TE Vwgh Beschluss 2022/1/12 Ra 2021/19/0448

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Veröffentlicht am 12.01.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §19 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des A A, vertreten durch Mag. Constantin-Adrian Nitu, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/1/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. August 2021, L511 2160387-1/37E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 21. November 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, dass ihm Haft und Verfolgung drohe, weil er als Polizist bei einem Überfall auf ein Zeitungsgebäude in Bagdad anwesend gewesen sei.

2        Mit Bescheid vom 5. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3        Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Das BVwG führte begründend aus, dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Polizist komme keine Glaubwürdigkeit zu. Auch in Hinblick auf die unentschuldigte Abwesenheit vom Polizeidienst ergebe sich vor dem Hintergrund der Länderberichte keine aktuelle Bedrohung.

5        Mit Beschluss vom 5. Oktober 2021, E 3620/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Daraufhin erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, die „Interessensabwägung“ sei mangelhaft, weil die Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers ausschließlich damit begründet werde, dass dieser seine Angaben im Rahmen seiner Einvernahme nachträglich präzisiert habe.

9        Soweit sich die Revision damit gegen die Beweiswürdigung des BVwG wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Demnach liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 2.9.2021, Ra 2021/19/0218, mwN).

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 ist es weder der Behörde noch dem BVwG verwehrt, im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten zwischen der Erstbefragung und späteren Angaben des Asylwerbers einzubeziehen; es bedarf aber sorgsamer Abklärung und auch der in der Begründung vorzunehmenden Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind (vgl. VwGH 30.11.2020, Ra 2020/19/0376, mwN).

11       Im vorliegenden Fall verschaffte sich das BVwG im Zuge der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber und setzte sich mit dessen Fluchtvorbringen auseinander. In der Beweiswürdigung legte das BVwG im Einzelnen offen, auf Grund welcher Überlegungen es zum Schluss kam, dass der Revisionswerber zwar als Polizist gearbeitet habe, er aber beim genannten Überfall auf das Zeitungsgebäude nicht anwesend gewesen sei und er deshalb auch nicht verfolgt werde.

Das BVwG führte in seinen beweiswürdigenden Überlegungen zwar einleitend ins Treffen, dass der Revisionswerber im Rahmen der Erstbefragung seine Anwesenheit beim Überfall auf das Zeitungsgebäude (als den angeblich ausreisekausalen Grund) nicht erwähnt habe. Die Revision übersieht hier jedoch, dass sich das BVwG darüber hinaus aber auch auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, wie widersprüchliche Angaben des Revisionswerbers zu seinen Tätigkeiten bei der Polizei sowie nicht mit dem Fluchtvorbringen in Einklang zu bringende vorgelegte Unterlagen, stützte.

Ausgehend davon gelingt es der Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht, eine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Unvertretbarkeit der beweiswürdigenden Überlegungen des BVwG aufzuzeigen.

12       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021190448.L00

Im RIS seit

04.02.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.02.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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