Entscheidungsdatum
18.11.2021Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W176 2227740-1/19E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2019, Zl. 1094350802-191224014/BMI-BFA_WIEN_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), Folge gegeben und der Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.10.2015 vor der Landespolizeidirektion Wien einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen er im Wesentlichen damit begründete, aufgrund seiner vor zwei Jahren erfolgten Konversion zum Christentum von der iranischen Regierung verfolgt und mit Sanktionen bedroht worden zu sein.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 22.09.2017 wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Wie sich aus einem aktenkundigen Aktenvermerk vom 22.09.2017 ergibt, lag dem die Ansicht zugrunde, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Konversion zum Christentum bei einer Rückkehr in den Iran Verfolgung iSd Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) drohen würde. Der Beschwerdeführer sei bereits im Iran in Kontakt mit dem Christentum gekommen, sei in Österreich Mitglied der Evangelikalen Gemeinde XXXX geworden und habe sich schließlich am 05.06.2016 taufen lassen. Es sei glaubhaft, dass der Beschwerdeführer auch innerlich zum christlichen Glauben konvertiert sei, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl vorlägen.
3. Mit Protokollvermerk und gekürzter Urteilsausfertigung des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 04.12.2019, Zl. XXXX , rechtskräftig mit diesem Tag, wurde der Beschwerdeführer aufgrund I. des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall Strafgesetzbuch (StGB) iVm § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall sowie Abs. 4 Z 3 Suchtmittelgesetz (SMG), II. des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1. erster und zweiter Fall SMG, III. des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG und IV. des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 28a Abs. 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Das Strafgericht ging davon aus, dass der Beschwerdeführer I. im Juli 2019 einen abgesondert verfolgten unbekannten Täter bei der Einfuhr von mindestens 769 Gramm Methamphetamin Reinsubstanz (und somit Suchtgift in einer die Grenzmenge das 25-fache übersteigendenden Menge) von Niger nach Deutschland dadurch unterstützt habe, dass er sich schon vor des Versandes des Suchtgiftes bereit erklärt habe, dass das Paket an die Wohnadresse der XXXX (Lebensgefährtin des Beschwerdeführers) geliefert werden könne und dort von ihm entgegengenommen werde. Weiters wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt II. im August 2019 Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge mit dem Vorsatz erworben und besessen zu haben, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er von einem unbekannten Täter das Suchtgift entgegen genommen und für diesen bis er es wieder abgeholt habe aufbewahrt habe, III. von August 2017 bis August 2019 Suchtgift zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen zu haben sowie IV. Suchtgift in einer die Grenzmenge übersteigenden Menge einem anderen überlassen zu haben, indem er im Frühjahr oder Sommer 2019 100 Gramm Methamphetamin mit 33,1 Gramm Reinsubstanz Methamphetamin an einen abgesondert verfolgten unbekannten Täter übergeben habe.
Als mildernd wertete das Strafgericht das Geständnis und die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers sowie die Sicherstellung des Großteils des Suchtgiftes. Als erschwerend wurden das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie das 75-fache Überschreiten der Grenzmenge gewertet.
4. Am 17.12.2019 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und gab dabei zusammengefasst an, seit drei Jahren heroinabhängig zu sein; er nehme Substitol. Betreffend seine strafgerichtliche Verurteilung gab er an, dass dies ein Fehler gewesen sei und es ihm sehr leid tue; er verspreche, sobald er entlassen werde, werde er sein Leben in den Griff bekommen. Er werde einer Arbeit nachgehen und sich von Drogen fernhalten. Zu seinem Leben in Österreich führte er aus, seit ungefähr einem Jahr eine Freundin ( XXXX , eine afghanische Staatsangehörige) zu haben. Weiters würden sein Bruder, sein Onkel, seine Tante und seine Cousins in Österreich leben, mit denen er auch regelmäßig in Kontakt stehe. Sein Vater, seine Mutter und seine Geschwister würden nach wie vor im Teheran leben; gelegentlich telefoniere er mit ihnen. Er habe in Österreich noch nie gearbeitet, sei aber vor seiner Inhaftierung auf Arbeitssuche gewesen; er habe hier Deutschkurse besucht und die Prüfung auf Niveau A2 bestanden. Betreffend die beabsichtigte Aberkennung seines Asylstatus führte er aus, nicht in den Iran zurückkehren zu können. Sein Leben wäre dort in Gefahr; er sei zum Christentum konvertiert und aus diesem Grund würde ihm im Iran die Todesstrafe drohen.
5. Mit dem angefochtenen Bescheid erkannte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm nicht den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Iran unzulässig sei (Spruchpunkt V.), gewährte ihm eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise (Spruchpunkt VI.) und erließ gegen ihn ein Einreiseverbot in der Dauer von sechs Jahren (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei in Österreich wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden und sei als gemeingefährlich zu betrachten. Aufgrund der im Strafurteil als erschwerend gewerteten Umstände (Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen sowie das 75-fache Überschreiten der Grenzmenge) sowie der wirtschaftlichen Lage des Beschwerdeführers bzw. des zu erwarteten Erschwernis aufgrund seiner Verurteilung in Zukunft eine dauerhafte Beschäftigung zu finden, könne ihm derzeit keine positive Zukunftsprognose attestiert werden. Der Beschwerdeführer habe ihm Ergebnis den Aberkennungstatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG verwirklicht. Eine Abschiebung in den Iran sei aufgrund der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum jedoch als unzulässig erklären zu gewesen.
6. Gegen die Spruchpunkt I. bis IV. sowie VI. und VII. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde mit dem primären Antrag, den Bescheid zur Gänze zu beheben und festzustellen, dass ihm nach wie vor die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Er führte zusammengefasst aus, dass das von ihm begangene Verbrechen nicht als besonders schweres Verbrechen anzusehen sei. Unter Berücksichtigung der Milderungsgründe im Strafurteil sowie des Umstandes, dass er reuig sei, seinen Fehler einsehe und anstrebe, sein Leben wieder in Griff zu bekommen, einer Arbeit nachzugehen und sich von Drogen fernzuhalten, sei das begangene Verbrechen keineswegs als subjektiv besonders schwerwiegend anzusehen. Überdies sei er nicht als gemeingefährlich zu betrachten, zumal er bislang während seiner Haft keinerlei Probleme gehabt habe, er bestrebt sei nach seiner Entlassung eine Arbeit oder Ausbildung zu suchen und wieder im Kreis seiner Familie leben möchte. Es wäre ihm demnach eine positive Zukunftsprognose zu attestieren gewesen. Zudem habe belangte Behörde die vierte Voraussetzung für die Aberkennung – das Überwiegen der öffentlichen Interessen an seiner Aufenthaltsbeendigung gegenüber seinem Interesse am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat – nicht ausreichend geprüft. Ihm Ergebnis lägen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vor.
7. Am 08.09.2021 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer als Partei sowie XXXX als Zeugin vernommen wurden und weitere Unterlagen (ärztliche Bestätigung über eine Erhaltungstherapie, Arbeitszeugnis, Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Bestätigung der JA-Simmering gemäß §66a ALVG, Protokolls- und Beschlussvermerk des LG Strafsachen Wien zur bedingten Entlassung des Beschwerdeführers, Entlassungsbestätigung, Schreiben der Bewährungshelferin) vorgelegt wurden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Zum Beschwerdeführer
Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger, gehört der persischen Volksgruppe an und bekennt sich zum christlich-protestantischen Glauben. Er wurde im muslimischen Glauben erzogen, wandte sich jedoch bereits im Iran dem christlich-protestantischen Glauben zu und wurde schließlich in Österreich im Juni 2016 in der evangelikalen Gemeinde in XXXX getauft.
Er wuchs im Teheran auf, erfuhr dort 12 Jahre Schulbildung und arbeitete im Anschluss selbstständig als Automechaniker. Im Oktober 2015 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, dem mit Bescheid von September 2017 stattgeben wurde und ihm (aufgrund seiner Konversion zum Christentum) der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Im Dezember 2019 wurde der Beschwerdeführer – wie oben angeführt – strafgerichtlich rechtskräftig aufgrund (der zweifachen Begehung) des Verbrechens des Suchtgifthandels (einmal als unmittelbarer und einmal als Beitragsträger) sowie weiteren Vergehen nach dem SMG rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Von August 2019 bis Dezember 2020 befand sich der Beschwerdeführer in Haft (August bis Dezember 2019 in U-Haft, Dezember 2019 – Dezember 2020 in Strafhaft). Am 06.12.2020 wurde er aus der Haft – unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren – bedingt entlassen.
Der Beschwerdeführer lebt seither in einer privaten Unterkunft in 1020 Wien. Er führt seit vier Jahren eine Beziehung mit der afghanischen Staatsangehörigen XXXX , welche in Österreich ebenfalls asylberechtigt und zwei Kinder hat, zu welchen der Beschwerdeführer ein enges Naheverhältnis pflegt. Ein Bruder, ein Onkel, eine Tante sowie mehrere Cousins des Beschwerdeführers leben ebenfalls in Österreich und sind asylberechtigt. Der Beschwerdeführer pflegt ein enges Verhältnis mit seinen Familienangehörigen, welche ihn auch immer wieder während seiner Haft in der Justizanstalt besuchten. Der Beschwerdeführer besuchte in Österreich Deutschkurse und legte eine Deutschprüfung auf Niveau A2 ab. Er befand sich von November 2015 bis November 2017 in staatlicher Grundversorgung und bezieht seit Jänner 2018 bedarfsorientierte Mindestsicherung. Von 01.04.2021 bis 31.07.2021 war er beim Verein XXXX im Bereich der Fahrradwerkstatt tätig (von April bis Mai 2021 im Rahmen eines Volontariats bzw. „Arbeitstraining“; von Juni bis Juli 2021 als geringfügig angestellter Hilfsarbeiter [14h/Woche]), im Rahmen dessen er die Fahrradwerkstatt bei der Durchführung von Wartungs- Reparatur, - und Umbauarbeiten an verschiedenen Radmodellen unterstützte. Der Beschwerdeführer ist bestrebt, in Österreich Kraftfahrzeugtechniker zu werden.
Der Beschwerdeführer praktiziert seinen Glauben regelmäßig. Es ist davon auszugehen, dass er aus inneren Motiven zum Christentum konvertiert ist, sich diesem Glauben ernsthaft zugewandt hat und diesen auch in einem muslimisch geprägten Umfeld – wie bei einer Rückkehr in den Iran – innerlich sowie äußerlich ausleben würde.
1.2. Zur hier relevanten Situation im Iran
1.2.1. Allgemeine Politische Lage und Sicherheitslage
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik. Das Staatssystem beruht auf dem Konzept der „velayat-e faqih“, der Stellvertreterschaft des Rechtsgelehrten. Dieses besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen, bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“. Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei. Er steht noch über dem Präsidenten. Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und wesentlich mächtiger als der Präsident. Des Weiteren unterstehen ihm unmittelbar die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC), die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative.
Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidiales: an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident. Amtsinhaber ist seit 2013 Hassan Rohani, er wurde im Mai 2017 wiedergewählt. Der Präsident ist, nach dem Revolutionsführer, der zweithöchste Beamte im Staat. Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann.
Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen „unislamisches“ oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende 2017 war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was zu einer Halbierung der vollstreckten Todesurteile führte.
Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Die schwierige Wirtschaftslage und latenten Spannungen im Land führen periodisch zu Kundgebungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Preiserhöhungen oder mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei muss mit schweren Ausschreitungen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gerechnet werden sowie mit Straßenblockaden. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen. In diesen Minderheitenregionen kommt es unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund.
(Länderinformation der Staatendokumentation zum Iran vom 1. Juli 2021, S. 4 ff)
1.2.2. Religionsfreiheit
In Iran leben ca. 82 Millionen Menschen, von denen ungefähr 99% dem Islam angehören. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% sind Sunniten und der Rest verteilt sich auf Christen, Juden, Zoroastrier, Baha‘i, Sufis, Ahl-e Haqq und nicht weiter spezifizierte religiöse Gruppierungen. Der Islam schiitischer Prägung ist in Iran Staatsreligion. Gleichwohl dürfen die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten „Buchreligionen“ (Christen, Juden, Zoroastrier) ihren Glauben im Land relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe- und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Jegliche Missionstätigkeit kann jedoch als „mohareb“ (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Auch unterliegen Vertreter religiöser Minderheiten Beschränkungen beim Zugang zu höheren Staatsämtern. Nichtmuslime sehen sich darüber hinaus im Familien- und Erbrecht nachteiliger Behandlung ausgesetzt, sobald ein Muslim Teil der relevanten Personengruppe ist.
Anerkannte religiöse Minderheiten – Zoroastrier, Juden, (v.a. armenische und assyrische) Christen – werden diskriminiert. Nicht anerkannte religiöse Gruppen – Bahá‘í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi (Derwisch-Orden), Atheisten – werden in unterschiedlichem Ausmaß verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg im öffentlichen Dienst diskriminiert. Vertreter von anerkannten religiösen Minderheiten betonen immer wieder, wenig oder kaum Repressalien ausgesetzt zu sein. Sie sind in ihrer Religionsausübung – im Vergleich mit anderen Ländern der Region – nur relativ geringen Einschränkungen unterworfen. Darüber hinaus haben sie gewisse anerkannte Minderheitenrechte, etwa – unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Stärke – eigene Vertreter im Parlament. Fünf von 290 Plätzen im iranischen Parlament sind Vertretern von religiösen Minderheiten. Zwei dieser fünf Sitze sind für armenische Christen reserviert, einer für chaldäische und assyrische Christen und jeweils ein Sitz für Juden und Zoroastrier. Nichtmuslimische Abgeordnete dürfen jedoch nicht in Vertretungsorgane, oder in leitende Positionen in der Regie rung, beim Geheimdienst oder beim Militär gewählt werden und ihre politische Vertretung bleibt schwach.
Auch in einzelnen Aspekten im Straf-, Familien- und Erbrecht kommen Minderheiten nicht dieselben Rechte zu wie Muslimen. Es gibt Berichte von Diskriminierung von Nichtschiiten aufgrund ihrer Religion, welche von der Gesellschaft/Familien ausgeht und eine bedrohliche Atmosphäre kreiert. Diskriminierung geht jedoch hauptsächlich auf staatliche Akteure zurück.
Das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit wird sowohl durch Gesetze als auch im täglichen Leben systematisch verletzt. Die Behörden zwingen weiterhin Personen aller Glaubensrichtungen einen Kodex für Verhalten in der Öffentlichkeit auf, der auf einer strikten Auslegung des schiitischen Islams gründet. Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt.
Anerkannten ethnisch christlichen Gemeinden ist es untersagt, konvertierte Christen zu unterstützen. Gottesdienste in der Landessprache Farsi sind verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Teilweise werden einzelne Gemeindemitglieder vorgeladen und befragt. Unter besonderer Beobachtung stehen insbesondere auch hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden.
Schiitische Religionsführer, welche die Regierungspolitik nicht unterstützen, sind weiterhin Einschüchterungen und Verhaftungen ausgesetzt.
Laut der in den USA ansässigen NGO „United for Iran“ waren 2018 mindestens 272 Angehörige religiöser Minderheitengruppen aufgrund des Praktizierens ihrer Religion inhaftiert, 165 Gefangene wegen „Feindschaft gegen Gott“, 34 wegen ’Beleidigung des Obersten Führers und Ayatollah Khomeini’ und 20 wegen „Korruption auf Erden“.
Personen, die sich zum Atheismus bekennen, laufen Gefahr, willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und anderweitig misshandelt oder wegen Apostasie (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie jedoch sehr selten (wenn überhaupt noch vorhanden), bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gab es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war.
Zur Lage der Christen
Glaubwürdige Schätzungen sprechen von 100.000 bis 300.000 Christen in Iran, von denen der Großteil den armenischen Christen angehört. Diese leben hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Die armenischen Christen gehören zu den anerkannten religiösen Minderheiten, die in der Verfassung genannt werden. Ihnen stehen zwei der 290 Sitze im iranischen Parlament zu. Laut den konsultierten Quellen können armenische Christen – solange sie sich an die Gesetze der Islamischen Republik Iran halten – ihren Glauben relativ frei ausüben. Es gibt Kirchen, die auch von außen als solche erkennbar sind. Sie haben das Recht, religiöse Riten und Zeremonien abzuhalten, Ehen nach den eigenen religiösen Gesetzen zu schließen und auch Privatschulen zu betreiben. Persönliche Angelegenheiten und religiöse Erziehung können dem eigenen religiösen Kanon nach geregelt werden. Es gibt aber auch Einschränkungen, mit denen auch anerkannte religiöse Minderheiten zu leben haben, beispielsweise Nachteile bei der Arbeitssuche, islamische Bekleidungsvorschriften und Benachteiligungen insbesondere im Familien- und Erbrecht. Eine wichtige Einschränkung ist das Proselytismusverbot, das für alle religiösen Minderheiten gilt. Missionierung kann im Extremfall mit dem Tod bestraft werden. Nicht einmal Zeugen Jehovas missionieren in Iran.
Das Christentum ist in der iranischen Verfassung als Religion anerkannt. Den historisch ansässigen Kirchen, die vorwiegend ethnische Gruppierungen abbilden (die armenische, assyrische und chaldäische Kirche) wird eine besondere Stellung zuerkannt. Religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt; christliche Gottesdienste auf Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind generell verboten, ebenso die Verbreitung christlicher Schriften. Sonstige zahlenmäßig bedeutende Gruppen stellen Katholiken und Protestanten, die ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes haben. Die Mitglieder sind meist Konvertiten aus dem Islam. Grundrechtlich besteht „Kultusfreiheit“ innerhalb der Mauern der Gemeindezentren und der Kirchen. Jedoch haben Nichtmuslime weder Religionsfreiheit in der Öffentlichkeit, noch Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit. Jegliche missionarische Tätigkeit inklusive des öffentlichen Verkaufs von werbenden Publikationen und der Anwerbung Andersgläubiger ist verboten (Proselytismusverbot) und wird streng bestraft. Das Strafgesetz sieht für Proselytismus die Todesstrafe vor, wobei es in den letzten Jahren zu keinem derartigen Urteil kam. Infolge des Proselytismusverbots wird gegen evangelikale Gruppen („Hauskirchen“) oft hart vorgegangen (Verhaftungen, Beschlagnahmungen, vor ein paar Jahren auch angeblich vollstreckte Todesurteile). Autochthone Kirchen halten sich meist penibel an das Verbot.
Da Konversion vom Islam zu einer anderen Religion verboten ist, erkennt die Regierung nur armenische oder assyrische Christen an [abgesehen von Juden und Zoroastriern], da diese Gruppen schon vor dem Islam im Land waren, bzw. es sich um Staatsbürger handelt, die beweisen können, dass ihre Familien schon vor 1979 [Islamische Revolution] Christen waren. Sabäer-Mandäer werden auch als Christen geführt, obwohl sie sich selbst nicht als Christen bezeichnen. Staatsbürger, die nicht den anerkannten Religionsgemeinschaften angehören, oder die nicht beweisen können, dass ihre Familien schon vor der Islamischen Revolution Christen waren, werden als Muslime angesehen. Mitglieder der anerkannten Minderheiten müssen sich registrieren lassen.
Im Weltverfolgungsindex 2020 von Christen von Open Doors befindet sich Iran, wie im letzten Jahr, auf dem neunten Platz. Im Beobachtungszeitraum (November 2018 – Oktober 2019) wurden 169 Christen verhaftet, 114 von ihnen in einer einzigen Woche Ende 2018 (Open Doors 2020).
Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen
Apostasie (d.h. Religionswechsel weg vom Islam) ist im Iran zwar nicht im Strafgesetzbuch, aber aufgrund der verfassungsrechtlich verankerten islamischen Jurisprudenz verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel „mohareb“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“. In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie sehr selten, wenn überhaupt noch vorhanden. Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie ein bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen gab es mehrere Exekutionen wegen „mohareb“. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Fälle von Konversion gelten daher als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit und werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Nach anderen Quellen wurden im Jahr 2017 gegen mehrere christliche Konvertiten hohe Haftstrafen (zehn und mehr Jahre) verhängt [Anmerkung der Staatendokumentation: Verurteilungsgrund unklar]. Laut Weltverfolgungsindex 2020 wurden im Berichtszeitraum viele Christen, besonders solche mit muslimischem Hintergrund, vor Gericht gestellt und zu langen Gefängnisstrafen verurteilt bzw. warten noch auf ihren Prozess. Ihre Familien sind während dieser Zeit öffentlichen Demütigungen ausgesetzt.
Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Muslime dürfen daher nicht an Gottesdiensten anderer Religionen teilnehmen. Trotz des Verbots nimmt die Konversion weiter zu. Unter den Christen in Iran stellen Konvertiten aus dem Islam mit schätzungsweise mehreren Hunderttausend inzwischen die größte Gruppe dar, noch vor den Angehörigen traditioneller Kirchen. In Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind.
Einige Geistliche, die in der Vergangenheit in Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und nach Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Jedoch wird von familiärer Ausgrenzung berichtet, sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden (z.B. Eheschließung, soziales Leben).
Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit Konversion vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese Konversion ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich „konvertierte“ Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt.
Die Schließungen der „Assembly of God“-Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Dieser Anstieg bei den Hauskirchen zeigt, dass sie – obwohl sie verboten sind – trotzdem die Möglichkeit haben, zu agieren. Obwohl die Behörden die Ausbreitung der Hauskirchen fürchten, ist es schwierig, diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Nichtsdestotrotz werden sie teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren, deshalb organisieren sich die Hauskirchen in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Es ist eher unwahrscheinlich, dass die Behörden sofort reagieren, da diese zuerst Informationen über die Mitglieder sammeln und wissen wollen, wer in der Gemeinschaft welche Aufgaben hat. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weit verbreitet. Es kann jedoch nicht klargestellt werden, wie hoch die Kapazitäten zur Überwachung sind. Die Behörden können nicht jeden zu jeder Zeit überwachen, haben aber eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen.
In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitgliederwurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken und dies den Behörden melden. Ansonsten haben die Behörden eigentlich keine Möglichkeit eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen laufen Gefahr, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. In Bezug auf die Strafverfolgung von Mitgliedern von Hauskirchen besagt eine Quelle, dass eher nur die Anführer von Hauskirchen gerichtlich verfolgt würden, während eine andere Quelle meint, dass auch „low-profile“ Mitglieder davon betroffen sein können. Manchmal werden inhaftierte Anführer von Hauskirchen oder Mitglieder auf Kaution entlassen. Wenn es sich um einen prominenten Fall handelt, werden die Betroffenen von den Behörden gedrängt, das Land zu verlassen. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden unter der Bedingung wieder freigelassen, sich vom Missionieren fernhalten. Eine Vorgehensweise gegen Hauskirchen wäre, dass die Anführer verhaftet und dann wieder freigelassen werden, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Wenn sie das Missionieren stoppen, werden die Behörden in der Regel aufhören, Informationen über sie zu sammeln. Es soll auch die Möglichkeit geben, sich den Weg aus der Haft zu erkaufen.
Bei Razzien in Hauskirchen werden meist die religiösen Führer zur Verantwortung gezogen, vor allem aus politischen Gründen. Aufgrund der häufigen Unterstützung ausländischer Kirchen für Kirchen in Iran und der Rückkehr von Christen aus dem Ausland lautet das Urteil oft Verdacht auf Spionage und Verbindung zu ausländischen Staaten und Feinden des Islam (z.B. Zionisten), oder Bedrohung für die nationale Sicherheit. Diese Urteile sind absichtlich vage formuliert, um ein größtmögliches Tätigkeitsspektrum abdecken zu können. Darüber hinaus beinhalten die Urteile auch den Konsum von Alkohol während der Messe (obwohl der Alkoholkonsum im Rahmen der religiösen Riten einer registrierten Gemeinschaft erlaubt ist), illegale Versammlung, Respektlosigkeit vor dem Regime und Beleidigung des islamischen Glaubens. Den verhafteten Christen werden teilweise nicht die vollen Prozessrechte gewährt – oft werden sie ohne Anwaltsberatung oder ohne formelle Verurteilung festgehalten bzw. ihre Haft über das Strafmaß hinaus verlängert. Berichten zufolge sollen auch Kautionszahlungen absichtlich sehr hoch angesetzt werden, um den Familien von Konvertiten wirtschaftlich zu schaden. Im Anschluss an die Freilassung wird Konvertiten das Leben erschwert, indem sie oft ihren Job verlieren bzw. es ihnen verwehrt wird, ein Bankkonto zu eröffnen oder ein Haus zu kaufen. Die Regierung nutzt unverhältnismäßig hohe Kautionszahlungen, um verurteilte Christen vorsätzlich verarmen zu lassen.
Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten, und ob es auch im Ausland bekannt ist, ab. Normale Mitglieder von Hauskirchen riskieren, zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden, da die Behörden diese Personen schikanieren und einschüchtern wollen. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder das Unterrichten von anderen Personen im Glauben, dann kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.
Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, werden für die Behörden nicht von Interesse sein. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, dann wäre eine Rückkehr nach Iran kein Problem. Konvertiten, die ihre Konversion aber öffentlich machen, können sich Problemen gegenübersehen. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Der weitere Vorgang würde davon abhängen, was der Konvertit den Behörden erzählt. Wenn der Konvertit kein „high-profile“-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, wird der Konvertit wohl keine harsche Strafe bekommen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein würde nicht zu einer Verfolgung führen, aber es kann durchaus dazu führen, dass man beobachtet wird. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, würde er/sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um zum Beispiel Nachteile des Islam mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.
Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, kann nicht zweifelsfrei gesagt werden. Während Amnesty International und eine anonyme Quelle vor Ort aussagen, dass eine Taufe keine Bedeutung hat, ist sich ein Ausländer mit Kontakt zu Christen in Iran darüber unsicher; Middle East Concern, eine Organisation, die sich um die Bedürfnisse von Christen im Mittleren Osten und Nordafrika kümmert, ist der Meinung, dass eine dokumentierte Taufe die Behörden alarmieren und problematisch sein könnte.
Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Auch Publikationen, die sich mit dem Christentum beschäftigen und schon auf dem Markt waren, wurden konfisziert, obwohl es von der Regierung genehmigte Übersetzungen der Bibel gibt. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken.
(Länderinformation der Staatendokumentation zum Iran vom 1. Juli 2021, S. 42 ff)
1.2.3. Rückkehr
Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und nach Iran zurückkehren. Eine Einreise ist lediglich mit einem gültigen iranischen Reisepass möglich. Die iranischen Auslandsvertretungen sind angewiesen, diesen jedem iranischen Staatsangehörigen auf Antrag auszustellen.
Zum Thema Rückkehrer gibt es kein systematisches Monitoring, das allgemeine Rückschlüsse auf die Behandlung von Rückkehrern zulassen würde. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Allerdings ist davon auszugehen, dass Rückkehrer keinen aktiven Botschaftskontakt pflegen, der ein seriöses Monitoring ihrer Situation zulassen würde. Auch IOM Iran, die in Iran Unterstützungsleistungen für freiwillige Rückkehrer im Rahmen des ERIN-Programms anbietet, unternimmt ein Monitoring nur hinsichtlich der wirtschaftlichen Wiedereingliederung der Rückkehrer, nicht jedoch im Hinblick auf die ursprünglichen Flucht-gründe und die Erfahrungen mit Behörden nach ihrer Rückkehr. Australien zahlt Rückkehr-hilfe an eine bislang überschaubare Gruppe an freiwilligen Rückkehrern in Teheran in Euro aus.
Iranische Flüchtlinge im Nordirak können offiziell nach Iran zurückkehren. Dafür werden iranische Identitätsdokumente benötigt. Wenn Personen diese Dokumente nicht besitzen, können sie diese beantragen. Für die Rückkehr nach Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iranische Rückkehrer, die nicht aktiv kurdische Oppositionsparteien, wie beispielsweise die KDPI oder Komala unterstützen, werden nicht direkt von den Behörden ins Visier genommen werden. Sie können aber durchaus zu ihrem Leben im Nordirak befragt werden. Der Fall kann aber anders aussehen, wenn Rückkehrer Waffen transportiert haben, oder politisch aktiv sind und deshalb Strafverfolgung in Iran riskieren. Die Rückkehr aus einem der Camps in Nordirak kann als Zugehörigkeit zu einer der kurdischen Oppositionsparteien gedeutet werden und deshalb problematisch sein.
In Bezug auf Nachkommen von politisch aktiven Personen wird berichtet, dass es solche Rückkehrer gibt, aber keine Statistiken dazu vorhanden sind. Es ist auch durchaus üblich, dass Personen die Grenze zwischen Irak und Iran überqueren. Auch illegale Grenzübertritte sind weit verbreitet. Nachkommen von politisch aktiven Personen riskieren nicht notwendigerweise Strafverfolgung, wenn sie nach Iran zurückkehren. Ob solch ein Rückkehrer Strafverfolgung befürchten muss, würde von den Profilen der Eltern und wie bekannt diese waren, abhängen. Befragungen durch Behörden sind natürlich möglich, aber wenn sie beweisen können, dass sie nicht politisch aktiv sind und nicht in bewaffneten Aktivitäten involviert waren, wird wohl nichts geschehen.
Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen betroffen sein. Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online-Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab.
Das Verbot der Doppelbestrafung gilt nur stark eingeschränkt. Nach IStGB wird jeder Iraner oder Ausländer, der bestimmte Straftaten im Ausland begangen hat und in Iran festgenommen wird, nach den jeweils geltenden iranischen Gesetzen bestraft. Bei der Verhängung von islamischen Strafen haben bereits ergangene ausländische Gerichtsurteile keinen Einfluss. Insbesondere bei Betäubungsmittelvergehen drohen drastische Strafen. In jüngster Vergangenheit sind keine Fälle einer Doppelbestrafung bekannt geworden.
(Länderinformation der Staatendokumentation zum Iran vom 1. Juli 2021 S. 83 ff)
2. Beweiswürdigung
2.1. Die wesentlichen biografischen Feststellungen zum Beschwerdeführer beruhen auf seinen insofern glaubwürdigen Angaben vor der belangten Behörde sowie dem erkennenden Gericht. Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen in Österreich beruhen auf seinen Aussagen, den vorgelegten Unterlagen sowie diversen Auszüge (ZMR-Auszug, GVS-Auszug und Sozialversicherungsauszug). Die Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers gründen auf einem Strafregisterauszug sowie auf Einsicht in das im Akt beiliegende Strafurteil des LG für Strafsachen Wien.
Zur Konversion des Beschwerdeführers:
Evident ist zunächst, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2016 in Österreich getauft wurde. Dass er sich auch ernsthaft dem christlichen Glauben zugewandt hat, beruht auf dem vom Gericht gewonnenen Eindruck des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung, in welcher es diesem gelang seine Motivation für die Zuwendung zum christlichen Glauben schlüssig darzustellen und sein Wissen über christliche Glaubensinhalte durch die richtige Beantwortung diverser Glaubensfragen unter Beweis zu stellen. Dass der Beschwerdeführer ernsthaft innerlich konvertiert ist, wurde von der belangten Behörde überdies zu keinem Zeitpunkt bestritten.
2.2. Die Feststellungen zur Situation im Iran beruhen auf den genannten im Rahmen der Ladungen zur Beschwerdeverhandlung eingeführten Quellen, die schon die belangte Behörde (zum Teil) seinem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen, denen auch die Parteien nicht entgegentraten, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1 Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG 2005 vorliegt. Im vorliegenden Fall wurde die Asylaberkennung auf den in § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 genannten Ausschlussgrund gestützt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss (erstens) ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür (zweitens) rechtskräftig verurteilt worden, (drittens) gemeingefährlich sein und (viertens) müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109, mwN).
Unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ im Sinn von § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 29.8.2019, Ra 2018/19/0522, mwN), wobei es sich dabei um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK handelt (vgl. VwGH Ra 2017/19/0109, mwN).
Das im vorliegenden Fall herangezogene Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 4 SMG ist somit grundsätzlich vom Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ umfasst.
In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird betont, dass es bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, nicht allein auf die Strafdrohung ankommt. So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als „schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und es sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (vgl. VwGH Ra 2018/19/0522 mwN).
Im vorliegenden Fall ist aufgrund der mehrfachen (vierfachen) Verstöße des Beschwerdeführers gegen das SMG – insbesondere aufgrund der Tatsache, dass der Beschwerdeführer zweifach das Verbrechen des Suchtgifthandels beging und über einen Zeitraum von zwei Jahren selbst Suchtgift konsumierte – und in Anbetracht der Menge des gehandelten Suchtgiftes (75-fache Überschreiten der Grenzmenge) grundsätzlich von einem besonders schweren Verbrechen auszugehen (ähnlich VwGH 15.04.2020, Ra 2020/19/0003). Die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren liegt im unteren Bereich der möglichen Strafdrohung (Freiheitsstrafe von ein bis fünfzehn Jahren § 28a Abs. 4 Z 3 SMG); in Anbetracht der mehrfachen Verstöße nach dem SMG und der damit einhergehenden qualifizierten Suchtgiftdelinquenz ist jedoch dennoch vom Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens auszugehen.
Zur Gemeingefährlichkeit:
Betreffend das zweite Erfordernis für das Vorliegen des Aberkennungstatbestandes nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 – die Gemeingefährlichkeit – erkennt der VwGH in ständiger Rechtsprechung, dass bei einer auf § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 (vormals § 13 Abs. 2 zweiter Fall AsylG 1997) gestützten Entscheidung eine entsprechende Zukunftsprognose zu erstellen ist, wobei es auf das gesamte Verhalten des Betroffenen ankommt. Demgemäß ist seine Einstellung während der Dauer seines Aufenthaltes gegenüber dem Staat bzw. der Gemeinschaft der in diesem Staat lebenden Bürger und seine in diesem Zeitraum gesetzten Handlungen maßgeblich, welche geeignet sind, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden (siehe etwa VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Die Gewährung der bedingten Entlassung durch das dafür zuständige Gericht ist ohne Hinzutreten neuer Sachverhaltselemente ein klarer Anhaltspunkt für eine im Sinne der Voraussetzung einer "Gefahr für die Gemeinschaft" nicht ausreichend ungünstige Prognose (VwGH 03.12.2002, 99/01/0449).
Im vorliegenden Fall ist der Beschwerdeführer seit Oktober 2015 in Österreich aufhältig und in dieser Zeit (nur) einmal strafgerichtlich in Erscheinung getreten. Er wurde im Dezember 2020 aus der Freiheitsstrafe gemäß § 46 Abs. 1 und 2 StGB bedingt entlassen, was eine positive Zukunftsprognose des Beschwerdeführers nahelegt. Auch zeigt sich der Beschwerdeführer seit seiner Entlassung überaus bestrebt, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren und eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Er war von April bis Juli 2021 beim Verein XXXX in der Fahrradwerkstatt beschäftigt (April – Mai 2021 im Zuge eines Volontariats, Juni – Juli 2021 als geringfügig angestellter Hilfsarbeiter) und äußerte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht den Wunsch, Fahrzeugtechniker zu werden. Er legte weiters einen vom AMS ausgestellten „Qualifikationspass“ vor, in welchem sein Ausbildungsziel „Lehrabschlussprüfung für den Lehrberuf Kraftfahrzeugtechniker“ und die hierzu empfohlenen Schritte (Deutschkurs B1, Facharbeiterintensivausbildung – Lehrberuf Kraftfahrzeugtechniker) vermerkt sind und eine Bestätigung über die Vereinbarung eines Gesprächstermin mit dem ÖIF betreffend die Absolvierung eines weiteren Deutschkurses („5 Schritte zum Deutschkurs“, Beilage ./F) vor. Der Beschwerdeführer hat demnach schon erste Schritte gesetzt, um seinen Berufswunsch des Kraftfahrzeugtechnikers zu verwirklichen und damit ein ernsthaftes Bestreben, eine dauerhafte Beschäftigung in Österreich zu finden, gezeigt. Weiters befindet sich der Beschwerdeführer seit Juli 2021 in Erhaltungstherapie/Substitutionstherapie. Überdies legte er ein Schreiben seiner Bewährungshelferin vom 08.09.2021 vor, in welchem diese den Verlauf seiner Betreuung als äußerst positiv beschrieb und ausführte, dass der Beschwerdeführer seine Termine ausnahmslos einhalte, paktfähig und zuverlässig sei und überaus bestrebt sei, sein Leben deliktfrei zu führen. Überdies zeigte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht Reue für die begangenen Straftaten und betonte mehrmals, dass dies ein großer Fehler gewesen sei und er so etwas nie wieder machen werde. Weiters führt der Beschwerdeführer seit vier Jahre eine Partnerschaft mit einer afghanischen (in Österreich) Asylberechtigten, zu dessen Kindern er auch ein enges Naheverhältnis pflegt. Überdies befinden sich zahlreiche Familienangehörige des Beschwerdeführers in Österreich.
Aufgrund dieser Umstände gelangt das Bundesverwaltungsgericht zur Auffassung, dass nicht von einer weiterhin gegebenen Gemeingefährlichkeit ist der Beschwerdeführer ausgegangen werden kann; daher ist gegenständlich bereits diese Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ([...] und wegen dieses Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet) nicht erfüllt.
Überdies wäre im Rahmen der sodann vorzunehmenden Interessensabwägung zu beachten, dass der Beschwerdeführer zum Christentum konvertiert ist und seinen Glauben auch ernsthaft auslebt. Im Hinblick auf die Länderberichte, wonach der Abfall vom Islam (Apostasie) mit langen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe bedroht ist, liefe der Beschwerdeführer daher bei einer Rückkehr in den Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, einer lebensbedrohlichen Verfolgungsgefahr ausgesetzt zu sein. Es sind demnach (auch) die Interessen des Beschwerdeführers am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat als überwiegend gegenüber dem öffentlichen Interesse an seiner Aufenthaltsbeendigung zu werten, weshalb auch diese Voraussetzung für die Aberkennung des Asylstatus nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG nicht erfüllt ist.
Im Ergebnis liegen demnach die Voraussetzungen für eine Aberkennung des Asylstatus nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG nicht vor, weshalb der Beschwerde Folge zu geben und der Bescheid ersatzlos zu beheben war.
3.2. Zur Unzulässigkeit der Revision
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass dem Beschwerdeführer nicht der Status des Asylberechtigten abzuerkennen war, bewegt sich im Rahmen der angeführten Rechtsprechung des VwGH (siehe insb. VwGH 15.04.2020,
Ra 2020/19/0003 und VwGH vom 03.12.2002, 99/01/0449); im Übrigen waren im Wesentlichen Tatfragen und Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.
Schlagworte
Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Asylausschlussgrund Behebung der Entscheidung besonders schweres Verbrechen ersatzlose Behebung Rückkehrentscheidung behoben strafrechtliche Verurteilung Suchtgifthandel Voraussetzungen ZukunftsprognoseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2021:W176.2227740.1.00Im RIS seit
14.01.2022Zuletzt aktualisiert am
14.01.2022