TE Lvwg Erkenntnis 2022/2/7 LVwG-2021/17/1084-1

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Veröffentlicht am 07.02.2022
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Entscheidungsdatum

07.02.2022

Index

41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §59
NAG 2005 §20
NAG 2005 §24
NAG 2005 §45

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Luchner über die Beschwerde AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch die BB, Adresse 2, **** Y (CC), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Y vom 22.03.2021, Zl ***,

zu Recht

1.       Der erstinstanzliche Bescheid wird behoben und dem Beschwerdeführer der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ erteilt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Vorverfahren, Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat mit Erstantrag vom 23.09.2020 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ gestellt. Er hat diesbezüglich einen gültigen Pass, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ausgestellt wurde, vorgelegt, der bis zum 04.10.2021 gültig gewesen ist. Er hat eine Meldebestätigung vorgelegt aus welcher hervorgeht, dass er derzeit in der Adresse 1 in **** Z gemeldet ist. Er hat eine Gehaltsabrechnung für Juni und Juli 2020 vorgelegt. Der Beschwerdeführer war damals und ist auch heute noch bei der Firma DD beschäftigt. Er hat zum damaligen Zeitpunkt rund Euro 1.318,60 verdient. Der Beschwerdeführer hat ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau B1 vom 29.07.2020 positiv abgelegt. Die Auskunft des KSV1870 enthält den entsprechenden Bonitätsnachweis.

Im erstinstanzlichen Akt erliegt auch ein Bescheid des BFA vom 28.08.2018 aus welchem hervorgeht, dass die befristete Aufenthaltsberechtigung gem § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr 100/2005 (AsylG) idgF bis zum 01.09.2020 erteilt wurde.

Außerdem liegt noch eine Arbeits- und Entgeltbestätigung der Firma DD vom 05.10.2020 vor, der sich entnehmen lässt, dass der Beschwerdeführer ein monatliches Bruttoentgelt in der Höhe von Euro 2.039,80 14x jährlich erhält und sich derzeit in ungekündigter Stellung befindet.

Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer auch das Modul 2, nämlich den Kurs für Werte und Orientierungswissen abgeschlossen hat. Dies ist dem Zeugnis zur Integrationsprüfung zu entnehmen.

Die Landespolizeidirektion Tirol hat mit Schreiben vom 05.10.2020, Zl ***, mitgeteilt, dass über den Beschwerdeführer weder im österreichischen Strafregister noch in den ho. Evidenzen nachteilige Vormerkungen bestehen. Im Zuge der Ermittlungen konnten auch sonst keine Umstände wahrgenommen werden, die einer Erteilung einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung entgegenstehen würden.

Im erstinstanzlichen Verfahren wurde auch festgehalten, dass der Beschwerdeführer weder um Mietzinsbeihilfe noch um Mindestsicherung angesucht hat. Er hat zuletzt im Jahr 2015 Mindestsicherung bezogen.

Im erstinstanzlichen Verfahren kam hervor, dass die Gültigkeit der letzten befristeten Aufenthaltsberechtigung am 10.9.2020 geendet hat und bis dato kein Verlängerungsantrag eingebracht worden sei. Der eigentliche Status des subsidiär Schutzberechtigten sei jedoch aufrecht.

Aufgrund dessen wurde mit dem Bescheid vom 03.11.2020 der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ gem § 45 Abs 12 iVm §§ 3 und 4 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich abgewiesen.

Mit Bescheid des BFA vom 19.01.2021 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für zwei Jahre verlängert. Aus diesem Bescheid geht nicht hervor ab wann die Verlängerung greift. Am 15.02.2021 langte bei der Erstbehörde ein neuerlicher Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ ein und wurde dieser wegen „entschiedener Sache“ gem § 68 Abs 1 AVG zurückgewiesen.

Dagegen hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und in dieser ausgeführt, es liege keine Identität der Sache vor. Es sei zwischenzeitlich ein neuer Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen und habe der Beschwerdeführer die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung erhalten.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsakt. Die zuvor zitierten Fakten liegen allesamt im erstinstanzlichen Akt auf und gelten als unbedenklich.

II.      Rechtliche Bestimmungen:

Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005- AsylG 2005), BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 110/2021 lautet wie folgt:

§ 8

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist

…“

§ 59

„Verlängerungsverfahren des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“

(1) Anträge auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, beim Bundesamt einzubringen. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmung nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Drittstaatsangehörigen auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels beginnt mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.

(3) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1.       der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2.       der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

…“

Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl I Nr 100/2005, idF BGBl I Nr 110/2021:

§ 20

„Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln

(2) Die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltstitels beginnt mit dem Ausstellungsdatum, die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels mit dem auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag, wenn seither nicht mehr als sechs Monate vergangen sind. Der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels ist gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen.

…“

§ 24

Verlängerungsverfahren

(1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.

(2) Anträge, die nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels gestellt werden, gelten nur dann als Verlängerungsanträge, wenn

1.       der Antragsteller gleichzeitig mit dem Antrag glaubhaft macht, dass er durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert war, rechtzeitig den Verlängerungsantrag zu stellen, und ihn kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, und

2.       der Antrag binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt wird; § 71 Abs. 5 AVG gilt.

Der Zeitraum zwischen Ablauf der Gültigkeitsdauer des letzten Aufenthaltstitels und der Stellung des Antrages, der die Voraussetzungen der Z 1 und 2 erfüllt, gilt nach Maßgabe des bisher innegehabten Aufenthaltstitels als rechtmäßiger und ununterbrochener Aufenthalt.

…“

§ 45

„Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“

...

(12) Asylberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen über den Status des Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005) verfügten und subsidiär Schutzberechtigten, die in den letzten fünf Jahren ununterbrochen aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter (§ 8 Abs. 4 AsylG 2005) rechtmäßig aufhältig waren, kann ein Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ erteilt werden, wenn sie

1.       die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und

2.       das Modul 2 der Integrationsvereinbarung (§ 10 IntG) erfüllt haben.

Der Zeitraum zwischen Einbringung des Antrages auf internationalen Schutz (§ 17 Abs. 2 AsylG 2005) und Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten ist zur Hälfte, sofern dieser Zeitraum 18 Monate übersteigt zur Gänze, auf die Fünfjahresfrist anzurechnen.“

III.     Rechtliche Erwägungen:

Gem § 8 Abs 4 zweiter Satz Asylgesetz 2005 gilt anlässlich der Zuerkennung des Status der dem subsidiär Schutzberechtigten zu erteilenden Aufenthaltsberechtigung die Dauer von einem Jahr und wird über Antrag für jeweils zwei weitere Jahre verlängert.

Wird der Verlängerungsantrag vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt, so besteht diese bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts. Weitergehende Regelungen zur Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte enthält das Asylgesetz 2005 nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat im Hinblick auf einen Antrag auf „Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigen“ festgehalten, dass es sich dabei nur um die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, nicht aber um die Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigen handelt (vgl VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007).

Mit der Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter ist ein rechtmäßiger Aufenthalt gem § 31 Abs 1 Z 4 FPG verbunden.

Zudem gibt der Gesetzgeber mit der Anordnung des § 8 Abs 4 letzter Satz Asylgesetz 2005, demzufolge die Aufenthaltsberechtigung nach einem Antrag des Fremden auf Verlängerung, wenn der Antrag vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, weiter besteht, zu erkennen, dass grundsätzlich – (wenn auch) eingeschränkt auf den Fall der rechtzeitigen Antragstellung – erst mit der, dem Antrag nicht Folge gebenden Entscheidung, der Verlust der Aufenthaltsberechtigung eintreten soll (siehe VwGH 30.10.2019, Ro 2019/14/0007).

Die Entscheidung über den Verlängerungsantrag hat somit für vorangegangene Zeiträume keine Auswirkungen auf die Rechtsmäßigkeit des Aufenthalts des subsidiären Schutzberechtigten. Selbst im Fall, dass eine rechtskräftige negative Entscheidung über den (rechtzeitig gestellten) Verlängerungsantrag erginge, wäre vom Fortbestehen der zuvor erteilten Aufenthaltsberechtigung bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen negativen Entscheidung auszugehen.

In der vorliegenden Konstellation, in der die Verlängerungsentscheidung nach Ablauf der zweijährigen Gültigkeitsdauer der zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung erging, garantiert daher die Festlegung der verlängerten Gültigkeitsdauer ausgehend von der vorliegenden Verlängerungsentscheidung des BVwG einen nahtlosen Anschluss an die (während des anhängigen Verlängerungsverfahrens) fortbestehenden Aufenthaltsberechtigungen, ohne dass dabei eine Lücke in den der mitbeteiligten Parteien erteilten Berechtigungen entstanden wäre (siehe Entscheidung des VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0281). Dieser führt weiter aus, dass unter diesem Gesichtspunkt sich die in § 8 Abs 4 Asylgesetz 2005 getroffenen Regelungen sohin maßgeblich von den anzuwendenden Bestimmungen des dem Asylgesetzes 2005 gegenübergestellten Regelungssystem der §§ 20 Abs 2 und 24 Abs 1 NAG sowie des § 59 Abs 1 und 2 Asylgesetz 2005 unterscheiden.

Die Bestimmungen des NAG und des § 59 AsylG 2005 ordnen nämlich für den Fall eines rechtzeitigen Verlängerungsantrages lediglich an, dass der Aufenthalt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Verlängerungsantrag rechtmäßig ist, nicht jedoch (sowie dies dem System des § 8 Abs 4 AsylG 2005 zugrunde gelegt ist), dass der zuvor erteilte Titel bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts (weiter) besteht.

Darüber hinaus wurde für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung subsidiär Schutzberechtigter keine Regelung getroffen, die mit den Vorschriften des § 20 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG sowie des § 59 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz AsylG 2005 vergleichbar wären.

Die soeben genannten Bestimmungen sehen vor, dass die Gültigkeitsdauer eines verlängerten Aufenthaltstitels (nur dann) mit dem, auf den letzten Tag des letzten Aufenthaltstitels folgenden Tag beginnt, wenn seither nicht mehr als 6 Monate vergangen sind.

Dadurch werden unter anderem jene Fälle von der Anordnung einer „nahtlosen“ Festlegung der Gültigkeitsdauer der verlängerten Aufenthaltstitel ausgeschlossen, in denen bei Erteilung des verlängerten Titels, dessen Gültigkeit würde diese unmittelbar anschließend an den zuletzt erteilten Titel bestimmt werden, unter Umständen bereits abgelaufen wäre oder für den verlängerten Titel nur noch eine relativ kurze Restgültigkeitsdauer verbliebe.

Die aufgrund dieser Regelung entstehende „Lücke“ in der Kette der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltstitel (die im Anwendungsbereich des „§ 8 Abs 4 AsylG 2005 im Verlängerungsverfahren aufgrund des Fortbestehens der zuvor erteilten Aufenthaltsberechtigung schon kraft Gesetzes nicht auftritt) schließen § 20 Abs 2 letzter Satz NAG sowie § 59 Abs 2 letzter Satz AsylG 2005 durch die Verpflichtung der Behörde den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen (siehe dazu VwGH 22.02.2018, Ra 2017/22/0156).

Der Verwaltungsgerichtshof führt in seiner Entscheidung zu Ra 2019/18/0281 vom 17.12.2019 dazu ergänzend aus, dass der Gesetzgeber vergleichbare Regelungen betreffend die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung subsidiär Schutzberechtigter nicht vorgesehen hat. Dass er aber die Problematik, die sich bei Fortschreiten der Dauer eines Verlängerungsverfahrens und gleichzeitig (ab) laufender Gültigkeit (Dauer) des zu verlängernden Titels stellt, auch im Regelungsbereich des AsylG 2005 durchaus im Blick hatte, zeigt die Bestimmung des § 59 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz AsylG 2005 („wenn seither nicht mehr als 6 Monate vergangen sind“).

Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber bei Festlegung des vom § 20 NAG sowie § 59 AsylG 2005 abweichenden Systems für die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung subsidiär Schutzberechtigter bewusst Situationen in Kauf genommen hat, in denen bei längerer Verfahrensdauer im Zeitpunkt der Erteilung der verlängerten Aufenthaltsberechtigung die Gültigkeitsdauer eben dieser Berechtigung auch schon abgelaufen sein könnte, sodass die Betroffenen (zudem ohne dass dafür ein mit § 24 Abs 2 NAG und § 59 Abs 3 AsylG 2005 vergleichbarer Mechanismus zwecks „Sanierung“ einer allfälligen Fristversäumnis bestünde) Gefahr liefen, die Frist für einen weiteren rechtzeitigen Verlängerungsantrag bei Erhalt der soeben verlängerten Aufenthaltsberechtigung bereits versäumt zu haben und dadurch die Kontinuität ihres rechtmäßigen Aufenthalts als subsidiär Schutzberechtigter zu verlieren.

Dies wäre nicht zuletzt im Hinblick auf § 45 Abs 12 NAG mit entsprechend nachteiligen Folgen in einem Verfahren betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt-EU“ verbunden (siehe überdies zu § 20 Abs 2 erster Satz letzter Halbsatz NAG die Materialien RV 88 BLG Nr 24.GP, 9, wonach in Fällen, in denen die Erteilung des verlängerten Aufenthaltstitels mehr als 6 Monate nach Ablauf des letzten Aufenthaltstitels erfolge, die bisherige Regelung im Hinblick auf die verbleibende Rechtsgültigkeit des Aufenthaltstitels insbesondere unter Bedachtnahme auf die Entscheidungspflicht der Behörde gem § 73 Abs 1 AVG als sachlich nicht gerechtfertigt erscheine).

Im gegenständlichen Fall liegt ein rechtskräftiger Bescheid vor, der das Aufenthaltsrecht als subsidiär Schutzberechtigter für weitere zwei Jahre verlängert hat. Dieser Bescheid war zu beachten und hat die Rechtslage für den BF neugestaltet.

Berücksichtigt man nämlich dieses Faktum und die gesetzlichen Gegebenheiten, wonach die Verlängerung immer nahtlos an das Datum des Ablaufs des vorhergehenden Zeitraumes anschließt, so wurde die zunächst im ersten diesbezüglichen Bescheid vom 03.11.2020 erwähnte ergangene „Frist des unrechtmäßigen Aufenthaltes“ geschlossen.

Wie sich also nachträglich herausgestellt hat, liegt im gegenständlichen Fall aufgrund des Fortbestehens der zuvor erteilten Aufenthaltsberechtigung keine Lücke mehr vor und besteht die Verpflichtung der Behörde, wie im § 59 Abs 2 letzter Satz AsylG 2005 ausgeführt, den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet im Zeitraum zwischen Ablauf des letzten Aufenthaltstitels und Beginn der Gültigkeitsdauer des verlängerten Aufenthaltstitels gleichzeitig mit dessen Erteilung von Amts wegen gebührenfrei mit Bescheid festzustellen (siehe dazu VwGH 22.02.2018, Ra 2017/22/0156). Da somit die Lücke, die durch die verspätete Antragseinbringung auf Verlängerung entstanden ist, nunmehr geschlossen wurde, konnte von einem ununterbrochenen Aufenthalt aufgrund einer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter in den letzten fünf Jahren vor der Zweitantragstellung, nämlich dem 15.02.2021 ausgegangen werden. Der Beschwerdeführer hat auch alle weiteren Voraussetzungen des ersten Teils erfüllt und auch das Modul 2 der Integrationsvereinbarung. Dies ist aus den vorgelegten Dokumenten des erstinstanzlichen Aktes zweifelsfrei zu entnehmen. Es war ihm somit der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ zu erteilen.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Luchner

(Richterin)

Schlagworte

Daueraufenthalt EU
rechtmäßiger Aufenthalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2021.17.1084.1

Zuletzt aktualisiert am

24.02.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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