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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des E S, vertreten durch Mag. Hans Teuchtmann, Rechtsanwalt in 4040 Linz, Hauptstraße 33, als bestellter Verfahrenshelfer, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2021, W123 2208013-1/19E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
I. Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet, zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Revision als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 5. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er im Kleinkindalter mit seinen Eltern in den Iran geflohen sei, weil sein Vater in Afghanistan Feinde gehabt habe, die mehrere Verwandte getötet hätten. Für den Fall der Rückkehr nach Afghanistan fürchte er sich nach wie vor vor diesen Feinden.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Antrag im Beschwerdeverfahren in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Revision erklärte das BVwG für nicht zulässig.
3 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber (parallel zur vorliegenden Revision) auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit dem Erkenntnis vom 29. November 2021, E 3194/2021-16, hob der Verfassungsgerichtshof das auch mit Revision angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Afghanistan unter Setzung einer zweiwöchigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wurde, wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Leben gemäß Art. 2 EMRK sowie im Recht gemäß Art. 3 EMRK, nicht der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, auf. Im Übrigen, also hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab.
Zu I. (Zurückweisung der Revision, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet):
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision wendet sich formal zwar auch gegen die Nichtzuerkennung von Asyl, enthält allerdings in den Darlegungen zu ihrer Zulässigkeit - die im Wesentlichen die veränderte Sicherheitslage seit der Machtübernahme durch die Taliban und die „Covid 19-Lage“ in Afghanistan ansprechen - keine konkreten Argumente für das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Nichtzuerkennung von Asyl.
8 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten richtet.
Zu II.:
9 Gemäß § 33 Abs. 1 erster Satz VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Revisionswerber klaglos gestellt wurde, nach seiner Anhörung die Revision in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
10 Ein solcher Fall der formellen Klaglosstellung liegt (u.a.) dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung durch den Verfassungsgerichtshof aus dem Rechtsbestand beseitigt wurde (vgl. etwa VwGH 15.11.2017, Ra 2017/18/0173).
11 Dies ist hier - abgesehen von der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten (vgl. dazu Pkt. I.) - der Fall. Soweit sich der Revisionswerber auf entsprechende Anfrage des Verwaltungsgerichtshofes hin in seiner Stellungnahme vom 31. Jänner 2022 auch im Hinblick auf die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten als nicht klaglos gestellt ansieht, dürfte er übersehen, dass der Verfassungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis auch in diesem Punkt aufgehoben hat.
12 Die Revision war daher in Anwendung der genannten Bestimmung des VwGG im übrigen Umfang (also abgesehen von der Nichtzuerkennung des Status eines Asylberechtigten) als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
13 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf dessen § 55, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. Februar 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021180308.L00Im RIS seit
14.03.2022Zuletzt aktualisiert am
14.03.2022