TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/29 V71/94

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Veröffentlicht am 29.06.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 03.10.89, mit der ein weiteres Aufschließungsgebiet innerhalb des Baulandes festgelegt wird
Krnt GemeindeplanungsG 1982 §2 Abs11

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Festlegung zweier als Bauland-Kurgebiet gewidmeten Grundstücke als Aufschließungsgebiet wegen Widerspruchs zum Krnt GemeindeplanungsG 1982; mangelnde gesetzliche Grundlage für die Festlegung eines Aufschließungsgebietes zur Sicherung einer geplanten Umwidmung der Grundstücke durch Verhinderung einer nach der bestehenden Widmung zulässigen, jedoch mit der in Aussicht genommenen (Sonder-)Widmung nicht im Einklang stehenden Bebauung

Spruch

Die Wendung "KG Krumpendorf: Parzelle 55/3, 62/1" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 3. Oktober 1989, Zl. 1042/1/89-I, mit der ein weiteres Aufschließungsgebiet innerhalb des Baulandes festgelegt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See in der Zeit vom 4. bis 25. Oktober 1989, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Kärntner Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B182/91 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Kärntner Landesregierung anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:

Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin zweier Grundstücke, die Teil einer im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See als Bauland-Kurgebiet iS des §2 Abs5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982, LGBl. 51, festgelegten Fläche sind.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses auf den beiden Grundstücken unter Berufung auf die Festlegung dieser Grundstücke als Aufschließungsgebiet abgewiesen.

Der Gemeindevorstand der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See wies die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Bürgermeisters, die Kärntner Landesregierung die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes als unbegründet ab.

2. Aus Anlaß der gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung gerichteten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof beschlossen, von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG die Gesetzmäßigkeit der Wendung "KG Krumpendorf:

Parzelle 55/3, 62/1" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 3. Oktober 1989, Zl. 1042/1/89-I, mit der ein weiteres Aufschließungsgebiet innerhalb des Baulandes festgelegt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel des Gemeindeamtes der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See in der Zeit vom 4. bis 25. Oktober 1989, von Amts wegen zu prüfen.

Der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See hat in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung verteidigt.

Die Kärntner Landesregierung hat in ihrer Äußerung die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnungsbestimmung geteilt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Aus den Verwaltungsakten ergibt sich folgender für das Verordnungsprüfungsverfahren relevanter Sachverhalt:

Mit Kundmachung des Bürgermeisters der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 16. August 1989 wurde unter Berufung auf §9 (iVm §7) des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 die Absicht bekanntgegeben, ua. die in Rede stehenden Grundstücke von Bauland-Kurgebiet in Bauland-Kurgebiet, Sonderwidmung "Einrichtungen für den Fremdenverkehr einschließlich Hotel/Pension" umzuwidmen.

Nach dem dieser Kundmachung zugrunde liegenden Amtsvortrag sollte die geplante Umwidmung dazu dienen, die im Gebiet der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See südlich der Bahnlinie gelegenen unverbauten Flächen als "Vorbehaltsflächen für Einrichtungen des Fremdenverkehrs, Motels und Pensionen etc." zu sichern. Aus dem Amtsvortrag geht die Absicht hervor, bis zum Inkrafttreten eines in Aussicht genommenen "Ortsentwicklungskonzeptes" und eines im Zusammenhang damit zu erlassenden neuen Flächenwidmungsplanes "durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, daß irreparable Beeinträchtigungen durch nicht den angeführten Zielen entsprechende Bauten erfolgen", insbesondere "die Verbauung des seenahen Bereiches vorläufig" zu verhindern.

Die Beschwerdeführerin brachte gegen die beabsichtigte Änderung des Flächenwidmungsplanes mit Eingabe vom 13. September 1989 Einwendungen vor. Bereits mit Eingabe vom 4. September 1989 hatte sie den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit sechs Drei-Zimmer-Wohnungen und vier Zwei-Zimmer-Wohnungen auf den beiden Grundstücken gestellt.

In der Folge beschloß der Gemeinderat in seiner Sitzung am 3. Oktober 1989 unter Berufung auf §2 Abs11 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 die Verordnung, mit der ein weiteres Aufschließungsgebiet innerhalb des Gemeindegebietes festgelegt wird. Mit dieser Verordnung, die in der Zeit vom

4. bis 25. Oktober 1989 an der Amtstafel des Gemeindeamtes angeschlagen war und die gemäß §15 Abs1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, LGBl. 11, in der maßgeblichen Fassung, nach Ablauf des 4. Oktober 1989 in Kraft getreten ist, wurden ua. die beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin als Aufschließungsgebiet festgelegt.

In der Sitzung des Gemeinderates am 24. Oktober 1989 wurde die beabsichtigte Umwidmung zurückgestellt und beschlossen, "daß bis zu einer Gesamtplanung der Ortsentwicklung das Aufschließungsgebiet belassen werden soll". Ein Auftrag zur Neuerstellung des Flächenwidmungsplanes wurde vom Gemeinderat in seiner Sitzung am 18. Dezember 1989 genehmigt.

2.a) In dem das Verordnungsprüfungsverfahren einleitenden Beschluß ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß die Beschwerde zulässig sei und er daher in der Sache selbst zu entscheiden hätte. Er nahm ferner aus folgenden Erwägungen an, daß er bei der Entscheidung über die Beschwerde die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung anzuwenden hätte:

"Die Kärntner Landesregierung begründete ihren die Vorstellung der Beschwerdeführerin abweisenden Bescheid allein damit, daß der beantragten Erteilung der Baubewilligung die mit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 3. Oktober 1989 vorgenommene Festlegung (auch) der beiden Grundstücke, auf denen das geplante Gebäude errichtet werden soll, als Aufschließungsgebiet entgegenstehe: Nach §11 Abs2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 dürften in den als Aufschließungsgebiete festgelegten Flächen des Baulandes keine landesgesetzlich vorgesehenen Bewilligungen (ua.) zur Errichtung von Gebäuden erteilt werden. Da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid - dem Wortlaut seiner Begründung zufolge - ausdrücklich (auch) auf die gegenständliche Verordnung gestützt hat (und dies, wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig annimmt, in denkmöglicher Weise tun konnte), dürfte auch der Verfassungsgerichtshof diese Verordnung, soweit sie die beschwerdegegenständlichen Grundstücke als Aufschließungsgebiet festlegt, bei der Entscheidung über die vorliegende Beschwerde anzuwenden haben. In diesem Umfang dürfte die Verordnung iS des Art139 Abs1 B-VG präjudiziell sein."

b) Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, daß die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung unzutreffend wären. Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens seine Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Wendung "KG Krumpendorf: Parzelle 55/3, 62/1" in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 3. Oktober 1989, mit der ein weiteres Aufschließungsgebiet innerhalb des Baulandes festgelegt wird, folgendermaßen umschrieben:

"Beide Grundstücke liegen in einem Gebiet, das nach dem geltenden Flächenwidmungsplan der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See als Bauland, und zwar als Kurgebiet iS des §2 Abs5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 festgelegt ist. Nach dem ersten Satz dieser Bestimmung sind als Kurgebiete jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude von Gast- und Beherbergungsbetrieben, im übrigen aber für Wohngebäude und für Einrichtungen und Gebäude, die dem Fremdenverkehr dienen, bestimmt sind, und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Kurgebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelästigung mit sich bringen. Die in Rede stehenden Grundstücke wurden erst durch die in Prüfung gezogene Bestimmung der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See, die sich ihrer Präambel zufolge ausdrücklich auf §2 Abs11 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 stützt, als Aufschließungsgebiet festgelegt. Nach dieser Bestimmung hat der Gemeinderat durch Verordnung innerhalb des Baulandes jene Flächen als Aufschließungsgebiete festzulegen, deren widmungsgemäßer Verwendung zum Zeitpunkt der Planerstellung wegen ihrer ungenügenden Erschließung öffentliche Rücksichten entgegenstehen (lita) oder für deren widmungsgemäße Verwendung kein allgemeiner unmittelbarer Bedarf besteht (litb). §2 Abs12 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 verpflichtet den Gemeinderat, die Bezeichnung von Bauland als Aufschließungsgebiet aufzuheben, wenn der Grund für diese Festlegung weggefallen ist. Gemäß §11 Abs2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 dürfen in den als Aufschließungsgebiet festgelegten Flächen insbesondere keine landesgesetzlich vorgesehenen Bewilligungen zur Errichtung von Gebäuden erteilt werden. Damit kommt die Festlegung als Aufschließungsgebiet, insbesondere was die Errichtung von Gebäuden betrifft, der Verfügung einer Bausperre gleich.

Für die Festlegung von Bauland enthält insbesondere §1 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 grundlegende Bestimmungen: Danach hat der Gemeinderat durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan zu erlassen, durch den das Gemeindegebiet in Bauland, Grünland und in Verkehrsflächen gegliedert wird. Bei dieser Gliederung sind ua. die voraussehbaren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernisse in der Gemeinde zu beachten. Nach §2 Abs1 erster Satz des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 sind als Bauland nur Gebiete festzulegen, die für die Bebauung geeignet sind. Nicht als Bauland vorzusehen sind ua. Gebiete, deren Erschließung unwirtschaftliche Aufwendungen für die Wasserversorgung, für die Abwasserbeseitigung, für die Stromversorgung oder für die Verkehrserschließung erforderlich machen würde (§2 Abs1 zweiter Satz des Gemeindeplanungsgesetzes 1982).

Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, daß die mit der Verordnung vom 3. Oktober 1989 vorgenommene Festlegung der hier in Rede stehenden Grundstücke als Aufschließungsgebiet in §2 Abs11 lita des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 (einer widmungsgemäßen Verwendung dieser Grundstücke wegen ihrer ungenügenden Erschließung entgegenstehende öffentliche Rücksichten) offenkundig keine Deckung hat und daß die betreffende Verordnung tatsächlich nicht auf diese Bestimmung, sondern ausschließlich auf §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 gestützt wurde.

Es scheint jedoch, daß auch diese Bestimmung keine iS des Art18 B-VG ausreichende gesetzliche Grundlage für die Verordnung bildet.

Diese Vorschrift dürfte nämlich nur in Fällen anwendbar sein, in denen für die widmungsgemäße Verwendung von bestimmten, unter Bedachtnahme auf §1 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982, also unter Berücksichtigung des voraussehbaren Baulandbedarfes, als Bauland festgelegten Flächen (noch) kein allgemeiner unmittelbarer Bedarf besteht. Es scheint nun keinen Anhaltspunkt dafür zu geben, daß diese Voraussetzung auf die beiden Grundstücke der Beschwerdeführerin zutrifft. Diese waren anscheinend bereits seit der Erlassung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1964 als Bauland-Kurgebiet gewidmet. Ihrer widmungsgemäßen Bebauung dürfte daher in diesem gesamten Zeitraum kein rechtliches Hindernis entgegengestanden sein. Vielmehr scheint nach dem aus den Akten ersichtlichen Verwaltungsgeschehen die Festlegung dieser Grundstücke als Aufschließungsgebiet - in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einbringung eines Bauansuchens - allein deshalb erfolgt zu sein, um eine Bebauung dieser Grundstücke - insbesondere die von der Beschwerdeführerin geplante Errichtung eines Wohnhauses -, die der von der Gemeinde in Aussicht genommenen geänderten Widmung dieser Grundstücke zuwiderläuft zu verhindern.

Der Verfassungsgerichtshof ist nun im Rahmen der hier vorzunehmenden vorläufigen Beurteilung der Auffassung, daß es ausgeschlossen ist, die Festlegung einer Fläche als Aufschließungsgebiet iS des §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 in rechtlich zulässiger Weise in den Dienst der Sicherung der Realisierbarkeit von Planungsabsichten, insbesondere der Änderung von Flächenwidmungsplänen, zu stellen.

Somit dürfte §1 der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See vom 3. Oktober 1989, soweit diese Bestimmung die beschwerdegegenständlichen Grundstücke als Aufschließungsgebiet festlegt, schon aus dem angeführten Grund mit Gesetzwidrigkeit belastet sein."

4. Der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See verteidigt die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung mit folgenden Ausführungen:

"1. Die Verordnung des Gemeinderates, Zl. 1042/1/89-I, mit der die Parzellen 55/3 und 62/1 KG Krumpendorf als Aufschließungsgebiet festgelegt wurden, wurde am 3.10.1989 beschlossen. Vorangegangen ist das Kundmachungsverfahren (16.8.1989) zur Festlegung einer "Sonderwidmung" dieser Grundstücke und wurde diese Absicht den Eigentümern mitgeteilt. Offensichtlich aus diesem Grunde wurde danach am 4.9.1989 der Antrag um Erteilung einer Baubewilligung gestellt.

Daß der Verordnungsbeschluß erst nach der Antragstellung erfolgt ist, liegt im gesetzlichen Widmungs-(Änderungs-)verfahren (Fristen) begründet. Grundsätzlich kann aber der Umstand, daß eine Gemeinde, erst durch ein konkretes Vorhaben veranlaßt, eine Reglementierung bewirkt, keine Rechtsverletzung darstellen.

2. Der zitierte Amtsvortrag des Amtsleiters der Gemeinde zeigt die generelle Problematik der Beeinträchtigung der Fremdenverkehrsbereiche durch Wohnbauten (Interessenskonflikte) auf, war jedoch nicht die konkrete Grundlage für die Beschlußfassung im Gemeinderat. Er regt die Überprüfung des Flächenwidmungsplanes und die Erarbeitung eines örtlichen Entwicklungskonzeptes einschließlich flankierender Maßnahmen an.

3. Die in Prüfung gezogene Verordnung des Gemeinderates bezieht sich ausdrücklich auf §2 Abs11 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982, LGBl. Nr. 51/1982 und dabei - wenn auch nicht ausdrücklich angeführt, auf Punkt b leg. cit. Die zitierte Bestimmung stellt nach ihrer Formulierung - im Gegensatz zu Absa - nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt (der Planerstellung) ab. Es ist daher grundsätzlich möglich, in begründeten Fällen Aufschließungsgebiete jederzeit festzulegen.

4. Es ist allgemein bekannt, daß die Gemeinden insgesamt beträchtliche Baulandflächen gewidmet haben, die nunmehr im Zuge der Erstellung der Entwicklungskonzepte überprüft und eingeschränkt werden sollen. Wenn auch 1989 die Detailunterlagen noch nicht vorlagen, war doch bereits offenkundig, daß Krumpendorf über übermäßige Baulandreserven verfügt. Dies hat dazu geführt, daß der Gemeinderat insgesamt ca. 60 Grundstücke mit einer Fläche von 17,08 ha als Aufschließungsgebiet festgelegt hat. Von der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nicht gesprochen werden, da - unabhängig vom Beschlußdatum - eine Mehrzahl von Grundeigentümern betroffen ist.

5. Der unter 4. aufgezeigte Sachverhalt wird durch nachstehende Unterlagen, welche im Zuge der Erstellung des Ortsentwicklungskonzeptes erarbeitet wurden, bestätigt.

a) Strukturanalyse: weist Baulandressourcen für einen Zeitraum von ca. 100 Jahren aus. Lediglich 55 % des gewidmeten Baulandes von insgesamt ca. 207 ha sind bebaut (Anlage 1).

b) Baulandbilanz: weist 45 % ebenfalls als unbebaut aus. Im besonderen ist der große Baulandüberhang für Krumpendorf-Süd dargestellt. Auch scheint die Intention auf, den südlich der Bahntrasse befindlichen Ortsraum alleine als Kurgebiet (=Fremdenverkehr) zu nutzen (Anlage 2).

c) Bevölkerungsstruktur: Es ist ersichtlich, daß Krumpendorf seit 1981 lediglich jährlich um 18 Personen zugenommen hat (Anlage 3). Laut statistischem Handbuch des Landes Kärnten wurden in Krumpendorf 1992 nur 6 Häuser mit 7 Wohnungen bewilligt. Von 1951 (2250) bis 1991 (2737) war nur eine Zunahme von 487 Einwohnern zu verzeichnen (22 % in 40 Jahren).

d) Häuser- und Wohnungszählung 1991: weist für Krumpendorf Neben- bzw. Zweitwohnsitze im beträchtlichen Ausmaß von 26,3 % aus (Anlage 4).

6. Aus den angeführten Unterlagen ist eindeutig ersichtlich, daß in Krumpendorf nicht für alle baulandgewidmeten Flächen ein allgemein unmittelbarer Bedarf für deren widmungsgemäßer Verwendung gegeben ist bzw. sein kann. Es muß daher, um das verfassungsmäßige Recht der Gemeinde auf örtliche Raumplanung zu gewährleisten, auch möglich sein, restriktive Festlegungen zu treffen. Der Umstand, daß ein allfällig gewünschter Nebeneffekt (Verhinderung von Wohnbauten im ausgesprochenen Fremdenverkehrsgebiet) erzielt wird, kann die Rechtmäßigkeit der Beschlußfassung von Aufschließungsgebieten mangels gegebenen Bedarfes nicht in Frage stellen.

Die Formulierung des §2 Abs11 b leg. cit. schließt offensichtlich nicht aus, daß auch für den Fall, daß im Kurgebiet ein nicht gegebener allgemeiner unmittelbarer Bedarf an Wohnbauten festzustellen ist, eine Festlegung als Aufschließungsgebiet erfolgt.

7. Aus den eingereichten Bauplänen war ersichtlich, daß - aufgrund der geplanten Wohnungsgrößen - eher Kleinwohnungen als Zweitwohnungen geschaffen werden sollten. Dies steht in ausgesprochenem Gegensatz zu den Intentionen der Fremdenverkehrsgemeinde Krumpendorf und widerspricht der ständigen Praxis seit Jahren, insbesonders den südlichen Bereich der Gemeinde dem Fremdenverkehr vorzubehalten, bzw. in diesem den Fremdenverkehr zu forcieren.

Das angeführte Wollen der Gemeinde entspricht den entwicklungsmäßigen Festlegungen des Landesgesetzgebers, der für Krumpendorf festlegt, daß "... unter Bedachtnahme auf die Belastbarkeit des Naturhaushaltes und die Erhaltung der Landschaft der Funktion als Fremdenverkehrs-Schwerpunkt in bestmöglicher Weise Rechnung getragen werden kann". Diese Zielformulierung impliziert, daß der Wörthersee und der daran anschließende Uferbereich als tragender Faktor des Fremdenverkehrs, soweit möglich, der Allgemeinheit und somit auch den Gästen zugänglich bleiben soll. Soweit nicht überhaupt eine Freihaltung des ufernahen Bereiches Platz greifen kann, ist daher eine solche Nutzung anzustreben, welche zumindest eine beschränkte öffentliche Zugänglichkeit erlaubt. Im Gegensatz zu einer Wohnbebauung (Dauer- und Zweitwohnsitze) kann diese Zielsetzung am ehesten durch Gast- und Beherbergungsbetriebe erfüllt werden.

Anzumerken ist schließlich, daß die Einreichsunterlagen und die Anzahl der Einheiten die Behauptung der Beschwerdeführerin, die neugeschaffenen Wohnungen als Hauptwohnsitze der Familienangehörigen verwenden zu wollen, nicht bestätigen (Kleinheit der Wohneinheiten). Bestätigt werden kann dies damit, daß die Gemeinde Krumpendorf im Vorjahr von einer Baugesellschaft errichtete Kleinwohnungen ähnlicher Art erst nach mehrfachem Bemühen vergeben konnte.

Bereits in der Gegenschrift im do. Verfahren Zl. 182/91-4 (E S gegen Amt der Kärntner Landesregierung Zl. 8BauR1-348/2/90) hat die Gemeinde Krumpendorf unter Punkt 1. darauf hingewiesen, daß ein unmittelbarer örtlicher Bedarf an Kleinwohnungen örtlich nicht gegeben ist. Es kann davon ausgegangen werden, daß - wie in letzter Zeit vermehrt feststellbar - die nicht familiengerechten Kleinwohnungen als Zweitwohnungen vergeben/verkauft werden sollen.

8. Die beiden Grundstücke sind zumindest seit 1964 als Bauland gewidmet (Erstellung des Flächenwidmungsplanes) und seit 1974 Eigentum der Beschwerdeführer.

Selbst wenn man unzulässigerweise den "unmittelbaren Bedarf" personenbezogen interpretieren wollte, kann ein solcher (für Kleinwohnungen) nicht ersehen werden.

Die beiliegenden Photos zeigen das Areal im verwachsenen bereits Waldflächen darstellenden Zustand (Anlage 5).

9. Daß der Gemeinderat die angewendete und empfohlene Festlegung, südlich der ÖBB-Linie nur mehr fremdenverkehrsbezogene Bauten zuzulassen, auch beschlußmäßig treffen wird, ist aufgrund der bisherigen Beschlüsse und Beratungsergebnisse abzusehen. Die entsprechenden Beschlüsse sind im Rahmen der Erstellung/Verbindlicherklärung des Ortsentwicklungskonzeptes zu fassen.

10. Die Sitzungsprotokolle der Gemeindegremien sind Resümee-Protokolle, in denen Argumente und Rechtsgrundlagen teilweise nur in geraffter Form aufscheinen. Im gegenständlichen Fall war den Gemeinderatsmitgliedern die örtliche Lage und die Aufschließungsvoraussetzungen der Parzellen bekannt, sodaß nur §2 Abs11 litb leg. cit. Grundlage des Beschlusses sein konnte. Ebenso war der Umstand, daß übermäßige Baulandreserven vorhanden sind, offenkundig.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der Gemeinderat der Gemeinde Krumpendorf die Aufschließungsgebiete im Sinne des §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 auch deshalb festgelgt hat, um die zugordnete Verbauung der beträchtlichen Baulandüberhänge mangels gegebenen allgemeinen unmittelbaren Bedarfes zu verhindern. Der Gemeinderat hat daher dem gesetzlichen Auftrag des §2 Abs11 entsprochen, wonach der Gemeinderat - bei gegebenen Voraussetzungen - Aufschließungsgebiete festzulegen hat."

5. Die Kärntner Landesregierung teilt in einer Äußerung im Ergebnis die vom Verfassungsgerichtshof im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens geäußerte Auffassung, daß die Festlegung einer Fläche als Aufschließungsgebiet iS des §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 nicht in rechtlich zulässiger Weise in den Dienst der Sicherung der Realisierbarkeit von Planungsabsichten, insbesondere der Änderung von Flächenwidmungsplänen, gestellt werden darf.

6. Das Verordnungsprüfungsverfahren hat nichts ergeben, was die im Beschluß über die Einleitung dieses Verfahrens dargelegten Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung entkräftet hätte.

a) Nach §1 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 hat der Gemeinderat durch Verordnung einen Flächenwidmungsplan zu erlassen, durch den das Gemeindegebiet in Bauland, Grünland und in Verkehrsflächen gegliedert wird. Bei dieser Gliederung sind die voraussehbaren wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Erfordernisse in der Gemeinde, die Auswirkungen auf das Landschaftsbild und das Ortsbild sowie die Erfordernisse einer zeitgemäßen landwirtschaftlichen Betriebsführung zu beachten.

Als Bauland sind nur Flächen festzulegen, die für die Bebauung geeignet sind. Gebiete, deren Erschließung unwirtschaftliche Aufwendungen für die Wasserversorgung, für die Abwasserbeseitigung, für die Stromversorgung oder für die Verkehrserschließung erforderlich machen würde oder die sich wegen der Erhaltung des Landschaftsbildes, der Grundwasserverhältnisse, der Hochwassergefahr, der Lawinengefahr oder ähnlicher Gefahren für die Bebauung nicht eignen, sind nicht als Bauland vorzusehen (§2 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982).

Das Bauland ist entsprechend den örtlichen Erfordernissen in Baugebiete zu gliedern. Als Baugebiete kommen ua. Kurgebiete in Betracht (§2 Abs2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982).

Als Kurgebiete sind jene Flächen festzulegen, die vornehmlich für Gebäude von Gast- und Beherbergungsbetrieben, im übrigen aber für Wohngebäude und für Einrichtungen und Gebäude, die dem Fremdenverkehr dienen, bestimmt sind, und die unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten und den Charakter als Kurgebiet keine örtlich unzumutbare Umweltbelastung mit sich bringen (§2 Abs5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982).

Die Vorschriften über Aufschließungsgebiete finden sich in den Abs11 und 12 des §2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982. Sie haben folgenden Wortlaut:

"(11) Innerhalb des Baulandes hat der Gemeinderat durch Verordnung jene Flächen als Aufschließungsgebiete festzulegen,

a) deren widmungsgemäßer Verwendung zum Zeitpunkt der Planerstellung wegen ihrer ungenügenden Erschließung öffentliche Rücksichten entgegenstehen oder

b) für deren widmungsgemäße Verwendung kein allgemeiner unmittelbarer Bedarf besteht.

(12) Der Gemeinderat hat die Bezeichnung von Bauland als Aufschließungsgebiet aufzuheben, wenn der Grund für diese Festlegung weggefallen ist."

Gemäß §11 Abs2 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 dürfen in den als Aufschließungsgebiete festgelegten Flächen des Baulandes keine landesgesetzlich vorgesehenen Bewilligungen zur Errichtung von Gebäuden und zur Errichtung von sonstigen baulichen Anlagen, ausgenommen solche, die der Erschließung dienen (und bestimmte sonstige, hier nicht in Betracht kommende bauliche Anlagen), erteilt werden.

b) Die beiden hier in Rede stehenden Grundstücke liegen in einem Gebiet, das nach dem Flächenwidmungsplan als Bauland-Kurgebiet festgelegt ist. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der widmungsgemäßen Verwendung dieser Grundstücke zum Zeitpunkt der Planerstellung wegen ihrer ungenügenden Erschließung öffentliche Rücksichten entgegengestanden wären. Die Festlegung (auch) dieser Grundstücke als Aufschließungsgebiet konnte daher keinesfalls auf §2 Abs11 lita des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 gestützt werden.

c) Es trifft des weiteren die vorläufige Annahme im Beschluß über die Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens zu, daß auch §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 keine gesetzliche Grundlage für diese Festlegung bietet. Nach dieser Bestimmung kommt nämlich die Festsetzung als Aufschließungsgebiet nur für solche iS des §1 Abs1 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 unter Bedachtnahme auf den voraussehbaren Baulandbedarf als Bauland festgelegte Flächen in Betracht, an deren Verwendung für Bauzwecke (noch) kein unmittelbarer Bedarf besteht. Daß dies auf die in Rede stehenden Grundstücke zutrifft, ist weder im Verfahren dargetan worden noch sonst erkennbar. Vielmehr ist das Bestehen eines solchen Bedarfes schon aus der - freilich nicht den Intentionen des Gemeinderates entsprechenden - Bauabsicht der Beschwerdeführerin zu ersehen.

Wie sich gezeigt hat, wurde die Festlegung dieser Grundstücke als Aufschließungsgebiet tatsächlich nicht aus dem in §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 vorgesehenen Grund, sondern ausschließlich zu dem Zweck vorgenommen, um eine von der Gemeinde geplante Umwidmung dieser Grundstücke dadurch zu sichern, daß eine nach der bestehenden Widmung zulässige, jedoch mit der in Aussicht genommenen (Sonder-)Widmung nicht im Einklang stehende Bebauung verhindert wird. Hiefür aber bietet weder §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 noch eine andere Vorschrift dieses (oder eines anderen) Gesetzes eine rechtliche Handhabe. Somit wurde im vorliegenden Fall die Festlegung von Flächen als Aufschließungsgebiet für einen Zweck eingesetzt, für den diese Maßnahme nach dem Gesetz nicht in Betracht kommt.

d) Es kann hier dahingestellt bleiben, ob §2 Abs11 litb des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 an sich auch eine rechtliche Grundlage dafür bildet, zur Verminderung oder Beseitigung eines in der Gemeinde bestehenden "Baulandüberhanges" innerhalb des Baulandes gelegene Grundstücke, anstatt sie in Grünland rückzuwidmen, als Aufschließungsgebiete festzulegen. Im Fall der hier in Rede stehenden Grundstücke ging es nämlich, wie sich aus dem unter II.3.c Dargelegten ergibt, nicht darum, durch ihre Festlegung als Aufschließungsgebiet und somit durch eine Maßnahme, die - gleich einer Umwidmung in Grünland - die Bebauung dieser Grundstücke verhindert, dem in der Gemeinde Krumpendorf am Wörther See bestehenden "Baulandüberhang" entgegenzuwirken. Es deutet nichts darauf hin, daß es Absicht des Verordnungsgebers gewesen wäre, im Sinne eines Schrittes zur Reduzierung des Baulandes die Bebauung der beiden Grundstücke schlechthin auszuschließen, vielmehr sollte nur die Errichtung von (gemäß §2 Abs5 des Gemeindeplanungsgesetzes 1982 im Kurgebiet an sich zulässigen) Wohngebäuden - als mit der in Aussicht genommenen künftigen (Sonder-)Widmung nicht im Einklang stehend - verhindert werden.

Die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung erweist sich demnach als gesetzwidrig. Sie war daher aufzuheben.

7. Die Verpflichtung der Kärntner Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art139 Abs5 B-VG.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Aufschließungsgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V71.1994

Dokumentnummer

JFT_10059371_94V00071_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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