Index
L85004 Straßen Oberösterreich;Norm
AVG §42;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der A in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Februar 1996, Zl. BauR - 250586/15 - 1996 Ba/Lg, betreffend Enteignung nach dem Oberösterreichischen Straßengesetz 1991, (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 10. November 1993 beantragte die mitbeteiligte Partei "die dauernde bzw. vorübergehende Enteignung der für den Ausbau der Landesstraße L 546, St. Wolfgangstraße im Baulos "Berau" (km 8,875 bis km 9,305) erforderlichen Grundflächen" von der Beschwerdeführerin "in jenem Umfange, wie er in den angeschlossenen Grundeinlösungsplänen dargestellt ist, und aller auf diesen lastenden Dienstbarkeiten und sonstigen Rechte". Eine Verordnung nach § 11 Oö. Straßengesetz 1991 sei für diese Baumaßnahme nicht erforderlich.
Die St. Wolfgang Landesstraße weist im Baulos "Berau" eine durchschnittliche Fahrbahnbreite von 6 m auf und ist der einzig mögliche Verkehrsweg, der Bad Ischl bzw. Strobl mit St. Wolfgang verbindet. Auf diesem Abschnitt besteht ein erhöhtes Verkehrsaufkommen, das besonders durch Touristenbusse verursacht wird. Da in diesem Bereich kein Gehsteig vorhanden ist, sind die Fußgänger gezwungen, die Fahrbahn mitzubenützen. Die Verkehrsbelastung beträgt in diesem Bereich ca. 3500 Kfz/24h mit einem LKW-Anteil von ca. 8 Prozent. Mit dem dem obzitierten Antrag zugrundeliegenden Straßenbauprojekt ist beabsichtigt, diese ungünstigen Verkehrsverhältnisse für den Verkehr und die Fußgänger durch Errichtung eines Gehsteiges zu beseitigen. Zur Realisierung dieses Projektes werden von dem im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundstück Nr. n1 der Liegenschaft EZ nn1, KG St. Wolfgang, welches im Süden an die L 546 (St. Wolfgang Landesstraße) grenzt, 94 m2 Bauland dauernd und 286 m2 Grünland vorübergehend benötigt.
Privatrechtliche Vereinbarungen zwischen der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei kamen nicht zustande.
In der für den 5. Oktober 1995 anberaumten mündlichen Verhandlung brachte die unter Androhung der Rechtsfolgen des § 42 AVG persönlich geladene Beschwerdeführerin zur Notwendigkeit, zum Gegenstand und Umfang der von der mitbeteiligten Partei beantragten Enteignung nichts vor. Dem Protokoll der Verhandlungsschrift ist zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin keine Einwendung erhoben und nur gefordert hat, der beabsichtigten Enteignung nur zuzustimmen, wenn ihr die Marktgemeinde St. Wolfgang für den Verlust der projektsgemäß zu enteignenden Grundflächen ein gleich großes Grundstück anbietet und ein ca. 1 m hoher Maschendrahtzaun zwischen ihrem Grundstück und dem an dieses östlich angrenzenden Grundstück Nr. n2 der Marktgemeinde St. Wolfgang errichtet wird. Die Beschwerdeführerin entfernte sich ohne Unterfertigung des Protokolls vor Schluß der Verhandlung.
Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 15. Februar 1996 wurden die von der mitbeteiligten Partei beanspruchten Grundstücksteile der Beschwerdeführerin nach Maßgabe der bei der mündlichen Verhandlung vorgelegenen Planunterlagen des Dipl.-Ing. H gemäß §§ 35 und 36
Oö. Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84 i.d.F. LGBl. Nr. 111/1993, antragsgemäß enteignet (Spruchpunkt I), der Beschwerdeführerin eine Gesamtentschädigung in der Höhe von S 32.897,-- zugesprochen (Spruchpunkt II) und im Spruchpunkt III ausgesprochen, daß die Inbesitznahme der enteigneten Grundflächen durch die mitbeteiligte Partei von der durch die Baumaßnahmen betroffenen Beschwerdeführerin nach Rechtskraft dieses Bescheides und Auszahlung bzw. gerichtlicher Hinterlegung der Enteignungsentschädigung jederzeit zu dulden sei. Gegenstand, Notwendigkeit und Umfang der Enteignung ergebe sich aus den vorgelegten Einreichunterlagen und dem Gutachten des der mündlichen Verhandlung beigezogenen technischen Amtssachverständigen. Die Notwendigkeit der beantragten Grundinanspruchname sei von der Beschwerdeführerin nicht bestritten worden, weshalb sich eine nähere Auseinandersetzung mit den für eine Enteignung notwendigen Voraussetzungen erübrige. Das der Enteignung zugrundeliegende Projekt erfülle das Tatbestandsmerkmal der Notwendigkeit, weil damit nicht nur die Verkehrssicherheit für die Fußgänger, sondern auch für den Fahrzeugverkehr erhöht werde. Damit sei auch das öffentliche Interesse an diesem Straßenbauvorhaben dokumentiert.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem Vorbringen zufolge in dem Recht auf Abstandnahme von der beantragten Enteignung verletzt. Sie macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 Oö. Straßengesetz 1991, LGBl. Nr. 84/1991 i.d.F. LGBl. Nr. 111/1993, regelt dieses Landesgesetz die Verwaltung von öffentlichen Straßen mit Ausnahme der Bundesstraßen in Oberösterreich.
Gemäß § 2 Abs. 1 leg. cit. sind Straßen im Sinne dieses Landesgesetzes Grundflächen, die ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung (Straße, Weg, Platz und dgl.) dem bestimmungsgemäßen Verkehr von Menschen, Fahrzeugen und Tieren dienen oder dienen sollen.
Gemäß Abs. 2 Z. 1 dieser Gesetzesstelle sind Bestandteile einer Straße die unmittelbar dem Verkehr dienenden Anlagen, wie Fahrbahnen, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Radfahrstreifen, Geh- und Radwege, Parkplätze, Abstellflächen, Haltestellenbuchten, Bankette und der Grenzabfertigung dienende Flächen.
Gemäß Abs. 5 dieses Paragraphen ist Bau einer öffentlichen Straße der Neubau, die Umlegung oder der Umbau einer öffentlichen Straße.
Gemäß Abs. 8 dieses Paragraphen ist Umbau einer öffentlichen Straße die Änderung ihrer Anlageverhältnisse; dazu gehören insbesondere Verbreiterungen, Verschmälerungen und Änderungen der Höhenlage, nicht jedoch reine Erhaltungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung, durch die die Höhenlage und Breite der Straße geringfügig verändert werden.
Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. ist Behörde im Sinne dieses Landesgesetzes, sofern nicht ausdrücklich anderes geregelt ist, in Angelegenheiten, die Verkehrsflächen des Landes betreffen, die Landesregierung.
Gemäß § 31 Abs. 1 leg. cit. ist für den Bau einer öffentlichen Straße (§ 2 Abs. 5) eine Bewilligung der Behörde erforderlich. Eine Bewilligung ist nicht erforderlich für den Bau von Verkehrsflächen gemäß § 8 Abs. 2 Z. 4 sowie für Umbaumaßnahmen, durch die die Anlageverhältnisse nur unwesentlich verändert und die Schutzgüter des § 13 Abs. 1 sowie fremde Rechte nur in einem geringfügigen Ausmaß berührt werden, wie z.B. für
1. die Errichtung von Gehsteigen oder Radfahrwegen an öffentlichen Straßen
...
Das Bestehen oder Nichtbestehen der Bewilligungspflicht im Einzelfall ist auf Antrag der Straßenverwaltung oder der Oö. Umweltanwaltschaft von der Behörde bescheidmäßig festzustellen.
Gemäß § 35 Abs. 1 leg. cit. kann für den Bau einer öffentlichen Straße das Eigentum an Grundstücken oder die dauernde oder zeitweilige Einräumung, Einschränkung oder Aufhebung von dinglichen und obligatorischen Rechten an solchen im Wege der Enteignung in Anspruch genommen werden. Auch die für die Anlage von Ablagerungsplätzen, Zufahrten, Bauhöfen und anderen Baulichkeiten, wie Steumaterialsilos, sowie die zur Aufrechterhaltung von Verkehrsbeziehungen und zur Entnahme von Straßenbaumaterial notwendigen Grundstücke können im Wege der Enteignung erworben werden. Für den Bau einer Straße, die einer Bewilligung nach § 32 bedarf, darf die Enteignung nur nach Maßgabe dieser Bewilligung erfolgen. Auch für die Übernahme von bestehenden öffentlichen Straßen können das Eigentum und die erforderlichen Dienstbarkeiten (§ 5 Abs. 1) durch Enteignung in Anspruch genommen werden.
Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen ist zu Enteignender der Eigentümer des Gegenstandes der Enteignung, weiters ein anderer dinglich Berechtigter, wenn das dingliche Recht mit einem nicht der Enteignung unterworfenen Gegenstand verbunden ist sowie der dinglich und obligatorisch Berechtigte, sofern dieses Recht für sich allein Gegenstand der Enteignung ist.
Gemäß § 36 Abs. 1 leg. cit. ist um die Enteignung unter Vorlage der zur Beurteilung der Angelegenheit erforderlichen Pläne und sonstigen Behelfe, insbesondere eines Verzeichnisses der hievon betroffenen Personen, der beanspruchten dinglichen Rechte und des voraussichtlichen Ausmaßes der beanspruchten Grundfläche sowie der erforderlichen Grundbuchsauszüge, die nicht älter als drei Monate sind, bei der Behörde anzusuchen. Zudem hat die antragstellende Straßenverwaltung glaubhaft zu machen, daß sie in offensichtlich geeigneter Weise, aber erfolglos, versucht hat, eine entsprechende privatrechtliche Vereinbarung über die Grundabtretung zu erwirken.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand oder Umfang der Enteignung die Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 137/1975 (EisEG), wobei auch auf die Wirtschaftlichkeit der Bauausführung Bedacht zu nehmen ist.
Gemäß § 15 Abs. 1 EisEG ist vom Verhandlungsleiter der Tag, an dem die Erhebungen in einer Gemeinde voraussichtlich beginnen, zu bestimmen und in der Gemeinde in ortsüblicher Weise bekanntzugeben. Zwischen dieser Bekanntmachung und dem Beginn der Erhebung muß mindestens ein Zeitraum von acht Tagen verstreichen.
Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle sind alle, die bei der Bezirksverwaltungsbehörde rechtzeitig Einwendungen erhoben haben, besonders zur Verhandlung zu laden.
Gemäß Abs. 3 dieser Gesetzesstelle steht es jedem frei, bei den Erhebungen zu erscheinen und Einwendungen gegen die begehrte Enteignung vorzubringen.
Gemäß Abs. 4 dieses Paragraphen bleiben Einwendungen, die nach Abschluß der Erhebungen in der Gemeinde vorgebracht werden, unberücksichtigt.
Der Enteignungsgegner bringt Einwendungen im Sinne des § 42 AVG schon dann vor, wenn er sich gegen den Eingriff in sein Eigentum schlechthin wendet, daß heißt sich dagegen ausspricht. Eine ausdrückliche Bezeichnung des Rechtes, dessen Verletzung behauptet wird, ist nicht erforderlich, weil keine Unklarheit darüber bestehen kann, daß der Enteignungsgegner das nur allein in Betracht kommende dingliche Recht meint. Schon die bloße Erklärung eines Antragsgegners, sich gegen die geplante, ihm drohende Enteignung auszusprechen, ist genügend konkretisiert (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 4. Februar 1975, Zl. 1677/74). Jedenfalls erfordert aber eine Einwendung in diesem Sinne eine Erklärung eines Antragsgegners, sich gegen die geplante, ihm drohende Enteignung auszusprechen. Wie bereits ausgeführt worden ist, ist dem Protokoll der Verhandlungsschrift zu entnehmen, daß die Beschwerdeführerin keine Einwendungen gegen die Enteignung erhoben, sondern nur gefordert hat, die Marktgemeinde St. Wolfgang möge ihr für den Verlust der projektsgemäß zu enteignenden Grundfläche ein gleich großes Grundstück anbieten und einen ca. 1 m hohen Maschendrahtzaun zwischen ihrem Grundstück und dem an dieses östlich angrenzenden Grundstück Nr. n2 der Marktgemeinde St. Wolfgang errichten. Das diesbezügliche Vorbringen bezieht sich somit ausschließlich auf die Höhe der gleichzeitig mit der Enteignung auszusprechenden Entschädigung.
Entgegen den Beschwerdeausführungen hat die belangte Behörde die Notwendigkeit der Enteignung unter Hinweis auf die hg. Rechtsprechung (Erkenntnis vom 28. Juni 1979, Zlen. 2709 und 2711/78) in einer dem § 60 AVG entsprechenden Weise begründet. Dem schlüssigen Gutachten des technischen Amtssachverständigen, welches von der belangten Behörde als Grundlage ihrer Entscheidung herangezogen worden ist, ist die Beschwerdeführerin im verwaltungsbehördlichen Verfahren auf gleicher fachlicher Ebene nicht entgegengetreten. Auch in der Beschwerde werden keine Bedenken gegen die Schlüssigkeit dieses Gutachtens vorgebracht.
Mit ihrem Vorbringen unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, ihr Grundstück Nr. n1 sei nunmehr vom öffentlichen Gut abgeschnitten und könne künftighin überhaupt nicht mehr genutzt werden, entfernt sich die Beschwerdeführerin vom Gegenstand des angefochtenen Bescheides, weshalb der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner auf den angefochtenen Bescheid beschränkten Prüfungsbefugnis auf dieses Vorbringen nicht näher eingehen kann.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996050095.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
01.01.2009