TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/10 W140 2229611-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.04.2020
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Entscheidungsdatum

10.04.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §80

Spruch


W140 2229611-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. HÖLLER als Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl: XXXX , über die weitere Anhaltung von XXXX , StA. Marokko, in Schubhaft zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

II. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.03.2020, XXXX wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Das Bundesverwaltungsgericht führte u.a. Folgendes aus:

„Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er durchlief in Österreich (und anderen Ländern) unter tatsachenwidrigen Angaben zu seiner Identität asyl-und fremdenrechtliche Verfahren.

2. Nach einem Fingerabdruck-Vergleich durch Interpol Rabat/Marokko und die damit verbundene Abklärung seiner Identität wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 20.11.2019 die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG im unmittelbaren Anschluss an eine laufende Strafhaft angeordnet. Begründet wurde dies mit der Straffälligkeit des Beschwerdeführers, die Verschleierung der Identität, einer wahrscheinlich beabsichtigten Weiterreise in einen dritten Staat sowie der fehlenden Verankerung im Bundesgebiet.

3. Währen dieser Anhaltung wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 27.09.2019 mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 08.11.2019 vollinhaltlich abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat Marokko verbunden. Das Bundesverwaltungsgericht hat die diesbezügliche Beschwerde mit Erkenntnis vom 18.12.2019, XXXX als unbegründet abgewiesen; diese Entscheidung erwuchs im Dezember 2019 in Rechtskraft. Gegen diese Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof eingebracht.

4. Am 16.03.2020 langte der Verfahrensakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einem beiliegenden Schreiben führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass das HRZ-Verfahren noch im Laufen sei und verwies auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers sowie das bewusste Verschleiern der Identität. Zuletzt sei für den Einzelfall am 26.02.2020 schriftlich urgiert worden. Die Botschaft habe die Unterlagen zur Prüfung nach Marokko übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Marokko vor. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Das im November 2019 eingeleitete HRZ-Verfahren ist aktuell noch im Laufen und bewegt sich im üblichen Zeitrahmen hinsichtlich des hier relevanten Herkunftsstaates. Das Bundesamt hat regelmäßig urgiert – in Folge einer Einzelurgenz am 26.02.2020 wurde die Zusage der Überprüfung der Identitätsdaten des Beschwerdeführers in Marokko erwirkt. Diese ist derzeit im Laufen und kann voraussichtlich in wenigen Monaten abgeschlossen werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich seit (mindestens) 02.05.2018 ausschließlich in Justizanstalten und Polizeianhaltezentren gemeldet. Seit diesem Zeitpunkt ist er nicht mehr in Freiheit. Der Beschwerdeführer zeigte sich während seiner beiden Asylverfahren in Österreich nicht kooperativ und machte bewusst tatsachenwidrige Angaben zu seiner Identität (Name, Geburtsdatum) sowie zu seinem Herkunftsstaat. Die nunmehr im Spruch festgehaltene Identität beruht auf einer Auskunft von Interpol Rabat/Marokko.

Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst. Der Beschwerdeführer wurde wegen der Begehung von (qualifizierten) Vermögensdelikten im Februar 2018 zunächst zu einer teilbedingten und im Mai 2018 wegen der Begehung eines Gewaltdeliktes zu einer unbedingten (15 Monate) Freiheitsstrafe verurteilt. Der bedingt nachgesehene Teil der ersten Freiheitsstrafe wurde gleichzeitig widerrufen.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Sommer 2020 ist jedenfalls realistisch. Das Erfordernis einer HRZ-Ausstellung und die dadurch bedingte Anhaltedauer sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen.

Zum angeführten realistischen Abschiebezeitpunkt ist auch damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit Covid-19 zumindest weitgehend gelockert und Abschiebungen durchführbar sind. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist nicht ersichtlich.

Der Beschwerdeführer ist nicht Asylwerber; es kommt ihm kein faktischer Abschiebeschutz zu. Er ist in besonderem Ausmaß nicht vertrauenswürdig. Er ist in Österreich in keiner Form integriert, spricht nicht Deutsch und verfügt über keine familiären oder substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft; jedoch über Barvermögen in Höhe von rund 3.000 €. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

Für eine erhöhte Gefährdung hinsichtlich einer Infektion mit Covid-19 während der laufenden Anhaltung im Polizeianhaltezentrum gibt es keinen Hinweis.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den Gerichts- und Verwaltungsakten zu seinen Asylverfahren (BVwG-GZ XXXX und XXXX ). Die Feststellungen bezüglich der Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus der Aktenlage. Die Feststellungen zu den strafrechtlichen Verurteilungen sind dem Strafregister entnommen. Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nachweislich unterschiedliche Angaben zu seiner Identität und seinem Herkunftsstaat gemacht – was aus den Akten, insbesondere der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Beschwerde im zweiten Asylverfahren ( XXXX vom 08.11.2019), ersichtlich ist.

2.2. Die realistische Möglichkeit der Rücküberstellung ergibt sich aus der diesbezüglich grundsätzlich problemlosen Zusammenarbeit mit den Vertretungen und Behörden des Herkunftsstaates. Abschiebungen finden regelmäßig statt. Ebenso regelmäßig muss diesen ein Ermittlungsverfahren im Herkunftsstaat vorangehen, weil die Betroffenen keine Personal- oder Reisedokumente vorweisen können. Diese benötigen üblicherweise einige Monate. Angesichts der Einleitung des HRZ-Verfahrens im September 2019 und der erfolgreichen Urgenz im Februar (mit Interpol-Daten) ist damit eine HRZ-Ausstellung und eine Abschiebung im Sommer 2020 realistisch.

Die dargestellten Ermittlungs- und Prüfungsverfahren sind allein dem Beschwerdeführer zuzurechnen, weil er ohne Dokumente durch Europa reiste und bei Behördenkontakten bewusst tatsachenwidrige Behauptungen zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit machte. Zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt ist – unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage und der existenziellen Bedürfnisse der österreichischen Bevölkerung - damit zu rechnen, dass die gegenwärtigen restriktiven Maßnahmen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie in einigen Wochen zumindest substanziell gelockert werden. Damit ist kein Zusammenhang mit dem voraussichtlichen Abschiebetermin erkennbar.

2.3. Die Feststellungen zur fehlenden Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die in besonderem Maße geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus den vom Beschwerdeführer in den Asylverfahren bewusst getätigten falschen Angaben zu seiner Person und der Begehung von Straftaten. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten. Zudem befand sich der Beschwerdeführer vor Anordnung der Schubhaft rund eineinhalb Jahre lang in Strafhaft.

3. Rechtliche Beurteilung:

(…)

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete, haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusst falsche Angaben zu seiner Identität im Rahmen des Asylverfahrens erfüllt.

Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass eine Schubhaft nunmehr auch originär auf § 76 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt werden kann, da der Beschwerdeführer nicht mehr Asylwerber ist.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts (in besonderem Umfang) fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit – siehe dazu auch die wiederholte Nutzung falscher Identitätsangaben und die Straffälligkeit fast unmittelbar nach der ersten Asylantragstellung – kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.(…)

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer durch seine illegale Einreise ohne Personal- und Reisedokumenten selbst zu verantworten. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen. Es wurde auch laufend bei der Botschaft urgiert.

Die (zum Entscheidungszeitpunkt) voraussichtliche Dauer der Anhaltung ergibt sich aus den oben angeführten Umständen und steht nicht im Zusammenhang mit den gegenwärtigen Restriktionen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie. Diese bewirken im gegenständlichen Fall (derzeit) keine längere Anhaltedauer des Beschwerdeführers in Schubhaft.(…)“


Die Verwaltungsbehörde übermittelte am 07.04.2020 zum Zwecke der Überprüfung der Schubhaft im Sinne des § 22a Abs. 4 BFA-VG die Verwaltungsakten womit "die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht gilt".

Mit E-Mail vom 07.04.2020 übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) folgende Stellungnahme:

„Über den im Betreff genannten Fremden wurde mit Bescheid vom 20.11.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationanalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die Anhaltung in Schubhaft erfolgt seit 25.11.2019 (Entlassung aus der Strafhaft).

Eingangs wird hinsichtlich des Verfahrensganges und den Feststellungen auf die umfangreichen Ausführungen im Bescheid zu Zahl XXXX verwiesen, die keine Änderung erfahren haben.

Gegenständlich soll der Fremde länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden. Nach § 22a Abs. 4 BFA-VG ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde (25.11.2019) und danach alle vier Wochen, vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakte gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht.

Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist.

-        Der Beschwerdeführer brachte am 07.12.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ein. Dabei gab er an, den Namen XXXX zu führen, staatenlos und am XXXX geboren zu sein.

-        Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde am 14.12.2017 ein Konsultationsverfahren gem. Art. 18 (1) (b) der Dublin-VO mit Deutschland eingeleitet.

Die deutschen Behörden stimmten mit Anschreiben vom 20.12.2017 Ihrer Wiederaufnahme gem. Art. 18 (1) (d) Dublin-VO zu.

-        Am 16.01.2018 wurde der BF aufgrund des Verdachts der Begehung einer strafbaren Handlung in die JA XXXX verbracht.

-        Durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde den zuständigen deutschen Behörden am 18.01.2018 mitgeteilt, dass der BF in der Haft angehalten wird und dass daher seine Überstellung nach Deutschland derzeit nicht möglich ist.

-        Mit Bescheid vom 22.01.2018 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 07.12.2017 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurückgewiesen. Für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz war gemäß Artikel DB III Wiederaufnahme gemäß Art 18 (1) (d) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates Deutschland zuständig. Gemäß § 61 Absatz 1 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF die Anordnung der Außerlandesbringung angeordnet. Demzufolge war gemäß § 61 Absatz 2 FPG seine Abschiebung nach Deutschland zulässig.

-        Verurteilung durch das Landesgerichtes XXXX , GZ: XXXX , vom 21.02.2018 – rechtskräftig seit 21.02.2018, wegen dem Vergehen der dauernden Sachentziehung gem. § 135 (1) StGB, dem Vergehen Diebstahl gem. §127 StGB, dem Vergehen Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen gem. § 19 (1) Z 3 StGB, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gem. § 241e StGB sowie dem Vergehen der Urkundenunterdrückung gem. § 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

-        Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.02.2018 zur Zahl XXXX wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.01.2018 zur Zahl XXXX gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

-        Der BF wurde am 21.02.2018 aus der Strafhaft entlassen.

-        Seit 25.02.2018 befand sich der BF erneut in Strafhaft, Entlassung am 25.11.2019.

-        Verurteilung des Landesgerichtes XXXX , GZ: XXXX , vom 02.05.2018 – rechtskräftig seit 08.05.2018, wegen dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. § 269 (1) 1. Fall StGB iVm § 15 StGB sowie dem Vergehen der gefährlichen Drohung gem. § 107 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Die bedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten zum Urteil XXXX vom 21.02.2018 wurde widerrufen.

-        Die Frist zur Überstellung des Beschwerdeführers nach Deutschland ist mit 21.12.2018 abgelaufen und konnte daher nicht mehr durchgeführt werden.

-        Mit Schreiben vom 06.02.2019 wurde der BF vom BFA, XXXX , über die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot informiert und ihm Parteiengehör gewährt.

-        In seiner Stellungnahme vom 17.02.2019 gab der BF dazu Folgendes an:

-        Es konnte nach Mitteilung vom 24.04.2019 der Interpol Rabat/Marokko durch Abgleich seiner digitalen Fingerabdrücke eindeutig festgestellt werden, dass seine richtige Identität XXXX , geboren am XXXX in XXXX /Marokko lautet.

-        Der Beschwerdeführer ist bereits im Jahre 2008 in Spanien unter der Personalie XXXX in Marokko einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden.

-        Der BF hat in Österreich unter der falschen Identität XXXX , staatenlos, am 07.12.2017 einen Asylantrag gestellt.

-        Der BF wurde am 25.09.2019 vom BFA XXXX zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot und zur Prüfung der Verhängung der Schubhaft niederschriftlich einvernommen.

-        Der BF stellte am 27.09.2019 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

-        Der Beschwerdeführer wurde am 30.10.2019 niederschriftlich vom BFA XXXX in der JA XXXX betreffend seinen Asylantrag einvernommen.

-        Der BF wurde am 07.11.2019 erneut niederschriftlich vom BFA XXXX in der JA XXXX betreffend seinen Asylantrag im Beisein seines Rechtsanwalts einvernommen.

-        Mit Bescheid des BFA vom 08.11.2019 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz vom 27.09.2019 wird hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, abgewiesen. Gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Es wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise. Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

-        Dieser Bescheid wurde von seiner Rechtsvertretung Dr. XXXX am 14.11.2019 übernommen.

-        Mit Schreiben vom 09.12.2019 wurde über die Rechtsvertretung Dr. XXXX gegen den Asylbescheid Beschwerde erhoben.

-        Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.12.2019, Zahl XXXX wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

-        Der BF ist ein zweifach verurteilter Straftäter, wurde bereits ca. ein Monat nach seiner Einreise straffällig und war in Österreich melderechtlich nur in einem Asylquartier bzw. die meiste Zeit seines Aufenthalts in den Justizanstalten registriert.

-        Über den BF wurde mit Bescheid vom 20.11.2019 gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationanalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

-        Am 25.11.2019 wurde der BF aus der Strafhaft entlassen und in Schubhaft genommen.

-        Vom 28.11.2019 bis 06.12.2019 befand sich der BF in Hungerstreik.

-        Am 16.03.2020 erfolgte durch das BFA die Vorlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit zur weiteren Anhaltung in Schubhaft gem. § 22 a Abs. 4 BFA-VG.

-        Mit Erkenntnis des BVwG vom 18.03.2020, Zahl XXXX wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

Die Anhaltung in Schubhaft ist jedenfalls nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).
In concreto geht aber die erkennende Behörde im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Dies insbesondere, weil gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen wurde und dieser nicht bereit war, aus Eigenem nach Marokko zurückzukehren.

Der BF trat unter verschiedene Aliasidentitäten in Erscheinung, um sich dadurch in fremdenrechtlicher Hinsicht bzw. im Asylverfahren einen Vorteil zu verschaffen.

Der Fremde missbrauchte offenbar aufenthalts-, fremden- und asylrechtliche Bestimmungen, indem er ganz bewusst mehrfach unrichtige Angaben z. B. zu seinem Namen, Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum, Geburtsort sowie der familiären und privaten Anknüpfungspunkte machte, um sich offenbar ein Aufenthaltsrecht in Österreich zu erschleichen.

Der Fremde ist bereits im Jahre 2008 in Spanien unter der XXXX in Marokko einer erkennungsdienstlichen Behandlung unterzogen worden.

In Österreich hat der BF unter der falschen Identität XXXX in XXXX , staatenlos, am 07.12.2017 einen Asylantrag gestellt.

Es konnte nach Mitteilung vom 24.04.2019 der Interpol Rabat/Marokko durch Abgleich seiner digitalen Fingerabdrücke eindeutig festgestellt werden, dass die richtige Identität XXXX in XXXX /Marokko lautet.

Außerdem ergibt die Zusammenschau der zwei strafrechtlichen Verurteilungen und seines bisherigen Verhaltens, dass der Fremde zu keinem Zeitpunkt seines rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet gewillt war, die österreichischen Gesetze und Normen zu respektieren. Er wurde bereits ca. ein Monat nach seiner Einreise ins Bundesgebiet straffällig, melderechtlich ist der Fremde nur in einem Asylquartier bzw. die meiste Zeit seines Aufenthalts in den Justizanstalten registriert.

Im Strafregister der Republik Österreich - geführt von der Landespolizeidirektion XXXX - scheinen folgende Verurteilungen auf:

-        Verurteilung durch das Landesgerichtes XXXX , GZ: XXXX , vom 21.02.2018, rechtskräftig seit 21.02.2018, wegen dem Vergehen der dauernden Sachentziehung gem. § 135 (1) StGB, dem Vergehen Diebstahl gem. §127 StGB, dem Vergehen Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen gem. § 19 (1) Z 3 StGB, dem Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel gem. § 241e StGB sowie dem Vergehen der Urkundenunterdrückung gem. § 229 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 Monaten, davon 6 Monate bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren.

-        Verurteilung des Landesgerichtes XXXX , GZ: XXXX , vom 02.05.2018 – rechtskräftig seit 08.05.2018, wegen dem Vergehen des Widerstandes gegen die Staatsgewalt gem. § 269 (1) 1. Fall StGB iVm § 15 StGB sowie dem Vergehen der gefährlichen Drohung gem. § 107 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten. Die bedingte Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten zum Urteil XXXX vom 21.02.2018 wurde widerrufen.

Der bisherige Aufenthalt des Fremdem in Österreich beeinträchtigte Grundinteressen der Gesellschaft, nämlich Ruhe, Sicherheit des Eigentums und sozialen Frieden. Sein Fehlverhalten ist gravierend und gefährdet massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Der BF ist ein gerichtlich verurteilter Straftäter und stellt somit eine massive Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar.

Der Fremde besitzt kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

Er verfügt nicht über die nötigen finanziellen Mittel, um seine Ausreise zu gewährleisten.

Er verfügt nicht über ausreichend Barmittel, um seinen weiteren Unterhalt zu finanzieren.

Er ist nicht zur legalen Arbeitsaufnahme berechtigt und besteht in Anbetracht seines bisherigen Verhaltens durchaus die Gefahr, dass sich der Fremde durch die Begehung von Strafrechtsdelikten seine finanzielle Lage aufzubessern versucht oder in die real existierende und gesellschaftlich unerwünschte Schattenwirtschaft abwandert.

Aufgrund des gerichtlich strafbaren Verhaltens wurde seitens des BFA eine Rückkehrentscheidung iVm. Einreiseverbot erlassen.

Der Fremde ist in keinster Weise vertrauenswürdig. Das Risiko eines Untertauchens in Österreich ergibt sich zwingend aus seinem bisherigen Verhalten und aus seiner gezeigten Ablehnung gegenüber den geltenden Rechtsvorschriften.

Das gesamte Verhalten des Fremden ist ein besonders starkes Indiz für die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit massiv gefährdet.

Auf Grund Ihres bisherigen Verhaltens geht die Behörde davon aus, dass die Verhängung der Schubhaft nach Haftentlassung dringend erforderlich ist, zumal diese durch Ihre Mitwirkung bei der reibungslosen Durchsetzung Ihrer Ausreisepflicht auf ein unbedingt notwendiges Ausmaß beschränkt werden kann.

Zur Nichtanwendung eines gelinderen Mittels wurde insgesamt seitens des Bundesamtes berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima ratio – Maßnahme darstellt. Es war daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit.

Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund der finanziellen Situation nicht in Betracht. Genügend Barmittel fanden bislang keine Erwähnung und wurden auch nicht in Vorlage gebracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten und auch was die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in diesem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden da dem Fremden von Seiten der Behörde, insbesondere aufgrund seiner mehrfachen Straffälligkeit jegliche Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden muss.

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Bezüglich der Erlangung eines Heimreisezertifikats darf mitgeteilt werden, dass dieses Verfahren von der BFA Direktion, XXXX jedenfalls prioritär geführt wird.

Nach Mitteilung der Interpol Rabat/Marokko vom 24.04.2019 konnte durch Abgleich der digitalen Fingerabdrücke des BF eindeutig festgestellt werden, dass die richtige Identität XXXX in XXXX /Marokko lautet.

Folgende Schritte wurden bislang gesetzt:

27.11.2019: Antrag bei der marokkanoischen Botschaft auf Ausstellung eines HRZ

06.12.2019: Urgenz wird per E-Mail

10.01.2020: erneute Urgenz per E-Mail an Konsulat

20.02.2020: erneute Urgenz durch persönliche Übergabe einer Liste mit Marokkanern

26.02.2020: Einzelurgenz durch persönliche Übergabe – laut Botschaft des Königreichs Marokko wurden die Unterlagen nach Rabat/Marokko zur neuerlichen Überprüfung geschickt

Die Ausstellung eines Heimreisezertifikats wäre daher theoretisch zu jeder Zeit möglich. Diese hat sich vorrangig nur deshalb verzögert, da der BF nicht mit den Behörden zusammenarbeitet und von Beginn an seines Aufenthalts in Östereich mit einer falschen Identität auftrat.(…)

Im konkreten Fall liegt es gänzlich in der Hand des Fremden, die Erlangung eines Heimreisezertifikates im Rahmen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht zu ermöglichen und dadurch die laufende Schubhaft so kurz als möglich zu halten. Es kann nicht sein, dass der Fremde durch Verstoß gegen ihn treffende Mitwirkungspflichten bzw. durch Fehlinformationen der Behörden gegenüber insofern einen Vorteil ziehen kann, als dadurch eine rechtmäßige Abschiebung von vornherein unmöglich gemacht wird. Durch ein rechtmäßiges Alternativverhalten würde zu jeder Zeit des Verfahrens die Möglichkeit bestehen, dieses wesentlich zu verkürzen und eine ehebaldigste Beendigung der Schubhaft durch Ausreise in seinen Herkunftsstaat zu erreichen. Tut er dies nicht, so ist ihm nach Ansicht ho. Behörde das angemessene Zuwarten einer Klärung im Stande der Schubhaft zumutbar (so auch BVwG 24.2.2017, XXXX ).

Der Genannte befindet sich derzeit im Stande der Schubhaft im PAZ XXXX .

Zusammengefasst gelangt die Behörde somit zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sowie geboten ist.

Entsprechend des bisherigen Verhaltens begründen die im Schubhaftbescheid ausführlich dargelegten Kriterien eine Fluchtgefahr und gefährdet der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 FPG.

Seitens des Bundesamtes war aus dem bisherigen Verhalten des Fremden jedenfalls deutlich erkennbar, dass dieser keinesfalls vertrauenswürdig ist und die begründete Annahme besteht, dass er seiner Ausreiseverpflichtung selbstständig und freiwillig nicht nachkommen wird.

Es darf nochmals darauf hingewiesen werden, dass der BF noch vor der Inschubhaftnahme am 27.09.2019 einen unbegründeten Folgeantrag eingebracht hat, welcher mit Erkenntnis des BVwG vom 18.12.2019 abgewiesen wurde.

Wie bereits ausführlich dargelegt, besteht im konkreten Fall aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens ein hohes Risiko des Untertauchens. Zur Sicherung der Abschiebung ist daher die Schubhaft über den Zeitraum von 4 Monaten aufrecht zu halten.“


In einer ergänzenden Stellungnahme vom 09.04.2020 führte das BFA Folgendes aus:

„Unter Bezugnahme auf die behördliche Schubhaft-Stellungnahme vom 07.04.2020 (Aktenvorlage – Überprüfung der Verhältnismäßigkeit nach § 22a Abs. 4 BFA-VG) wird berichtigend festgehalten, dass es aufgrund der andauernden gesundheitspolitischen Covid-19-Situation zwar zu Einschränkungen in der Kommunikation mit der marokkanischen Vertretungsbehörde gekommen ist, es jedoch weiterhin Mittel und Wege gibt, mit der Botschaft in Kontakt zu treten. Dies vor allem in telefonischer Form oder via E-Mail. Dazu wird angeführt, dass etwa entsprechende Urgenzlisten per E-Mail an das Konsulat übermittelt werden, so geschehen etwa am 06.12.2019 und am 10.01.2020. Das Bundesamt ist hier weiterhin bemüht, die Kommunikation mit der Botschaft aufrechtzuhalten.
Auch wird betont, dass der Genannte bereits von Interpol Rabat anhand seiner Fingerabdrücke identifiziert werden konnte. Die marokkanischen Heimatbehörden überprüfen diese Daten. Es sind keine Gründe ersichtlich oder bekannt, dass die weltweite Covid-19-Pandemie speziell in Marokko die dortige Behördenarbeit eingeschränkt oder lahmgelegt hätte. Sämtliche Unterlagen zur HRZ-Erlangung wurden via Botschaft des Königreiches Marokko an die dortigen Heimatbehörden übermittelt.

Das Ergebnis dieser Überprüfung wird abzuwarten sein.
Zwar kann derzeit aufgrund der gesundheitspolitischen Lage keine Vorführung zur Botschaft erfolgen, eine solche wurde jedoch weder seitens des Konsulates gefordert noch vom Bundesamt ins Auge gefasst.

Da eine Identifizierung seitens Interpol vorliegt, kann hier nach Ansicht der Behörde eine ergänzende Vorführung unterbleiben und ist eine solche derzeit nicht erforderlich.“


Das Bundesverwaltungsgericht hat von Amts wegen erwogen:

1. Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die zitierten Entscheidungsgründe des Vorerkenntnisses werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihren Stellungnahmen anlässlich der Aktenvorlage angeführten Ausführungen u. a. betreffend Bemühungen zur Erlangung eines Heimreisezertifikates.

Auf der Tatsachenebene liegt keine Änderung - die Fluchtgefahr betreffend - vor.

Der BF ist haftfähig, es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

2. Beweiswürdigung:

Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen und die Haftfähigkeit des BF ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere dem zitierten Vorerkenntnis. Auch die Feststellungen des Vorerkenntnisses werden der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

Im Besonderen ist hervorzuheben, dass die Behörde dargetan hat, dass sie sich im vorliegenden Fall um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht und nach den Erfahrungswerten davon auszugehen ist, dass ein solches auch von der Marokkanischen Botschaft erlangt werden kann. Laut Mitteilung von Interpol Rabat/Marokko konnte durch Abgleich der digitalen Fingerabdrücke des BF eindeutig die richtige Identität festgestellt werden. Die Unterlagen des BF befinden sich derzeit zur Überprüfung in Rabat/Marokko.


3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. – Fortsetzung der Schubhaft

Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Gemäß § 76 Abs 1 FPG idgF können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Die Schubhaft darf gemäß § 76 Abs 2 FPG idgF nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

§ 76 Abs. 3 FPG idgF lautet:

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise - wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG - erreicht werden ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig.

§ 80 FPG idgF lautet:

(1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich
1.         drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;
2.         sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil
1.         die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,
2.         eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,
3.         der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder
4.         die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(5a) In den Fällen des § 76 Abs. 2 letzter Satz ist auf die Schubhaftdauer gemäß Abs. 5 auch die Dauer der auf den Festnahmeauftrag gestützten Anhaltung anzurechnen, soweit sie nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz gemäß § 40 Abs. 5 BFA-VG aufrechterhalten wurde. Die Anrechnung gemäß Abs. 5 letzter Satz bleibt davon unberührt.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.


Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich infrage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die infrage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Verwaltungsgerichthof führte in seiner Entscheidung vom 30.08.2018 (Ra 2018/21/0111) Folgendes aus: „In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG 2014 - einen neuen Hafttitel dar. Über vor oder nach der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen. Ein Erkenntnis nach § 22a Abs. 4 BFA-VG 2014 steht daher einer Beschwerde nach § 22a Abs. 1 BFA-VG 2014, mit der die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von vor oder nach der Erlassung des Erkenntnisses liegenden Haftzeiten begehrt wird, nicht entgegen.“

Aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG liegt weiterhin Fluchtgefahr vor und ist auch Sicherungsbedarf gegeben. Insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Die Schubhaft ist jedenfalls wegen Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es ist zu betonen, dass bei Kooperation des Beschwerdeführers - freiwilliger Ausreise / Vorlage eines Personal- oder Reisedokumentes - die Anhaltung in Schubhaft mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit schon früher hätte beendet werden können. Dass sie noch andauert - und damit nun auch von den Maßnahmen hinsichtlich der Covid-19- Pandemie betroffen ist - hat zu einem überwiegenden Teil der Beschwerdeführer zu verantworten.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände und vor dem Hintergrund - dass sich die Behörde um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bemüht / die Unterlagen des BF befinden sich derzeit zur Überprüfung in Rabat/Marokko - auch verhältnismäßig. Da die Covid-19 Maßnahmen auf die Ausstellung des Heimreisezertifikates keine Auswirkung haben, da dieses elektronisch und telefonisch betrieben werden kann, erweist sich die weitere Anhaltung als verhältnismäßig.

In diesem Zusammenhang war auch die Straffälligkeit des Beschwerdeführers zu berücksichtigen und §76 Abs. 2a FPG anzuwenden: „(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.“

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine - die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft - ändernden Umstände erkennen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.


Zu Spruchpunkt II. – Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Heimreisezertifikat Identität Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W140.2229611.2.00
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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