TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/19 95/21/0856

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.06.1996
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des D in B, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. März 1995, Zl. St 13/95, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.320,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, gemäß § 18 Abs. 1 sowie den §§ 19, 20 und 21 FrG ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

In der Begründung stellte die belangte Behörde fest, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1982 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte. Letztmalig sei ihm ein Sichtvermerk bis 24. März 1995 erteilt worden. Der geschiedene Beschwerdeführer sei für ein in Jugoslawien lebendes Kind sorgepflichtig. In Österreich würden zwei Töchter aus erster Ehe leben, mit denen er in ständiger familiärer Beziehung stehe. Der Beschwerdeführer sei in ungekündigter Stellung beschäftigt und bringe monatlich rund S 20.000,-- ins Verdienen. Er habe Schulden in Höhe von rund S 154.000,--.

Im Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn schienen gegen den Beschwerdeführer folgende "Vormerkungen" auf:

"2. Mai 1985, § 5 (1) in Verbindung mit § 32 (1) oberösterreichisches Abfallgesetz

S 2.000,--

7. März 1988, § 44 (4) KFG, S 500,--

14. April 1988, § 36 lit. a, d KFG, § 42 (1) leg. cit. und § 2

(1) in Verbindung mit § 14 (1) "FrG", je 2 x S 1.000,-- bzw. S 300,--

6. Februar 1990, § 57a Abs. 1 in Verbindung mit § 36 KFG S 500,--, § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG S 200,--, § 103 Abs. 1 Z. 1 KFG S 200,--, § 103 Abs. 1 Z. 2 KFG S 150,--, § 103 Abs. 1 Z. 2 KFG S 150,-- 21. April 1994, § 44 (4) erster Satz KFG S 500,--"

Vom Landesgericht Ried im Innkreis sei der Beschwerdeführer am 31. Mai 1994 wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und § 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden.

Von den Zollbehörden sei der Beschwerdeführer viermal rechtskräftig bestraft worden und zwar erstmals wegen Schmuggels von zwei Stangen Zigaretten zu S 440,--, im Jahre 1987 wegen des Schmuggels von Zigaretten und Schnaps zu S 32.489,-- und wegen Reifenschmuggels zu S 2.919,--, und im Jahre 1988 wegen des Schmuggels von Zigaretten und Schnaps zu S 38.500,--.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 11. August 1988 sowie im Schreiben vom 23. März 1989 sei dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, daß aufgrund der Vielzahl der strafbaren Handlungen die Einleitung fremdenpolizeilicher Maßnahmen bzw. die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes geplant sei.

Obwohl die Schmuggeltatbestände und die Verwaltungsübertretungen bereits mehr als sechs Jahre zurückliegen, seien sie zur Bewertung im Sinne des § 18 Abs. 1 FrG heranzuziehen. Die Art und Häufigkeit der geradezu regelmäßig begangenen Straftaten ließen ein Charakterbild des Beschwerdeführers erkennen, das zweifelsohne den Schluß rechtfertige, er sei gegenüber der österreichischen Rechtsordnung negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Diese Tatsache werde noch dadurch verstärkt, daß er sich trotz einer niederschriftlichen Ermahnung bzw. der Androhung von fremdenpolizeilichen Maßnahmen wiederum strafbar gemacht habe. Er habe sich zwar von 1990 bis Anfang 1994 wohlverhalten, im Jahre 1994 sei er jedoch wiederum von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn wegen Übertretung von Verkehrsvorschriften bestraft und vom Landesgericht Ried im Innkreis wegen des Vergehens der versuchten Nötigung nach den §§ 15 und 105 Abs. 1 StGB rechtskräftig verurteilt worden. Die Ermahnung bzw. Androhung der Erstbehörde habe offenbar nichts genützt.

Aufgrund der angeführten Tatsachen sei nicht nur die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Lichte des § 19 FrG dringend geboten.

Es werde nicht übersehen, daß sich der Beschwerdeführer seit 1982 durchgehend im Bundesgebiet aufhalte und in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Es sei von einem gewissen Maß an Integration des Beschwerdeführers auszugehen. In sozialer Hinsicht dürfte ihm, wie die beiden strafbaren Handlungen im Jahre 1994 zeigten, eine Integration noch nicht gelungen sein.

Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet des Beschwerdeführers zu stellende negative Zukunftsprognose wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Das Aufenthaltsverbot sei daher auch im Sinne des § 20 Abs. 1 FrG zulässig, daran vermöge auch die Tatsache, daß sich zwei Töchter aus erster Ehe des Beschwerdeführers im Bundesgebiet aufhielten und er zu diesen eine familiäre Beziehung unterhalte, nichts zu ändern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht - zusammengefaßt - geltend, daß nicht behauptet werden könne, die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Österreich wäre durch seine Anwesenheit gefährdet. Er sei in den Jahren 1988 und 1990 wegen dreier Vorfälle nach dem KFG bestraft worden und habe sich bis 1994 wohlverhalten. In diesem Jahr sei er nach dem KFG mit einer Geldstrafe von S 500,-- belegt worden und sei es zur Strafsache vor dem Landesgericht Ried im Innkreis gekommen.

Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Ein Aufenthaltsverbot kann zwar nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gestützt auf § 18 Abs. 1 FrG auch dann erlassen werden, wenn keiner der Tatbestände des § 18 Abs. 2 leg. cit. erfüllt ist, jedoch triftige Gründe vorliegen, die in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 94/18/0539, mit weiterem Nachweis). Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist nach § 18 Abs. 1 FrG die auf bestimmte Tatsachen gegründete Prognose, daß der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit oder die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen gefährdet. Um die umschriebene Prognose treffen zu können, ist das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Entscheidend ist hiebei aber nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung oder Verurteilung, sondern das diesen zugrundeliegende strafbare Verhalten des Fremden. Es ist daher in einem solchen Fall unumgänglich, nicht nur auf die Art und Anzahl allfälliger Bestrafungen oder Verurteilungen zu verweisen, sondern das diesen zugrundeliegende strafbare Verhalten des Fremden festzustellen. Diese Rechtslage verkannte die belangte Behörde. Sie leitete nämlich, wie die Bescheidbegründung unmißverständlich zeigt, lediglich aus der Art und Anzahl der übertretenen Normen die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme ab. Eine Umschreibung der begangenen Straftaten findet sich nicht im Bescheid und ist auch nur zum Teil aktenkundig. Die Begründung des angefochtenen Bescheides bietet daher keine Grundlage, um die im § 18 Abs. 1 FrG aufgestellte Gefährlichkeitsprognose stellen zu können. Hiebei sind entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch Sachverhalte zu berücksichtigen, die Gegenstand einer rechtskräftigen Bestrafung (Verurteilung) waren, mag diese auch bereits getilgt sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0125), oder längere Zeit zurückliegen. Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren jedoch zu berücksichtigen haben, daß, je länger die Verwirklichung von verpönten Verhaltensweisen zurückliegt, desto größeres Gewicht dem Wohlverhalten des Fremden seit diesem Zeitpunkt zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/21/0007).

Da die belangte Behörde ausgehend von ihrer irrigen Rechtsauffassung das den rechtskräftigen Bestrafungen und der Verurteilung zugrundeliegende Verhalten des Beschwerdeführers nicht feststellte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995210856.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten