Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei „W*“ *gesellschaft mbH, *, vertreten durch Mag. Michael Tinzl und Mag. Albert Frank, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufkündigung und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. September 2021, GZ 4 R 141/20v-29, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 1. Juli 2020, GZ 3 C 5/20w-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Im Revisionsverfahren ist nur mehr der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 6 MRG zu beurteilen. Dieser setzt eine fehlende regelmäßige Verwendung des aufgekündigten Objekts zu Wohnzwecken sowie den Mangel eines dringenden Wohnbedürfnisses des Mieters oder eintrittsberechtigter Personen voraus. Dass das Berufungsgericht eine fehlende regelmäßige Verwendung der gekündigten Wohnung durch den Beklagten zu Wohnzwecken annahm, wird von diesem in dritter Instanz nicht bekämpft. Er wendet sich aber gegen dessen Rechtsansicht, wonach es ihm an einem dringenden Wohnbedürfnis an der Wohnung fehle.
[2] 2. Ein solches ist anzunehmen, wenn die Nichtbenützung der gekündigten Wohnung nur eine absehbare, vorübergehende Unterbrechung darstellt und der Mieter in nächster Zukunft in diese zurückkehren wird (RIS-Justiz RS0079350). Die bloß ungewisse künftige Möglichkeit der Benutzung der Wohnung reicht für die Annahme eines dringenden Wohnbedürfnisses nicht aus, erforderlich ist vielmehr, dass der Mieter die Wohnung mit Sicherheit in naher Zukunft wieder benötigen wird (vgl RS0079210).
[3] 3. Das Berufungsgericht stellte (nach Beweiswiederholung) fest, dass der Beklagte die gekündigte Wohnung nicht bloß – wie er behauptete – vorübergehend zum Zweck der Durchführung von Renovierungsarbeiten verließ, sondern dass er beabsichtigt hatte, gemeinsam mit seiner Freundin in der von ihm für sie angemieteten Wohnung wohnen zu bleiben und sich erst „unter dem Druck des gegenständlichen Verfahrens aus prozesstaktischen Gründen“ zur Rückkehr in die alte Wohnung entschloss. Es ging daher in rechtlicher Hinsicht von einem fehlenden dringenden Wohnbedürfnis des Beklagten an der gekündigten Wohnung aus.
[4] 4. Der Revisionswerber hält dem entgegen, dass die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung nicht vom erstinstanzlichen Parteivorbringen gedeckt und sohin „überschießend“ sei und daher bei der rechtlichen Beurteilung unberücksichtigt bleiben hätte müssen.
[5] Nach ständiger Rechtsprechung dürfen bei der Beweisaufnahme hervorkommende Umstände nur insoweit berücksichtigt werden, als sie im Parteivorbringen Deckung finden, sich also im Rahmen des geltend gemachten Klagegrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (vgl RS0037972 [insb T1, T9]; RS0037964 [T1, T2]).
[6] Die vom Berufungsgericht zum fehlenden dringenden Wohnbedürfnis des Beklagten getroffenen Feststellungen halten sich im Rahmen des (auch) auf § 30 Abs 2 Z 6 MRG gestützten Kündigungsvorbringens, wonach der Beklagte die Wohnung verlassen sowie zur Gänze untervermietet habe und zu seiner Freundin gezogen sei, was auch die Behauptung beinhaltet, er habe die Wohnung dauerhaft verlassen und werde in nächster Zukunft nicht in diese zurückkehren. Dass die Klägerin das Bestreitungsvorbringen des Beklagten, er sei nur vorübergehend – aufgrund von Renovierungsarbeiten – zu seiner Freundin gezogen, nicht ausdrücklich bestritt, ändert nichts an ihrem – dem widersprechenden – Prozessstandpunkt. Im Übrigen lag es am Beklagten, sein dringendes Wohnbedürfnis an der gekündigten Wohnung nachzuweisen (RS0079350 [insb T6]). Dass das Berufungsgericht aufgrund seiner Behauptung, er habe die gekündigte Wohnung nur wegen Renovierungsarbeiten vorübergehend verlassen, feststellte, dass dies nicht der Fall war, begründet keinesfalls eine überschießende Feststellung. Bereits aufgrund dieser Feststellung durfte das Berufungsgericht aber davon ausgehen, dass der Beklagte kein schutzwürdiges Interesse am Erhalt der gekündigten Wohnung habe, behauptete er doch keinen anderen Grund dafür, aus dieser ausgezogen zu sein.
[7] 5. Soweit der Revisionswerber der zu seinem fehlenden dringenden Wohnbedürfnis an der gekündigten Wohnung getroffenen Feststellung auch inhaltlich entgegentritt und für ihn günstigere Feststellungen anstrebt, übersieht er, dass der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist (vgl RS0042903 [insb T1, T3, T4, T8]), was auch für den Fall gilt, dass das Gericht zweiter Instanz – wie hier – aufgrund einer Beweiswiederholung bzw Beweisergänzung eine neue Tatsachengrundlage schafft (vgl RS0123663).
[8] 6. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Textnummer
E133780European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00228.21T.1214.000Im RIS seit
10.02.2022Zuletzt aktualisiert am
10.02.2022