlbeton-Stützmauer im Bereich des Nachbargebäudes an der östlichen Grundstücksgrenze und die Auswechslungen des Bestandsgebäudes über der zukünftigen Garageneinfahrt durch einen von der revisionswerbenden Partei beauftragten Ziviltechniker stattgefunden hätten. Diese Besichtigungen hätten ergeben, dass die drei Auswechslungen im Gebäude gemäß den in der Ausführungsstatik enthaltenen Angaben ausgeführt worden seien. Dieser Stellungnahme des Ziviltechnikers seien auch Lichtbilder angeschlossen gewesen. Aus einer Telefonnotiz eines Mitarbeiters des Stadtbauamtes der Stadtgemeinde M. vom 14. Februar 2014 habe sich auch ergeben, dass der Bauführer bestätigt habe, dass die Abfangungsträger fach- und sachgerecht eingebaut worden seien. Aus alldem ergebe sich, dass spätestens am 18. März 2014 die (Stütz-)Mauern im Bereich der zukünftigen Garageneinfahrt abgebrochen und an ihrer Stelle drei Abfangungsträger (Überlager) errichtet worden seien.

14       In seinen rechtlichen Erwägungen führt das LVwG aus, dass gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 eine Baubewilligung erlösche, wenn die Ausführung nicht binnen zwei Jahren ab der Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 NÖ BO 2014 begonnen oder binnen fünf Jahren ab Beginn fertiggestellt worden sei. Als Baubeginn gelte gemäß § 26 NÖ BO 2014 nur eine auf die Errichtung des jeweiligen Bauwerkes bewilligte gerichtete bautechnische Maßnahme. Die Anzeige des Baubeginns stelle lediglich eine Ordnungsvorschrift dar und habe in diesem Zusammenhang keine Bedeutung.

15       Der Baubeginn sei mit spätestens 18. März 2014 anzunehmen. Die drei Auswechslungen seien in der Stellungnahme des Ziviltechnikers mittels Lichtbildern dokumentiert. Diese zeigten den im Einreichplan vom 1. Dezember 2012 ersichtlichen Abbruch dreier (Stütz-)Mauern und an ihrer Stelle die drei Auswechslungen (Überlager) im Keller bzw. Erdgeschoss des Bestandsgebäudes über der zukünftigen Garageneinfahrt. Diese Baumaßnahmen entsprächen demnach dem mit rechtskräftigem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 19. August 2013 bewilligten Bauvorhaben, das im Einreichplan vom 1. Dezember 2012, dargestellt sei.

16       Ausgehend von einem Baubeginn am 18. März 2014 sei gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 2014 das Recht aus dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. erloschen, da die Ausführung des Bauvorhabens nicht binnen fünf Jahren ab ihrem Beginn fertiggestellt worden sei. Das Bauvorhaben sei am 26. Juni 2019 noch nicht fertiggestellt gewesen und seine Fertigstellung auch nicht angezeigt worden.

17       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Vollendung dann anzunehmen, wenn das Gebäude nach außen abgeschlossen sei und alle bauplanmäßigen konstruktiven Merkmale verwirklicht worden seien. Fehlender Außen- und Innenputz oder fehlender Estrich würden die Annahme, ein Gebäude sei nicht vollendet, nicht zulassen; anders verhielte es sich beim Fehlen von Fenster, Türen und Toren (Hinweis auf VwGH 24.6.2014, 2012/05/0173). Auf den im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren angefertigten Lichtbildern stelle sich das Bauvorhaben als Rohbau dar, es fehlten weiters Fenster, Türen und Tore. Das Bauvorhaben sei nicht als vollendet anzusehen. In der Beschwerde sei zwar der Einbau der Traversen zugestanden worden, die Beschwerde habe dies jedoch als notwendige statische Absicherungsmaßnahmen für die Durchführung der mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde M. vom 7. Juni 2011 bewilligten Niveauänderungen bezeichnet. Jedoch habe das letztgenannte Bauvorhaben keinerlei Baumaßnahmen im Bestandsgebäude selbst, insbesondere im Bereich der zukünftigen Garagenabfahrt vorgesehen, weshalb dieses Vorbringen ins Leere gehe.

18       Gemäß § 24 Abs. 5 NÖ BO 2014 könne eine Fertigstellungsfrist nur dann verlängert werden, wenn der Bauherr dies vor Ablauf der Frist beantrage und das Vorhaben aufgrund des Baufortschritts innerhalb einer angemessenen Nachfrist vollendet werden könne. Die Fertigstellungsfrist habe am 18. März 2019 geendet, der Antrag vom 23. Dezember 2019 sei somit nach Ablauf der Frist gestellt worden und aus diesem Grund zurückzuweisen gewesen. Der Beschwerde sei demzufolge abzuweisen gewesen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe entfallen können, da dies von keiner Partei des Verfahrens beantragt worden sei und der verfahrenseinleitende Antrag der revisionswerbenden Partei zurückzuweisen gewesen sei.

19       Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

20       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

21       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

22       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

23       Die Revision bringt zuallererst zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das LVwG habe zu Unrecht von der Durchführung einer - nicht beantragten - mündlichen Verhandlung abgesehen:

Nun hat die revisionswerbende Partei die von der Behörde getroffenen, entscheidungsrelevanten Tatsachenannahmen in ihrer Beschwerde an das LVwG weder substantiiert bestritten noch hat sie einen neuen maßgeblichen Sachverhalt vorgebracht; die bloße Behauptung eines willkürlichen Baubeginnsdatums, ohne dafür Nachweise welcher Art auch immer anzubieten, kann dabei nicht als substantiiertes Vorbringen angesehen werden. Die revisionswerbende Partei zeigt auch nicht auf und es ist auch nicht zu erkennen, dass eine Verhandlung vor dem LVwG eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG hätte erwarten lassen. Der EGMR vertrat mit Blick auf Art. 6 EMRK die Auffassung, dass eine Verhandlung nicht in jedem Fall geboten sei, und zwar insbesondere dann nicht, wenn - wie hier - keine Fragen der (maßgeblichen) Beweiswürdigung auftreten oder die (maßgeblichen) Tatsachenfeststellungen nicht bestritten werden, sodass das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (vgl. etwa VwGH 11.12.2020, Ra 2018/06/0247, Rn. 20, mwN). Der Revision gelingt es nicht, mit diesem Vorbringen fallbezogen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung darzulegen.

24       Soweit die Revision im Rahmen dieses Zulässigkeitsvorbringens weiters Verfahrensmängel - hier Ermittlungsmängel - geltend macht, ist zu bemerken, dass Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/05/0002, mwN).

Weder legt die Revision dar, dass tragende Grundsätze des Verfahrensrechts auf dem Spiel stünden, noch, dass die durch das Verwaltungsgericht getroffene Beurteilung grob fehlerhaft wäre. Die Revision zeigt nicht ansatzweise auf, welche Ergebnisse bei der Durchführung welcher Ermittlungen zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten.

25       Soweit die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen ausführt, das LVwG sei vom Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2002, 2000/05/0285 abgewichen, so legt sie auch damit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Einerseits verabsäumt sie es, die Vergleichbarkeit der Fälle in der Sache darzustellen, und andererseits stellt sich die im dortigen Fall wesentliche Vorfrage der möglichen Teilbarkeit einer Baubewilligung zur Rechtmäßigkeit eines Abbruchauftrages (dort: eine - großteils fertiggestellte - Einfriedung betreffend) in Bezug auf die Ausführungsfristen vor dem Hintergrund des vorliegenden Falls nicht. Auch wendet sich die Revision nicht gegen die Feststellung des LVwG, wonach das gegenständliche Bauvorhaben zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht fertiggestellt war.

26       Wenn die Revision zur Zulässigkeit weiters vorbringt, das LVwG sei von näher genannter Rechtsprechung zur Befangenheit abgewichen, weil der zuständige Bauamtsleiter sämtliche Bescheide für den Bürgermeister der Stadtgemeinde M. vorbereite und an der Berufungsverhandlung in einem anderen Verfahren am 26. September 2019 als Bausachverständiger teilgenommen habe, so legt sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung auch mit diesem Vorbringen nicht dar:

Jedenfalls übersieht sie mit ihrem Vorbringen nämlich, dass allfällige Verfahrensmängel infolge Mitwirkung - allenfalls - befangener Organwalter im verwaltungsbehördlichen Verfahren durch ein vor dem Verwaltungsgericht frei von Befangenheit geführtes Verfahren saniert werden (vgl. dazu z.B. VwGH 19.1.2021, Ra 2019/05/0213, mwN). In Bezug auf die entscheidende Richterin des LVwG ist der Revision zudem kein Vorbringen, das auf eine Befangenheit schließen ließe, zu entnehmen.

27       Sofern die Revision schließlich fehlende Rechtsprechung zur Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG im Hinblick auf Ausführungsfristen rügt und dazu vorbringt, die Baubewilligung vom 19. August 2013 habe keinen Hinweis auf die Ausführungsfristen des § 24 NÖ BO 2014 enthalten und die belangte Behörde hätte im Rahmen ihrer Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG die revisionswerbende Partei über die Rechtsfolgen der Nichteinhaltung der Ausführungsfristen des § 24 NÖ BO 2014 belehren müssen, so ist sie auf folgende - ständige - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen:

Die Belehrungspflicht gemäß § 13a AVG bezieht sich nur auf anhängige Verfahren und reicht nicht so weit, dass die Partei zur Stellung bestimmter Anträge anzuleiten wäre. Auch besteht keine Pflicht der Behörde zur Belehrung über ordnungsgemäß kundgemachte Normen vor Bescheiderlassung. Die Erörterung über künftige mögliche Rechtsfolgen in einem anhängigen oder in weiteren Verfahren geht weit über die gemäß § 13a AVG gebotene Manuduktion hinaus (vgl. VwGH 8.3.2018, Ra 2018/11/0038, mwN).

28       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021050108.L00

Im RIS seit

02.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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