Entscheidungsdatum
31.08.2021Norm
AVG §57 Abs1Spruch
I406 2245723-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.08.2021, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.08.2021 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.08.2021 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Haft bzw. Schubhaft seit 17.08.2021 für rechtmäßig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der nunmehrige Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste noch als Minderjähriger unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 17.02.2017 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) vom 06.12.2017 gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise in der Dauer von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.10.2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur GZ W163 2180852-1/11E als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung erwuchs am 15.10.2019 in Rechtskraft.
Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, tauchte unter und reiste illegal nach Belgien weiter, wo er sich eigenen Angaben zufolge von 18.10.2019 bis 06.08.2020 aufhielt und am 23.10.2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte. In der Folge stellte er in Belgien am 22.01.2020 einen weiteren Asylantrag (siehe EURODAC-Treffer mit der Kennziffer 1 mit Belgien vom 23.10.2019 sowie vom 22.01.2020.).
Die belgischen Behörden stellen am 05.11.2019 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs.1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (in Folge: Dublin III-VO) an Österreich und stimmte Österreich der Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO mit Schreiben vom 13.11.2019 zu.
In der Folge wurde der Beschwerdeführer von den belgischen Behörden nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von sechs Monaten nach Österreich überstellt, wodurch die Zuständigkeit zur Durchführung seines Asylverfahrens gemäß der Dublin-Verordnung an Belgien überging.
Der Beschwerdeführer tauchte anschließend auch in Belgien unter und reiste erneut unrechtmäßig nach Österreich ein und brachte am 07.08.2020 in Österreich einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein und gab dabei an, er wäre am 06.08.2020 selbständig aus Belgien ausgereist und am selben Tag in Österreich angekommen.
Bei der Erstbefragung am 07.08.2020 gab der Beschwerdeführer unter anderem an, er habe keine Beschwerden oder Krankheiten, die ihn an dieser Einvernahme hindern oder das Asylverfahren in der Folge beeinträchtigen würden. Er habe in Belgien Dokumente erhalten, dass er das Land verlassen müsse, diese Dokumente habe er aber verloren oder in Belgien vergessen. Er sei am 06.08.2020 von Belgin über Deutschland (Durchreise) nach Österreich gereist. Befragt, warum er einen neuen Asylantrag stelle, gab der Beschwerdeführer an, weil sein Leben in Afghanistan in Gefahr sei. Er könne nicht mehr zurück nach Afghanistan und müsse daher hier einen Asylantrag stellen. Seit er 2017 geflüchtet sei, hätten die Taliban bei seiner Familie in Afghanistan immer wieder nach ihm gefragt, wo er sei. Seine Familie habe ebenfalls Angst bekommen und sei nach Pakistan geflüchtet. Er habe im Oktober 2019 Österreich verlassen, aus Angst, dass die Behörde ihn nach Afghanistan abschieben werde.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) richtete am 24.09.2020 einen auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO gestützten Aufnahmeantrag an Belgien.
Mit Schreiben vom 29.09.2020 gaben die zuständigen belgischen Behörden bekannt, dass Belgien der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach Art. 18 Abs. 1 lit.b Dublin III-VO zustimme.
Bei der Einvernahme des Beschwerdeführers durch das BFA am 08.10.2020 gab dieser unter anderem an, er fühle sich in der Lage die an ihn gestellten Fragen zu beantworten. Er sei gesund und benötige keine Medikamente. Er habe in Österreich einen Bruder. Über Vorhalt der beabsichtigten Außerlandesbringung nach Belgien gab der Beschwerdeführer an, er möchte hier leben. Er habe elf Monate in Belgien verbracht und von Belgien nichts bekommen. Es habe während seines Aufenthalts in Belgien keine konkret ihn betreffenden Vorfälle gegeben, er möchte aber hier leben, hier habe er seinen Bruder, er habe hier auch die Sprache gelernt und kenne auch andere Leute hier. In Belgien habe er nichts bekommen, er habe nicht einmal eine Karte bekommen.
Am 07.10.2020 wurde durch die PI XXXX versucht, dem Beschwerdeführer Unterlagen (Ladung zum Parteiengehör am 08.10.2020, Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 AsylG und § 52a Abs. 2 BFA-VG und die Länderinformationen zu Belgien) zuzustellen. Diese Zustellung konnte nicht vollzogen werden, da der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse nicht angetroffen werden konnte.
Mit Bescheid des BFA vom 23.10.2020, Zl. XXXX , wurde I. der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Belgien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Prüfung des Antrages zuständig ist, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG dessen Abschiebung nach Deutschland zulässig sei.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.11.2020, GZ. W161 2236686-1/2E, wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Entscheidung erwuchs somit am 24.11.2020 in 2. Instanz in Rechtskraft.
Am 04.12.2020 wurde versucht, den Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse und bei seinem Bruder für die Überstellung nach Belgien festzunehmen. Dabei wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer erneut untergetaucht war und er sich weder an seiner Meldeadresse aufhielt noch bei seinem Bruder. Es konnte jedoch telefonisch Kontakt aufgenommen werden und der Beschwerdeführer versicherte, ohne Kenntnis der bevorstehenden Abschiebung, dass er zur Polizeiinspektion XXXX kommen würde. Auf der Polizeiinspektion XXXX tauchte der Beschwerdeführer nicht auf, stattessen schaltete er sein Telefon aus und tauchte unter. Seit dem 04.12.2020 war dem BFA somit sein Aufenthaltsort nicht mehr bekannt.
Am 17.08.2021 ging der Beschwerdeführer zu einer Polizeiinspektion in Vorarlberg und stellte seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Nach Erstbefragung und Rücksprache mit dem Journaldienst der erkennenden Behörde wurden er gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und in das PAZ XXXX überstellt.
Noch im Rahmen der ersten Prognoseentscheidung wurde dem Beschwerdeführer am 17.08.2020 eine Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG ausgefolgt und ihm zur Kenntnis gebracht, dass Konsultationen gemäß der Dublin-VO mit Belgien geführt werden und dass im gegenständlichen Fall die in § 28 Abs. 2 AsylG normierte „20-Tages-Frist“ nicht mehr gilt.
Zudem wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass seinem dritten Antrag gemäß §12a Abs. 1 AsylG der faktische Abschiebeschutz nicht zukommt.
Eine weitere Vernehmung wurde nicht durchgeführt, da die Behörde davon ausging, dass diese keine neuen verfahrensrelevanten Erkenntnisse bringen würde und der Bescheid aufgrund der vorliegenden gesicherten Fakten erlassen werden könne.
Mit Verfahrensanordnung vom 18.08.2021 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Mit angefochtenem Mandatsbescheid vom 18.08.2021, Zl XXXX ordnete das BFA gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den Beschwerdeführer Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens an.
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mehrfach nach Österreich, nach Belgien und anderen EU-Staaten illegal eingereist und habe drei Asylanträge in Österreich, einen Asylantrag in Bulgarien und zwei Asylanträge in Belgien gestellt. Nach der letzten rechtskräftigen Entscheidung in Österreich vom 24.11.2020 sei er untergetaucht halte sich unrechtmäßig in Österreich auf. Im bisherigen Verfahren verhalte er sich unkooperativ, indem er sich jeder Abschiebung in Österreich als in Belgien durch Untertauchen entzogen haben. Der Beschwerdeführer besitze kein gültiges Reisedokument und könne Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht gemeldet. Er verfüge nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Er sei in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Sein Bruder, ebenfalls Staatsangehörigkeit Afghanistan, befinde sich seit Juli 2014 in Österreich und sei hier subsidiär schutzberechtigt. Eine Abhängigkeit oder besonders enge Beziehung zu diesem sei nicht gegeben. Weitere Angehörige oder sonstige Verwandte, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht, habe er in Österreich nicht.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsberatung fristgerecht am 24.08.2021 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das BFA gehe zu Unrecht davon aus, dass Fluchtgefahr bestehe. Er verfüge in Österreich über ein soziales Netzwerk, habe die Möglichkeit, bei einem Freund zu wohnen und sei daher für die Behörden greifbar. Die belangte Behörde habe nicht nachvollziehbar dargelegt, warum im Fall des Beschwerdeführers gelindere Mittel – etwa eine periodische Meldeverpflichtung oder eine allfällige angeordnete Unterkunftnahme – nicht in Frage kommen. Auch habe das BFA die Aufrechterhaltung der Schubhaft nach Stellung des Folgeantrages auf internationalen Schutz nicht gemäß § 76 Abs. 6 FPG mit Aktenvermerk festgehalten und dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht. Es wurde ein Antrag auf Ersatz der Aufwendungen gemäß § 35 Abs. 1 iVm Abs. 4 Z 1 VwGVG gestellt sowie ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
Das BFA legte dem Bundesverwaltungsgericht die Verfahrensakten vor und übermittelte eine Gegenschrift.
Am 30.08.2021 erfolgte per Videoschaltung eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinem Aufenthalt in Österreich
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger.
Der Beschwerdeführer ist haft- und vernehmungsfähig und gesund.
Der Beschwerdeführer spricht Paschtu als Muttersprache und etwas Deutsch.
Der Bruder des Beschwerdeführers XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, befindet sich seit Juli 2014 in Österreich und ist hier subsidiär schutzberechtigt. Eine Abhängigkeit oder besonders enge Beziehung zu diesem liegt nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich weder weitere Angehörigen noch sonstige Verwandte, zu denen ein Abhängigkeitsverhältnis bzw. eine besonders enge Beziehung besteht.
Der Beschwerdeführer ist im österreichischen Bundesgebiet nicht amtlich gemeldet.
Der Beschwerdeführer verfügt nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren.
Hinweise auf integrationsverstärkende Anhaltspunkte liegen nicht vor.
Der Beschwerdeführer hat bereits zwei Anträge auf internationalen Schutz in Österreich gestellt, beide wurden negativ entschieden.
Sein zweiter Antrag auf internationalen Schutz wurde rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen und besteht gegen ihn eine aufrechte Anordnung zur Außerlandesbringung nach Belgien. Diese Anordnung ist rechtskräftig und durchsetzbar.
Am 17.08.2021 stellten der Beschwerdeführer in Österreich seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Ihm wurde am selben Tag mitgeteilt, dass ihm gemäß § 12a AsylG der faktische Abschiebeschutz nicht zukommt.
Der Beschwerdeführer unterliegt einem Verfahren nach der Dublin-Verordnung.
Ein Konsultationsverfahren nach der Dublin-Verordnung mit Belgien wurde bereits am 24.09.2020 eingeleitet. Die Zustimmung der belgischen Behörden zur Übernahme des Beschwerdeführers erfolgte am 29.09.2020, die Überstellungsfrist endet mit 29.03.2022.
Der Beschwerdeführer brachte somit insgesamt drei Asylanträge in Österreich, weiters einen Asylantrag in Bulgarien und zwei Asylanträge in Belgien ein.
Der Beschwerdeführer ist nach der letzten rechtskräftigen Entscheidung vom 24.11.2020 untergetaucht und hielt sich unrechtmäßig in Österreich auf. Er reiste mehrfach nach Österreich, nach Belgien und anderen EU-Staaten illegal ein.
Der Beschwerdeführer verhielt sich somit im bisherigen Verfahren unkooperativ, indem er unrechtmäßig in Österreich verblieb und sich jeder Abschiebung in Österreich als in Belgien durch Untertauchen entzog.
Der Beschwerdeführer hat kein Aufenthaltsrecht in Österreich und den umliegenden Staaten. Er besitzt kein gültiges Reisedokument und kann Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. XXXX sowie dem Verwaltungsakt betreffend das Asylverfahren ("Dublin-Akt").
An der afghanischen Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers bestanden nie Zweifel und ist diese auch unstrittig.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Haftfähigkeit ergeben sich dem vorgelegten Verwaltungsakt, der telefonischen Auskunft des für die ärztliche Betreuung des PAZ XXXX zuständigen Arztes vom 30.08.2021 - wonach beim Beschwerdeführer keinerlei medizinische Auffälligkeiten, insbesondere nicht in psychischer Hinsicht, vorlägen - weiters den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2021 sowie dem Eindruck im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung.
Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu den Lebensumständen Beschwerdeführers sowie zu seinen Integrationsbemühungen und Familienangehörigen im Bundesgebiet getroffen wurden, beruhen diese auf dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2021. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine maßgebliche Verfestigung in beruflicher und sozialer Hinsicht in Österreich darzulegen.
Die Feststellungen betreffend die zwei negativ beschiedenen zwei Anträge auf internationalen Schutz in Österreich und die mit dem zweiten, rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesenen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen aufrechten, rechtskräftigen und durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung nach Belgien sind dem Verwaltungsakt und den Gerichtsakten zu entnehmen.
Aus dem "Dublin-Akt" ergibt sich die Überstellungsfrist. Dies wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert in Zweifel gezogen.
Im Bescheid vom 18.08.2021 wurden ausführliche Feststellungen dazu getroffen, dass sich der Beschwerdeführer dem Verfahren zur Außerlandesschaffung beharrlich entzogen hat. Diesen wurde in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten, insbesondere ist dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer sei freiwillig bereit, nach Belgien auszureisen, kein Glauben zu schenken. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2021 mehrfach erklärte, er wolle in Österreich bleiben.
3. Rechtliche Beurteilung
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Zu Spruchteil A)
Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 18.08.2021:
Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Aktuell liegt jedenfalls eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare Anordnung zur Außerlandesbringung bezogen auf Belgien vor.
Mit der Möglichkeit der Überstellung war bereits zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft realistisch zu rechnen. Zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt ist die Abschiebung/Überstellung bereits für 16.09.2021 organisiert.
Die belangte Behörde begründete die festgestellte erhebliche Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der bestehenden durchsetzbaren Anordnung zur Außerlandesbringung, der Entziehung aus dem Verfahren und der mangelnden Mitwirkung im Verfahren sowie der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates nach der Dublin-Verordnung. Das Bundesamt stützte sich dabei auf die Ziffern 1, 3, 5, 6a und 9 des § 76 Abs. 3.
Dem Vorliegen dieser Voraussetzungen wurde auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten (insbesondere nicht der Entziehung aus dem Verfahren sondern wurde deren Vorliegen vielmehr vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.08.2021 bestätigt.
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid auch auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass dieser nur gering ausgeprägt ist. Für substanzielle familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet gibt es keinerlei stichhaltigen Hinweis und wurden solche auch im Verfahren nicht belegt. Insbesondere ist auch zu dem in Österreich lebenden Bruder keine besondere Beziehung ersichtlich und besteht jedenfalls auch kein Abhängigkeitsverhältnis.
Besonders hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer selbst erklärt hat, auf eine amtliche Meldung bewusst verzichtet zu haben, um eine Abschiebung zu verhindern. Das Bundesamt prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG; die familiären Bindungen des Beschwerdeführers zu seinem Bruder und seine in der Beschwerde vorgebrachte Erwerbstätigkeit sowie die in der mündlichen Beschwerdeverhandlung getätigte Erklärung, er könne sich bei seinem Bruder melden, treten angesichts des Umstandes, dass er sich beharrlich und eingestandenermaßen dem Verfahren entzogen hat, in den Hintergrund.
Die belangte Behörde kam daher zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur (realistisch möglichen) Überstellung den Behörden nicht entziehen werde.
Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt erhebliche Fluchtgefahr besteht.
Auf Grund der festgestellten (erheblichen) Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:
Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: Der Beschwerdeführer hat sich dem von ihm selbst beantragten Asylverfahren beharrlich durch Untertauchen und Ausreise entzogen. Zudem gibt es keine Hinweise, dass seine Bindungen ihn von einem erneuten Untertauchen zur Vereitelung der aktuell geplanten Abschiebung und einem neuerlichen Aufenthalt im Verborgenen abhalten würden.
Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Belgien in zumutbarer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft ist nicht unverhältnismäßig, mit der Durchführung der Überstellung ist innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft ab 18.08.2021 abzuweisen.
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist weiters festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:
Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.
Für die Durchsetzung einer Überstellung ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch erneutes Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem über keine feststellbaren substanziellen familiären und sozialen Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem erneuten Untertauchen abhalten sollte. Dies insbesondere weil der Beschwerdeführer sich auch schon für rund neun Monate auf diese Weise einem Verfahren entzogen hat.
Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1, 3, 5 und 6a des § 76 Abs. 3 FPG unstrittig (weiterhin) erfüllt.
Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung im Sinne der Z 9 leg. cit. sind wie dargelegt im Verfahren (weiterhin) nicht hervorgekommen. Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen würden, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, soziale Anknüpfungspunkte, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall sind bereits diese exemplarisch genannten Punkte nur teilweise gegeben, andere wurden nicht dargelegt. Allerdings hat sich im gegenständlichen Verfahren erwiesen, dass die sozialen Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die Fluchtgefahr nicht substantiell reduzieren.
In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine erhebliche Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist. Überdies steht ein Überstellungstermin am 16.09.2021 - somit in unmittelbarer zeitlicher Nähe - bereits fest, woraus sich ein verdichteter Sicherungsbedarf ergibt.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Dies insbesondere aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers (das auch mehrere Monate des Aufenthalts im Bundesgebiet ohne Meldeadresse einschließt), und der äußerst geringen Zeitspanne bis zur (anberaumten) Abschiebung. Damit liegt auch die geforderte "ultima-ratio-Situation" für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zum Kostenersatz:
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Anhaltung aufenthaltsbeendende Maßnahme Ausreiseverpflichtung Entscheidungszeitpunkt Feststellungsverfahren Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Gefährdung der Sicherheit gelinderes Mittel Interessenabwägung Kostenersatz Mandatsbescheid mündliche Verhandlung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Untertauchen Verfahrenskosten Verhältnismäßigkeit Verzögerung VoraussetzungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:I406.2245723.1.00Im RIS seit
21.01.2022Zuletzt aktualisiert am
21.01.2022