TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/24 94/10/0174

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Veröffentlicht am 24.06.1996
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Index

L55000 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz;
L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
B-VG Art7 Abs1;
NatSchG Vlbg 1969 §14;
NatSchG Vlbg 1969 §2;
NatSchG Vlbg 1969 §5;
NatSchV Hochifen 1964 §2;
NatSchV Vlbg 1979 §2;
ReichsnaturschutzG 1935 §19;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 24. März 1994, Zl. I-937/93/E5, betreffend Übertretung des Vorarlberger Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der I-KG, H, und somit als gemäß § 9 VStG verantwortliches, zur Vertretung nach außen hin berufenes Organ zu verantworten, daß im Höhenbereich von 1650 m bis 1750 m Seehöhe, somit auf einer Länge von 200 m, auf der Schäfalp-Schiabfahrt in H, Schipiste der I-KG, im Zeitraum von Februar bis Ostern 1991 Alpenpflanzen, nämlich Latschen, durch Pistenraupen beschädigt und abgerissen wurden. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs. 1 lit. d des Vorarlberger Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 36/1969 (NSchG) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 der Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über den Schutz der Alpenpflanzen im Gebiet des Hochifen und der Gottesackerwände, LGBl. Nr. 11/1964 (VO), begangen. Es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage) verhängt. Begründend stellte die Behörde fest, der Beschwerdeführer sei handelsrechtlicher Gesellschafter der im Spruch genannten KG. Diese sei Betreiberin des Schigebietes in H, in dem die im Spruch erwähnte Schiabfahrt liege. Die Schiabfahrt führe durch offenes Gelände, dann durch Abschnitte mit vereinzelten oder zusammenhängenden Latschenstöcken und weiter durch ein Gebiet, das durch zungenartige Ausläufer des Kürenwaldes, durch Baumrotten und Waldsäume geprägt sei, sowie letztlich über einen Schigleitweg zur Talstation. Im Tatzeitraum Februar bis Ostern 1991 sei sehr wenig Schnee gelegen. Die Schneegrenze für den Einsatz von Pistenwalzen habe sich in einer Seehöhe von etwa 1700 m befunden. Der Schibetrieb sei bis Ostern 1991 geführt worden. Nur im Bereich der Schäfalp-Abfahrt hätten die Pistenraupen noch bergwärts fahren können. Je nach Schneelage seien die Raupen im oberen Teil der Schiabfahrt bei ca. 1800 m Seehöhe stationiert oder zur Talstation des Hahnenköpfle-Liftes gefahren worden. Die geringe Schneelage sowie der nasse und weiche Schnee hätten bewirkt, daß die Pistenraupen Latschenkiefer beschädigt und abgerissen hätten. Das Beschädigen und Abreißen der Latschen durch die Pistenraupen sei für den Beschwerdeführer vorhersehbar gewesen. Die Schäden hätten sich im untersten Teil der Schäfalp-Schiabfahrt ereignet. Der Bereich befinde sich zwischen 1650 bis 1750 m Seehöhe, sei ca. 200 m lang und 50 m bis 80 m breit. Talwärts werde er vom Verbindungsweg zwischen dem Schigleitweg "Gottesacker" und der Schäfalp-Schiabfahrt begrenzt. Die Beschädigung und das Abreißen von Latschenkiefern durch die Pistenraupen sei nicht strittig; die Behörde könne sich dabei sowohl auf die Zeugen als auch auf die Aussage des Beschwerdeführers stützen. Der Verantwortung des Beschwerdeführers, die Beschädigungen seien nicht vorhersehbar gewesen, könne nicht gefolgt werden. Bereits früher sei es bei geringer Schneelage zu Beschädigungen durch die Präparierung der Schipiste durch Pistenraupen gekommen. Bereits anläßlich eines Lokalaugenscheines vom 29. Mai 1990 sei darauf hingewiesen worden, daß die Schäfalp-Schiabfahrt nur dann mit Pistenraupen präpariert werden dürfe, wenn ausreichend Schnee vorhanden sei. § 1 der VO verbiete es, Alpenpflanzen jeder Art zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen. Bei Latschen handle es sich um Alpenpflanzen. Ihr natürliches Vorkommen liege im alpinen Bereich, das sei die obere Bergwaldstufe bis in die Gipfelregion. Außerhalb des alpinen Bereiches komme die Latsche nicht vor. Die Auffassung des Beschwerdeführers, daß § 2 VO verfassungswidrig sei, teile die belangte Behörde nicht.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof lehnte dieser mit seinem Beschluß vom 27. September 1994, B 1223/94, ab. Über Antrag des Beschwerdeführers wurde die Beschwerde mit Beschluß vom 21. November 1994 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe den Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht beachtet. Dem Beschwerdeführer werde mit dem angefochtenen Bescheid erstmals die Begehung der Verwaltungsübertretung in der Zeit von Februar bis Ostern 1991 vorgeworfen. In der Anzeige der BH sei nur von Winter/Frühjahr 1990 die Rede gewesen. Erst im Straferkenntnis der BH vom 5. Oktober 1993 sei erstmals von einem aktenwidrigen Tatzeitraum zwischen Februar und Ostern 1991 gesprochen worden.

Diese Darlegungen gehen von verfehlten Annahmen über den Akteninhalt aus. In der von der Beschwerde bezogenen, die in Rede stehende Verwaltungsübertretung betreffenden Anzeige vom 4. Juni 1991, die die Abteilung I der BH an die Strafabteilung dieser Behörde richtete, ist im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Beschädigung von Latschenbeständen vom "heurigen Winter (Februar, März 1991)" die Rede. Ob es sich bei der "Anzeige" um eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG handelte, kann dahinstehen; denn es ist nicht zweifelhaft, daß die Verjährung in bezug auf die den Gegenstand der Bestrafung bildende, nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides "im Zeitraum von Februar bis Ostern 1991" verwirklichte Verwaltungsübertretung durch die Aufforderung zur Rechtfertigung, die dem Beschwerdeführer am 12. Juni 1991 zugestellt wurde und die alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente einschließlich der Tatzeitumschreibung "Februar bis April 1991" umfaßte, im Sinne des § 32 VStG unterbrochen wurde. Auch der Hinweis auf § 31 Abs. 2 (gemeint offenbar: Abs. 3) VStG ist verfehlt, weil die Verjährung bezogen auf die der Bestrafung zugrundeliegende Verwaltungsübertretung zu beurteilen war. Bei Erlassung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses waren seit dem Aufhören des strafbaren Verhaltens weniger als drei Jahre vergangen. Die Beschwerde verkennt offenbar, daß sich die Bestrafung nicht auf eine im Jahr 1990, sondern auf eine im Zeitraum Februar bis Ostern 1991 begangene Verwaltungsübertretung bezieht.

Die behauptete "Aktenwidrigkeit des Tatzeitraumes" leitet die Beschwerde aus ihrer Behauptung ab, in der bereits erwähnten Anzeige sei ausschließlich davon die Rede, daß die inkriminierte Verwaltungsübertretung im Winter/Frühjahr 1990 begangen worden sei; von einer "angeblichen Tatzeit zwischen Februar und Ostern 1991" sei dort nicht die Rede gewesen. Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit muß sich im vorliegenden Zusammenhang jedoch gegen die Beschwerde richten. In der erwähnten Anzeige vom 4. Juni 1991 wird zwar zunächst auf einen Lokalaugenschein vom 29. Mai 1990 hingewiesen, in weiterer Folge jedoch darauf, daß im "Zeitraum Februar bis April d.J."

Schäden an Latschenbeständen, Fichten und der Bodenvegetation durch Pistenraupen und Schifahrer verursacht worden seien, sowie auf Sachverhalte (Absägen von Latschenbeständen und Fichten) die den "heurigen Winter (Februar, März 1991)" bzw. das "heurige Frühjahr und den heurigen Winter" betreffen.

Auch mit dem Vorwurf der Beschwerde, die belangte Behörde habe eine gesetzwidrige Verordnung angewendet, wird die Rechtslage verkannt. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, die gesetzliche Grundlage für die Verordnung, das Reichsnaturschutzgesetz, sei nicht mehr in Geltung. Das in Geltung stehende Vorarlberger Naturschutzgesetz biete keine Grundlage dafür, Alpenpflanzen jeder Art unter Schutz zu stellen. Latschen seien keine seltenen Pflanzen; sie seien (daher) auch im Katalog des § 2 der Naturschutzverordnung, LGBl. Nr. 10/1979, nicht aufgezählt. Die Ausnahmeregelung der Verordnung sei unsachlich, weil die land-, forst- und jagdwirtschaftliche Nutzung im bisherigen Ausmaß durch die Verordnung nicht berührt werde, der "bisherige Schibetrieb" im Ausnahmenkatalog aber nicht enthalten sei.

Die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über den Schutz der Alpenpflanzen im Gebiet des Hochifen und der Gottesackerwände, LGBl. Nr. 11/1964, wurde auf Grund der §§ 5 und 19 des Naturschutzgesetzes, Gesetzblatt für das Land Österreich Nr. 245/1939 erlassen. Nach § 1 Abs. 1 der VO ist es in dem in Abs. 2 umschriebenen Gebiet verboten, Alpenpflanzen jeder Art zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen. Nach § 2 VO wird die land-, forst- und jagdwirtschaftliche Nutzung im bisherigen Ausmaß durch diese Verordnung nicht berührt.

Die Auffassung der Beschwerde, der Verordnung sei durch Außerkrafttreten des ihr zugrundeliegenden Gesetzes ihre Grundlage entzogen worden, ist nicht zu folgen. Selbst wenn es zuträfe, daß das die Verordnung tragende Gesetz weggefallen wäre, wäre nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes für den die Gegenstandslosigkeit bewirkenden Wegfall der gesetzlichen Grundlage nicht entscheidend, ob jenes Gesetz in Wegfall gekommen ist, auf welches sich die Durchführungsverordnung als Grundlage beruft oder auf das sie sich während eines bestimmten Zeitraumes ihrer Geltung stützen konnte, sondern daß die Verordnung einer gesetzlichen Grundlage überhaupt entbehrt. Eine Durchführungsverordnung ist nämlich auch dann gesetzmäßig, wenn sie sich statt auf die von ihr bezeichnete Ermächtigung auf eine andere taugliche Grundlage zu stützen vermag; es genügt, wenn überhaupt eine gesetzliche Grundlage, sei es auch in einem anderen Gesetz, vorhanden ist. Eine Verordnung kann daher auch durch ein späteres Gesetz die bis dahin mangelnde gesetzliche Grundlage erhalten. Ob die Durchführungsverordnung der Ermächtigung inhaltlich entspricht, ist dabei dem jeweils geltenden Recht zu entnehmen (vgl. die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 1982, Slg. 10802, zitierte Rechtsprechung).

Das ursprünglich die Grundlage der Verordnung bildende Reichsnaturschutzgesetz wurde durch das Gesetz

LGBl. Nr. 24/1969 abgeändert, wobei es den Titel "Naturschutzgesetz" erhielt; dieses Gesetz wurde mit LGBl. Nr. 36/1969 neu kundgemacht. Die die Grundlage der VO bildenden Regelungen sind nunmehr in den §§ 5 und 14 NSchG enthalten. Das Gesetz steht (idF LGBl. Nr. 23/1988) nach wie vor in Geltung. Es trifft somit nicht zu, daß der Verordnung eine gesetzliche Grundlage fehlte.

Es ist auch die Auffassung nicht zu teilen, daß das Gesetz keine Grundlage dafür biete, "Alpenpflanzen jeder Art" (vgl. § 1 Abs. 1 VO) unter Schutz zu stellen. Nach § 5 NSchG (vormals § 5 Reichsnaturschutzgesetz) können dem Schutz dieses Gesetzes ferner sonstige Landschaftsteile in der freien Natur unterstellt werden, die den Voraussetzungen der §§ 3 und 4 nicht entsprechen, jedoch zur Zierde und zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen oder im Interesse der Tierwelt, besonders der Singvögel und der Niederjagd, Erhaltung verdienen. Als sonstige Landschaftsteile gelten auch Felder, Alleen, Parkanlagen und andere derartige Erscheinungsformen der gestalteten Natur. Der Schutz kann sich auch darauf erstrecken, das Landschaftsbild vor verunstaltenden Eingriffen zu bewahren. Nach § 14 NSchG (§ 19 Reichsnaturschutzgesetz) kann die Landesregierung Anordnungen im Sinne des § 5 treffen. Nach Abs. 2 leg. cit. können sich die Anordnungen auf die Landschaft selbst beziehen, soweit es sich darum handelt, verunstaltende, die Natur schädigende oder den Naturgenuß beeinträchtigende Änderungen von ihr fernzuhalten.

Das Verbot der Beschädigung von Alpenpflanzen jeder Art in einem Gebiet, das die Eigenschaften eines "sonstigen Landschaftsteiles" im Sinne des § 5 NSchG aufweist, überschreitet nicht den Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung, Anordnungen zu treffen, verunstaltende, die Natur schädigende oder den Naturgenuß beeinträchtigende Änderungen von ihr fernzuhalten (§ 14 NSchG, § 19 Reichsnaturschutzgesetz).

Daß sich nach § 2 NSchG der Schutz von Pflanzen und Tieren auf die Erhaltung seltener oder in ihrem Bestand bedrohter Pflanzen- und Tierarten erstreckt und Latschen nicht im § 2 ("Vollkommen geschützte Pflanzen") der Naturschutzverordnung, LGBl. Nr. 10/1979, aufgezählt sind, steht weiterreichenden Anordnungen der VO auf Grund einer anderweitigen, sich auf andere Gesichtspunkte beziehenden und auf anderen Tatbestandsmerkmalen beruhenden gesetzlichen Ermächtigung nicht im Weg.

Ebensowenig sind für den Verwaltungsgerichtshof die unter dem Gesichtspunkt der Sachlichkeit des Ausnahmenkataloges vorgetragenen Argumente geeignet, Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der VO zu erzeugen. Es kann nicht gesagt werden, daß zwischen der bisherigen land-, forst- und jagdwirtschaftlichen Nutzung eines Landschaftsteiles und dessen Nutzung für Zwecke des Schisports kein Unterschied im Tatsächlichen bestünde und daher nur eine solche Regelung sachlich gerechtfertigt wäre, die auch die Nutzung für Zwecke des Schisports von den Verboten ausnähme.

Die geltend gemachte Rechtswidrigkeit liegt somit nicht vor; die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994100174.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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