Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny, Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M*, vertreten durch Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * Bank * AG, *, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2021, GZ 3 R 63/20m-18, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 7. September 2020, GZ 56 Cg 9/20x-14, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
[1] Die beklagte Bank verpflichtete sich 2003, dem Kläger einen in Euro und Fremdwährung einmalig ausnützbaren Kredit „bis zum Gegenwert von 50.000 EUR“ zur Verfügung zu stellen. Der Kredit soll 2025 endfällig zurückgezahlt werden. Der Kläger konnte die Kreditsumme laut Vertragsbedingungen jederzeit in Euro oder andere Fremdwährungen konvertieren, wobei als variabler Sollzinssatz bei Ausnützung in Euro 4,875 % und bei Ausnützung in Fremdwährung 1,375 % pa vereinbart wurde.
[2] Der Kreditvertrag weist die Gesamtbelastung iSd § 33 Abs 7 BWG (idF BGBl I 2000/33) „bei vertragsgemäßer Einhaltung der Rückzahlungsvereinbarung und einer Verzinsung von 1,375 % in CHF“ mit 65.393,44 EUR zuzüglich 1.111,09 EUR an Kosten aus. Die Rückführung des Kredits erfolgt laut Kreditvertrag in jener Währung, „in der der Kredit ausgenützt ist“ und laut Z 75 der auf den Vertrag anwendbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten in der Währung, „in der sie das Kreditinstitut gegeben hat“.
[3] Die Allgemeinen Kreditbedingungen der Beklagten enthielten unter anderem folgende Hinweise:
Die Einschätzung der zukünftigen Entwicklung des Wechselkursverhältnisses von Währungen gegenüber dem Euro ist auch für Spezialisten bestenfalls für einen kurzen Zeitraum möglich.
[...]
Sie und der/die Mithaftende/n bestätigen, von der [Beklagten] über eventuelle Risken ausreichend informiert worden zu sein, die im Zusammenhang mit der Kreditinanspruchnahme in Fremdwährung entstehen könnten.
Es besteht daher Einvernehmen darüber, dass alle diese Risiken (insbesondere auch das Devisenkursrisiko) ausschließlich von Ihnen getragen werden und Sie sich im eigenen Interesse selbstständig über die aktuelle Entwicklung der Devisenkurse informieren werden. Weiters bestätigen Sie und der/die Mithaftende/n in Kenntnis der damit allenfalls verbundenen Risiken und zusätzlichen Rückzahlungsbelastungen, dass Sie mit einer Konvertierung der Kreditvaluta durch einen Kreditnehmer in folgenden Währungen einverstanden sind:
CHF, USD, JPY, EUR […]“
[4] Die Beklagte führte für den Kredit zwei Konten, einerseits das Fremdwährungskonto, das den Soll-Betrag in Schweizer Franken darstellte, und andererseits ein damit verbundenes Girokonto in Euro, über das der Kläger sich Geld auszahlen und von dem er Überweisungen vornehmen konnte. Die Beklagte stellte den Kredit in Schweizer Franken zur Verfügung. Der Kläger hat aber nie Geld in Fremdwährung ausbezahlt erhalten und auch vom Fremdwährungskonto direkt keine Überweisungen vorgenommen.
[5] Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er bei Endfälligkeit nur 50.000 EUR abzüglich bereits bezahlter Tilgungsraten zurückzahlen müsse. Wegen Unwirksamkeit der intransparenten und missbräuchlichen Klauseln zur Fremdwährungsschuld müsse er bei Laufzeitende nur die in Euro ausbezahlte Kreditsumme zurückerstatten. Hilfsweise begehrt er die Feststellung, dass der gesamte Kreditvertrag nichtig sei und er höchstens 50.000 EUR abzüglich der Tilgungsraten aus dem Titel des Bereicherungsrechts zurückzahlen müsse. Der Vertrag regle nicht, zu welchem Zeitpunkt nach welchem Wechselkurs Umrechnungen von Euro in Schweizer Franken und umgekehrt erfolgen würden, und nenne die Kreditsumme nur in Euro, sodass der Kläger weder die Höhe der aufgenommenen Kreditsumme in Schweizer Franken noch seine aktuelle Rückzahlungsverpflichtung ermitteln könne. Außerdem sei der Vertrag gröblich benachteiligend, weil einem möglichen Zinsgewinn des Klägers die Möglichkeit der Beklagten gegenüberstehe, die Wechselkurse einseitig festzulegen. Weiters verrechne die Beklagte sowohl bei An- als auch bei Verkauf der Fremdwährung jeweils einen selbstgewählten Aufschlag (Spread), sodass der Vertrag auch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoße. Die Fremdwährungsklauseln seien schließlich intransparent iSd EuGH-Rechtsprechung, insbesondere C-189/16, Andriciuc, weil die Risikohinweise die wirtschaftlichen Folgen des Fremdwährungskredits nicht offen legten, sondern vielmehr die Gesamtkosten des Fremdwährungskredits, insbesondere das unbegrenzte Wechselkursrisiko und der von der Beklagten erzielten Spread, verschleiert würden. Eine allfällige Bereicherung des Klägers sei nicht in Schweizer Franken eingetreten, weil die Beklagte nicht solche ausbezahlt, sondern in seinem Namen 50.000 EUR an einen Treuhänder überwiesen habe. Vergütungszinsen für die bisherige Laufzeit habe der Kläger nicht zu zahlen, weil sich bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines synallagmatischen Vertrags die beidseitigen Nutzen aufheben würden. Der Nutzen des Klägers, dass er jahrelang über die Kreditsumme verfügt habe, sei daher durch seine bisher geleisteten Zinszahlungen laut Kreditvertrag gedeckt.
[6] Die Beklagte wendet ein, dass alle Vertragsbestimmungen transparent und zulässig seien. Über die Kursrisken sei der Kläger – nicht zuletzt durch seinen Vermögensberater – ausreichend informiert gewesen. Die Umrechnungsmodalitäten unterlägen außerdem nicht der Klauselkontrolle, weil sie die Hauptleistung definierten. Umrechnungsklauseln im Vertrag seien wegen § 907b ABGB entbehrlich. Die Umrechnung erfolge gemäß Unternehmensbrauch anhand eines real vor Ort gehandelten Kurses, den die Beklagte selbst ermittle. Wegen der Vereinbarung einer effektiven Fremdwährungsschuld müsste der Kläger außerdem selbst bei Nichtigerklärung des Vertrags eine Bereicherungsschuld in Schweizer Franken zurückzahlen.
[7] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die Vertragsklauseln der Beklagten würden klar regeln, dass der Kreditnehmer den Kredit in jener Währung rückführen müsse, in der er den Kredit ausgenützt habe. Dass der Umrechnungskurs im Vertrag nicht geregelt werde, schade nicht. Sollte die Beklagte das Obligo des Klägers bei Auszahlung der Kreditsumme zu hoch errechnet haben, habe dies nicht die Nichtigkeit des Kreditvertrags zur Folge, sondern nur eine geringere Rückzahlungspflicht. Für die Rückzahlung müsse kein Umrechnungskurs festgelegt werden, weil es dem Kläger ja frei stehe, sich dafür Schweizer Franken auf dem freien Markt zum besten Kurs zu beschaffen. Als Risikoaufklärung reiche es aus, wenn der Kreditnehmer darauf hingewiesen werde, dass sich seine Rückzahlungspflicht im selben Verhältnis erhöhe und vermindere wie der Wechselkurs.
Rechtliche Beurteilung
[8] Die außerordentliche Revision ist wegen einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen zulässig; sie ist auch berechtigt.
[9] 1.1. Der Kläger und die Beklagte haben einen Geldkreditvertrag abgeschlossen. Bei diesem Konsensualvertrag bestehen die beiderseitigen Leistungspflichten insbesondere in der Auszahlung des Kreditbetrags einerseits und in der Zahlung der Zinsen andererseits (vgl Bollenberger in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 [2007] A. Darlehen und Kreditvertrag Rz 1/5).
[10] Fremdwährungskredite werden ganz oder teilweise in einer anderen Währung als Euro gewährt. Die fremde Währung ist also Rechnungsgrundlage für die Rückzahlungspflicht des Kreditnehmers. Ob der Kreditnehmer seine Schuld in Euro zurückzahlen kann (unechte Fremdwährungsschuld) oder ob die Leistung in fremder Währung geschuldet wird (echte Fremdwährungsschuld), ist für die Einordnung als Fremdwährungskredit unerheblich (Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 988 Rz 10; vgl RS0061067; jüngst 1 Ob 163/21h mwN zur Definition eines echten Fremdwährungskredits; vgl auch Dehn in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 [2007] A. Fremdwährungskredit Rz 2/203). Während beim echten Fremdwährungskredit die Fremdwährung also als Schuldwährung fungiert, ist sie beim unechten Fremdwährungskredit nur Berechnungswährung; sie bestimmt lediglich die Anzahl der zu leistenden Einheiten der Schuldwährung. Zahlungswährung ist schließlich jene Währung, in der der Kreditschuldner leistet; auch sie muss nicht mit der Schuld- und/oder der Berechnungswährung übereinstimmen (vgl Omlor, Verbraucherschutz bei Fremdwährungskrediten – Zugleich Besprechung von EuGH, Urt. v. 20. 9. 2017 – C-186/16 [Andriciuc/Banca Româneasc?], BKR 2018, 195; vgl auch Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 985 Rz 13 zu unechten Fremdwährungsschulden).
[11] Wird eine effektive Fremdwährungsschuld als Sonderform der echten Fremdwährungsschuld vereinbart, sind Zahlungen in anderer Währung eine Leistung an Zahlungs statt, die der Gläubiger grundsätzlich nicht als Erfüllung annehmen muss (Koziol in Iro/Koziol, ABB [2001] Z 75 Rz 1; vgl RS0061067).
[12] 1.2. Die Parteien bringen zwar übereinstimmend vor, dass der Kläger den Kredit „in Schweizer Franken ausnützte“ und dass die Beklagte ihm „Schweizer Franken zur Verfügung stellte“. Sie vertreten jedoch unterschiedliche Auffassungen, welche Währungen als Schuld-, Zahlungs- und Berechnungswährung fungieren. Außerdem hält der Kläger mehrere Vertragsbestimmungen für intransparent und/oder gröblich benachteiligend, woraus er im Ergebnis ableitet, der Beklagten nur 50.000 EUR zu schulden.
[13] 2.1. Die Vorinstanzen begründeten die Klagsabweisung damit, dass der Text des Kreditvertrags, insbesondere auch die darin enthaltene Regelung: „Die Rückführung des Kredits erfolgt in jener Währung, in der der Kredit ausgenützt ist“, ausreichend klar und zulässig sei.
[14] Der Oberste Gerichtshof hat diese Klausel allerdings in der Zwischenzeit in einem Verbandsverfahren als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG untersagt (1 Ob 93/21i [ErwGr 2.2.]). Wenn die Bank – wie auch hier – die Kreditsumme nicht in der Fremdwährung, sondern in Euro auszahle, sei nämlich nicht klar, dass eine zumindest als Verrechnungswährung dienende Fremdwährung die „ausgenützte Währung“ im Sinn des Vertragstexts sein soll und dass der Verbraucher für den Erhalt der Währung einen zusätzlichen entgeltlichen „Geldwechselvertrag“ abschließen muss, bei dem er die Fremdwährung an die Bank verkauft und den Verkaufserlös in Euro ausbezahlt erhält (1 Ob 93/21i [ErwGr 2.2., Rz 20]).
[15] 2.2. Die Beklagte beruft sich alternativ auf Z 75 ihrer AGB, aus der sie das Bestehen einer effektiven Fremdwährungsschuld in Schweizer Franken ableitet: „Fremdwährungskredite sind effektiv, das heißt in der Währung zurückzuzahlen, in der sie das Kreditinstitut gegeben hat.“
[16] Der Kläger bestritt zwar in erster Instanz noch, dass die Parteien die Geltung der AGB der Beklagten vereinbart hätten, stellte dies aber in weiterer Folge in seiner Berufung außer Streit. Dieses Tatsachengeständnis im Berufungsverfahren ist – anders als ein solches erst im Revisionsverfahren – noch prozessual wirksam (1 Ob 1618/94 MietSlg 46.654; vgl auch Klauser/Kodek, JN – ZPO18 § 266 ZPO E77; RS0040053). Der Kläger zieht aus Z 75 jedoch den umgekehrten Schluss wie die Beklagte: Da ihm 50.000 EUR ausbezahlt worden seien, müsse er auch 50.000 EUR zurückzahlen und trage kein Kursrisiko.
[17] 2.3. Der Beklagten ist zwar beizupflichten, dass der Oberste Gerichtshof Z 75 ihrer AGB in einem Verbandsprozess als „weder intransparent noch gröblich benachteiligend“ bezeichnete (6 Ob 228/16x [Pkt 2.17.]). Daraus allein ist für den vorliegenden Fall aber nichts zu gewinnen.
[18] Zum einen wird Z 75 ABB, die wörtlich in die AGB der Beklagten übernommen wurde, in der Lehre so verstanden, dass der Kunde in jener Währung zurückzuzahlen hat, in welcher der Kredit ausbezahlt wurde (Koziol in Iro/Koziol, ABB [2001] Z 75 Rz 1). Nach den Feststellungen erfolgte im vorliegenden Fall jedoch weder eine Auszahlung in Fremdwährung noch eine Verfügung durch den Kläger über einen Fremdwährungsbetrag. Dass die Beklagte – wie im von ihr zitierten Devisenfixing-Fall 8 Ob 37/20d – mit der Zuverfügungstellung von 50.000 EUR nach der Parteienvereinbarung zwei verschiedene Rechtsgeschäfte erfüllt hätte, nämlich eine Auszahlung der Kreditsumme in Schweizer Franken und einen Devisenankauf dieser Schweizer Franken gegen Zahlung von Euro, wurde hier (in erster Instanz) weder konkret behauptet noch festgestellt.
[19] Zum anderen ist im vorliegenden Fall im Unterschied zum Verbandsprozess zu 1 Ob 93/21i auch das Zusammenspiel von Klausel Z 75 mit der abweichenden Klausel im Kreditvertrag zu betrachten. Der Vertragstext schreibt nämlich für die Rückzahlung nicht die Auszahlungswährung bei Beginn des Kreditverhältnisses vor, sondern jene Währung, in der der Kredit ausgenützt ist. Er stellt also offenbar auf den Rückzahlungszeitpunkt ab, was im Zusammenhang mit den im Kreditvertrag beiden Parteien eingeräumten Konvertierungsmöglichkeiten zu verstehen sein mag.
[20] 2.4. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Rückzahlung des Kredits „kurz, aber klar“ geregelt sei, wird vom erkennenden Senat daher nicht geteilt. Eine abschließende Auslegung des Vertragstexts hat jedoch im Revisionsverfahren nicht zu erfolgen, weil die Feststellungsbegehren des Klägers unschlüssig sind.
[21] 3.1. Die Vorinstanzen gingen von einem wirksamen Vertrag mit zulässigen Klauseln aus und haben daher die konkrete Formulierung des Klagebegehrens nicht näher erörtert.
[22] Der Kläger argumentiert, dass der Kreditvertrag insoweit intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG und daher unwirksam sei, als er eine effektive Fremdwährungsschuld vorsehe. Da der Vertrag keinen Umrechnungsmodus festlege, könne der Kläger die Höhe des nur in Euro bezifferten Kreditobligos in Schweizer Franken, also in der Schuldwährung, nicht ermitteln. Damit macht der Kläger – wie die Beklagte zu Recht einwendet – in Wahrheit geltend, dass die Kreditsumme als Hauptleistungspflicht der Kreditgeberin und davon abgeleitet auch die Rückzahlungssumme als Hauptleistungspflicht des Kreditnehmers nicht ausreichend konkretisiert seien. Die Rechtsfolge daraus wäre aber keine (Teil-)Nichtigkeit intransparenter Vertragsklauseln, sondern dass der Kreditvertrag gar nicht wirksam zustande kam, weil die essentialia negotii nicht bestimmt oder zumindest bestimmbar iSd § 869 ABGB sind.
[23] 3.2. Ein Fremdwährungskreditvertrag wäre ohne eine wirksame Vorschrift über die Umrechnung der Fremdwährung in Euro nämlich nur dann umsetzbar, wenn die Aus-, Rück- und Zinszahlung allein in der Fremdwährung erfolgen würde (vgl 8 Ob 37/20d [Pkt I.6]; vgl auch EuGH C-186/16, Andriciuc, Rn 38 und C-776/19, BNP, Rn 56 f, wo die Festlegung der Kreditschuld in der Schuldwährung nicht als der Klauselkontrolle zugängliche akzessorische Zahlungsmodalität, sondern als Hauptbestandteil eines Kreditvertrags angesehen wurde).
[24] Im vorliegenden Fall wurden im Kreditvertrag alle Beträge ausschließlich in Euro angegeben und ein Umrechnungsmodus zwischen Schweizer Franken und Euro nicht vereinbart. Auch die Auszahlung der Kreditsumme an den Kläger bzw die Überweisung in seinem Namen an einen Dritten erfolgte nach dem insoweit in erster Instanz unbestrittenen Vorbringen in Euro. Die Ausführung der Beklagten in ihrer Revisionsbeantwortung, dass dem Kläger ein (nicht bezifferter) Kreditbetrag in Fremdwährung zugezählt worden sei, weicht von den Feststellungen ab und ist außerdem eine unzulässige Neuerung.
[25] Ein Handelsbrauch, nach dem die Umrechnung im Weg eines internen Devisenfixing erfolgen soll, wurde auf Tatsachenebene (vgl RS0042274) nicht festgestellt.
[26] Nicht einmal aus dem Prozessvorbringen der Beklagten und den von ihr vorgelegten Urkunden lässt sich ableiten, wie hoch die aufgenommene Kreditsumme in der Schuld- oder Berechnungswährung Schweizer Franken ist und wie und wann diese zwischen den Parteien festgelegt worden sein soll. Aus ihrem Vorbringen geht auch nicht hervor, ob der Kläger von dem – von der Beklagten selbst bislang nicht bezifferten – CHF-Saldo Kenntnis erlangte und etwa sein späteres Verhalten nach § 863 ABGB Rückschlüsse auf einen Bindungswillen zulässt (vgl 7 Ob 579/87; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 869 ABGB Rz 8 [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]). Dies wäre etwa dann denkbar, wenn der Kläger in Kenntnis von den Schweizer Frankenbetrag ausweisenden Kontoauszügen über die Kreditvaluta disponierte.
[27] Der Vollständigkeit halber ist klarzustellen, dass auch die im Kreditvertrag angeführte Gesamtbelastung iSd § 33 Abs 7 BWG (idF BGBl I 2000/33) nicht die Höhe der Kreditsumme angibt, sondern die Summe der Leistungen, die das Kreditinstitut im Zusammenhang mit der Kreditgewährung vom Verbraucher verlangt. Darüber hinaus kann auch aus dieser in Euro angegebenen Gesamtbelastung nicht auf die Kreditsumme in Schweizer Franken (als Schuld- oder Berechnungswährung) geschlossen werden.
[28] 3.3. Die Beklagte argumentiert (im Ergebnis), dass die Kreditsumme in Schweizer Franken zumindest bestimmbar sei.
[29] Grundsätzlich kann ein im Vertrag nicht festgelegter Geldbetrag auch durch amtliche oder am Markt beobachtbare Parameter ermittelt werden (vgl etwa die in RS0014700 indizierten Entscheidungen zur Bestimmbarkeit durch Rückgriff auf Listenpreise und die Entscheidung 7 Ob 114/18t zur Bestimmbarkeit durch Rückgriff auf marktübliche Diskontzinssätze als Abzinsungsfaktor für die Ablebensleistung eines Lebensversicherungsvertrags). Bei einem Fremdwährungskredit könnte insbesondere ein amtlich festgestellter (verlautbarter) Devisenkurs – wie früher jener der Wiener Börse – herangezogen werden, um die Kreditsumme bestimmbar zu machen (vgl 8 Ob 37/20d [ErwGr II.8]).
[30] Die Beklagte bringt jedoch (in Übereinstimmung mit den Sachverhaltsfeststellungen zur Entscheidung 8 Ob 37/20d) selbst vor, dass seit 1999 keine amtlichen Wechselkurse mehr existieren. Dass es einen marktüblichen Wechselkurs gebe, behauptet sie ebenfalls nicht.
[31] Die Zulässigkeit der Heranziehung eines solchen Marktkurses erscheint im Licht der erst jüngst ergangenen Entscheidung des EuGH (C-212/20, A. S.A.), nach der anzuwendende Wechselkurse in einem Fremdwährungskredit mit einem Verbraucher so detailliert umschrieben sein müssen, dass dieser auf der Grundlage genauer und nachvollziehbarer Kriterien in die Lage versetzt wird, den von der Bank jeweils angewandten Wechselkurs jederzeit auch selbst zu bestimmen (Rn 53, 55), zumindest fragwürdig. Genügt die Vertragsklausel diesen Erfordernissen nicht, ist es dem nationalen Gericht verwehrt, durch Bezugnahme auf den „Marktwert“ Abhilfe zu schaffen, selbst wenn diese Auslegung dem übereinstimmenden Parteiwillen entsprechen sollte (Rn 56, 79).
[32] 3.4. Die unbestimmte Kreditsumme kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht durch einen Rückgriff auf § 907b ABGB oder dessen Vorgängerbestimmungen definiert werden.
[33] § 907b ABGB idF BGBl I Nr 50/2013 trat erst 2013 – also nach Abschluss des Kreditvertrags – in Kraft. Diese Norm ist jedoch wortident mit (der Vorgängerbestimmung) § 905a ABGB idF BGBl I Nr 120/2005, die nach den Übergangsbestimmungen nur auf nach dem 31. 12. 2006 abgeschlossene Rechtsgeschäfte anzuwenden ist (Art XXXII Abs 1 HaRÄG). Im Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags zwischen dem Kläger und der Beklagten war die Zahlung einer Fremdwährungsschuld noch in Art 8 Nr 8 der 4. EVHGB geregelt, der aber im bürgerlichen Recht analog angewendet wurde (ErläutRV 1058 25. GP 71; Dullinger in Rummel/Lukas, ABGB4 § 907b ABGB Rz 1 [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]).
[34] Lautet eine im Inland zu zahlende Schuld auf Zahlung in Fremdwährung, so räumen § 907b ABGB und seine Vorgängerbestimmungen dem Schuldner eine Ersetzungsbefugnis ein, sodass er auch in Inlandswährung zahlen kann. Die Umrechnung erfolgt im Interesse des Fremdwährungsgläubigers zum Devisenankaufskurs, also zum Briefkurs, damit sich der Gläubiger die geschuldete Fremdwährung in voller Höhe der offenen Schuld selbst auf dem Währungsmarkt beschaffen kann (8 Ob 37/20d [ErwGr II.6]).
[35] Die Anwendung dieser Norm setzt also voraus, dass eine echte Fremdwährungsschuld wirksam vereinbart worden ist (arg: „eine in ausländischer Währung ausgedrückte Geldschuld“); sie kann nicht herangezogen werden, um eine unbestimmte Fremdwährungsschuld zu konkretisieren.
[36] Eine analoge Anwendung des Devisenankaufskurses scheint im vorliegenden Fall nicht sachgerecht, weil der Kläger die in Euro ausbezahlte Kreditsumme ja gerade nicht verwenden möchte, um damit wieder Schweizer Franken zu erwerben. Fremdwährungskredite werden typischerweise in der Hoffnung aufgenommen, dass sich die Kombination aus Zinsen und Wechselkursentwicklung im Vergleich zur inländischen Währung günstig entwickelt (Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 988 Rz 10).
[37] Dazu kommt, dass die gesetzliche Ersetzungsbefugnis durch Parteienvereinbarung einer effektiven Fremdwährungsschuld abbedungen werden kann (1 Ob 77/01g). Z 75 der AGB der Beklagten spricht daher auch gegen eine (analoge) Anwendung der Norm.
[38] 3.5. Die Beklagte argumentiert in ihrer Revisionsbeantwortung weiters, dass sie die dem Kläger kreditierte (im Verfahren von ihr aber nicht bezifferte) Kreditsumme in Schweizer Franken vom Kläger angekauft und ihm den Verkaufserlös von 50.000 EUR ausbezahlt habe. Bei diesem Devisengeschäft dürfe sie ihren auf der Homepage veröffentlichten Ankaufskurs inklusive Gewinnspanne zur Anwendung bringen. Diese vorgeschlagene Rekonstruktion der Kreditsumme aus dem Devisenankauf (zu unbekannten Konditionen) ist jedoch nicht angebracht.
[39] Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, dass bislang weder unstrittig noch festgestellt ist, dass die Parteien eine Auszahlung der Kreditsumme effektiv in Schweizer Franken und eine Umwechslung derselben durch die Beklagte in Euro (wirksam) vereinbart hätten oder dass eine solche erfolgt sei.
[40] Würde die Kreditsumme durch den Ankaufskurs beim Geldwechselvertrag bestimmt, führte dies außerdem zur Anwendung von zwei verschiedenen Wechselkursarten im Kreditverhältnis: Um dem Kläger 50.000 EUR auszuzahlen, würde die Beklagte die Kreditsumme, also einen (der Höhe nach gar nicht definierten) Betrag in Schweizer Franken, nach dem für sie beim Devisenankauf günstigeren Ankaufskurs in Euro umrechnen. Dies würde die Kreditschuld des Klägers in Schweizer Franken rechnerisch erhöhen. Wenn der Kläger Tilgungszahlungen in Euro an die Beklagte leistete, würde er er dabei zugleich Schweizer Franken bei der Beklagten kaufen, wobei diese nach dem dabei für sie günstigeren Verkaufskurs umrechnen würde. Dies würde die Tilgungsraten für den Kläger verteuern.
[41] Eine solche Vereinbarung, nach der bei Berechnung der Rückzahlungen eines auf eine ausländische Währung lautenden Darlehens der Verkaufskurs dieser Währung Anwendung findet, während der gewährte Darlehensbetrag auf der Grundlage des Ankaufskurses der ausländischen Währung in die nationale Währung umgerechnet wurde, wurde von einem ungarischen Gericht bereits als missbräuchlich im Sinn der Klausel-RL beurteilt. Der EuGH bestätigte, dass eine solche Umrechnungsregelung der Missbrauchskontrolle unterliegt (C-26/13, Kásler Rn 25, 53, 59; vgl dazu auch Graf, Neue EuGH-E: Ausnahmsweise doch kein ersatzloser Wegfall nichtiger AGB-Klauseln? ecolex 2021, 990 [991], der es im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH C-932/19, OTP Jelzálogbank ua, für „fraglich“ hält, ob das von der Entscheidung 8 Ob 37/20d vertretene „Trennungsmodell“ [= unterschiedliche Wechselkurse bei Auszahlung und Rückzahlung eines Fremdwährungskredits] die Perspektive des Kreditnehmers, der Verbraucher ist, beim Vertragsabschluss realistisch wiedergibt).
[42] Es erscheint daher problematisch, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung die Kreditsumme durch einen solchen Umrechnungsmechnismus bestimmbar zu machen, der von den Vertragsparteien selbst möglicherweise nicht wirksam vereinbart werden könnte.
[43] 3.6. Der Unbestimmtheit des Kreditvertrags könnte schließlich auch nicht durch ein – hier nicht vereinbartes – Devisenfixing abgeholfen werden.
[44] Die Beklagte verweist in der Revision in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Entscheidung 8 Ob 37/20d. Danach steht es Schuldner und Gläubiger frei, bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis den Eurogegenwert eines Fremdwährungsbetrags zunächst selbst zu berechnen und auch den anderen von der eigenen Berechnung oder Berechnungsmethode in Kenntnis zu setzen. Im Streitfall müsste die Höhe der Schuld in Euro mit einem Sachverständigen ausgemittelt werden (8 Ob 37/20d [ErwGr II.10], die die Zulässigkeit des Devisenfixing als Abschätzung eines Mittelkurses durch Marktbeobachtung bejaht).
[45] Diese Überlegungen sind aber wegen der Unterschiede im zu beurteilenden Sachverhalt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Es geht hier ja gerade nicht darum, für eine vertraglich festgelegte echte, aber nicht effektive Fremdwährungsschuld den Gegenwert in Euro zu ermitteln, weil der Schuldner von der Ersetzungsbefugnis nach § 907b ABGB Gebrauch machen will. Vielmehr geht es um die Frage, ob eine nur in Euro bezifferte effektive Fremdwährungsschuld bestimmbar ist.
[46] Eine Schuld ist zwar auch dann als bestimmt anzusehen, wenn sie der möglichen billigen Ermittlung des anderen Teiles anheimgestellt wurde; in einem solchen Fall muss aber die Art der Ermittlung vertraglich festgelegt sein (RS0014707). Im vorliegenden Fall nahm aber – und darin liegt ein weiterer Unterschied zu den Sachverhalten der Entscheidungen 8 Ob 37/20d und (bspw) 6 Ob 154/21x – die Beklagte schon nach ihrem eigenen Vorbringen ohne entsprechende Vereinbarung ein Devisenfixing vor. Die Beklagte hat mit dem Kläger eben keine vertragliche Regelung getroffen, ob und in welcher Form sie einen Umrechnungskurs ermitteln oder sonst festlegen soll. Der Deutlichkeit halber sei erneut betont, dass sich bis heute nicht einmal aus dem Prozessvorbringen der Beklagten ableiten lässt, zu welchem Stichtag sie zu welchem Kurs eine Umrechnung vorgenommen und welche Kreditsumme in Schweizer Franken sie so ermittelt haben will.
[47] 3.7. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass nach dem (bisherigen) Klagsvorbringen wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots kein Kreditvertrag zwischen Kläger und Beklagter zustande kam (vgl RS0014701; 9 ObA 613/93; Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 869 ABGB Rz 13 [Stand 1. 11. 2014, rdb.at]). Damit ist aber das Hauptbegehren des Klägers, dass er einen Eurobetrag erst bei der im Kreditvertrag vereinbarten Endfälligkeit zurückzahlen müsse, nicht schlüssig aus seinen Tatsachenbehauptungen abzuleiten. Dies wird im fortgesetzten Verfahren mit ihm zu erörtern sein.
[48] 4.1. Auch die konkrete Formulierung des Eventualbegehrens haben die Vorinstanzen aufgrund ihrer vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht nicht problematisiert.
[49] Das Eventualbegehren umfasst drei verschiedene Rechtsschutzziele: Zum Ersten soll die Nichtigkeit des Kreditvertrags festgestellt werden. Außerdem begehrt der Kläger die Feststellung, dass er bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung lediglich 50.000 EUR abzüglich geleisteter Tilgungszahlungen zurückzahlen müsse; diese Formulierung enthält das zweite Rechtsschutzziel, dass der Kläger einen in Euro und nicht einen in Schweizer Franken definierten Betrag schulde. Schließlich strebt der Kläger drittens an, dass er keine Vergütungszinsen leisten müsse.
[50] 4.2. Das Gericht ist nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, dem Urteilsspruch eine klare und deutliche, vom Begehren abweichende Fassung zu geben, wenn sich letztere im Wesentlichen mit dem Begehren deckt (RS0039357; vgl RS0041254 [T30] zum Feststellungsbegehren). Damit wäre es wohl zulässig, anstelle der begehrten Nichtigkeit des Vertrags dessen nicht wirksames Zustandekommen wegen Unbestimmtheit festzustellen (vgl RS0014650, wonach in beiden Fällen eine Feststellungsklage einzubringen ist).
[51] Dies ist jedoch nicht der einzige korrekturbedürftige Punkt des Eventualbegehrens:
[52] 4.3. Der Kläger meint, dass er bei Rückabwicklung den ausbezahlten Eurobetrag rückzuerstatten habe; die Beklagte dagegen argumentiert, dass eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung in Schweizer Franken erfolgen müsse.
[53] Eine positive Feststellung, dass dem Kläger (nur) ein Eurobetrag zukam, fehlt im Sachverhalt. Nach dem Klagsvorbringen überwies die Beklagte im Namen des Klägers 50.000 EUR an einen Treuhänder. Jedoch brachte der Kläger andererseits auch vor, dass ihm die Beklagte Schweizer Franken zur Verfügung gestellt habe. Dem Kläger wird daher Gelegenheit zur Präzisierung seines Vorbringens zu geben sein.
[54] 4.4. Hinsichtlich der Zinsen vertritt der Kläger aber den Standpunkt, dass die Nutzung der Kreditsumme durch die bereits erfolgten Zahlungen des Klägers in Höhe des im Vertrag für eine Fremdwährungsschuld vereinbarten Zinssatzes abgegolten sein soll.
[55] Tatsächlich ist das Feststellungsbegehren jedoch so formuliert, dass selbst die bisher von ihm geleisteten Tilgungsraten (offenbar nur laufende Zinsen) von den rückzuerstattenden 50.000 EUR abgezogen werden sollen. Die Beklagte erhielte daher überhaupt keine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von 50.000 EUR über einen Zeitraum von bisher immerhin 18 Jahren. Diese Rechtsfolge ist nicht einmal vom Rechtsstandpunkt des Klägers gedeckt.
[56] 4.5. Abgesehen davon teilt der erkennende Senat die Rechtsansicht des Klägers nicht, dass der Beklagten bei einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Kreditvertrags (nur) die vertraglichen Zinsen zustehen würden.
[57] Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher rückzuerstattenden Geldsumme sind sogenannte Vergütungszinsen (RS0032078). Die Nutzung des Geldes durch den Bereicherten ist grundsätzlich (zumindest) mit den gesetzlichen Zinsen zu vergüten (RS0032078 [T2]; Dehn in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 [2007] G. Sanktionen Rz 2/82). Bei – hier nicht ersichtlicher – Unredlichkeit des Leistungsempfängers stünden dem Entreicherten Zinsen mindestens in der Höhe zu, wie er sie erzielt hätte, wenn er für diese Zeit einem Dritten ein Darlehen gewährt hätte (1 Ob 557/91).
[58] Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung zur Äquivalenz der jeweiligen Nutzen bei einem (rechtsungültigen) synallagmatischen Austausch wurde für Zug um Zug abgewickelte Zielschuldverhältnisse entwickelt, bei denen etwa der Verkäufer bis zur Rückabwicklung typischerweise über den Kaufpreis verfügen kann, während der Käufer in der Zwischenzeit in den als äquivalent angesehenen Genuss der Kaufsache kommt (vgl bloß RS0010214). Bei einem Kredit dagegen erhält zunächst nur der Kreditnehmer eine Leistung, nämlich die Zuzahlung der Kreditsumme. Ob und welche Leistungen (Zinsen, Raten) der Kreditgeber vor (End-)Fälligkeit erhält, ergibt sich aus der Vereinbarung im Einzelfall, sodass gerade nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Nutzen von Kreditnehmer und -geber einander zu jedem Zeitpunkt während des Dauerschuldverhältnisses wertmäßig entsprechen und sich bei der Rückabwicklung aufheben würden.
[59] Für die Höhe der Zinsen sind vielmehr folgende Überlegungen anzustellen: Ein Anspruch des Kreditgebers auf die vertraglich vereinbarten Zinsen scheidet bei einer Rückabwicklung eines Kreditvertrags wegen des Fehlens eines Rechtsgrundes hierfür aus. Außerdem hätte der Kreditgeber vom Kreditnehmer bereits erbrachte (Rückzahlungs-)Leistungen zurückzustellen, weil mit der Anfechtung auch für ihn der Rechtsgrund zu ihrem Behaltendürfen weggefallen ist. Praktisch wären dafür der Rückforderungsanspruch des Kreditnehmers und jener des Kreditgebers im jeweiligen Umfang gegeneinander aufzurechnen (Dehn in Apathy/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht2 [2007] G. Sanktionen Rz 2/82). Daher darf ohne Kreditvertrag weder der Kreditgeber einen Zinsertrag behalten, der die gesetzlichen Zinsen übersteigt, noch kann der Kreditnehmer sich auf die nicht (mehr) wirksame Vereinbarung eines günstigeren Vertragszinssatzes berufen.
[60] Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass bei einem Kreditvertrag, bei dem die Kreditsumme unbestimmt blieb, gar nicht berechnet werden könnte, wie hoch die Zinszahlungen nach dem vertraglich geschuldeten Zinssatz sein sollen.
[61] Im Ergebnis lässt sich daher aus den Klagsbehauptungen der vom Kläger begehrte Feststellungsanspruch im Hinblick auf Modalitäten zur Rückabwicklung der Zinsen nicht als Rechtsfolge eines fehlenden Kreditvertrags herleiten. Damit ist das Eventualbegehren insoweit unschlüssig (RS0001252 [T4]).
[62] Zwar ist auch bei Feststellungsbegehren der Zuspruch eines Minus grundsätzlich zulässig (RS0037485; RS0037476). Im vorliegenden Fall käme jedoch auch eine (lediglich) Teilstattgebung des Eventualbegehrens nicht in Frage, weil es sich bei einer Verzinsung zu einem anderen Zinssatz mit einer anderen rechtlichen Grundlage um ein qualitatives Minus und damit ein Aliud handeln würde (vgl RS0037485 [T4]).
[63] 4.6. Nach ständiger Rechtsprechung hat das Gericht, bevor es unschlüssige Begehren abweist, deren Verbesserung anzuregen (RS0037166 [T1, T2, T5, T15]). Dies führt im Ergebnis zur Aufhebung in die erste Instanz.
[64] 5. Die Vorinstanzen zitieren zur Aufklärung über Zinsrisiko und das Währungs- bzw Wechselkursrisiko höchstgerichtliche Rechtsprechung, nach der ein Hinweis genüge, dass sich der Rückzahlungsbetrag im selben Verhältnis erhöhen oder vermindern wird, in dem sich der Wechselkurs zwischen den Währungen verändert (4 Ob 176/18p [Pkt 2.2]).
[65] Nach den bisherigen Feststellungen enthält der hier abgeschlossene Kreditvertrag jedoch keinen entsprechenden Hinweis. Die von der Beklagten beantragten Beweise zu einer mündlichen Aufklärung des Klägers wurden nicht aufgenommen.
[66] Somit ist derzeit eine Beurteilung, ob die Risikoaufklärung für den Kläger insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung EuGH C-l86/16, Andriciuc, ausreichend war, nicht möglich.
[67] 6. Zusammengefasst war die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zur Schlüssigstellung seines Klagebegehrens zu geben.
[68] Sollte die Schlüssigstellung des Klagebegehrens gelingen, wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien die Problematik der Bestimmtheit der Kreditschuld sowie die inzwischen ergangene Entscheidung 1 Ob 93/21i und die Bedeutung und Gültigkeit der beiden abweichenden Klauseln zur Rückzahlung der Kreditsumme zu erörtern haben.
[69] Soweit erforderlich, werden auch die beantragten Beweise zur Risikoaufklärung im Zusammenhang mit dem Wechselkursrisiko aufzunehmen sein.
[70] 7. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
Textnummer
E133948European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00051.21Z.0202.000Im RIS seit
28.02.2022Zuletzt aktualisiert am
28.02.2022