TE Vfgh Beschluss 1994/6/23 G242/93

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Veröffentlicht am 23.06.1994
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §57 Abs1 zweiter Satz
VfGG §62 Abs1 zweiter Satz

Leitsatz

Zurückweisung von Normenprüfungsanträgen mangels Darlegung der Bedenken im einzelnen

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der unabhängige Verwaltungssenat Wien (im folgenden: UVS) stellt durch ein Einzelmitglied den Antrag, gemäß Art140 B-VG §35 Abs1, 2 und 4 des Wiener Veranstaltungsstättengesetzes, LGBl. für Wien 4/1978, als verfassungswidrig, in eventu gemäß Art139 B-VG die "Platzordnung" für den Galopprennplatz Freudenau als gesetzwidrig aufzuheben.

Zur Antragslegitimation wird ausgeführt, bei der antragstellenden Behörde sei eine auf Art129a Abs1 Z2 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, in welcher der Beschwerdeführer behaupte, er sei bei Durchsetzung des seitens des Wiener Galoppvereins ausgesprochenen Platzverbotes von Organen der Bundespolizeidirektion Wien rechtswidrig vom Galopprennplatz Freudenau verwiesen worden. Trotz Kundmachung des Platzverbotes in einem Publikationsorgan sei der Beschwerdeführer am 26. Juli 1992 auf das Gelände des Galopprennplatzes Freudenau gegangen und dort von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien über Aufforderung der Rennplatzleitung des Platzes verwiesen worden.

Die gegen die angefochtenen Regelungen bestehenden Bedenken umschreibt der antragstellende UVS - unter "Verweis auf das ursprüngliche Anbringen" - nunmehr wie folgt:

"Nach ha. Ansicht stellt §35 VeranstaltungsstättenG einen Ermächtigungsrahmen dar, kraft welchen zusätzliche Befugnisse bzw. Pflichten (Verbote) an den Veranstaltungsteilnehmer gerichtet werden können.

Die Anordnung an sich, eine Haus- o. Platzordnung müsse jene aufgrund des Gesetzes unmittelbar bestehenden Bestimmungen enthalten, erweckte keine Zweifel an der Zulässigkeit ihres Bestandes. Wie jedoch beispielsweise §32 Abs6 leg.cit. ausdrückt, ist es in die Ermächtigung der Haus- bzw. Platzordnung erlassenden Vereinigung gelegt, ob 'das Mitbringen von Tieren untersagt' werde. Diesfalls muß der Veranstalter 'die Einhaltung des Verbots gegenüber allen in der Veranstaltungsstätte anwesenden Personen durchsetzen'.

§35 Abs4 letzter Satz leg.cit. ordnet an, daß sich die einer Hauso. Platzordnung nicht unterwerfenden Personen in der Veranstaltungsstätte nicht aufhalten dürfen.

Der Regelung des §35 Abs1 leg.cit. ist zu entnehmen, daß die gesetzlichen Verpflichtungen jedenfalls in der Haus- o. Platzordnung enthalten sein müssen. Es wird aber - im Sinne der ha. vertretenen Bedenken - nicht angeordnet, daß nur solche, unmittelbar aus Gesetz o. Bescheid abzuleitende Bestimmungen enthalten sein dürfen. Auch der Klammerausdruck (z.B. Einhaltung des Rauchverbotes oder Verbot des Mitbringens von Tieren) unterstreicht die Auffassung der antragstellenden Behörde, daß durch diese Bestimmung des §35 Abs1, Abs2 und Abs4 ein Ermächtigungsrahmen an eine (private) Körperschaft zur Erlassung einer Rechtssatztype (um sie nicht Verordnung zu benennen) gegeben wurde, welche - zufolge Abs4 letzter Satz - hoheitlich (gemäß §104 leg.cit. in Anwendung §32 (3) VeranstaltungsG, sowie in weiterer Folge VerwaltungsstrafG 1950 idgF), i.e. im gegenständlichen Anlaßfall im Wege einer faktischen Amtshandlung, durchgesetzt wird.

Nach Ansicht der antragstellenden Behörde besteht diese unklare Vollziehungssituation in allen Bundestheatern Wiens, sowie in den den angefochtenen Gesetzen unterliegenden Landestheatern bzw. anderen Veranstaltungsstätten, soweit, für (Saal)Theater bindend, hiefür eine Haus- oder Platzordnung besteht. Deren behördliche, vororts grundsätzlich verfahrensfreie Durchsetzung liegt in all diesen Fällen im Bereich der Exekutive. (Siehe hiezu die erläuternden Bestimmungen)

Als Beleg dafür, daß diese Anschauung des behördlichen Vollzugs dieser Haus- bzw. Platzordnungen auch seitens der Bundespolizeidirektion Wien vertreten wird, legt die antragstellende Behörde deren Stellungnahme zur ha. anhängigen Beschwerde gem. Art129a B-VG bei.

Als Beleg dafür, daß aber auch dortamts die Problematik des Vollzugs dieser besonderen Rechtssatztype bekannt ist, wird auf den ersten Teil der Stellungnahme der Bundespolizeidirektion Wien verwiesen, wonach das Einschreiten lieber als 'Belehrung' gesehen worden wäre, um die von der antragstellenden Behörde aufgeworfene und zur Beurteilung an den Verfassungsgerichtshof vorgelegte Problematik zu umgehen.

Doch bliebe durch eine solche, die Beschwerde abweisende Entscheidung seitens der antragstellenden Behörde, bzw. zurückweisende seitens des Verfassungsgerichtshofes die Rechtsunsicherheit in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung des §35 Wr. VeranstaltungsstättenG bestehen.

§35 Abs2 Wr. VeranstaltungsstättenG bestimmt, daß 'die Erlassung einer Haus- o. Platzordnung der vorherigen Genehmigung des Magistrates bedarf'. Für die zit. Platzordnung besteht eine solche Genehmigung, für die Hausordnung bzw. Betriebsbedingungen ist keine Genehmigung vorliegend; doch sind beide nach ha. Ansicht, wenngleich von der 'belangten Behörde (Bundespolizeidirektion Wien)' angeführt, nicht verfahrensrelevant.

Aufgrund dieser genehmigten Platzordnung besteht in deren Punkt 6) das Verweisungsrecht vom Platze, sowie unter Punkt 13) die Befugnis der Durchsetzung dieses Platzverweises (und schlechterdings aller Anordnungen der Ordner) mittels behördlicher Aufsichtsorgane. Die Platzordnung des Galoppvereines wird folglich hoheitlich, im Anlaßfall sogar mittels verfahrensfreien Aktes, vollzogen.

Die Genehmigung dieser Platzordnung stellt für die antragstellende Behörde keine rechtliche Grundlage für den hoheitlichen Vollzug dar. Eine Vielzahl sog. Allgemeiner Geschäftsbedingungen bedürfen einer behördlichen Genehmigung, ohne daß hiedurch eine hoheitliche Vollzugskompetenz geschaffen würde.

Nach ha. Ansicht kann eine Haus- bzw. Platzordnung nur als 'lex contractus' Geltung erlangen, deren Nichtbeachtung zivilrechtliche Folgen, etwa gem. §344 ABGB, nach sich ziehen kann. Eine hoheitliche Durchsetzung, egal nun, ob an Ort und Stelle wie im Anlaßfall oder in einem Verwaltungsstrafverfahren, wird von ha. als verfassungsrechtlich bedenklich erachtet."

2. Die Wiener Landesregierung bestritt in ihrer im Gesetzesprüfungsverfahren zufolge ihres Beschlusses vom 25. Jänner 1994 erstatteten Äußerung die Zulässigkeit dieses Antrages. Die angeführten Bestimmungen seien nicht Voraussetzung für die Entscheidung des antragstellenden UVS, es werde im Antrag auch nicht dargelegt, inwieweit die Bestimmungen präjudiziell seien und es fehle eine konkrete Darlegung, gegen welche Bestimmungen der Bundesverfassung die bekämpften Regelungen verstießen.

II. Der Antrag ist unzulässig.

1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art140 Abs1, erster Satz, B-VG über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen sowie gemäß Art139 Abs1, erster Satz, B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen ua. auf Antrag eines UVS. Nach Art89 Abs2 iVm. Art129a Abs3 B-VG hat ein UVS, wenn er gegen die Anwendung eines Gesetzes aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit bzw. gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes bzw. dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen. Der Antrag hat die gegen die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bzw. gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen (§62 Abs1, zweiter Satz, sowie §57 Abs1, zweiter Satz, VerfGG).

2. Der Prüfungsantrag widerspricht den Erfordernisssen des §62 Abs1, zweiter Satz, VerfGG (sowie §57 Abs1 zweiter Satz, VerfGG, was den Eventualantrag betrifft), wonach ein Antrag nach Art140 Abs1 B-VG die gegen die Verfassungsmäßigkeit des bekämpften Gesetzes (bzw. ein Antrag nach Art139 Abs1 B-VG die gegen die Gesetzmäßigkeit der bekämpften Verordnung) sprechenden Bedenken im einzelnen darzulegen hat.

Wie die Wiener Landesregierung zutreffend darlegt, ist dem Antrag nicht zu entnehmen, gegen welche Verfassungs- bzw. Gesetzesvorschriften die bekämpften Regelungen nach Ansicht des UVS verstoßen. Auch die Ausführungen im Prüfungsantrag über eine "unklare Vollziehungssituation" stellen keine dem Gesetz entsprechende Darlegung der Bedenken dar, zumal der Verweis auf den zuvor beim Verfassungsgerichtshof eingebrachten Prüfungsantrag unbeachtet bleiben muß (vgl. etwa VfSlg. 12947/1991).

3. Das Fehlen einer solchen Darlegung ist kein behebbares Formgebrechen, sondern ein Prozeßhindernis (vgl. VfSlg. 10577/1985, 12564/1990).

4. Der somit an einem inhaltlichen, keiner Verbesserung zugänglichen Mangel leidende Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß zu prüfen war, ob seiner meritorischen Erledigung noch weitere Prozeßhindernisse entgegenstehen.

III. Dieser Beschluß konnte in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs3 Z2 litc VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:G242.1993

Dokumentnummer

JFT_10059377_93G00242_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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