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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 17. Oktober 1994, Zl. I/7-St-S-948, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 18. Juli 1994 auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist in Bezug auf den Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 17. Juni 1994 gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG abgewiesen.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend; er beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Beschwerdeführer brachte in seiner Eingabe vom 18. Juli 1994 zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist vor, der Bescheid der Bundespolizeidirektion St. Pölten vom 17. Juni 1994 sei ihm am 21. Juni 1994 durch Hinterlegung zugestellt worden. Der Beschwerdeführer habe sich daraufhin telefonisch an den nunmehrigen Beschwerdevertreter gewandt, um ihn mit der Ausführung der Berufung zu betrauen. Bei der telefonischen Terminvereinbarung mit der Sekretärin habe er darauf hingewiesen, daß ihm der Bescheid am 21. Juni 1994 zugestellt worden sei. Trotz dieser Information sei ihm ein Besprechungstermin für den 7. Juli 1994 zugeteilt worden. Dieser Termin sei dann wegen einer Erkrankung des Beschwerdevertreters auf den 11. Juli 1994 verschoben worden. Bei der Besprechung am 11. Juli 1994 habe sich herausgestellt, daß die Berufungsfrist bereits am 5. Juli 1994 geendet habe. Aufgrund der Information an die Sekretärin des Beschwerdevertreters sei der Beschwerdeführer überzeugt gewesen, daß jener die erforderlichen Schritte fristgerecht setzten werde. Das Nichtberücksichtigen der Berufungsfrist sei für den Beschwerdeführer ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis gewesen, welches ihn ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert habe.
Die belangte Behörde begründete (wie schon die Erstbehörde) die Abweisung des Wiedereinsetzungsbegehrens damit, daß der Beschwerdeführer den in der Kanzlei des nunmehrigen Beschwerdevertreters unterlaufenen Fehler gegen sich gelten lassen müsse. Das Fehlen eines Verschuldens des Beschwerdevertreters an der Fristversäumung sei nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden. Es fehle ein entsprechend konkretes Vorbringen sowohl hinsichtlich der Wahrnehmung der Kontrollpflicht des Beschwerdevertreters gegenüber seinem Personal als auch darüber, ob die Erkrankung des Beschwerdevertreters (laut Berufung in der Zeit vom 4. bis 8. Juli 1994) seine Dispositionsunfähigkeit bewirkt habe.
Die Beschwerde bestreitet ein Verschulden des Beschwerdevertreters am Fehlverhalten seiner Kanzleiangestellten (Zuteilen eines nach dem Ende der Berufungsfrist gelegenen Besprechungstermins und Unterlassen eines Fristvormerkes).
Die Argumentation der belangten Behörde setzt voraus, daß zwischen dem Beschwerdeführer und dem nunmehrigen Beschwerdevertreter noch innerhalb der mit 5. Juli 1994 endenden Berufungsfrist ein Bevollmächtigungsverhältnis zustande gekommen ist. Nur unter dieser Voraussetzung könnte von einem Verschulden des Bevollmächtigten des Beschwerdeführers an der Versäumung der Berufungsfrist, das der Beschwerdeführer gegen sich gelten lassen müßte, die Rede sein. Das aber scheint nach der Aktenlage nicht vor der Besprechung vom 11. Juli 1994 der Fall gewesen zu sein. Zuvor gab es lediglich den Versuch einer Kontaktaufnahme mit dem Beschwerdevertreter im Wege eines Telefongespräches zwischen dem Beschwerdeführer und einer Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters. Der angefochtene Bescheid enthält dazu keine Ausführungen. Dieser Begründungsmangel ist allerdings nicht wesentlich, da die belangte Behörde bei seiner Vermeidung zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können, weil jedenfalls ein die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließendes Verschulden des Beschwerdeführers an der Versäumung der Berufungsfrist anzunehmen ist. Bemerkt sei, daß auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Fällen, in denen eine Frist durch das Verhalten von Angestellten des Bevollmächtigten einer Partei versäumt wurde, das Fehlen von Verschulden auf Seiten der Partei voraussetzt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9024/A).
Es war Sache des im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht durch einen Anwalt vertretenen Beschwerdeführers, für die Einhaltung der Berufungsfrist zu sorgen. Aufgrund der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des erstinstanzlichen Bescheides wußte er, daß ihm für die Einbringung einer Berufung nur zwei Wochen, gerechnet ab dem ihm bekannten Zustelltag, zur Verfügung standen. Es lag daher am Beschwerdeführer, innerhalb dieser Frist entweder selbst eine Berufung einzubringen oder - wenn er sich dazu eines Rechtsvertreters bedienen wollte - diesen so rechtzeitig damit zu betrauen, daß ihm die fristgerechte Einbringung einer Berufung möglich war. Daß dies zwingend eine entsprechende Kontaktaufnahme mit einem Rechtsvertreter noch vor Ablauf der Berufungsfrist erforderte, mußte dem Beschwerdeführer bewußt sein. Er hätte daher entweder beim Telefongespräch mit der Kanzleikraft des Beschwerdevertreters auf einem Besprechungstermin jedenfalls noch vor dem Ende der Berufungsfrist (5. Juli 1994) bestehen müssen oder im Falle der Unmöglichkeit eines früheren Besprechungstermins die Hilfe eines anderen Anwaltes in Anspruch nehmen oder selbst eine Berufung einbringen müssen. Angesichts seiner Verpflichtung als nicht anwaltlich vertretene Partei zur Wahrung der Berufungsfrist vermag ihn das Verhalten der Kanzleiangestellten des Beschwerdevertreters nicht zu entschuldigen. Beim Verhalten des Beschwerdeführers kann nicht mehr von einem minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Vielmehr liegt in Anbetracht der jede Verfahrenspartei treffenden erhöhten Sorgfaltspflicht bei der Wahrnehmung von Fristen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 1989, Zl. 89/11/0184) ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Versäumung der Berufungsfrist vor, das die begehrte Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschloß, und zwar unabhängig davon, ob allenfalls auch ein (Mit)Verschulden des Beschwerdevertreters vorlag. Das ein solches Verschulden bestreitende Beschwerdevorbringen geht daher ins Leere.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1994110388.X00Im RIS seit
30.05.2001