TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/30 Ro 2020/15/0022

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §9
EStG 1988 §9 Abs1
EStG 1988 §9 Abs1 Z3
EStG 1988 §9 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des H B in G, vertreten durch Michael Haberl, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 8962 Gröbming, Hauptstraße 65, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 4. Juni 2020, Zl. RV/2100025/2019, betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2013, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber war in den Streitjahren 2010 bis 2013 Gesellschafter und Geschäftsführer der X GmbH (Beteiligung 100%, monatlicher Geschäftsführerbezug 4.000 €) und der Y GmbH (Beteiligung 40%, monatlicher Geschäftsführerbezug 10.000 €). Die Einkünfte aus der selbständigen Geschäftsführertätigkeit iSd § 22 Z 2 EStG 1988 ermittelte er gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 durch Betriebsvermögensvergleich. Bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit machte er in den Jahren 2010 bis 2012 u.a. Aufwendungen im Zusammenhang mit der Dotierung einer Rückstellung für Ersatzleistungsverpflichtungen gegenüber der X GmbH in Höhe von insgesamt 290.000 € (2010: 100.000 €; 2011: 75.000 €; 2012: 115.000 €) sowie Zinsen als Betriebsausgaben geltend. Mit Umwandlungsvertrag vom 20. Dezember 2013 wurde die X GmbH gemäß Art. II UmgrStG zum Stichtag 31. März 2013 verschmelzend auf den Revisionswerber (als Alleingesellschafter) umgewandelt.

2        Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens erließ das Finanzamt gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufige Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2010 und 2011, in welchen es die Dotierung der Rückstellung und die Zinsen nicht als Betriebsausgabe berücksichtigte.

3        Der Revisionswerber erhob gegen die vorläufigen Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 Beschwerde und führte zur Begründung u.a. aus, die X GmbH habe sich seit ihrer Gründung im Jahr 2002 mit der Entwicklung und dem Vertrieb von Produkten im Bereich der Solar- und Heizungstechnik befasst. Im Rahmen dieser Tätigkeit habe sie mit der in Deutschland ansässigen Z KG einen Handelsvertretervertrag für Österreich abgeschlossen. Auf Grund der Aktivitäten der X GmbH und des Revisionswerbers habe sich der Absatz von Produkten der Z KG so gut entwickelt, dass die Z KG im Jahr 2009 versucht habe, den Vertrag mit der X GmbH aufzulösen, um durch Gründung einer Vertriebsgesellschaft in Österreich auch an den Geschäftsmöglichkeiten des Vertriebs zu partizipieren. Gleichzeitig habe die Z KG Pflichtverletzungen der X GmbH mit der Absicht behauptet, ihr die im Falle einer Kündigung nach dem Handelsvertretergesetz zustehende Abfertigung (Ausgleichsanspruch) streitig zu machen. Nach langen Verhandlungen habe man sich Ende des Jahres 2009 darauf geeinigt, dass der Revisionswerber Gesellschafter (zu 40%) und Geschäftsführer (mit einem Monatsbezug von 10.000 €) der neu gegründeten Y GmbH werde, die künftig den Vertrieb von Produkten der Z KG übernehmen solle (die anderen Gesellschafter der Y GmbH seien DI TU MP [Gesellschafter der Z KG] und DI FH AA [Partner der Z KG]) gewesen. Teil der Vereinbarung sei weiters gewesen, dass die X GmbH der Auflösung des Handelsvertretervertrages mit der Z KG unter Verzicht auf eine Handelsvertreterabfindung zustimme. Durch den Wegfall der Vertretung sei bei der X GmbH eine Ergebnisverschlechterung zu erwarten gewesen. Zum Ausgleich sei zwischen der X GmbH und dem Revisionswerber die Vereinbarung vom 9. November 2009 geschlossen worden, nach welcher der Revisionswerber bei Verlusten der X GmbH in einem Beobachtungszeitraum von fünf Jahren (2010 bis 2014) eine Entschädigungszahlung bis zu 300.000 € an die X GmbH zu leisten habe.

4        In der Folge wurde beim Revisionswerber eine Außenprüfung durchgeführt, die auch die Einkommensteuer 2010 bis 2013 betraf. Der Prüfer stellte u.a. fest, Ausgangspunkt der Rückstellungsbildung sei ein Handelsvertretervertrag der X GmbH mit der Z KG. Mit Vereinbarung vom 9. November 2009 sei der Vertrag aufgelöst worden, wobei die X GmbH auf alle Abfindungsansprüche verzichtet habe. Gleichzeitig sei der Revisionswerber Gesellschafter und Geschäftsführer der Y GmbH geworden, die den Vertrieb von Produkten der Z KG fortgeführt habe. Am 9. November 2009 sei zwischen der X GmbH und dem Revisionswerber zudem eine Vereinbarung wie folgt getroffen worden:

„1.  Mit Gesellschaftsvertrag vom heutigen Tag haben [...] und [der Revisionswerber] die [Y GmbH] gegründet.

2.   Die neu gegründete [Y GmbH] hat mit der [Z KG] am heutigen Tag einen Liefer- und Provisionsvertrag zum Vertrieb der von [der Z KG] vertriebenen Produkten auf Märkten in [...] über[nommen].

3.   Die [Y GmbH] und [der Revisionswerber] haben einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen, nach dem [der Revisionswerber] für seine Geschäftsführungstätigkeit ein Entgelt von € 10.000,00 monatlich erhält.

4.   Der Handelsvertretervertrag zwischen der [Z KG] und der [X GmbH], mit dem die [X GmbH] seit 1998 die Alleinvertretung der [Z KG] in Österreich übernommen hatte, wurde mit Wirkung von 31.12.2009 einvernehmlich aufgelöst. Die [X GmbH] hat dabei auf sämtliche Abfindungsansprüche gegenüber der [Z KG] verzichtet.

5.   Die vorgenannten Vereinbarungen wurden etwa ein halbes Jahr lang verhandelt, da die [Z KG] beabsichtigte, ihren Vertrieb in Österreich und den Nachbarregionen an eine neu zu gründende Vertriebsgesellschaft zu übertragen, an der Gesellschafter und Partner der [Z KG] beteiligt werden.

6.   Da in der Beendigung des Alleinvertretungsvertrages für Österreich der [X GmbH] mit der [Z KG] und dem Verzicht auf allfällige Abfindungsansprüche unternehmensrechtlich eine verdeckte Einlagenrückgewähr bzw. steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen werden kann, verpflichtet sich [der Revisionswerber] zur Vermeidung dieser Rechtsfolge gegenüber der [X GmbH] zu folgender Ersatzleistung:

Kann der Ertragsausfall der [X GmbH] durch den Wegfall der Vertretung für [Z KG] Produkte nicht durch die bestehenden und neuen Geschäftsfelder kompensiert werden, so wird [der Revisionswerber], soweit sich aus der Saldierung der Jahresergebnisse der [X GmbH] von 2010 - 2014 ein Verlust ergibt, diesen bis zur Höhe von Euro 300.000,00 ersetzen. Die Endabrechnung der Ersatzleistung erfolgt nach Vorliegen des Jahresabschlusses zum 31.12.2014 der [X GmbH].“

5        Der Revisionswerber habe bei der Gewinnermittlung für den Gesellschafter-Geschäftsführer-Betrieb iSd § 22 Z 2 EStG 1988 für die Verpflichtung gegenüber der X GmbH aus der Vereinbarung vom 9. November 2009 eine Rückstellung gebildet und die Dotierung als Betriebsausgabe geltend gemacht. Eine Berücksichtigung als Betriebsausgabe scheitere aber - so der Standpunkt des Prüfers - daran, dass die Beteiligung an der X GmbH nicht im Betriebsvermögen des Revisionswerbers gehalten werden könne. Daher könne auch keine Rückstellung für die zwischen dem Revisionswerber und der X GmbH vereinbarte Verlustabdeckungsverpflichtung gebildet werden.

6        Für als „Zinszahlungen“ bezeichnete Aufwendungen habe der Revisionswerber keine betriebliche Veranlassung nachgewiesen, weshalb der Abzug nicht zulässig sei.

7        Das Finanzamt folgte dem Prüfer und erließ am 22. Juli 2016 den angeführten - sowie weiteren, hier nicht mehr strittigen - Feststellungen entsprechende Beschwerdevorentscheidungen für die Jahre 2010 und 2011. Mit Bescheiden vom gleichen Tag setzte es auch die Einkommensteuer für die Jahre 2012 und 2013 entsprechend den Feststellungen des Prüfers fest.

8        Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 und 2011 an das Bundesfinanzgericht und brachte gegen die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 Beschwerde ein.

9        Nach Ergehen von die Einkommensteuerbescheide 2012 und 2013 betreffenden Beschwerdevorentscheidungen und Anträgen des Revisionswerbers auf Vorlage auch dieser Beschwerde, legte das Finanzamt die Beschwerden dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

10       Im Vorlagebericht verwies das Finanzamt darauf, dass die X GmbH von 2010 bis zum Umwandlungsstichtag 31. März 2013 einen steuerlichen Gesamtverlust von 4.212,78 € erzielt hatte. Schon im Hinblick auf die geringen Verluste sei eine Rückstellung nicht vorzunehmen, auch wenn die Beteiligung an der X GmbH dem Betriebsvermögen des Revisionswerbers als Gesellschafter-Geschäftsführer zugerechnet werde. Im Übrigen sei durch die verschmelzende Umwandlung im Jahr 2013 „Confusio“ zwischen einer allfälligen Verpflichtung des Revisionswerbers und einer korrespondierenden Forderung der X GmbH eingetreten; sollte eine Rückstellung zulässig gewesen sein, hätte sie daher im Jahr 2013 gewinnerhöhend aufgelöst werden müssen.

11       In einem Schreiben des Revisionswerbers an das Bundesfinanzgericht vom 19. November 2019 wird ausgeführt, es komme im gegenständlichen Fall nicht auf den steuerlichen Verlust der X GmbH an, sondern auf den unternehmensrechtlichen Verlust, der im Zeitraum 2010 bis 31. März 2013 ca. 495.000 € betrage. Durch die verschmelzende Umwandlung zum 31. März 2013 sei (in Bezug auf die gebildete Rückstellung) Confusio eingetreten, die „2013 gewinnerhöhend berücksichtigt wurde.“

12       In der mündlichen Verhandlung brachte der steuerliche Vertreter des Revisionswerbers vor, das negative unternehmensrechtliche Ergebnis der X GmbH habe sich im Wesentlichen aus einer Firmenwert-bzw. Unternehmenswertabschreibung ergeben. Zur Betriebsvermögenseigenschaft der GmbH-Beteiligungen führte er aus, dass diese zur Erhaltung der Geschäftsführerbezüge notwendig seien.

13       Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht den Beschwerden - soweit sie die Berücksichtigung der Rückstellungsdotierungen und der Zinsen als Betriebsausgabe betrafen - keine Folge.

14       1. Dotierung Rückstellung

Der Revisionswerber habe in den Streitjahren Rückstellungen für Verlustabdeckungen gegenüber der X GmbH in Höhe von 100.000 € (2010), 75.000 € (2011) und 115.000 € (2012) gebildet, während die X GmbH in diesem Zeitraum einen (steuerlichen) Gesamtverlust von 4.212,78 € erzielt habe. In der mündlichen Verhandlung habe der Revisionswerber dazu vorgebracht, die Vereinbarung mit der X GmbH habe sich nicht auf den steuerlichen, sondern auf den unternehmensrechtlichen Verlust von rund 500.000 € bezogen. Die Verlustabdeckungsklausel wäre daher jedenfalls schlagend geworden.

15       Laut der vertraglichen Vereinbarung vom 9. November 2009 habe sich der Revisionswerber explizit deshalb zur Ersatzleistung verpflichtet, um eine verdeckte Ausschüttung der X GmbH an ihn zu vermeiden.

16       Verdeckte Ausschüttungen seien Vorteile, die eine Gesellschaft ihren Gesellschaftern aus ihrem Vermögen in einer nicht als Gewinnausschüttung erkennbaren Form unter welcher Bezeichnung auch immer gewähre, die sie anderen Personen, die nicht ihre Gesellschafter seien, nicht oder nicht unter den gleichen günstigen Bedingungen zugestehen würde (Hinweis auf VwGH 22.5.2014, 2011/15/0003).

17       Die X GmbH habe dem Revisionswerber im Jahr 2009 einen Vorteil eingeräumt. Sie habe auf Ansprüche aus dem Handelsvertretervertrag gegenüber der Z KG verzichtet und dem Revisionswerber dadurch eine Beteiligung an der neu gegründeten Y GmbH ermöglicht. Dieser Vorgang stelle grundsätzlich eine verdeckte Ausschüttung dar, weil der dem Revisionswerber zugewendete Vorteil nicht in Form einer Gewinnausschüttung gewährt, sondern zunächst verborgen geblieben sei.

18       Ein steuerlich anzuerkennender Vorteilsausgleich schließe die Annahme einer verdeckten Ausschüttung aus. Von einem solchen sei auszugehen, wenn dem Vorteil, den eine Körperschaft ihrem Anteilsinhaber einräume, ein Vorteil gegenüberstehe, den der Anteilsinhaber seinerseits der Körperschaft gewähre (Hinweis auf Renner/Strimitzer/Vock, KStG 1988, 25. Lfg, § 8 Tz 185). Voraussetzung für einen steuerlich anzuerkennenden Vorteilsausgleich sei eine eindeutige Vereinbarung über den Ausgleich der gegenseitigen Vorteilszuwendungen (Hinweis auf VwGH 16.12.2010, 2007/15/0013).

19       Im Revisionsfall sehe die ausdrückliche Textierung der Vereinbarung vom 9. November 2009 den Ausgleich der gegenseitigen Vorteilszuwendungen vor. Der durch den unbedingten Verzicht auf Rechte seitens der X GmbH beim Revisionswerber entstandene Vorteil, sich als natürliche Person an der neu gegründeten Y GmbH beteiligen zu können, sei von den Parteien mit maximal 300.000 € beziffert worden. Der Revisionswerber habe diesen ihm zugekommenen Vorteil durch eine Kompensationszahlung von maximal 300.000 € oder durch eigene Arbeitsleistungen (Eröffnung neuer Geschäftsfelder für die X GmbH) auszugleichen gehabt. Nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien sei es zu keiner steuerwirksamen Ausschüttung der X GmbH an den Revisionswerber und zu keiner steuerwirksamen Zahlungsverpflichtung des Revisionswerbers an die X GmbH gekommen. Ohne eine steuerwirksame Zahlungsverpflichtung könne aber keine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden. Daher sei auch unerheblich, ob der steuerliche oder der unternehmensrechtliche Verlust Grundlage für die Bildung der Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten gemäß § 9 Abs. 4 EStG 1988 sei.

20       2. Beteiligung als Betriebsvermögen:

Der Revisionswerber habe in den Streitjahren 2010 bis 2012 sein Ergebnis aus der Geschäftsführertätigkeit gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1988 ermittelt und könne daher nur notwendiges Betriebsvermögen in der Bilanz ausweisen.

21       Zum notwendigen Betriebsvermögen gehörten alle Wirtschaftsgüter, die objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb bestimmt seien und ihm auch tatsächliche dienten (Hinweis auf VwGH 24.6.2004, 2001/15/0002). Für Geschäftsführertätigkeitsbetriebe würden keine besonderen Grundsätze gelten. Eine Beteiligung gehöre zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie den Betriebszweck fördere. Die wesentliche Beteiligung eines Gesellschafters und Geschäftsführers erfülle, wenn die Geschäftsführervergütung fremdüblich sei, dieses Erfordernis nicht (Hinweis auf VwGH 25.10.1994, 94/14/0071).

22       Der Revisionswerber vertrete die Auffassung, durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juli 2017, Ra 2016/13/0020, sei es zu einer Änderung der Rechtsprechung dahingehend gekommen, dass die GmbH-Beteiligungen generell notwendiges Betriebsvermögen des Geschäftsführerbetriebes des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH darstellten. Dem sei zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis nur klarstelle, dass eine Beteiligung, die erworben werde, um ein Geschäftsführergehalt zu erzielen, ein dem Betrieb dienendes Wirtschaftsgut darstellen könne. Ob dies zutreffe, hänge jeweils von den konkreten Umständen ab. Die X GmbH sei 2002 unter Einbringung des ursprünglich in Form einer KEG (vom Revisionswerber und seiner Ehefrau) geführten Betriebes gegründet worden, um den weiterbestehenden Betrieb in anderer Rechtsform weiterzuführen. Daher zähle die Beteiligung an der X GmbH nicht zum Betriebsvermögen des Gesellschafter-Geschäftsführer-Betriebes des Revisionswerbers; diese Feststellung habe aber keine Auswirkung auf die Höhe der Steuerlast.

23       Die Beteiligung an der Y GmbH sei eingegangen worden, um weiter am Vertrieb von Produkten der Z KG zu verdienen. Der Revisionswerber sei mit 40% am Stammkapital der Y GmbH beteiligt und habe als Argument dafür, dass die Beteiligung im Gesellschafter-Geschäftsführer-Betrieb betriebsnotwendig sei, ins Treffen geführt, er und sein deutscher Vertreterkollege hätten die Stimmenmehrheit inne und daher ein gemeinsames Interesse daran, die Vertretung der Produkte selbst als Geschäftsführer vorzunehmen. Ein formeller Stimmrechtsbindungsvertrag bestehe jedoch nicht. Für die Betriebsvermögenseigenschaft komme es auf die eindeutige und unmittelbare Verknüpfung von zukünftigen Einnahmen und der Gesellschafterstellung an. Diese Verknüpfung sei im Revisionsfall nicht gegeben: Mangels Stimmrechtsbindungsvertrag könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber aufgrund seiner Gesellschafterstellung zum Geschäftsführer bestellt werde. Genauso wie der Revisionswerber und ein Gesellschafter die Bestellung zum Geschäftsführer beschließen könnten, könnten sich die beiden anderen Gesellschafter darauf verständigen, den Revisionswerber als Geschäftsführer abzusetzen. Auch die Beteiligung an der Y GmbH sei daher kein notwendiges Betriebsvermögen des von § 22 Z 2 EStG 1988 umschriebenen Betriebes. Daraus ergebe sich, dass die Zinsen, die im Zusammenhang mit der Finanzierung der Stammeinlage in der Y GmbH stünden, nicht im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit abziehbar seien.

24       Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil die Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen eine Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen darstelle, durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet werde.

25       Die gegen dieses Erkenntnis gerichtete ordentlichen Revision führt ergänzend aus, die Revision sei auch deswegen zulässig, weil das Bundesfinanzgericht festgestellt habe, dass Aufwendungen aus einer Vereinbarung des Revisionswerbers mit der X GmbH als steuerlich anzuerkennender Vorteilsausgleich anzusehen seien, weshalb eine Rückstellung für Verpflichtungen aus dieser Vereinbarung nicht steuerwirksam gebildet werden könne.

26       Das Finanzamt hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

27       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig und begründet.

28       Gemäß § 9 Abs. 1 Z 3 EStG 1988 in der für den Revisionsfall maßgeblichen Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 71/2003, können Rückstellungen für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten gebildet werden.

29       Voraussetzung einer steuerrechtlich anzuerkennenden Rückstellung ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass ein die Vergangenheit betreffender Aufwand bestimmter Art, dessen wirtschaftliche Veranlassung im Abschlussjahr gelegen ist, ernsthaft droht (vgl. z.B. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/15/0085; 20.12.2016, Ro 2014/15/0012; und 25.4.2013, 2010/15/0157, jeweils mit weiteren Nachweisen; ebenso Mayr, Rückstellungen, 165 ff; Mühlehner in Hofstätter/Reichel, 58. Lfg, § 9 EStG 1988 Tz 44).

30       Im November 2009 wurde ein zwischen der Z KG und der X GmbH abgeschlossener Handelsvertretervertrag gekündigt, wobei die X GmbH auf alle Abfindungsansprüche aus diesem Vertrag verzichtet hat. Dies war die Grundlage dafür, dass sich der Revisionswerber an der neu gegründeten Y GmbH, die den Betrieb von Produkten der Z KG fortgeführt hat, beteiligen durfte und er auch zu deren Geschäftsführer bestellt wurde. In der Vereinbarung zwischen dem Revisionswerber und der X GmbH ist festgehalten, in der Beendigung des Handelsvertretervertrages könnte in Zusammenhang mit dem Verzicht der X GmbH auf allfällige Abfindungsansprüche eine verdeckte Einlagenrückgewähr bzw. eine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen werden, weshalb sich der Revisionswerber dazu verpflichte, der X GmbH den Ertragsausfall, der durch den Wegfall der Handelsvertretung eintreten könnte, bis zu einer Höhe von 300.000 € zu ersetzen, wobei die Endabrechnung der Ersatzleistung nach Vorliegen des Jahresabschlusses der X GmbH zum 31. Dezember 2014 erfolgen solle.

31       Der Revisionswerber hat unter Bezugnahme auf die mit der X GmbH getroffene Vereinbarung in den Jahren 2010, 2011 und 2012 eine Rückstellung für die Ersatzleistung dotiert. Strittig ist, ob die Dotierung der Rückstellung als Betriebsausgabe abziehbar ist.

32       Das Bundesfinanzgericht berücksichtigte keine Betriebsausgabe aus der Dotierung der Rückstellung und begründete dies damit, dass die allfällige Ersatzleistung des Revisionswerbers an die X GmbH eine Kompensation des Handelsvertretervertrages und des Verzichts der X GmbH auf allfällige Abfindungsansprüche sei.

33       Was den vom Bundesfinanzgericht angenommenen Vorteilsausgleich anlangt, lässt das angefochtene Erkenntnis nachvollziehbare Feststellungen zur Frage vermissen, worin der dem Revisionswerber konkret zugeflossene Vorteil gelegen ist. Einerseits könnte in wirtschaftlicher Betrachtung angenommen werden, dass die X GmbH den - im Übrigen von der Z KG nicht außer Streit gestellten - Anspruch nach dem Handelsvertretergesetz dem Revisionswerber abgetreten hat, damit dieser den Anspruch in den Verhandlungen mit der Z KG einsetzen kann. Andererseits könnte Gegenstand der Übertragung der von der X GmbH (mit Hilfe des Revisionswerbers) geschaffene Kundenstock sein. In beiden Fällen wäre ein Wirtschaftsgut von der X GmbH an den Revisionswerber übertragen worden und würde die allfällige Gegenleistung des Revisionswerbers zu den Anschaffungskosten dieses Wirtschaftsgutes zählen. Für aktivierungspflichtige Aufwendungen kann aber eine Verbindlichkeitsrückstellung nicht gebildet werden (vgl. Doralt et al, EStG22, § 9 Tz 50).

34       Das Bundesfinanzgericht hat somit Verfahrensvorschriften verletzt, indem es unterlässt darzulegen, worin es den dem Revisionswerber zugegangenen Vorteil erblickt.

35       Zu den Voraussetzungen für die Anerkennung einer Rückstellung zählt im Übrigen die überwiegende Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme (vgl. Doralt et al, EStG22, § 9 Tz 52). Mit der Frage nach der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme (nach den Verhältnissen der jeweiligen Bilanzstichtage unter Berücksichtigung der besseren Einsicht bei der jeweiligen Bilanzerstellung) haben sich weder das Finanzamt noch das Bundesfinanzgericht auseinandergesetzt, obwohl der Revisionswerber beim Abschluss der in Rede stehenden Vereinbarung Alleingesellschafter der X GmbH war und diese im Jahr 2013 auf den Revisionswerber umgewandelt worden ist (§ 2 UmwG). Tatsächlich wurde der Revisionswerber sohin nicht in Anspruch genommen. Überdies sollte der Vereinbarung zufolge die Berechnung, ob überhaupt eine Zahlungsverpflichtung des Revisionswerbers entsteht, erst nach Vorliegen des Jahresabschlusses der X GmbH zum 31. Dezember 2014 (und auf Basis dieses Jahresabschlusses) erfolgen; zum 31. Dezember 2014 hat die X GmbH aber wegen der bereits zuvor erfolgten Umwandlung gar nicht mehr existiert.

36       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben war. Auf die Frage, ob die GmbH-Beteiligungen im gegenständlichen Fall zum Betriebsvermögen des Revisionswerbers zählten, brauchte somit nicht eingegangen zu werden, zumal die Zinsen für die Anschaffung von GmbH-Beteiligungen ohnedies gemäß § 20 Abs. 2 EStG 1988 nicht abzugsfähig sind.

37       Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

38       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. März 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150022.J00

Im RIS seit

29.04.2022

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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