TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/31 LVwG-2022/49/0345-6

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Veröffentlicht am 31.03.2022
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Entscheidungsdatum

31.03.2022

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
39/06 Rechtshilfe Amtshilfe

Norm

ZustG §7
ZustG §11
RechtshilfeAbk Deutschland 1990 Verwaltungssachen Art10 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Außerlechner über die Beschwerde von AA, Adresse 1, ***** Z, Deutschland, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.01.2022, Zl ***, betreffend die Zurückweisung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2020, Zl ***, als verspätet in einer Angelegenheit nach dem Bundesstraßenmautgesetz

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe, dass der Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2020, Zl ***, mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.01.2022, Zl ***, als unzulässig zurückgewiesen wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrenslauf:

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2020, Zl ***, wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe am 06.06.2020 um 13:05 Uhr den PKW, mit dem amtlichen Kennzeichen ***, in der Gemeinde V, in Richtung Staatsgrenze W auf der A** bei km 71,500 auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Bei der am Fahrzeug angebrachten Klebevignette sei die Trägerfolie nicht vollständig entfernt gewesen (das X sei sichtbar gewesen), weshalb die angebrachte Vignette ungültig gewesen sei.

Dadurch habe sie gegen § 20 Abs 1 iVm §§ 10 Abs 1 und 11 Abs 1 BStMG verstoßen und sei gemäß § 20 Abs 1 BStMG zu einer Geldstrafe in Höhe von € 300,00 bzw zu einer Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe von 33 Stunden zu bestrafen.

Als Zustelladresse wurde von der Bezirkshauptmannschaft Y „Adresse 2, ***** U, Deutschland,“ verfügt.

Die Strafverfügung wurde als eingeschriebener Brief mit der besonderen Versendungsform „Rückschein“ am 07.10.2020 versendet. Am 10.11.2020 langte das Schriftstück ungeöffnet und mit dem Vermerk „Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht zu ermitteln“ wieder bei der Bezirkshauptmannschaft Y ein.

Eine daraufhin durchgeführte Wohnsitzerhebung ergab, dass die Beschwerdeführerin seit 02.07.2020 an der Adresse 1, ***** Z, Deutschland, gemeldet ist.

Die Bezirkshauptmannschaft Y versendete die Strafverfügung erneut als eingeschriebenen Brief mit der besonderen Versendungsform „Rückschein“ am 07.12.2020 an die Adresse 1, ***** Z, Deutschland.

Am 28.12.2020 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Y der Rückschein mit dem Vermerk ein, dass die Sendung ordnungsgemäß ausgefolgt worden sei.

Mit Mahnschreiben der Bezirkshauptmannschaft Y vom 29.04.2021, Zl ***, wurde die Beschwerdeführerin aufgefordert, den Strafbetrag einzuzahlen.

Nachdem keine Zahlung erfolgte, veranlasste die Bezirkshauptmannschaft Y mit Schreiben vom 10.11.2021, Zl ***, die Eintreibung der offenen Geldforderung bei der Kreisverwaltung Rhein-Pfalz in 67072 Ludwigshafen, Deutschland. Mit E-Mail vom 17.11.2021 wurde mitgeteilt, dass das Ersuchen vom 10.11.2021 zuständigkeitshalber an die Stadtverwaltung Z weitergeleitet wurde.

Am 11.12.2021 langten bei der Bezirkshauptmannschaft Y mittels E-Mail der Beschwerdeführerin diverse Fotos, die geklebte Vignetten auf einer Windschutzscheibe zeigten, ein. Zudem wurde mit E-Mail vom 13.12.2021 noch die dazugehörige Geschäftszahl („***“) nachgereicht.

Mit E-Mail vom 23.12.2021 wurde die Beschwerdeführerin seitens der Bezirkshauptmannschaft Y hingewiesen, dass den E-Maileingaben vom 11.12.2021 und 13.12.2021 kein Anliegen entnommen werden könne. Sollte binnen zwei Wochen kein Anliegen übermittelt werden, werde das Verfahren fortgeführt. Im E-Mail wurde als Anlage die Strafverfügung vom 03.09.2020 und der Rückschein mitübermittelt und noch darauf hingewiesen, dass aus der Rechtsmittelbelehrung der übermittelten Strafverfügung vom 03.09.2020 entnommen werden kann, binnen 14 Tagen ab Erhalt des Schreibens vom Rechtsmittel des Einspruchs Gebrauch machen zu können. Ein Einspruch sei bis zum heutigen Tage trotz nachweislicher Zustellung (siehe beiliegende Strafverfügung samt Zustellnachweis) nicht eingelangt.

Am 01.01.2022 langte per E-Mail von der Beschwerdeführerin nachstehende Stellungnahme ein:

„Sehr geehrte Frau BB!

Ich habe Ihre Briefe erhalten, in denen Sie die Zahlung einer unverständlichen Geldstrafe wegen eines unvollkommenen Vergehens verlangt haben. In Ihren Briefen ist die Nummer des Fahrzeugs, das die Straftrat angeblich begangen hat, nicht angegeben. Diese Nummer tauchte nur auf der deutschen Zahlungsaufforderung auf! Ich habe sofort reagiert!

Mit freundlichen Grüßen

AA“

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 17.01.2022, Zl ***, wurde der von der Beschwerdeführerin mit E-Mail am 01.01.2022 eingebrachte Einspruch gegen die Strafverfügung vom 03.09.2020, Zl ***, gemäß § 49 Abs 1 iVm Abs 3 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Strafverfügung im Dezember 2020 zugestellt worden sei und der dagegen am 01.01.2022 eingebrachte Einspruch verspätet sei.

Mit E-Mail vom 01.02.2022 erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde und führte darin wie folgt aus:

„Hallo, sehr geehrte Damen und Herren.

Zu Ihrem Schreiben, bzw Bescheid vom 17.01.2022:

Ich bin in Vollem damit nicht einverstanden.

1. weil wenn wir das Schreiben von unsere Behörde in T bekommen haben, haben wir sofort reagiert, von Ordnungsamt so gar haben wir erst Ihre Kontaktdaten bekommen, Telefonnummer und email Adresse. Wir haben vorher kein Post von Y bekommen. Im Sommer 2020 sind wir von Adresse 2, ***** U nach Adresse 1, ***** Z umgezogen, eventuell daran liegt, dass ich keine Post von Ihnen bekommen habe. Falls Sie Zustellungsnachweise haben, liegen Sie bitte mir die unbedingt vor.

2. Unabhängig von Punkt 1. Sie haben jetzt Nachweis, dass ich alle Gebühren (Vigneta) ordentlich bezahlt habe. Es gabts kein Rechtsverstoß tatsächlich und alle Ihre Anforderungen darf man als anspruchslos definieren. Außerdem, was mir mein Rechtsanwalt gesagt hat, Sie dürfen keine Forderungen ohne das Nachzuweisen können zum Fördernkompanie weiterleiten. Sie sollten alle Nachweise vorliegen, wie Fotos, Videos usw.

Ich bitte Sie höflich alle Ihre Forderungen zurückzuholen. Aufgrund, dass ich alles ordentlich, wie endlich immer bezahlt habe und mit bitte Bestätigung senden. Sollte ich weitere Schreiben von unseren Verkehrsordnung bekommen, gebe ich alle Unterlagen an Rechtsanwalt weiter und werde auch Schmerzgeld geltend mache. Ich bin Zahnärztin von Beruf und meine Zeit kostest Geld und natürlich Stress, was ich von Ihnen habe, beeinflusst auch meine schlechte Launa, das merken die Patienten und kann ich nicht so gut arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen, AA“

Mit Schriftsatz vom 03.02.2022, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft Y dem Landesverwaltungsgericht Tirol den Akt zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

Mit E-Mail des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24.02.2022 wurde der Beschwerdeführerin eingangs der bisherige Verfahrenslauf dargelegt und ergänzend mitgeteilt, dass laut dem in der Anlage mitübermitteltem Zustellnachweis die Strafverfügung ordnungsgemäß ausgefolgt worden sei. Die Abfrage bei der CC zur Sendungsnummer *** (siehe Anlagen nachstehend) habe ergeben, dass die Strafverfügung am 15.12.2020 übernommen worden sei. Die zweiwöchige Einspruchsfrist habe demnach am 15.12.2020 zu laufen begonnen und habe am 29.12.2020 geendet. Der von Ihnen am 01.01.2022 per E-Mail eingebrachte Einspruch wäre demnach zu spät eingebracht. Abschließend wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Erhalt dieses E-Mails dazu Stellung zu nehmen.

Anlagen

[Bilder im Original als pdf ersichtlich]

Am 28.02.2022 nahm die Beschwerdeführerin per E-Mail dazu Stellung und führte aus wie folgt:

„Widerspruch

hiermit widerspreche ich ihr Bescheid.

Ich habe nichts bekommen und den Unterschrift gehört auf keinen Fall mir oder jemandem aus meiner Familie.

Als Anlage sende ich die Originale Unterschrift von mir.

Ich habe sofort reagiert, als erst mal Schreiben von meiner Behörde bekommen, wir hatten kein Post von Y.

Bitte holen Sie alle Ihre Forderungen zurück, gegen falls soll ich alles meinem Rechtsanwalt weitergeben.

Als Anlage Musterunterschrift auf Postkarte und meine Unterschrift.

Mit freundlichen Grüßen, AA

[Bild im Original als pdf ersichtlich]

Ein nochmaliges Anschreiben der Beschwerdeführerin durch das Landesverwaltungsgericht Tirol mit E-Mail vom 02.03.2022 blieb unbeantwortet.

II.      Sachverhalt:

Die Strafverfügung vom 03.09.2020 wurde vom Zustelldienst am 15.12.2020 an der Abgabestelle nicht an die Beschwerdeführerin persönlich, sondern an einen „anderen Empfangsberechtigten“ übergeben. Die Strafverfügung wurde zwar in der besonderen Versendungsform „Rückschein“, nicht jedoch in der besonderen Versendungsform „Eigenhändig“ versandt.

Die Beschwerdeführerin hat von der Strafverfügung erst im November 2021 im Rahmen des Verfahrens zur Eintreibung der ausstehenden Geldforderung durch die Stadtverwaltung Z erfahren. Die Bezirkshauptmannschaft Y hat der Beschwerdeführerin zwar mit E-Mail vom 23.12.2021 die Strafverfügung in der Anlage nochmals übermittelt, ein tatsächliches Zukommen der Strafverfügung im Original vor diesem Zeitpunkt als auch eine damit einhergehende Übernahme der Strafverfügung von einem Familienangehörigen und einer anschließenden Übergabe an sie, wurde von der Beschwerdeführerin verneint. Gegenteiliges kann auch nach den durchgeführten Erhebungen seitens des Landesverwaltungsgerichts Tirol nicht festgestellt werden.

III.     Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aufgrund der Einsichtnahme in den behördlichen Strafakt und verwaltungsgerichtlichen Akt sowie dem Beschwerdevorbringen und der weiteren Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 28.02.2022. Insbesondere ergibt sich aus dem Zustellnachweis vom 07.12.2020, dass die Strafverfügung nicht mit dem Vermerk „Eigenhändig“ versandt wurde. Ebenso ergibt sich aus der Abfrage bei der CC zur Sendungsnummer ***, dass die Strafverfügung einem anderen Empfangsberechtigten übergeben wurde.

IV.      Rechtslage:

Zustellgesetz (ZustG), BGBl Nr 200/1982 idF BGBl I Nr 42/2020:

„Heilung von Zustellmängeln

§ 7

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

(…)

Besondere Fälle der Zustellung

§ 11

(1) Zustellungen im Ausland sind nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen.

(…)“

Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990:

„Artikel 10

(1) Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 werden unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden. Kann eine Zustellung nicht unmittelbar durch die Post bewirkt werden oder ist dies nach Art und Inhalt des Schriftstücks nicht zweckmäßig, ist die zuständige Stelle im anderen Vertragsstaat um Vermittlung der Zustellung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Die Vertragsstaaten teilen einander diese Stellen mit.

(…)“

V.       Erwägungen:

Voraussetzung zur Erhebung eines Einspruchs gegen eine Strafverfügung ist, dass ein Bescheid, zu dem auch eine Strafverfügung zählt (vgl VwGH 14.11.2012, 2012/08/0007), erlassen wurde. Im Falle der schriftlichen Erlassung eines Bescheides ist eine Ausfertigung dieses Bescheides den Parteien zuzustellen. Zustellungen sind gemäß § 21 AVG iVm § 24 VStG nach dem Zustellgesetz vorzunehmen.

Gemäß § 11 Abs 1 ZustG sind Zustellungen im Ausland nach den bestehenden internationalen Vereinbarungen oder allenfalls auf dem Weg, den die Gesetze oder sonstigen Rechtsvorschriften des Staates, in dem zugestellt werden soll, oder die internationale Übung zulassen, erforderlichenfalls unter Mitwirkung der österreichischen Vertretungsbehörden, vorzunehmen. Dementsprechend war zu überprüfen, ob die Strafverfügung vom 03.09.2020 unter Beachtung des § 11 Abs 1 ZustG ordnungsgemäß zugestellt wurde, weil nur in diesem Fall von der Erlassung eines Bescheides gesprochen werden könnte (vgl VwGH 19.03.2003, Zl 2001/03/0045).

Im vorliegenden Fall ist der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen, BGBl Nr 526/1990, zu berücksichtigen.

Nach Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages werden Schriftstücke in Verfahren nach Artikel 1 Absatz 1 (somit im hier vorliegenden österreichischen Verwaltungsstrafverfahren) unmittelbar durch die Post nach den für den Postverkehr zwischen den Vertragsstaaten geltenden Vorschriften übermittelt. Wird ein Zustellnachweis benötigt, ist das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ zu versenden.

Im Beschwerdefall wurde die dem angefochtenen Bescheid vorausgegangene Strafverfügung vom 03.09.2020 vom Zustelldienst am 15.12.2020 an der Abgabestelle nicht an die Beschwerdeführerin persönlich, sondern an einen „anderen Empfangsberechtigten“ übergeben. Es hätte aber nach der zuvor zitierten Bestimmung des Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages vorgegangen werden müssen und das Schriftstück als eingeschriebener Brief mit den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ versendet werden müssen, was jedoch hinsichtlich des Vermerkes „Eigenhändig“ nachweislich unterlassen wurde. Eine Ersatzzustellung war in diesem Fall grundsätzlich nicht zulässig (VwGH 28.06.2016, Ra 2016/17/0067).

Für die Frage der Heilung von Mängeln einer im Ausland erfolgten Zustellung ist grundsätzlich § 7 ZustG maßgeblich, es sei denn, aus einem internationalen Abkommen ergäbe sich ausdrücklich oder von seiner Zwecksetzung her Gegenteiliges. Das hier maßgebliche Rechtshilfeabkommen zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland in Verwaltungssachen sieht nichts Gegenteiliges vor (VwGH 28.06.2016, Ra 2016/17/0067).

Die Nichteinhaltung von Zustellvorschriften ist grundsätzlich dann unschädlich, wenn der Zweck der Zustellung trotz aufgetretener Zustellmängel, mögen sie auch in einer Verletzung des Gesetzes begründet sein, auf welchem Weg auch immer, erreicht worden ist. In diesem Sinne ist auch eine formfehlerhafte Zustellung – wie hier die fehlerhafte Nichtanordnung der eigenhändigen Zustellung – grundsätzlich einer Heilung zugänglich (VwGH 28.06.2016, Ra 2016/17/0067).

Der Abfrage bei der CC zur Sendungsnummer *** zu Folge wurde die Strafverfügung am 15.12.2020 offensichtlich von einem Ersatzempfänger übernommen, ein tatsächliches Zukommen der Strafverfügung im Original in weiterer Folge konnte entsprechend dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht nachgewiesen werden. Vielmehr wird von der Beschwerdeführerin ausgeführt, dass sie wohl aufgrund ihres Umzuges im Sommer 2020 niemals von der Bezirkshauptmannschaft Y Post bekommen habe und erst durch das Mahnschreiben im November 2021 davon Kenntnis erlangte. Zudem wird von der Beschwerdeführerin durch Übermittlung ihrer Unterschrift im Rahmen der Stellungnahme vom 28.02.2022 aufgezeigt, dass die auf der Sendungsnummernabfrage enthaltene Unterschrift nicht die ihre ist und auch nicht von einem ihrer Familienangehörigen stammt. Es ist daher im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Strafverfügung vom 03.09.2020 der Beschwerdeführerin im Original bis dato noch nicht rechtswirksam zugestellt worden ist. Eine Heilung des Zustellmangels der fehlerhaften Nichtanordnung der eigenhändigen Zustellung kann aufgrund der Aktenlage und der durchgeführten Erhebungen nicht festgestellt werden.

Auch die mit E-Mail vom 23.12.2021 nochmals übermittelte Strafverfügung stellt auf Grundlage des Rechtshilfevertrages keine zulässige Zustellungsform dar, welche eine (verspätete) Zustellung der Strafverfügung bewirken hätte können. Zustellungen können nach Art 10 Abs 1 des Rechtshilfevertrages nur durch die Post, im Fall der Notwendigkeit eines Zustellnachweise mittels eingeschriebenen Briefes in den besonderen Versendungsformen „Eigenhändig“ und „Rückschein“ vorgenommen werden. Kann eine Zustellung auf diese Weise nicht bewirkt werden, ist die zuständige Stelle in Deutschland um Vermittlung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen. Diese übernimmt dann die Zustellung nach deutschen Regeln (vgl VwGH 29.04.2011, 2010/02/0137).

Andere Zustellformen – mittels E-Mail – kennt der Rechtshilfevertrag nicht und legt dieser ausdrücklich fest, dass im Falle des Scheiterns der ersten Variante durch Zustellung durch die Post zwingend die zuständige Stelle in Deutschland um Vermittlung im Wege der Amts- und Rechtshilfe zu ersuchen ist. Dass die Vertragsparteien andere Varianten der Zustellung nicht in Betracht ziehen wollten, ergibt sich aus seinem Wortlaut und schon aus dem Umstand, dass die Parteien bislang keine Anpassung des Vertrages an modernere Übermittlungsformen (Fax, E-Mail, etc) vorgenommen haben. Insbesondere haben es die Vertragsparteien schon bei Vertragsunterzeichnung unterlassen, die Fax- oder Telefaxübermittlung vorzusehen, obwohl diese zum damaligen Zeitpunkt bereits längst verfügbar waren. Es ist insofern evident, dass der Gesetzgeber, wenn er schon keine Faxübermittlung vorsehen wollte, schon gar keine mittels E-Mail im Blick haben konnte, sodass es im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl VwGH 20.01.2015 Ro 2014/09/0059 und 16.05.2011, 2009/17/0185) der Zielsetzung des Vertrages widerspräche, würde man davon ausgehen, dass durch E-Mail-Übermittlung eine Heilung gemäß § 7 ZustG eintreten kann (vgl LVwG Oberösterreich 14.01.2016, LVwG-601169/2/FP).

Im Ergebnis liegt damit noch keine rechtswirksame Zustellung der Strafverfügung vom 03.09.2020 an die Beschwerdeführerin vor.

Da die Strafverfügung bislang mangels ordnungsgemäßer Zustellung nicht erlassen wurde, konnte dagegen auch kein Einspruch erhoben werden. Der Einspruch wäre demnach mit dem angefochtenen Bescheid nicht als verspätet eingebracht zurückzuweisen, sondern als unzulässig zurückzuweisen gewesen.

Die vorliegende Beschwerde war daher unbegründet abzuweisen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Einspruch gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Y vom 03.09.2020, Zl ***, als unzulässig zurückgewiesen wird.

Angemerkt wird, dass die Strafverfügung vom 03.09.2020, Zl ***, trotz noch nicht rechtswirksam erfolgter Zustellung an die Beschwerdeführerin, eine taugliche Verfolgungshandlung innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist darstellt. Die Verfolgungshandlung muss die Sphäre der Behörde verlassen und nach außen in Erscheinung treten. Der VwGH erachtet die Übergabe eines Schriftstücks an die Post als ausreichend (VwSlg 14.626 A/1997); selbst dann, wenn die Zustellung letztlich nicht wirksam oder erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist erfolgt ist. Zur Wahrung der Verfolgungsverjährungsfrist ist das Verlassen der behördlichen Sphäre maßgeblich (zB VwGH 26.06.1989, 88/12/0172; 29.04.2011, 2008/09/0286).

Insgesamt war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte aufgrund § 44 Abs 2 und 4 VwGVG abgesehen werden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Außerlechner

(Richter)

Schlagworte

rechtswirksame Zustellung
Zurückweisungsbescheid

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.49.0345.6

Zuletzt aktualisiert am

20.04.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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