Entscheidungsdatum
04.01.2022Norm
BauO NÖ 2014 §38Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch MMag. Kammerhofer als Einzelrichter über die Beschwerde des A vom 30. Juni 2020 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 4. Juni 2020, mit welchem der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 26. Februar 2020 betreffend Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt sowie eine Aussetzung der Abgabe nicht bewilligt worden war, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Ergänzungsabgabe als unbegründet abgewiesen.
2. Hinsichtlich des Stundungsansuchens wird die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.
3. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B VG) ist nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
§ 279 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO)
§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG
Entscheidungsgründe:
1. Sachverhalt:
1.1.
Der Beschwerdeführer ist ist grundbücherlicher Eigentümer des Grundstückes Nr. *** in der KG *** mit der topographischen Anschrift *** in ***.
Für das gegenständliche Grundstück ist kein Bebauungsplan verordnet.
Vor Juli 1997 bestand das Grundstück Nr. *** aus Garten (1.144 m 2), das Grundstück Nr. *** aus einer Baufläche (Betriebsgebäude 131 m²) und Garten (1.284 m²), insgesamt 1.415 m², das Grundstück Nr. *** aus einer Baufläche (Betriebsgebäude 345 m²) und Garten (2.810 m²), insgesamt 3.155 m², das Baugrundstück Nr *** aus Wohnhaus mit einer Baufläche von 1.283 m², zur Gänze verbaut (bauklasse II) und das Baugrundstück Nr. *** aus einem Wohnhaus mit einer Baufläche von 363 m², zur Gänze verbaut.
Ab Juli 1997 wurden diese Grundstücke gemäß der Vermessungsurkunde des B GZ. *** vom 24.3.1997 mit dem teilverbauten Grundstück Nr. *** vereinigt und mit Bescheid der Baubehörde I. Instanz vom 19.6.1997, ZI. ***, genehmigt.
Das Grundstück Nr. *** ist mit dem Wohnhaus (ehemalige Bauparzelle ***) der Bauklasse II, Betriebsgebäuden der Bauklasse II und verschiedenen Lagerhallen bebaut.
Die nächste baurechtlich relevante Änderung erfolgte mit Bescheid vom 21. September 2019, Zl. ***, mit der auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, ***, ***, die Baubewilligung für die Errichtung von Unterstellplätzen samt Stützmauer und eines Einstellplatzes und einer Niveauveränderung erteilt wurde. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
1.2.
Mit Abgabenbescheid der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde *** vom 06. Februar 2020, GZ ***, wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von € 7.663,06 vorgeschrieben. Dabei wurde der Berechnung eine Fläche von 4.639,80 m², ein Bauklassenkoeffizient neu von 1,25, ein Bauklassenkoeffizient alt von 1,00, eine Bauklassendifferenz von 0,25, eine Berechnungslänge von 68,12 und ein Einheitssatz von 450,- zugrunde gelegt.
Mit Bescheid vom 04. Juni 2020, Zl. ***, wies der Stadtrat der Stadtgemeinde *** die Berufung des Beschwerdeführers vom 26. Februar 2020 gegen den Bescheid der Bürgermeisterin vom 06. Februar 2020 als unbegründet ab, bestätigte den Bescheid vollinhaltlich und bewilligte die Aussetzung der Einhebung der Abgabe nicht. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seine Berufung damit begründet habe, dass aufgrund einer einschlägigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014, auf der dieser Abgabenbescheid basiere, laut einer Ausgabe der Niederösterreichischen Nachrichten dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich bzw. Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung vorgelegt worden sei, ob die gesetzliche Regelung zur nachträglichen Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe zur Aufschließungsabgabe möglich und rechtens sei. Weiters habe der Beschwerdeführer beantragt, den Bescheid bis zur Klärung dieser Angelegenheit auszusetzen. Außerdem habe der Beschwerdeführer um Stundung der Entrichtung der Ergänzungsabgabe bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage beantragt.
Durch die Bewilligung des gegenständlichen Bauvorhabens, nämlich der Errichtung von Unterstellplätzen samt Stützmauer und eines Einstellplatzes sowie Niveauänderungen, bei welchen sich nach der Definition nach § 4 Z 15 NÖ Bauordnung 2014 um Gebäude (ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens 2 Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen, wobei alle statisch miteinander verbundenen Bauteile als ein Gebäude gelten) handle, der Abgabentatbestand zur Entrichtung einer Ergänzungsabgabe nach § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 erfüllt sei. Es sei die NÖ Bauordnung 2014 anzuwenden und stelle der Verweis auf einen Artikel der Niederösterreichischen Nachrichten keine Begründung für die Nichtanwendung einer bestehenden Gesetzesbestimmung dar.
Dem Antrag auf Stundung der Entrichtung der Ergänzungsabgabe bis zur endgültigen Klärung der Rechtslage sei nicht Folge zu geben gewesen, da die Berufung aufgrund der Sach- und Rechtslage wenig erfolgversprechend erschienen sei.
1.3. Zum Beschwerdevorbringen:
Gegen diesen Abgabenbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 04. Juni 2020 richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 30. Juni 2020, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am 30. Mai 1997 beim Bürgermeister der Stadtgemeinde als Baubehörde I. Instanz unter Beilage eines Teilungsplanes die Neuaufteilung der Grundstücke Nr. ***, ***, ***, Bauparzelle *** und Bauparzelle *** sowie deren Zusammenlegung zu Parzelle ***, EZ *** KG ***beantragt habe. Dem Antrag sei mit Bescheid des Bürgermeisters vom 19. Juni 1997, GZ ***, Rechnung getragen worden. Auf die innerhalb des Grundstückes Nr. *** und Nr. *** liegenden Bauflächen sei gar nicht eingegangen worden. Ob für die betroffenen Grundstücke, und zwar Bauplatz *** (Fläche 1.284 m²) und Bauplatz *** (Fläche 131 m²) dem Voreigentümer des Beschwerdeführers jemals Aufschließungsabgaben vorgeschrieben worden seien, entziehe sich der Kenntnis des Beschwerdeführers. Ihm als Nacheigentümer seien keine Aufschließungsabgaben vorgeschrieben worden.
Unabhängig davon sei von der Baubehörde bei der gegenständlichen Grundabteilungs-/Zusammenlegungsbewilligung zu prüfen gewesen, ob Ergänzungsabgaben fällig und daher entsprechend vorzuschreiben gewesen wären, zumal auf den Bauflächen Bauobjekte mit verschiedener Nutzung wie Wohnhaus, Lagerhallen sowie Einstellobjekte vorhanden gewesen seien, die der Bauklasse II entsprochen hätten. Dies habe die Baubehörde unterlassen. Diese verschiedenartig genutzten Objekte einschließlich Wohnhaus hätten bis zur baulichen Umsetzung der mit Bescheid der Baubehörde I. Instanz vom 21. September 2019 bewilligten Errichtung von Unterstellplätzen samt Stützmauer und einem Einstellplatz sowie Niveauveränderung bestand gehabt. Nach dieser Grundzusammenlegung hätte eine neue Betrachtung hinsichtlich der Vorschreibung von Aufschließungsabgaben, auf jeden Fall von Ergänzungsabgaben, nach sich ziehen müssen. Die Ergänzungsabgaben wären nach Ansicht des Beschwerdeführers auch mit dem damaligen Einheitssatz zu berechnen gewesen, der entsprechend niedriger gewesen wäre als der im Jahr 2020.
Mit Abgabenbescheid vom 06. Februar 2020 sei dem Beschwerdeführer aufgrund der Baubewilligung für die Errichtung von Unterstellplätzen samt Stützmauer und eines Einstellplatzes und einer Niveauveränderung gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von € 7.663,06 vorgeschrieben worden. Die Rechtmäßigkeit dieser Vorschreibung habe er mit Berufung vom 26. Februar 2020 bekämpft und halte er die darin ausgeführten Berufungsgründe vollinhaltlich aufrecht. Die Ausführungen seien für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar. Dies insbesondere deshalb nicht, weil aufgrund einer einschlägigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes die von der Berufungsbehörde zugrunde gelegte Regelung bzw. gesetzliche Bestimmung zur Überprüfung vorgelegt worden sei. Diese Überprüfung bzw. deren Ergebnis sei noch ausständig.
Der Berechnung der Ergänzungsabgabe im Abgabenbescheid vom 06. Februar 2020 sei eine Berechnungsfläche von 4.639,80 m² zugrunde gelegt worden. Wie sich diese Fläche berechne könne vom Beschwerdeführer nicht nachvollzogen werden bzw. hätte dies von der Abgabenbehörde entsprechend erläutert werden müssen. Dies sei ein schwerer Mangel und ein Aufhebungsgrund des angefochtenen Bescheides. Wäre bereits im Jahr 1997 eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden, hätte die Abgabenbehörde auch einen Einheitssatz für die Berechnung heranziehen müssen.
Hinsichtlich seines Antrages auf Stundung halte er diesen aufrecht, weil einerseits die Berufungsbehörde sich bei ihrer Berufungsablehnung im Recht gewähnt habe, andererseits die Berufung als wenig erfolgversprechend bezeichnet habe. Wenig erfolgversprechend heiße, dass sich die Berufungsbehörde selbst nicht sicher sei, ob die Entscheidung rechtens sei.
1.4. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 4. August 2020 legte die Stadtgemeinde *** dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In dieser wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt sowie das Parteienvorbringen.
1.5. Beweiswürdigung:
Im Wesentlichen ist der Sachverhalt als unstrittig zu beurteilen und ergibt sich dieser aus dem unbedenklichen Akteninhalt in Verbindung mit dem bekämpften Bescheid, sowie aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, soweit dieses den Feststellungen der belangten Behörde nicht entgegentritt. Das Flächenausmaß des Bauplatzes ergibt sich aus dem Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 21. September 2019.
2. Rechtslage:
2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:
§ 1.
(1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.
§ 2a.
Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden
§ 4.
(1) Der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
§ 254.
Durch Einbringung einer Bescheidbeschwerde wird die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt, insbesondere die Einhebung und zwangsweise Einbringung einer Abgabe nicht aufgehalten.
§ 279.
(1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.
(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.
2.2. NÖ Bauordnung 2014 idF LGBl. Nr. 53/2018:
§ 11
Bauplatz
(1) Bauplatz ist ein Grundstück im Bauland, das
1. hiezu erklärt wurde oder
2. durch eine vor dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte Änderung von Grundstücksgrenzen geschaffen wurde und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
3. durch eine nach dem 1. Jänner 1989 baubehördlich bewilligte oder angezeigte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß oder
4. seit dem 1. Jänner 1989 ununterbrochen als Bauland gewidmet und am 1. Jänner 1989 mit einem baubehördlich bewilligten Gebäude oder Gebäudeteil, ausgenommen solche nach § 18 Abs. 1a Z 1, § 17 Z 8 und § 23 Abs. 3 vorletzter Satz, bebaut war, oder
5. durch eine nach § 15 des Liegenschaftsteilungsgesetzes, BGBl. Nr. 3/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 190/2013, durchgeführte Änderung von Grundstücksgrenzen ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist und nach den damals geltenden Vorschriften Bauplatzeigenschaft besaß, oder
6. durch eine nach dem V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung, durchgeführte Baulandumlegung ganz oder zum Teil aus einem Bauplatz entstanden ist.
Mit dem Wegfall der Baulandwidmung erlischt die Bauplatzeigenschaft im Sinn der Z 2 bis 6.
[…]
§ 38
Aufschließungsabgabe
(1) Dem Eigentümer eines Grundstücks im Bauland ist von der Gemeinde eine Aufschließungsabgabe vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2
1. ein Grundstück oder Grundstücksteil zum Bauplatz (§ 11) erklärt oder
2. eine Baubewilligung für die erstmalige Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage (§ 23 Abs. 3) auf einem Bauplatz nach § 11 Abs. 1 Z 2, 3 und 5 erteilt wird.
Die Errichtung eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage auf einem Bauplatz gilt als erstmalig, wenn auf diesem Bauplatz am 1. Jänner 1970 und danach kein unbefristet bewilligtes Gebäude gestanden ist.
Die Aufschließungsabgabe nach Z 2 ist nicht vorzuschreiben, wenn die Errichtung eines Gebäudes nach § 23 Abs. 3 vorletzter Satz bewilligt wird. Wird auf demselben Bauplatz ein weiteres Gebäude im Sinn des § 23 Abs. 3 erster Satz oder eine großvolumige Anlage errichtet, ist die Abgabe vorzuschreiben.
(2) Der Gemeinderat wird ermächtigt, mit Verordnung für Grundstücke, die
- keine Bauplätze nach § 11 Abs. 1 sind und
- die Voraussetzungen für einen Bauplatz (§ 11 Abs. 2) erfüllen und
- durch eine nach dem 1. Jänner 1997 errichtete Gemeindestraße aufgeschlossen wurden oder werden,
eine Vorauszahlung auf die Aufschließungsabgabe nach Abs. 1 auszuschreiben.
Die Vorauszahlung ist einheitlich für alle durch die Gemeindestraße aufgeschlossenen Grundstücke
- in einer Höhe von 20 % bis 80 % der Aufschließungsabgabe, wenn mit dem Bau der Straße erst begonnen wird,
- in einer Höhe von 10 % bis 40 % der Aufschließungsabgabe, wenn mit dem Bau der Straße schon begonnen wurde,
als Gesamtbetrag oder in Teilbeträgen festzusetzen.
(3) Die Aufschließungsabgabe (A) ist eine einmal zu entrichtende, ausschließliche Gemeindeabgabe nach § 6 Abs. 1 Z 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45/1948 in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012. Die Wahl der Abgabentatbestände kann dabei alternativ vorgenommen werden.
Sie wird aus dem Produkt von Berechnungslänge (BL), Bauklassenkoeffizient (BKK) und Einheitssatz (ES) errechnet:
A = BL x BKK x ES
Bei der Vorschreibung ist jeweils der zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung oder Erteilung der Baubewilligung (Abs. 1) geltende Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz anzuwenden.
Die Vorauszahlung nach Abs. 2 darf
- in Teilbeträgen eingehoben und
- im Falle der Neuerrichtung einer Straße nicht vor Baubeginn fällig gestellt werden.
Bei Vorschreibung einer Aufschließungsabgabe nach Abs. 1 sind die entrichteten Teilbeträge der Vorauszahlung nach Abs. 2 prozentmäßig vom Gesamtbetrag abzuziehen.
(4) Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem Bauplatz flächengleichen Quadrates:
Bauplatzfläche = BF BL = ?BF
(5) Der Bauklassenkoeffizient beträgt:
in der Bauklasse I 1,00 und
bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr,
in Industriegebieten ohne Bauklassenfestlegung 2,00
bei einer Geschoßflächenzahl
- bis zu 0,8 1,5
- bis zu 1,1 1,75
- bis zu 1,5 2,0
- bis zu 2,0 2,5 und
- über 2,0 3,5
Ist eine höchstzulässige Gebäudehöhe festgelegt, ist der Bauklassenkoeffizient von jener Bauklasse abzuleiten, die dieser Gebäudehöhe entspricht. Im Falle einer gleichzeitig festgelegten Geschoßflächenzahl ist jedoch diese für den Bauklassenkoeffizienten maßgeblich.
Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
(6) Der Einheitssatz ist die Summe der durchschnittlichen Herstellungskosten
- einer 3 m breiten Fahrbahnhälfte,
- eines 1,25 m breiten Gehsteiges,
- der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung der Fahrbahnhälfte und des Gehsteiges
pro Laufmeter.
Dabei ist für die Fahrbahn eine mittelschwere Befestigung einschließlich Unterbau und für Fahrbahn und Gehsteig eine dauernd staubfreie Ausführung vorzusehen.
Der Einheitssatz ist mit Verordnung des Gemeinderates festzusetzen.
(7) Frühere Leistungen für den Ausbau der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Beleuchtung einer an den Bauplatz grenzenden Straße sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen, wenn sie erbracht wurden:
1. als Geldleistung auf Grund einer Vereinbarung mit der Gemeinde oder
2. als Arbeits- oder Materialleistung mit Zustimmung der Gemeinde.
Mit Verordnung des Gemeinderates dürfen für einzelne Leistungen nach Z 2 Pauschalsätze in Prozenten der Aufschließungsabgabe festgelegt werden.
Eine Geldleistung nach Z 1 ist auf der Grundlage des Baukostenindexes der Bundesanstalt „Statistik Österreich“ zu jenem Zeitpunkt, in welchem ein Tatbestand nach Abs. 1 erfüllt wird, zu valorisieren.
(7a) Entrichtete Standortabgaben (§ 20 Abs. 9 NÖ ROG 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) sind auf die Aufschließungsabgabe anzurechnen. Abs. 7 letzter Satz gilt sinngemäß.
(8) Die Gemeinde muss eine staubfrei befestigte Fahrbahn für eine neue öffentliche Verkehrsfläche im Bauland herstellen, wenn
- bei einseitiger Bebauung für 70 %,
- bei zweiseitiger Bebauung für 50 %
der Strecke zwischen ihrem Anschluss an das bestehende Straßennetz und dem entferntesten Bauplatz die Abgabe nach Abs. 1 fällig ist. Der Streckenanteil ergibt sich aus der Summe der Länge der Bauplatzgrenzen, die an der Verkehrsfläche liegen.
(9) Die Gemeinde hat die Entrichtung der Aufschließungsabgabe dem Grundbuchsgericht bekanntzugeben, das diese Tatsache im Gutsbestandsblatt ersichtlich zu machen hat.
§ 39
Ergänzungsabgabe
(1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) ist dem Eigentümer mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 bzw. mit Erlassung des Umlegungsbescheides nach § 44 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird.
Eine Vorschreibung hat bei der Vereinigung eines nach § 11 Abs. 1 Z 4 bebauten Grundstücks mit unbebauten Grundstücken nicht zu erfolgen, wenn für den Baubestand erst durch die Vereinigung mit den an einer oder mehreren Seiten anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplans sowie im Hinblick auf den Brandschutz bei (Außen-)Wänden gegenüber einer Grundstücksgrenze nach einer Verordnung der Landesregierung erfüllt würden.
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
Von der Summe der neuen Berechnungslängen wird die Summe der damaligen Berechnungslängen abgezogen. Der Differenzbetrag wird mit dem zur Zeit der Bewilligung der Grenzänderung (§ 10) geltenden Bauklassenkoeffizienten und Einheitssatz multipliziert und das Produkt nach dem Verhältnis der neuen Berechnungslängen auf die neuen Bauplätze aufgeteilt;
z. B. 3 Bauplätze neu (1, 2, 3), 2 Bauplätze alt (a, b)
EA = [(BL1 + BL2 + BL3) – (BLa + BLb)] x BKK x ES
EA/m (Ergänzungsabgabe pro Meter) = EA : (BL1 + BL2 + BL3)
EA für Bauplatz 1 = EA/m x BL1
EA für Bauplatz 2 = EA/m x BL2
EA für Bauplatz 3 = EA/m x BL3
Erfolgt die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe für einen Bauplatz, der durch eine Teilfläche des Grundstücks vergrößert wurde, für das eine Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 vorgeschrieben wurde, sind die entrichteten Teilbeträge anteilsmäßig zu berücksichtigen. Der Anteil ergibt sich aus dem Verhältnis des Ausmaßes der Teilfläche zum Gesamtausmaß der Grundstücksfläche, für die die Vorauszahlung nach § 38 Abs. 2 entrichtet wurde. Bei der Berechnung der auf den Anteil entfallenden Vorauszahlung ist der Einheitssatz, der der Vorschreibung der Ergänzungsabgabe zu Grunde zu legen ist, heranzuziehen.
(2) Erfolgt eine Bauplatzerklärung für einen Grundstücksteil nach § 11 Abs. 5, ist eine Ergänzungsabgabe unter sinngemäßer Anwendung von Abs. 1 vorzuschreiben.
(3) Eine Ergänzungsabgabe ist auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes – ausgenommen Gebäude im Sinn des § 18 Abs. 1a Z 1 – oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und
- bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976 bzw. NÖ Bauordnung 1996, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder
- bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe oder
- anlässlich einer Baubewilligung ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe
vorgeschrieben und bei der Berechnung
- kein oder
- ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient angewendet wurde als jener, der der im Bebauungsplan nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan ist ein Bauklassenkoeffizient von mindestens 1,25 zu berücksichtigen, sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird oder zulässig ist, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde.
Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert:
BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
[…]
2.3. NÖ Bauordnung 1969:
Aufschließungsbeitrag
§ 14.
(1) Die Gemeinde hat aus Anlaß der Grundabteilung einen Beitrag zu den Herstellungskosten der Fahrbahn, des Gehsteiges, der Oberflächenentwässerung und der Straßenbeleuchtung einzuheben. Der Beitrag ist gleichzeitig mit der Bewilligung der Grundabteilung vorzuschreiben und wird drei Monate nach
Rechtskraft des Grundbuchsbeschlusses fällig.
(2) Der Beitrag wird aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz errechnet. Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem durch die Teilung geschaffenen Bauplatz flächengleichen Quadrates.
(3) In der Bauklasse I beträgt der Bauklassenkoeffizient 1,00; er erhöht sich für jede weitere Bauklasse um je 0,25. Für Industriegebiete beträgt der Koeffizient 2,00. …
Fälligkeit der Anliegerleistungen
§ 15.
Die in den §§ 13 und 14 vorgesehenen Anliegerleistungen sind jedenfalls nur einmal zu erbringen, und zwar anläßlich der Grundabteilung. Anläßlich der erstmaligen Bauführung gemäß § 92 Abs.1 Z.1, 2 und 3 sind sie dann zu erbringen, wenn keine Grundabteilung durchgeführt oder Anliegerleistungen bisher nicht erbracht wurden. Die Beiträge nach § 14 können von der Gemeinde auch noch nach vollendeter Bauführung anläßlich der Errichtung der betreffenden Aufschließungsanlagen eingehoben werden.
2.4. NÖ Bauordnung 1996 idF LGBl. 8200-20 (gültig ab 15. September 2011)
Ergänzungsabgabe
§ 39.
(1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10) ist für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn
* für die bisherigen Bauplätze bereits der Höhe nach bestimmte Aufschließungsbeiträge oder -abgaben vorgeschrieben und entrichtet wurden oder
* sie Bauplätze nach § 11 Abs. 1 Z. 2 bis 4 sind und
das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird. …
Die Höhe dieser Ergänzungsabgabe wird wie folgt berechnet:
Von dem zur Zeit der Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten wird der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abgezogen und die Differenz mit der Berechnungslänge und dem zur Zeit der Baubewilligung geltenden Einheitssatz multipliziert:
BKK alt = 1 oder höher
EA = (BKK neu – BKK alt) x BL x ES neu
[…]
2.5. Verordnung der Stadtgemeinde *** idF ab 1. Jänner 2012:
Der Gemeinderat der Stadtgemeinde *** hat mit Beschluss vom 11. Oktober 2011 den Einheitssatz für die Berechnung der Aufschließungsabgabe nach § 38 Abs. 6 der Niederösterreichischen Bauordnung ab 1. Jänner 2012 mit € 450,- festgesetzt.
2.6. NÖ Gemeindeordnung 1973:
§ 36
Gemeindevorstand (Stadtrat)
(1) Dem Gemeindevorstand (Stadtrat) obliegen alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird.
(2) Dem Gemeindevorstand sind insbesondere vorbehalten:
[…]
3. die Gewährung von Zahlungserleichterungen für privatrechtliche Forderungen und für Abgabenschuldigkeiten;
[…]
§ 60
Instanzenzug
(1) Der Instanzenzug in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht
1. gegen Bescheide des Bürgermeisters (des Gemeindeamtes gemäß § 42 Abs. 3) an den Gemeindevorstand (Stadtrat),
2. gegen erstinstanzliche Bescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) an den Gemeinderat
Gegen Berufungsbescheide des Gemeindevorstandes (Stadtrates) nach Z 1 ist eine weitere Berufung unzulässig.
2.7. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:
§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
(2) Eine Revision ist nicht zulässig gegen:
1. Beschlüsse gemäß § 30a Abs. 1, 3, 8 und 9;
2. Beschlüsse gemäß § 30b Abs. 3;
3. Beschlüsse gemäß § 61 Abs. 2.
(3) Gegen verfahrensleitende Beschlüsse ist eine abgesonderte Revision nicht zulässig. Sie können erst in der Revision gegen das die Rechtssache erledigende Erkenntnis angefochten werden.
[…]
(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
3. Erwägungen:
3.1.
Nach § 4 Abs. 1 der von den Verwaltungsbehörden (und dem erkennenden Gericht) anzuwendenden BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Angesichts der Komplexität der Sachlage ist zunächst darauf hinzuweisen, dass aus der rechtlichen Konstruktion der Abgabenschuldverhältnisse folgt, dass dieses bereits mit Verwirklichung eines gesetzlich normierten Abgabentatbestandes entsteht. Der Abgabenbescheid ist seinen wesentlichen Merkmalen nach lediglich feststellender Natur. Er bringt den Abgabenanspruch nicht zum Entstehen, sondern stellt den aus dem Gesetz erwachsenden Anspruch lediglich fest (vgl. VwGH 94/17/0419). Daraus ergibt sich, dass die Abgabenbehörde die Abgabe festzusetzen hat, sobald der Abgabenanspruch entstanden ist. Da sich der Abgabenanspruch der Gemeinde aus der Sicht des Abgabepflichtigen als Abgabenschuld darstellt, ist die Abgabenfestsetzung zulässig, sobald die Abgabenschuld entstanden ist.
3.2.
Gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 beträgt der Bauklassenkoeffizient in der Bauklasse I 1,00 und bei jeder weiteren zulässigen Bauklasse um je 0,25 mehr. Im Baulandbereich ohne Bebauungsplan beträgt der Bauklassenkoeffizient mindestens 1,25 sofern nicht eine Höhe eines Gebäudes bewilligt wird, die einer höheren Bauklasse entspricht als der Bauklasse II. Im vorliegenden Fall wurde keine die Bauklasse II überschreitende Gebäudehöhe bewilligt, sodass von einem Bauklassekoeffizienten von 1,25 auszugehen ist.
3.3.
Gemäß § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 ist eine Ergänzungsabgabe auch vorzuschreiben, wenn mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 eine Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes oder einer großvolumigen Anlage erteilt wird und bei einer Grundabteilung (§ 10 Abs. 1 NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, und NÖ Bauordnung 1976, LGBl. 8200) nach dem 1. Jänner 1970 ein Aufschließungsbeitrag bzw. nach dem 1. Jänner 1989 eine Ergänzungsabgabe oder bei einer Bauplatzerklärung eine Aufschließungsabgabe vorgeschrieben und bei der Berechnung kein oder ein niedrigerer Bauklassenkoeffizient als jener, der der nunmehr höchstzulässigen Bauklasse oder Gebäudehöhe entspricht, angewendet wurde.
Die Ergänzungsabgabe ist aus diesem Anlass auch dann vorzuschreiben, wenn bei einem bebauten Bauplatz noch nie ein Aufschließungsbeitrag, eine Aufschließungsabgabe oder eine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben wurde.
Dass im Jahr 1997 eine Veränderung von Grundstücksgrenzen bei dem verfahrensverhangenen Grundstück erfolgt ist, ist unbestritten.
Von dem zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung (§ 23) anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten war daher der bei der Vorschreibung des Aufschließungsbeitrages bzw. der Aufschließungsabgabe oder der Ergänzungsabgabe angewendete Bauklassenkoeffizient – mindestens jedoch 1 – abzuziehen und die Differenz mit der Berechnungslänge (abgeleitet vom Ausmaß des Bauplatzes zur Zeit der den Abgabentatbestand auslösenden Baubewilligung) und dem zur Zeit dieser Baubewilligung geltenden Einheitssatz zu multiplizieren.
3.4.
Im vorliegenden Fall wurde mit - rechtskräftigem - Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 21. September 2019, Zl. ***, auf dem Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***, ***, ***, die Baubewilligung für die Errichtung von Unterstellplätzen samt Stützmauer und eines Einstellplatzes und einer Niveauveränderung erteilt.
Hervorzuheben ist, dass iSd § 39 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 im Zuge der Änderung der Grundstücksgrenzen im Jahr 1997 keine Ergänzungsabgabe vorgeschrieben worden ist.
Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass kein Bebauungsplan für den Bereich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes verordnet wurde.
Gemäß § 38 Abs. 3 NÖ Bauordnung 2014 wird die Aufschließungsabgabe aus dem Produkt von Berechnungslänge, Bauklassenkoeffizient und Einheitssatz errechnet. Die Berechnungslänge ist die Seite eines mit dem durch die Teilung geschaffenen Bauplatz flächengleichen Quadrates. Nach § 38 Abs. 5 leg.cit. beträgt in der Bauklasse I der Bauklassenkoeffizient 1,00; er erhöht sich für jede weitere Bauklasse um je 0,25. Aus der Legaldefinition des § 4 Z. 5 leg.cit. gilt als Bauklasse im Sinne dieses Gesetzes der für ein bestimmtes Gebiet vorgeschriebene Rahmen der Bebauungshöhe bei Gebäuden. Die Festlegung der Bebauungshöhe in Bauklassen ist Gegenstand des Bebauungsplanes.
Im vorliegenden Beschwerdefall stand weder ein Bebauungsplan noch ein vereinfachter Bebauungsplan für das betreffende Siedlungsgebiet in Kraft. Es ist daher davon auszugehen, dass eine bestimmte Bauklasse in einem Bebauungsplan der Gemeinde rechtswirksam nicht vorgeschrieben war.
Aus den wiedergegebenen gesetzlichen Bestimmungen, an die § 14 NÖ Bauordnung 1969 (und § 14 NÖ Bauordnung 1976) bzw. § 38 NÖ Bauordnung 1996 (und § 38 NÖ Bauordnung 2014) anknüpfen, ergibt sich, dass der Gesetzgeber unter dem Begriff der Bauklasse den Inhalt eines normativen generellen Aktes (arg. Bauklasse als „vorgeschriebener Rahmen der Bebauungshöhe“; Bauklassenfestsetzung als Inhalt des Bebauungsplanes) versteht und nicht auf die in einem bestimmten Gebiet faktisch bestehende Bebauung abstellt (vgl. VwGH vom 2. April 1971, ZI. 1557/70, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, § 14 Abs. 3 NÖ Bauordnung lasse keinen Zweifel darüber aufkommen, dass das Gesetz den anzuwendenden Koeffizienten nicht von der tatsächlich gewählten Gebäudehöhe, sondern von der dem Bebauungsplan zu entnehmenden Bauklasse abhängig macht, und VwGH vom 20. Oktober 1980, Zl. 2968/79).
Diesen Überlegungen folgt, dass die Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 1996 anlässlich der Änderung im Jahre 1997 nicht in Betracht kam, da eine Bauklasse in einem Bebauungsplan oder vereinfachten Bebauungsplan nicht festgelegt war. Demgemäß hätte der Berechnung der Ergänzungsabgabe nur der Bauklassenkoeffizient 1,00 zugrunde gelegt werden dürfen.
Die nächste Bauführung wurde mit dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 21. September 2019, Zl. ***, bewilligt.
Die Bebauung übersteigt nicht die Bauklasse II.
Gemäß § 38 Abs. 5 NÖ Bauordnung 2014 beträgt der Bauklassenkoeffizient im Baulandbereich ohne Bebauungsplan mindestens 1,25. Diesbezüglich ist anzumerken, dass diese Bestimmung erstmals im Zuge der Novelle LGBl. 8200-20, die am 15. September 2011 in Kraft trat, in die NÖ Bauordnung 1996 aufgenommen wurde.
Die Bestimmung des § 39 Abs. 3 der NÖ Bauordnung 2014 ist in Zusammenhang mit § 38 Abs. 5 zu lesen. Der in § 39 Abs. 3 3. Satz NÖ Bauordnung 2014 etablierte Berechnungsmodus für die Ergänzungsabgabe unterstellt die Fiktion, dass ua. für alle bebauten Baulandgrundstücke bereits Beiträge geleistet wurden. Allerdings lässt sich aus der Entstehungsgeschichte der Abgaben nachvollziehen, dass derartiges in etlichen Fällen nicht der Realität entspricht. So gab es beispielsweise für Altbauten (vor 1970) auf Grundstücken, die noch nicht Bestandteil einer „Parzellierung auf Bauplätze“ waren, und Altbauten (seit 1970), in Bereichen, für die zur Zeit der Errichtung noch kein Flächenwidmungsplan vorhanden war, noch keinen Abgabentatbestand. Auch in solchen Fällen, in denen die Ergänzungsabgabe aufgrund eines mit der Novelle LGBl Nr. 53/2018 eingefügten Anlassfalles auf einem Bauplatz, für den noch nie eine Aufschließungsleistung (auch nicht nach der BO für NÖ 1883) verlangt wurde, vorzuschreiben ist, ist sie nach derselben Berechnungsmethode zu ermitteln wie auch bei den bereits vorher geltenden Fällen. Die Berechnung erfolgt sinngemäß, indem von dem im Zeitpunkt des Anlassfalles anzuwendenden Bauklassenkoeffizienten die in der Formel enthaltene Mindestzahl 1 abgezogen wird. Die Ergänzungsabgabe ist damit gleich hoch, da konkrete Vorleistungen (Beträge) in der Formel des § 39 Abs. 1 leg.cit. rechnerisch nicht berücksichtigt werden (vgl. Kienastberger/Stellner-Bichler, NÖ Baurecht 2. Aufl. S. 322 f.)
Letztlich war daher im vorliegenden Fall die Differenz im Bereich des Bauklassekoeffizienten von 0,25 (i.e. heute geltender BKK von 1,25 vermindert um den BKK von 1,00, der im Jahre 1997 bzw. davor anzuwenden gewesen wäre) mit der Berechnungslänge des Bauplatzes und dem zum Zeitpunkt der Bauplatzerklärung geltenden Einheitssatz (€ 450,-) zu multiplizieren.
3.5.
Im Ergebnis haben die Abgabenbehörden der mitbeteiligten Gemeinde dem Grunde nach zu Recht eine Ergänzungsabgabe mit Abgabenbescheid vorgeschrieben (vgl. VwGH 2002/17/0334). In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der Festsetzung von Abgaben nach dem Grundsatz der Zeitbezogenheit von Abgabenvorschriften jene Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, die zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes gegolten hat (vgl. VwGH 2005/17/0055 und VwGH 2005/17/0168). Diesen Überlegungen folgt, dass für das gegenständliche Verfahren der in der maßgeblichen Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde *** ab 1. Jänner 2012 festgelegte Einheitssatz von € 450,- heranzuziehen war.
3.6.
Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich somit, dass der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgericht aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war infolgedessen gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.
3.7. Zur Stundung:
Der Stadtrat ist als Abgabenbehörde erster Instanz für die Gewährung von Zahlungserleichterungen für Abgabenschuldigkeiten zuständig (§ 36 Abs. 2 Z 3 NÖ Gemeindeordnung 1973). Da es sich im gegenständlichen Fall um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde handelt, ist diesbezüglich der Gemeinderat zuständige Berufungsbehörde (§ 60 Abs. 1 Z 2 NÖ Gemeindeordnung 1973). In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden (Artikel 132 Abs. 5 B-VG).
3.8. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht und eine gesicherte und einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die oben auch dargelegt wurde.
Schlagworte
Finanzrecht; Aufschließungsabgabe; Ergänzungsabgabe; Bauklasse; Bebauungsplan;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.835.001.2020Zuletzt aktualisiert am
06.04.2022