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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Pfiel und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des D I, vertreten durch Mag. Hubert Wagner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Wattmanngasse 8/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9. Oktober 2020, W251 2210519-1/8E, betreffend Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 und Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der 1992 geborene Revisionswerber, ein kosovarischer Staatsangehöriger, reiste im März 2016 mit einem Visum D nach Österreich ein. Er verfügte vom März 2016 bis März 2018 über eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender. Seinen Verlängerungsantrag vom 19. Februar 2018 wies der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 12. Juli 2018 mangels erforderlichen Studienerfolgs sowie mangels Nachweises eines entsprechenden Krankenversicherungsschutzes und eines gesicherten Lebensunterhaltes rechtskräftig ab.
2 Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und stellte am 8. August 2018 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005, den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 30. August 2018 abwies. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG, stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Kosovo zulässig sei, und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage betrage.
3 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. Oktober 2020 ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision (gemeint: gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG) nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig erweist.
5 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
7 Zunächst ist anzumerken, dass sich aus dem zur Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführten Erkenntnis VwGH 6.3.1996, 95/20/0650, für den vorliegenden Fall nichts gewinnen lässt. Anders als in dem dort entschiedenen Fall geht es hier nicht um die Frage, ob der Revisionswerber im Lauf des Verfahrens unterschiedliche und widersprüchliche Angaben gemacht oder - wie die Revision betont - in allen „Verfahrensschritten“ sein Vorbringen „gleich, nicht zu spät und miteinander übereinstimmend“ erstattet hat. Gegenteiliges hat das BVwG dem Revisionswerber nämlich nicht zum Vorwurf gemacht.
8 Auch das weitere Vorbringen in der Revision, wonach die „Regelvermutung des § 5 AsylG“ entgegen den Ausführungen des BVwG nicht anwendbar sei und die Behauptung, dass „der Antrag nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 berechtigt und begründet“ sei, ist mit dem vorliegenden Fall, in dem es um die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 samt Erlassung einer Rückkehrentscheidung geht und in dem eine individuelle Verfolgung nicht vorgebracht wurde, nicht in Bezug zu bringen.
9 Soweit sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung auch noch gegen die Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK wendet, ist dem zu entgegnen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die bei Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommene Interessenabwägung im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (vgl. etwa VwGH 21.12.2021, Ra 2021/21/0320, Rn. 10, mwN).
10 Dies ist hier der Fall. Gemäß den Feststellungen des BVwG knüpfte der unbescholtene Revisionswerber während seines Aufenthaltes in Österreich freundschaftliche Beziehungen, allerdings ohne enge soziale Bindung, legte die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 ab, erwarb jedoch in seinem Studienlehrgang keine ECTS-Punkte, war nie beruflich tätig, verfügt auch nicht über eine Einstellungszusage und ist nicht (selbst-)versichert. Die auf Basis dieser Feststellungen durchgeführte Interessenabwägung des BVwG ist nicht zu beanstanden. Zu Recht durfte das BVwG nämlich die persönlichen Interessen des Revisionswerbers am Verbleib in Österreich gemäß § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG insofern für relativiert erachten, als die integrationsbegründenden Umstände in einem Zeitraum entstanden, in dem sich der Revisionswerber seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste, weil er sich in Österreich rechtmäßig nur auf Basis einer Aufenthaltsbewilligung als Studierender aufhielt, die lediglich einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt für den Zweck des Studiums ermöglichte. Der angesichts des insgesamt erst rund viereinhalbjährigen Aufenthaltes getroffenen Beurteilung des BVwG, dass in Bezug auf die Integration des Revisionswerbers eine „außergewöhnliche Konstellation“ im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliege, um von einem durch die Rückkehrentscheidung bewirkten unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben nach Art. 8 EMRK ausgehen zu können, hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen (zu dieser Rechtsprechung vgl. etwa VwGH 7.10.2021, Ra 2020/21/0195, Rn. 9, mwN; siehe zu einer mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Konstellation auch VwGH 9.10.2020, Ra 2020/21/0358).
11 Soweit erstmals in der Revision auf eine „langjährige Lebensgefährtin in Österreich“ sowie auf eine Einstellungszusage verwiesen wird, handelt es sich dabei - ebenso wie bei der nunmehr unter Bezugnahme auf Vorfälle im Jahr 2016 behaupteten Bedrohungslage für Rückkehrer im Kosovo, wo der Revisionswerber im Übrigen familiäre Anknüpfungspunkte hat - um eine im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unzulässige und somit unbeachtliche Neuerung. Inwieweit die gleichfalls in der Revision erstmalig vorgebrachte „nicht gewährleistete Gesundheitsvorsorge durch die COVID 19 Pandemie“ im Kosovo eine konkrete individuelle Gefährdung des den unbestrittenen Feststellungen des BVwG zufolge gesunden und jungen Revisionswerbers darstellen könnte, wurde nicht näher dargelegt.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 10. März 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020210485.L00Im RIS seit
12.04.2022Zuletzt aktualisiert am
12.04.2022